BT-Drucksache 16/7306

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/6000, 16/6002, 16/6423, 16/6424, 16/6425- Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2008 (Haushaltsgesetz 2008)

Vom 27. November 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7306
16. Wahlperiode 27. 11. 2007

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Anja Hajduk, Alexander Bonde, Anna Lührmann, Kerstin
Andreae, Cornelia Behm, Birgitt Bender, Dr. Thea Dückert, Dr. Uschi Eid, Hans-
Josef Fell, Priska Hinz (Herborn), Dr. Anton Hofreiter, Jerzy Montag, Kerstin Müller
(Köln), Omid Nouripour, Brigitte Pothmer, Krista Sager, Irmingard Schewe-Gerigk,
Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick, Silke Stokar von Neuforn, Dr. Harald Terpe,
Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/6000, 16/6002, 16/6423, 16/6424, 16/6425 –

Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für
das Haushaltsjahr 2008 (Haushaltsgesetz 2008)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Große Koalition hat die erste Hälfte der Legislatur trotz bester Rahmen-
bedingungen für Haushaltskonsolidierung ungenutzt verstreichen lassen.

Die Koalition aus CDU, CSU und SPD (Große Koalition) hat die einmalige
Chance der sprudelnden Steuerquellen und der starken Konjunktur während der
ersten Hälfte der Legislatur völlig verschlafen. Die Fraktionen der CDU/CSU
und SPD dokumentieren mit dem vorliegenden Haushaltsgesetz 2008, dass sie
noch immer nicht willens und in der Lage sind, notwendige Schritte zum Abbau
der nach wie vor milliardenschweren Defizite in Angriff zu nehmen. Mit dem
Bundeshaushalt 2008 setzt die Große Koalition auf waghalsige Finanztrans-
aktionen und unsolide sowie nicht gegenfinanzierte Ausgabenpolitik, anstatt
den konjunkturellen Rückenwind für eine inhaltliche Prioritätensetzung und
zur Haushaltskonsolidierung zu nutzen. Bei steigenden Steuereinnahmen um
2,7 Prozent werden die Ausgaben zwischen 2007 und 2008 um vier Prozent er-
höht. Eine solche Haushaltspolitik ist ein exemplarisches Symbol der Kraft- und
Mutlosigkeit der Großen Koalition, denn nicht große Reformen stehen auf dem
Programm, sondern die Befriedigung von nicht gegenfinanzierten Ausgaben-

wünschen. Diese Politik verkennt, dass dies eine riskante und naive Wette auf
eine beständig brummende Konjunktur darstellt und dass nach guten Jahren
auch schwächere folgen können.

Nettokreditaufnahme sinkt trotz hoher Mehreinnahmen nicht deutlich

Die Nettokreditaufnahme im Jahr 2008 soll 11,9 Mrd. Euro betragen. Im Jahr
2009 soll diese in der Finanzplanung nur leicht auf 10,5 Mrd. Euro sinken, um

Drucksache 16/7306 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

dann im Jahr 2010 auf 6 Mrd. Euro und schließlich im Jahr 2011 auf Null ab-
gebaut zu werden. Eine solche Haushaltspolitik ist grob fahrlässig, weil in den
aktuell konjunkturell ausgezeichnet laufenden Wirtschaftsjahren Überschüsse
für weniger gute Zeiten erwirtschaftet werden müssten. Darauf zu setzen, dass
der laufende Aufschwung bis 2011 und weiter anhält, und deshalb erst bis dahin
gerade einmal einen Haushaltsausgleich anzustreben, ist deshalb haushaltspoli-
tisch naiv und setzt ein völlig falsches Signal.

