BT-Drucksache 16/8288

Schutz des Personals in Diplomatenhaushalten

Vom 20. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8288
16. Wahlperiode 20. 02. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Marieluise Beck (Bremen), Volker
Beck (Köln), Dr. Uschi Eid, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Monika Lazar, Hans-Christian Ströbele, Jürgen Trittin, Josef Philip Winkler und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Schutz des Personals in Diplomatenhaushalten

Wiederholt wurde in den vergangenen Jahren von Fällen berichtet, in denen in
Diplomatenhaushalten in Deutschland Hausangestellte auf erschreckende Weise
ausgebeutet wurden, sie teilweise auch Gewalt durch ihre Arbeitgeber ausge-
setzt waren. Auf rechtlichem Wege können Diplomaten und Diplomatinnen
nicht zur Rechenschaft gezogen werden, da sie diplomatische Immunität genie-
ßen. Grundsätzlich gilt allerdings, dass nach deutscher Rechtsprechung sitten-
widrige Arbeitsverhältnisse nicht durch Erteilung von Protokollausweisen oder
Einreisevisa durch das Auswärtige Amt unterstützt werden dürfen. Laut einer
Rundnote vom April 2003 stimmt das Auswärtige Amt der Einreise von privaten
Hausangestellten nur zu, wenn per Verbalnote versichert wurde, dass die in
Deutschland geltenden arbeits- und sozialrechtlichen Mindeststandards einge-
halten werden. Zusätzlich haben sich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2004 er-
folgreich dafür eingesetzt, dass das Auswärtige Amt eine offizielle Lohnunter-
grenze für in Diplomatenhaushalten Beschäftigte festsetzt. Bei Nichteinhaltung
wird Visaanträgen nicht stattgegeben, bzw. werden Protokollausweise nicht aus-
gestellt. Auch diese Information wurde per Rundnote an alle Botschaften und in-
ternationalen Organisationen verteilt. Die Visaantragstellenden sind darauf hin-
zuweisen, dass sie Anspruch auf einen schriftlichen Arbeitsvertrag haben, in
dem ein Lohn zumindest in der geregelten Mindesthöhe angegeben sein muss.
Auch muss ein Beratungsgespräch geführt werden.

Im Januar 2008 berichteten die Medien jedoch von einem weiteren Ausbeu-
tungsfall in Berlin. Eine Indonesierin war von einem jemenitischen Diplomaten
viereinhalb Jahre eingesperrt, geschlagen und unbezahlt fast rund um die Uhr
zur Arbeit gezwungen worden. Angesichts solcher Vorkommnisse stellt sich die
Frage, welche Vorkehrungen das Auswärtige Amt trifft, damit die grundlegen-
den Arbeitsrechte der Hausangestellten in Deutschland auch faktisch geschützt
und nach deutscher Rechtsprechung sittenwidrige Arbeitsverhältnisse nicht
durch Protokollausweise unterstützt werden.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Protokollausweise sind derzeit für private Hausangestellte in
Diplomatenhaushalten vergeben?

2. In welchen Städten Deutschlands halten sich diese Personen vorwiegend auf?

Wie viele davon in Berlin?

Drucksache 16/8288 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Wie hoch ist der Anteil der Frauen an den Hausangestellten?

4. Aus welchen Ländern kommen die Hausangestellten?

Wie sieht die prozentuale Verteilung aus?

5. Welche Bedingungen müssen Hausangestellte erfüllen, um einen Protokoll-
ausweis zu erhalten?

b) Wie ist das Verfahren für das Ausstellen der Protokollausweise?

a) Wohin können sich Hausangestellte bei ausländerrechtlichen Schwierig-
keiten wenden?

6. Welche Bedingungen müssen Diplomatinnen und Diplomaten erfüllen, um
einen Protokollausweis für ausländische Hausangestellte zu erhalten?

a) Müssen sie zur Ausstellung eines Protokollausweises einen schriftlichen
Arbeitsvertrag vorlegen?

b) Wie prüft die Bundesregierung die Einhaltung folgender Mindeststan-
dards: Angemessener Lohn, Begrenzung der Arbeitszeit, angemessene
Krankenversicherung, Urlaubsanspruch, Anspruch auf Lohnfortzahlung
im Krankheitsfall?

c) Wie sehen die Protokoll- oder verwaltungsinternen Richtlinien dazu aus?

d) Was unternimmt das Auswärtige Amt, wenn die Arbeitsbedingungen
nicht dem deutschen Arbeitsrecht entsprechen?

