BT-Drucksache 16/9584

Milcherzeuger und Produzenten stärken, Konzernmacht im Einzelhandel beschränken

Vom 16. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9584
16. Wahlperiode 16. 06. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Dr. Barbara Höll, Dr. Gesine Lötzsch,
Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Roland
Claus, Lutz Heilmann, Hans-Kurt Hill, Katrin Kunert, Michael Leutert, Ulla Lötzer,
Dorothee Menzner, Kornelia Möller, Dr. Herbert Schui, Dr. Kirsten Tackmann,
Dr. Axel Troost und der Fraktion DIE LINKE.

Milcherzeuger und Produzenten stärken, Konzernmacht im Einzelhandel
beschränken

Die Auseinandersetzungen um den Preis von Milcherzeugerpreisen und -produk-
ten haben die ungleichen ökonomischen Machtverhältnisse zwischen Primärer-
zeugungs- und Verarbeitungsstufe sowie Lebensmitteleinzelhandel deutlich ge-
macht. Die Branche ist im Handelssektor hoch konzentriert. Fünf große Lebens-
mittelkonzerne (Aldi, Edeka, Rewe, Metro und die Schwarz-Gruppe) erreichen
zusammen einen Marktanteil von rund 70 Prozent. Es gibt ca. 100 Molkereien.
Dagegen stehen auf der Angebotsseite 100 000 Milcherzeuger. Letztere haben in-
dividuell kaum Verhandlungsmacht. Sie haben sich deshalb kollektiv organisiert,
um gegen den Preisdruck großer Einzelhandelskonzerne vorzugehen.

Es stellt sich die Frage, welche politischen Rahmenbedingungen gebraucht
werden, um den Missbrauch der Marktmacht einiger weniger großer Einzelhan-
delskonzerne zu verhindern, ihre Marktmacht zu beschränken und um die Ver-
einigung und Kooperation kleiner Produzenten zu unterstützen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie haben sich die Marktanteile der zehn größten Unternehmen in wichti-
gen Teilmärkten des Einzelhandels, insbesondere im Lebensmittelhandel, in
den letzten 20 Jahren entwickelt?

2. Wie gestalten sich derzeit nach Ansicht der Bundesregierung die ökono-
mischen Machtverhältnisse zwischen Einzelhandelskonzernen, Molkereien
und Milcherzeugern?

3. Haben sich in den vergangenen 40 Jahren in Deutschland aus Sicht der Bun-
desregierung die Machtverhältnisse im Bereich des Lebensmittelhandels
(insbesondere die Beziehung zwischen Lebensmittelproduzenten und Ein-
zelhändlern) maßgeblich verändert?

Wenn ja, – inwiefern, und welche Ursachen sieht die Bundesregierung?
4. Welche Verfahren bzw. Ermittlungen des Kartellamts wegen des Verdachts
auf Preisabsprachen gibt es derzeit im Bereich des Lebensmittelhandels, und
wie viele derartige Verfahren hat es jeweils in den vergangenen zehn Jahren
gegeben?

5. Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, in hochkonzentrierten
Branchen durch staatliche Stellen eine regelmäßige Preisbeobachtung
durchzuführen, und wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

Drucksache 16/9584 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
6. Welchen Zusammenhang sieht die Bundesregierung zwischen der fort-
schreitenden Konzentration im Einzelhandel und den Preis- und Rabatt-
schlachten der vergangenen zehn Jahre?

7. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf, um den geänderten ökonomi-
schen Verhältnissen im Einzelhandel mit einer deutlichen Konzentration
auf der Abnehmerseite durch ein geändertes Kartellrecht Rechnung zu tra-
gen, und wie begründet sie ihre Antwort?

8. Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, die Schwellenwerte nach
§ 19 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) – Miss-
brauch einer marktbeherrschenden Stellung – mit Blick auf Nachfrage-
macht niedriger anzusetzen, und wie begründet sie ihre Haltung?

9. Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, die Schwellenwerte nach
§ 20 GWB (Diskriminierungsverbot, Verbot unbilliger Behinderung) in der
praktischen Handhabung hinsichtlich der Nachfragemacht niedriger anzu-
setzen, etwa deutlich unter einem Grenzwert von 10 Prozent Umsatzanteil,
und wie begründet sie ihre Haltung?

10. Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, § 21 GWB (Boykott-
verbot, Verbot sonstigen wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens) dahin-
gehend zu ändern, dass Ausnahmen erlaubt sind, wenn das Ziel solcher
Aktivitäten darin besteht, existenzsichernde Preise für die Produzenten zu
erwirken und wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

11. Kennt die Bundesregierung aktuellere Zahlen zur Gewinnsituation im Ein-
zelhandel als die der Deutschen Bundesbank (Monatsbericht Juni 2006),
wonach im Einzelhandel in den Jahren 2003/2004 trotz schlechter konjunk-
tureller Lage jeweils zweistellige Milliardengewinne erzielt wurden?

Wenn ja, wie lauten diese?

Wenn nein, warum gibt es keine aktuellen Zahlen?

12. Sollte nach Ansicht der Bundesregierung die Politik aus gesamtgesell-
schaftlichen Interessen Einfluss nehmen auf die Gewinnverteilung inner-
halb des Einzelhandels, etwa wenn große Einzelhandelskonzerne Milliar-
dengewinne erzielen, aber die Einkommen der Produzenten stagnieren
oder sinken?

13. Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, in Branchen mit hoher
wirtschaftlicher Konzentration marktmächtige Unternehmen dazu zu ver-
pflichten, regelmäßig Bericht abzulegen über Preisgestaltung, Gewinne
und andere zentrale Unternehmenskennzahlen, um so einen Einblick in die
Wertschöpfungskette zu erhalten und gegebenenfalls in die Gewinnvertei-
lung der Branche lenkend eingreifen zu können, und wie begründet die
Bundesregierung ihre Haltung?

14. Plant die Bundesregierung Änderungen am Marktstrukturgesetz, um die
Marktposition der Milcherzeuger zu verbessern, und wenn ja, welche?

15. Wie wirken sich nach Ansicht der Bundesregierung die mit der Abschaf-
fung der Milchquote im Jahr 2015 verbundenen Quotenerhöhungen auf die
Position der Milchproduzenten aus?

16. Warum nutzt die Bundesregierung im Zusammenhang mit den Milchpreis-
diskussionen nicht die von ihr selbst geschaffene Möglichkeit, gegen Ver-
kauf unter Einstandspreis vorzugehen?

Berlin, den 10. Juni 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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