Für das Haushaltsjahr 2008 wäre eine Neuverschuldung von rund 6,5 Mrd. Euro
darstellbar. Damit wäre bereits für das Jahr 2009 ist ein ausgeglichener Haushalt
möglich. Gerade vor dem Hintergrund der erheblichen Steuermehreinnahmen
für das laufende Jahr 2007 und guter Prognose für das Jahr 2008 ist der vorlie-
gende Haushalt 2008 deutlich zu ambitionslos. Für das Jahr 2007 wurde bei
Haushaltsbeschluss eine Nettokreditaufnahme von 19,6 Mrd. Euro veranschlagt.
Durch die laufende Konjunktur sind für den Bund Mehreinnahmen im laufenden
Jahr in Höhe von über elf Mrd. Euro zu erwarten. Deshalb könnte man im Jah-
resabschluss 2007 eine Nettokreditaufnahme von „nur“ noch neun Mrd. Euro er-
reichen. Stattdessen schüttet die Große Koalition im Nachtragshaushalt 2007
das Füllhorn aus und belässt es bei einer Neuverschuldung von 14,4 Mrd. Euro.
Wenn nun auch im Haushaltsjahr 2008 die Nettokreditaufnahme immer noch
mit 11,9 Mrd. Euro deutlich zweistellig ist, wird deutlich, dass die Koalition ge-
radezu das Gegenteil konsequenter Konsolidierungsbemühungen betreibt – ein
Armutszeugnis und haushaltspolitischer Offenbarungseid!

Übersicht über Haushaltseckdaten 2007 und 2008 in Mrd. Euro

In Anbetracht des erreichten Haushaltsausgleichs einiger Bundesländer und an-
derer EU-Mitgliedstaaten betont der Deutsche Bundestag, dass die für den Haus-
halt 2008 geplanten Stellschrauben politisch falsch justiert sind. Die Notwendig-
keit zu konsequenter Haushaltskonsolidierung wird durch die Ergebnisse der
Novembersteuerschätzung 2007 und des Gutachtens des Sachverständigenrates
zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (ebenfalls Novem-
ber 2007) unterstrichen. Die Steuerschätzer machen in ihrer Prognose deutlich,
dass das durch die Koalition gefühlte haushaltspolitische Schlaraffenland stetig
wachsender Steuermehreinnahmen verfehlt ist. Zwar wachsen die Steuereinnah-
men in der Prognose für 2008 im Vergleich zu 2007 um 2,7 Prozent, von den
zum Teil zweistelligen Wachstumsraten der vorangegangen Quartale allerdings
kann keine Rede mehr sein. Auch der Sachverständigenrat mahnt. Die Prognose
für das Wirtschaftswachstum im Jahr 2008 wird auf 1,9 Prozent abgesenkt, also
ein knappes Prozent unter die sich abzeichnende Entwicklung für das laufende
Jahr 2007.

Die Lastenverschiebung zwischen Bundeshaushalt und Bundesagentur für
Arbeit muss beendet werden

Die Einsparungen im Bundeshaushalt 2008 werden in erster Linie durch eine
Lastenverschiebung hin zur Bundesagentur für Arbeit erreicht. Den Sozialver-

2007 2007
Nachtrag

2008 Änderung 2007 –
Nachtrag zu 2008

(in Mrd. €)

Steuereinnahmen 220,5 231,7 238,0 + 6,3

Privatisierungserlöse 9,2 4,6 10,7 + 6,1

Nettokreditaufnahme 19,6 14,4 11,9 – 2,5

Ausgaben 270,5 272,3 283,2 + 10,9
sicherungsträgern zusätzliche Kosten aufzubürden, hat bei der Großen Koalition

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7306

mittlerweile Tradition. Bereits im Haushalt 2007 reduzierte der Bundesminister
der Finanzen seine Ausgaben um 2,1 Mrd. Euro, indem die vom Bund zu ent-
richtenden Rentenversicherungsbeiträge für ALG-II-Empfänger von 78 Euro
auf 40 Euro im Monat abgesenkt wurden. In kommenden Jahr belastet die Große
Koalition die Bundesagentur für Arbeit insgesamt mit 10,8 Mrd. Euro. Die
Bundesagentur für Arbeit wird zwar dieses Jahr voraussichtlich einen Über-
schuss von 6,5 Mrd. Euro erwirtschaften. Eine vergleichbare positive Finanz-
entwicklung im kommenden Jahr wird aber voraussichtlich nicht mehr ausrei-
chen, um den Haushalt der Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2008 auszuglei-
chen. Die Bundesagentur wird von ihren Reserven zehren müssen.

