BT-Drucksache 16/6792

Geschlechtersensible und effiziente Haushaltspolitik einführen

Vom 24. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6792
16. Wahlperiode 24. 10. 2007

Antrag
der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), Alexander
Bonde, Britta Haßelmann, Anja Hajduk, Monika Lazar, Anna Lührmann, Jerzy
Montag, Silke Stokar von Neuforn, Hans-Christian Ströbele, Wolfgang Wieland,
Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Geschlechtersensible und effiziente Haushaltspolitik einführen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Gender Budgeting setzt Gender Mainstreaming im Bereich der Haushaltspoli-
tik um. Unter dem Begriff ist die Analyse der öffentlichen Haushalte, ihrer Ein-
nahmen und Ausgaben differenziert nach Geschlecht zu verstehen.

Die Haushalts- und Finanzpolitik einer Regierung zeigt ihre Prioritäten auf, da-
mit werden auch politische Schwerpunkte festgelegt. Sie ist damit ein wichtiger
Ansatzpunkt für die Herstellung von mehr Geschlechtergerechtigkeit. Die ge-
schlechtersensible Analyse eines Haushalts macht deutlich, welche Auswirkun-
gen die Verwendung öffentlicher Mittel in ihrer Gesamtheit und in ihren einzel-
nen Teilen auf Frauen und Männer hat.

Ziel ist ein geschlechtssensibler und damit gerechterer Haushalt. Nach einer
Analyse der Auswirkungen öffentlicher Ausgaben auf die Geschlechterverhält-
nisse können Prioritäten verändert und Mittel neu verteilt werden. Dabei müs-
sen die unterschiedlichen sozialen und wirtschaftlichen Lebenslagen verschie-
dener Gruppen von Frauen und Männern mit berücksichtigt werden. Gender
Budgeting kann mehr Gerechtigkeit und mehr Zielgenauigkeit schaffen. Mit
den gleichen Mitteln kann effizienter und transparenter gearbeitet werden – da-
rin liegt eine große Chance für unsere Gesellschaft.

Der größte Teil der öffentlichen Ausgaben des Bundes beruht auf Verpflichtun-
gen wie Sozialausgaben oder Personalkosten, ist also langfristig festgelegt.
Dennoch sind Steuerungsmöglichkeiten vorhanden. Überprüft werden muss
auch, inwieweit diese Ausgaben zur Gleichstellung der Geschlechter beitragen.

Gender Budgeting wurde bisher international vor allem in der Entwicklungs-
politik genutzt, um den Mitteleinsatz zu kontrollieren und die Zielgenauigkeit
zu erhöhen.

Auf einer High-Level-Conference in Brüssel vereinbarten die Finanzminister

2001, die Unterstützung der Umsetzung von Gender Budgeting bis 2015 in
allen EU-Ländern. 2003 fasste das Europäische Parlament die Entschließung
„Gender Budgeting“ – Aufstellung öffentlicher Haushalte unter geschlechts-
spezifischen Gesichtspunkten. Sie forderte die Einbeziehung der Geschlechter-
perspektive in sämtlichen Ebenen des Haushaltsverfahrens. 2005 legte eine
Gruppe von Expertinnen und Experten beim Europarat ihren Abschlussbericht

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zu Gender Budgeting vor. Der „Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und
Männern“ (Road Map) der EU-Kommission von 2006 betonte, dass die Kom-
mission Gender Budgeting auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene fördert
und durch den Austausch von Good Practice unterstützt. Auch sollen die Mög-
lichkeiten geprüft werden, Gender Budgeting auf EU-Ebene zu entwickeln.

Die rot-grüne Bundesregierung gab im April 2005 eine Machbarkeitsstudie zur
Umsetzung von Gender Budgeting in Auftrag. Diese wurde im März 2006 ab-
geschlossen. Am 23. Oktober 2006 erklärte die Bundesregierung, die Studie
würde „gegenwärtig geprüft“ (Bundestagsdrucksache 16/3077). Auf der Grund-
lage dieser Studie sollte bis zum Frühsommer 2006 ein Bericht mit konzep-
tionellen Vorschlägen zur Implementierung von Gender Budgeting auf Bundes-
ebene vorgelegt werden. Bislang wurde die Studie nicht veröffentlicht. Auch
fehlen konkrete Vorschläge, wie Gender Budgeting in die Praxis umgesetzt
werden kann. Andere Länder wie Österreich, Großbritannien und Frankreich
sind damit erheblich weiter.

Die große Bedeutung von Gender Budgeting hat auch die Bundesregierung an-
erkannt. Sie machte das Thema zum Schwerpunkt einer Fachkonferenz mit
dem Titel „Die Verteilung macht’s – Gleichstellung und soziale Gerechtigkeit
durch geschlechtersensible Haushalte“ im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– die in der „Machbarkeitsstudie Gender Budgeting im Bundeshaushalt“ vor-
geschlagenen Maßnahmen zur Einführung von Gender Budgeting öffentlich
zu diskutieren und das Wissen über Gender Budgeting zu verbreiten;

– den Austausch mit dem Netzwerk Europäischer Gender Budgeting-Initiativen,
das während der österreichischen Ratspräsidentschaft gegründet wurde, zu
suchen und den europaweiten Austausch weiter voranzutreiben;

– konkrete Schritte zur Einführung von Gender Budgeting zu prüfen und dabei
Best-Practice-Beispiele anderer Länder einzubeziehen;

– ausgewählte Ausgaben- und Einnahmenarten einzelner Ressorts exempla-
risch einer Gender-Budgeting-Analyse zu unterziehen;

– sicherzustellen, dass der Austausch der Ressorts über Gender Budgeting er-
möglicht wird;

– das gesamte Erprobungsverfahren einer wissenschaftlichen Begleitung zu
unterziehen.

Berlin, den 24. Oktober 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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