7. Von wie vielen Fällen hat die Bundesregierung Kenntnis, in denen Haus-
angestellte

a) keinen angemessenen Lohn erhalten haben,

b) Gewalt durch die Arbeitgeber ausgesetzt waren,

c) nicht krankenversichert waren,

d) nicht ausreichend verpflegt worden sind,

e) anderen Vorkommnissen ausgesetzt waren, die den Missbrauch von Haus-
angestellten nahelegen könnten?

Was hat die Bundesregierung in all diesen Fällen unternommen?

8. Können Hausangestellte von Diplomatenhaushalten ihre Arbeitsstelle wech-
seln?

a) Falls ja, wie sieht das Verfahren hierzu aus?

b) Falls nein, gibt es hier Ausnahmetatbestände wie zum Beispiel bei Gewalt
durch die Arbeitgeber und/oder Nichteinhaltung arbeitsrechtlicher Min-
deststandards?

c) Wie ist das Verfahren in diesen Fällen?

d) Welche Zufluchtsmöglichkeit haben Hausangestellte, die Gewalt durch
ihre Arbeitgeber erfahren? Wer kommt in diesem Fall für ihren Lebens-
unterhalt auf?

9. An welche Stellen können sich Hausangestellte von Diplomatenhaushalten
wenden, wenn arbeitsrechtliche Mindeststandards nicht eingehalten werden
oder einer der unter Frage 7 genannten Fälle auftritt?

a) Wie verfährt die entsprechende Stelle in diesen Fällen?

b) Gibt es einen Fonds für finanzielle Ansprüche gegenüber Diplomatinnen
und Diplomaten, insbesondere bei Lohnansprüchen, Schadensersatz oder

Schmerzensgeldforderungen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8288

10. Werden weitere Protokollausweise für Hausangestellte in einem Diploma-
tenhaushalt ausgestellt, wenn das Auswärtige Amt in diesem Haushalt von
einem Fall der Gewalt gegenüber Hausangestellten und/oder der Nichtein-
haltung arbeitsrechtlicher Mindeststandards Kenntnis hat?

11. a) Teilt die Bundesregierung die von der Parlamentarischen Versammlung
des Europarates in ihrer Empfehlung (REC 1523 (2001)) zur Thematik
der ‚Sklaverei in der Hausarbeit‘ (Domestic Slavery) u. a. in Diploma-
tenhaushalten zum Ausdruck gebrachten Ansicht, dass ein Widerspruch
im Internationalen Recht zwischen der Wiener Konvention und Artikel 6
der Europäischen Menschenrechtskonvention besteht, der den Zugang
zur Justiz für alle Menschen sichert?

b) Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung zur Umsetzung der in der
Empfehlung enthaltenen Vorschläge an die Mitgliedstaaten ergriffen,
und welche beabsichtigt sie zu ergreifen, insbesondere in Bezug auf die
Änderung des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehun-
gen, um die diplomatische Immunität für Akte des Privatlebens der
Diplomaten aufzuheben (Punkt 10.iv. der Empfehlung)?

c) Welche der unter Punkt 10.vi. in der Empfehlung aufgeführten Maßnah-
men zum Schutz der Betroffenen vor Sklaverei in der Hausarbeit gedenkt
die Bundesregierung für die Betroffenen zu treffen?

12. Welche Maßnahmen und Programme führt die Bundesregierung speziell zur
Bekämpfung des Menschenhandels für die Zwecke der Ausbeutung von Ar-
beitskräften durch, um Artikel 5 Nummer 2 der „Europaratskonvention zur
Bekämpfung des Menschenhandels“ zu entsprechen, nach der jede Partei
wirksame Verfahrensweisen oder Programme entwickeln und/oder verstär-
ken soll, mit dem Zweck, Menschenhandel zu verhüten, und nutzt sie dabei
die vorgesehenen Mittel wie Forschung, Information, Bewusstseinsförde-
rung und Bildungskampagnen, soziale und wirtschaftliche Initiativen und
Schulungsprogramme?

13. An welchen multilateralen Initiativen zur Bekämpfung des Menschenhan-
dels für die Zwecke der Ausbeutung von Arbeitskräften beteiligt sich die
Bundesregierung?

Welche Initiativen unterstützt sie, um die internationalen Standards zur
Bekämpfung des Menschenhandels für die Zwecke der Ausbeutung von
Arbeitskräften zu stärken und für eine bessere Umsetzung der Standards
weltweit zu sorgen?

Welche multilateralen Initiativen unterstützt die Bundesregierung zum
Schutz der Opfer von Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung von
Arbeitskräften?

Berlin, den 25. Februar 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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