Durch diese Finanztransaktionen vermischt die Große Koalition die steuer- und
beitragsfinanzierte Arbeitsmarktpolitik. Es ist notwendig, den Zuschuss des
Bundeshaushalts an die Bundesagentur für Arbeit aus einem Mehrwertsteuer-
punkt zu streichen und im Gegenzug die fragwürdigen Verlagerungen von Aus-
gaben aus dem Bundeshaushalt auf die Bundesagentur für Arbeit rückgängig zu
machen.

Belastungen und Entlastungen im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2008

Das Haushaltsjahr 2008 bietet nach der verschlafenen ersten Hälfte der Legislatur
immer noch die Option, konsequent den Weg nachhaltiger Konsolidierung einzu-
schlagen. Die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat im Rahmen
der wochenlangen Haushaltsberatungen durch mehrere hundert Einzelanträge
dokumentiert, dass sich die Neuverschuldung deutlich schneller absenken lässt.
Folgt man der Grünen Konzeption, wäre für das Haushaltsjahr 2008 eine Halbie-
rung der Nettokreditaufnahme möglich. Dieser Betrag mit seinen zugrunde lie-
genden Reformen böte sodann für das Haushaltsjahr 2009 die realistische Pers-
pektive, einen ausgeglichenen Haushalt zu beschließen. Damit wäre das Ziel
erreicht, innerhalb der Legislaturperiode mit vier wirtschaftlich ausgezeichnet
laufenden Jahren einen Haushaltsausgleich zu gestalten. Im Gegensatz dazu ver-
kaufen die Große Koalition und der Bundesminister der Finanzen großspurig das
hehre Ziel, erst im Jahr 2011 einen ausgeglichenen Haushalt auf dem Weg zu
bringen.

NKA 2008 bis 2011: Vergleich Große Koalition und möglicher Zukunftshaushalt in Mrd. E

Maßnahme Belastung/Entlastung

Absenkung der Beitragssätze AL-Versicherung auf 3,3 Prozent 6 400 Mio. €

Übertragung Programm Einstiegsqualifizierung Jugendlicher aus dem
Bundeshaushalt an die Bundesagentur für Arbeit

109 Mio. €

Streichung von Beitragszahlungen für Kindererziehungszeiten durch den
Bund an die Bundesagentur für Arbeit

290 Mio. €

Verlängerung des ALG I für ältere Arbeitslose
(Gesamtkosten von 1 100 Mio. €. Davon sollen 270 Mio. € aus Minderausgaben
beim ALG II durch den Bundeshaushalt finanziert werden)

830 Mio. €

Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit an den Verwaltungs- und
Eingliederungskosten im SGB II-Bereich

5 000 Mio. €

Streichung des Aussteuerungsbetrages beim Übergang vom ALG I in das ALG II – 1 800 Mio. €

Nettobelastung der Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2008 10 829 Mio. €

2007 (Soll) 2008 2009 2010 2011

Zukunftshaushalt 9,5 6,4 0,0 – 2 – 2
Große Koalition 14,4 11,9 10,5 6 0

Drucksache 16/7306 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Dem von der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegten
Zukunftshaushalt gelingt es, die notwendige Konsolidierung (ausgeglichener
Haushalt 2009) mit klarer Prioritätensetzung für gestaltende Haushaltspolitik zu
verbinden. Die Kombination dieser zwei Ansprüche an nachhaltige Haushalts-
politik – konsolidieren und gestalten – wird möglich, indem die vorgeschla-
genen inhaltlichen Prioritäten allesamt gegenfinanziert sind. Trotz deutlicher
und kostenträchtiger Schwerpunkte in den Bereichen Verbesserung der sozialen
Grundsicherung, Klimaschutz, Bildung und Forschung, Kinderbetreuung sowie
Entwicklungszusammenarbeit ist der Grüne Zukunftshaushalt bereits 2009 aus-
geglichen. Haushaltskonsolidierung ist dieser Prioritätensetzung zufolge daher
kein Selbstzweck.

Beginnend beim allgemeinen Verwaltungshandeln liegen erhebliche Effizienz-
potentiale verborgen. Deutliche Aufgabenkritik im Rahmen einer Produkt-
betrachtung öffentlicher Leistungen führt schließlich zu weiterem deutlichen
Einsparpotential. Schließlich ist die antiquierte und kaum hinterfragte Subven-
tionspolitik grundlegend auf den Prüfstand zu stellen. Mit solchen Reformen
wären die zweistelligen Milliardenlöcher im Haushalt zu bändigen. Allen Betei-
ligten muss deutlich sein, dass notwendige Reformen in Zukunft grundlegend
neue Gestaltungsspielräume eröffnen und die Politik somit wieder mehr Hand-
lungsfähigkeit erlangt.

II. Der Deutsche Bundestag wolle des Weiteren beschließen:

Um den Bundeshaushalt langfristig zu konsolidieren und für kommende Gene-
rationen zukunftsfest zu gestalten, ist eine konsistente und nachhaltige haus-
haltspolitische Strategie notwendig. Das strukturelle Defizit kann nur durch
konsequente Ausgabenkürzung und Einnahmeverbesserung gesenkt werden.
Kurzfristig ist eine Deckung der laufenden Ausgaben durch laufende Einnah-
men anzustreben. Die haushaltspolitisch relevanten Reformen müssen jetzt in
der Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs vollzogen werden.

Zur Erreichung des Ziels von Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit gehört da-
neben gleichermaßen, Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen, in Bildung und
Forschung, Kinderbetreuung und in Entwicklungszusammenarbeit zu konzent-
rieren.

Eine solche auf Konsolidierung und Zukunftsinvestition ausgerichtete Haus-

haltspolitik bedeutet, Deutschland fit für morgen zu machen. Der Deutsche Bun-
destag bekennt sich zu diesen Zielen und das Haushaltsgesetz 2008 an nach-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/7306

folgenden Maßnahmenpakten auszurichten. Mit diesen Paketen wird der Haus-
halt 2008 zukunftsfähig. Der Deutsche Bundestag beschließt nachfolgenden
Zukunftshaushalt.

Wesentliche Vorschläge zur Konsolidierung und Gestaltung des Haushaltes 2008

Zukunftshaushalt und Klimaschutzhaushalt

Wenn heute Nichts für den Klimaschutz getan wird, werden wir alle die dra-
matischen Auswirkungen des Klimawandels zu spüren bekommen. Doch leider
bedeuten die vielen Lippenbekenntnisse der Bundeskanzlerin und des Bundes-
ministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit nicht, dass sich wirk-
lich etwas konkret in die richtige Richtung ändert. Im Gegenteil: Bei den voll-
mundigen Ankündigungen von blühenden Landschaften verpassen Bundes-
regierung und Große Koalition leider die Gelegenheit, die nötigen Initiativen
heute richtig zu setzen. Substanzieller Klimaschutz muss anders aussehen.

Der Deutsche Bundestag beschließt, in den Bereichen Stromsparfonds, Abbau
umweltschädlicher Subventionen, ökologische Beschaffung, Forschung für
Klimaschutz, klimafreundliche(s) Mobilität und Wohnen, ökologische Land-
wirtschaft sowie internationale Zusammenarbeit das Ziel des Klimaschutzes im
Haushalt deutlich stärker voranzutreiben. Finanziert wird der Klimaschutzhaus-

Maßnahmen Belastung/Entlastung

Zusätzliche Ausgaben (Auswahl)

Klimaschutz
(Aufschlüsselung siehe Tabelle folgende Seite)

2 911 Mio. €

Erhöhung der Mittel für die Entwicklungshilfezusammenarbeit 250 Mio. €

Erhöhung der Regelsätze ALG II auf 420 Euro 4 050 Mio. €

Anpassung der Kosten der Unterkunft 1 010 Mio. €

Verstärkte Investitionen im Bildungsbereich 703 Mio. €

Erhöhung der Mittel für Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung Agrarstruktur
und Küstenschütz 195 Mio. €

Zusätzliche Einnahmen bzw. Minderausgaben (Auswahl)

Subventionsabbau
davon:
– Emissionshandel (900 Mio. €)
– Absenkung der Zuschüsse für die Steinkohle (711 Mio. €)
– Abbau Steuervergünstigungen für den Luftverkehr (900 Mio. €)
– Abbau Ausnahmen von der Ökosteuer (1 700 Mio. €)

3 700 Mio. €

Ausweitung der mautpflichtigen Straßen und Erhöhung der Mautsätze 1 055 Mio. €

Änderungen an der Unternehmenssteuerreform, um diese aufkommensneutral
zu gestalten und Einnahmeausfälle zu verhindern 2 884 Mio. €

Einführung einer Ticket-Tax 250 Mio. €

Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 45 Prozent 1 000 Mio. €

Kürzung von Rüstungsprojekten, die nicht zukünftigen Einsatzszenarien
entsprechen 1 420 Mio. €
halt aus Erlösen des Emissionshandels und mit Einsparungen durch den Abbau
ökologisch schädlicher Subventionen. Mit Umsetzung dieser Maßnahmen

Drucksache 16/7306 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

würde mit mindestens 30 Mio. Tonnen deutlich mehr CO2 eingespart werden
können, als von der Großen Koalition bislang geplant. Das entspricht dem jähr-
lichen Ausstoß von mindestens fünf Kohlekraftwerken. In den Jahren bis 2011
(Finanzplanungszeitraum) würden rund 11,6 Mrd. Euro verausgabt, ökologisch
schädliche Subventionen von insgesamt rund 27,9 Mrd. Euro abgebaut und so-
mit ein Finanzvolumen von rund 39,5 Mrd. Euro umgeschichtet.

Maßnahmen im Klimaschutzhaushalt:

Subventionsabbau

Die Listen der größten Steuervergünstigungen und Finanzhilfen werden von
ökologisch schädlichen Ausgaben für die gewerbliche Wirtschaft angeführt. So
subventioniert der Staat den Absatz von Steinkohle, begünstigt Unternehmen
bei der Stromsteuer, befreit Mineralölhersteller von Steuern und erlässt bei
grenzüberschreitenden Flügen die Mehrwertsteuer. Wer es ernst meint mit Kli-
maschutz, muss hier umsteuern.

Steuerausnahmen und Abgabenbefreiung darf es für umweltschädliches Verhal-
ten nicht mehr geben – die Preise müssen ökologisch gerecht die externen Ef-
fekte des Wirtschaftens abbilden. Deshalb führen wir die ökologische Finanzre-
form fort und wollen eine Vielzahl ökologisch kontraproduktiver Subventionen
abschaffen. Diese Subventionen sind nicht nur ökologisch schädlich, sondern
auch fiskalisch falsch, ökonomisch fragwürdig und Wettbewerb verzerrend. Für
eine nachhaltige Umwelt- und Haushaltspolitik ist der Abbau nachfolgender
umweltschädlicher Subventionen unverzichtbar:

Voraussichtliche
Ausgaben

2008 2009 2010 2011
Ziel:

CO2-Einsparungen
2011

Euro in
Mio.

Euro in
Mio.

Euro in
Mio.

Euro in
Mio.

in
Mio. t

Stromsparfonds 1 000 1 000 1 000 1 000 17

Ökologische Beschaffung 110 5 10 20 0,5

Klima – Forschungsoffensive 263 250 250 250 nicht quantifizierbar

Mobilität und Wohnen –
klimafreundlich

860 1 000 500 700 7,5

Klimafreundliche Energie-
erzeugung und -verbreitung

249 300 350 400 5

Ökologische Landwirtschaft 206 325 325 325 1

Internationale Zusammenarbeit
beim Klimaschutz

223 225 225 225 noch nicht quantifizierbar

Summe Ausgaben 2 911 2 880 2 435 2 695 31
(inkl. Maßnahmen
Flugverkehr 33,5)

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/7306

Abzubauende Steuervergünstigungen und
Finanzhilfen

2008
Mio. €

2009
Mio. €

2010
Mio. €

2011
Mio. €

Abbau der
Ausnahmen von
der Ökosteuer

Abbau der Steuerbegünstigung des Stroms, der von
Unternehmen des Produzierenden Gewerbes und der
Land- und Forstwirtschaft für betriebliche Zwecke
entnommen wird (§ 9 Abs. 3 StromStG)

615 1 230 1 850 1 850

Abbau der Steuerbegünstigung für Unternehmen des
Produzierenden Gewerbes, die durch die Stromsteuer
erheblich belastet sind (§ 10 StromStG)

570 1 140 1 700 1 700

Abbau der Vergünstigung für Unternehmen des
Produzierenden Gewerbes, der Land- und Forstwirt-
schaft und für Stromversorger (alt: § 25 MinöStG –
neu: § 54 EnergieStG)

110 220 330 330

Abbau der Steuerbefreiung der bei der Mineralöl-
herstellung zur Aufrechterhaltung des Betriebs
verwendeten Mineralöle (alt: § 4 MinöStG –
neu: § 44 EnergieStG)

130 260 400 400

Abbau der Steuerbegünstigung für Unternehmen
des Produzierenden Gewerbes, die durch die
Erhöhung der Steuersätze erheblich belastet sind
(alt: § 25a MinöStG – neu: § 55 EnergieStG

65 130 170 170

Abbau der Steuerbegünstigung für Betriebe der
Land- und Forstwirtschaft (Agrardiesel)
(alt: § 25b MinöStG – neu: § 57 EnergieStG)

135 135 135 135

Abbau der Steuerbefreiung von Schweröl als
Betriebsstoff für die gewerbliche Binnenschifffahrt
(§ 27 Abs. 1 EnergieStG)

64 129 129 129

Absenkung der
Zuschüsse für die
Steinkohle

Beschleunigtes Auslaufen der Steinkohlesubventionen
(Ausstieg 2012)

Zwischen 2015 und 2018
ca. 8 Mrd. Euro

Absenkung der Zuschüsse für den Absatz deutscher
Steinkohle auf Grund deutlich gestiegener Weltmarkt-
preise

232 ca. 200 ca. 200 ca. 200

Einmalerlöse durch Korrektur der Zuwendungs-
bescheide 2005 und 2006

479 0 0 0

Abbau der
Begünstigungen
des Luftverkehrs

Abschaffung der Mehrwertsteuerbefreiung für grenz-
überschreitende Flüge

500 500 500 500

Aufhebung der Minderalölsteuerbefreiung für Luft-
fahrtbetriebsstoffe (alt: § 4 Abs. 1 Nr. 3 MinöStG –
neu: § 27 Abs. 2 EnergieStG

395 395 395 395

Steuern und
Abgaben

Steuerliche Besserstellung für Strom aus erneuerbaren
Energien und steuerliche Schlechterstellung der ande-
ren Stromformen

Finanzneutral

Emissionshandel 10 % Versteigerung der Zertifikate 900 900 900 900

Summe 4 195 5 239 6 709 6 709

Drucksache 16/7306 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ökologische Landwirtschaft

Weltweit betrachtet ist die Landwirtschaft einer der Hauptverursacher für Treib-
hausgas-Emissionen. Vor allem bei Lachgas und Methan, zwei Gasen mit einem
wesentlich höheren Treibhausgaspotential als CO2, gehört die Landwirtschaft zu
den Hauptemittenten. Allerdings spielt die Landwirtschaft nicht nur als Emittent
eine Rolle beim Klimawandel, sondern hat auch ein riesiges Potential, der
Atmosphäre CO2 zu entziehen. Dieses Potential wollen wir uns zu Nutze
machen und fordern ein klimapolitisches Umdenken in der Agrarpolitik. Der
Klimaschutz muss ein zentrales Element besonders der deutschen, der europäi-
schen, aber auch der internationalen Landwirtschafts- und Entwicklungspolitik
werden. Ein Weg hierzu ist der ökologische Landbau, der, wie eine Vielzahl von
Studien belegen, zwei- bis dreimal weniger Treibhauspotential verursacht als die
konventionelle Landwirtschaft. Wir setzen daher auf eine konsequente Förde-
rung und Stärkung der ländlichen Räume. Sie bilden eine wichtige Ressource
um konsequente und umweltfreundliche Förderung der erneuerbaren Energien
und der nachwachsenden Rohstoffe zu erschließen.

Internationaler Klimaschutz und Entwicklungszusammenarbeit

Die ärmsten Länder der Welt sind den Folgen des Klimawandels am stärksten
ausgesetzt. Länder mit schwacher Staatlichkeit sind nur schwer in der Lage, die
notwendigen Transformations- und Adaptionsprozesse aus eigener Kraft zu
leisten. Ohne Unterstützung beim Aufbau guter Regierungsführung und ohne
Zugang zu umweltfreundlichem Know-how sind weitere Abkopplungen von
Wohlstand sowie Armut und zusätzliche Sicherheitsrisiken durch zerfallende
Staaten in armen Regionen dieser Welt vorprogrammiert.

Die finanziellen Mittel für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit sind
ein Hebel, durch den die weltweite Armut zurückgedrängt und internationaler
Klimaschutz geleistet werden kann. Deshalb hat sich Deutschland verpflichtet,
bis 2015 mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die öffent-
liche Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe (ODA) bereitzustel-
len.

Gleichzeitig ist es im globalen Interesse, dass Entwicklungs- und Schwellenlän-
der auf ihrem wirtschaftlichen Aufholprozess nicht die gleichen Klimasünden
wie die Industrieländer begehen. Deshalb werden die ODA-Ausgaben beim
Auswärtigen Amt und beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung um 250 Mio. Euro erhöht. Aus Haushaltsmitteln allein
kann dies jedoch nicht finanziert werden. Deshalb wird Deutschland kurzfristig
eine Flugticketabgabe nach französischem oder britischem Vorbild einführen.
Darüber hinaus wirkt der Deutsche Bundestag darauf hin, dass europaweit eine
Kerosin- und Devisenumsatzsteuer etabliert wird. Auch die weitere Entschul-
dung ist eine wichtige Option.

Bildung und Forschung finanziell stark ausstatten

Unterfinanzierte Hochschulen, steigende Studienberechtigtenzahlen, wachsen-
der Fachkräftemangel, demographischer Wandel – das deutsche Bildungssystem
steht vor großen Herausforderungen. Um unsere Wettbewerbs- und Innovations-
fähigkeit auch künftig steigern zu können, werden in unserer Wissensökonomie
in noch größerem Umfang Hochqualifizierte benötigt.

Deshalb muss bei den Hochschulen einerseits die Zahl der ausfinanzierten,
qualitativ hochwertigen Studienplätze deutlich erhöht werden. Daher wird der
Hochschulpakt mit rund 323 Mio. Euro deutlich verstärkt. Andererseits wird die
Ausweitung des Exzellenzwettbewerbs auf die universitäre Lehre den Ehrgeiz
der Lehrenden steigern, auch im Hörsaal exzellente und innovative Leistungen

zu erbringen. Hierfür werden 25 Mio. Euro bereitgestellt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/7306

Die Mittel fürs BAföG werden um 180 Mio. Euro erhöht. Damit können die
dringend benötigten Mittel zum Lebensunterhalt und die Einkommensfrei-
beträge von Schülerinnen, Schülern und Studierenden bereits zum 1. April 2008
angehoben werden. Darüber hinaus ist eine Verbesserung der Bedingungen für
studierende Eltern, für Studierende, die in die neuen Studienstrukturen mit
Bachelor-/Master-Abschluss wechseln, für Lebenspartner und ausländische
Studierende möglich.

Für alle Anderen gilt: Lebenslanges Lernen ist zukünftig nicht mehr nur eine
Floskel: Ein umfassendes Weiterbildungskonzept macht berufliche Weiter-
bildung für Jedermann möglich. Die Aufstiegsfortbildungsförderung wird end-
lich zu einem Erwachsenenbildung-Förderungsgesetz weiterentwickelt. Mit
Hilfe der Bildungssparzulage gelingt der Einstieg ins Bildungssparen. Hierfür
sind zusätzliche Bundesmittel von rund 200 Mio. Euro zu veranschlagen.

Zukunftsfähige Klimaschutzpolitik setzt Anreize für mehr Forschung vor allem
im Bereich der nachhaltigen Energieerzeugung, -effizienz und -nutzung, wie
auch im Bereich Mobilität. Dabei muss ein Fokus auf neuen Technologien lie-
gen, mit deren Hilfe es gelingen kann, den CO2-Ausstoß substanziell zu senken.
Gleichzeitig müssen geistes- und sozialwissenschaftliche Ansätze gestärkt wer-
den, die sowohl die technologische Forschung begleiten als auch das mensch-
liche Verhalten in den Blick nehmen.

Eine existenzsichernde Arbeitsmarkt und Sozialpolitik

Neben der Prioritätensetzung beim Ausbau der Bildungsinfrastruktur müssen
die Regelleistungen für Arbeitslosengeld-II-Empfängern an existenzsichernden
Kriterien bemessen werden. Immer mehr Menschen und Kinder leben unterhalb
der Armutsgrenze, da die staatlichen Transferzahlungen nicht mehr einmal für
den täglichen Bedarf ausreichen. Dadurch ergibt sich ein unmittelbarer Hand-
lungsbedarf bei der Anpassung der Regelleistungen für Erwachsene auf
420 Euro. Ein von der Bundesregierung formulierter unverbindlicher Prüf-
auftrag zur Anpassung der Regelleistungen wird den sozialpolitischen Erforder-
nissen und den Betroffenen nicht gerecht. Die staatlichen Transferleistungen
dürfen jedoch nur eine nachrangige Funktion haben. Die Entwicklung in den
vergangenen Jahren hat gezeigt, dass Unternehmen zunehmend die aufstocken-
den Leistungen im SGB-II-Bereich für eine Niedriglohnpolitik missbrauchen.
Die Einführung eines Mindestlohns ist daher zwingend notwendig, um eine
Lohnpolitik auf Kosten der Steuerzahler zu verhindern und den Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitsnehmern ein existenzsicherndes Einkommen abseits staatlicher
Transferleistungen zu garantieren. Um die Attraktivität von niedrig entlohnten
Tätigkeiten zu steigern und um eine gerechte Lastenverteilung zu verwirklichen,
muss perspektivisch ein Progressiv-Modell für die Sozialversicherungsbeiträge
eingeführt werden. Demnach werden bei niedrigen Einkommen die Sozialver-
sicherungsbeiträge progressiv erhoben.

Rechtsextremismus bekämpfen

Zivilgesellschaftliche Initiativen zur Bekämpfung von Rechtsextremismus dür-
fen nicht unter den Tisch fallen. Deshalb wird ein neues Programm zur Stärkung
der Zivilgesellschaft gegen Rechtsextremismus in einer Höhe von 19 Mio. Euro
aufgelegt. Mit diesem Programm soll finanziert werden, was in dem vorhan-
denen Programm der Bundesregierung zu kurz kommt: die Förderung der
demokratischen Kultur, die Stärkung des Opferschutzes und genderspezifische
Fragen.

Integration

Die Koalition aus CDU, CSU und SPD betont gerne die Bedeutung der deut-

schen Sprache für die Integration, tut jedoch nichts, um die Qualität dieser An-

Drucksache 16/7306 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

gebote zu verbessern, obwohl dringender Bedarf besteht. Zwischen dem Natio-
nalen Integrationsplan der Bundesregierung und der tatsächlichen Politik klaf-
fen gewaltige Lücken. Besonders deutlich wird dies bei der finanziellen Ausstat-
tung der Integrations- und Sprachkurse für Migrantinnen und Migranten, die auf
niedrigstem Niveau bleiben. In Höhe von zusätzlich 63 Mio. Euro werden die
Programme für Integrationsmaßnahmen aufgestockt.

Berlin, den 27. November 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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