BT-Drucksache 16/5602

Den Wettbewerb stärken, den Einsatz offener Dokumentenstandards und offener Dokumentenaustauschformate fördern

Vom 13. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5602
16. Wahlperiode 13. 06 2007

Antrag
der Abgeordneten Laurenz Meyer (Hamm), Dr. Martina Krogmann, Hans-Joachim
Fuchtel, Dr. Andreas Scheuer, Philipp Mißfelder, Julia Klöckner, Günter Baumann,
Veronika Bellmann, Clemens Binninger, Wolfgang Bosbach, Helmut Brandt,
Alexander Dobrindt, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Erich G. Fritz, Dr. Michael
Fuchs, Ralf Göbel, Dr. Reinhard Göhner, Reinhard Grindel, Ernst Hinsken,
Robert Hochbaum, Klaus Hofbauer, Hans-Werner Kammer, Alois Karl,
Kristina Köhler (Wiesbaden), Hartmut Koschyk, Andreas G. Lämmel, Stephan
Mayer (Altötting), Wolfgang Meckelburg, Dr. h. c. Hans Michelbach, Franz
Obermeier, Rita Pawelski, Ulrich Petzold, Dr. Joachim Pfeiffer, Beatrix Philipp,
Ronald Pofalla, Eckhart Rehberg, Klaus Riegert, Dr. Heinz Riesenhuber,
Dr. Norbert Röttgen, Albert Rupprecht (Weiden), Christian Freiherr von Stetten,
Lena Strothmann, Dr. Hans-Peter Uhl, Andrea Astrid Voßhoff, Kai Wegner, Ingo
Wellenreuther, Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Uwe Küster, Dr. Rainer Wend, Dr. h. c. Susanne
Kastner, Doris Barnett, Klaus Barthel, Dr. Axel Berg, Ute Berg, Lothar Binding
(Heidelberg), Willi Brase, Edelgard Bulmahn, Ulla Burchardt, Martin Dörmann,
Garrelt Duin, Rolf Hempelmann, Dr. Bärbel Kofler, Christian Lange (Backnang),
Marko Mühlstein, Dr. Sascha Raabe, Olaf Scholz, Reinhard Schultz (Everswinkel),
Dr. Ditmar Staffelt, Ludwig Stiegler, Dr. Rainer Tabillion, Jörg Tauss, Dr. Margrit
Wetzel, Andrea Wicklein, Engelbert Wistuba, Manfred Zöllmer, Dr. Peter Struck
und der Fraktion der SPD

Den Wettbewerb stärken, den Einsatz offener Dokumentenstandards und offener
Dokumentenaustauschformate fördern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Informations- und Kommunikationstechnologien haben im Alltag eine nicht
mehr wegzudenkende Bedeutung erlangt. Privatpersonen, Unternehmen und die
öffentliche Hand sind auf eine funktionierende und stets verfügbare IT-Infra-
struktur angewiesen. Der Einsatz von Informationstechnologie schafft enorme

wirtschaftliche und gesellschaftliche Chancen.

Die Weiterentwicklung dieser Technologie ist entscheidend, um auch in Zukunft
international konkurrenzfähige Produkte und Dienstleistungen anbieten zu kön-
nen.

Die globale Wissens- und Informationsgesellschaft ist weiter fortgeschritten als
vielfach wahrgenommen wird. Informationen und Wissen werden zu immer
wichtigeren Rohstoffen und werden verstärkt in Form von digitalen Dokumen-
ten und Daten ausgetauscht, verarbeitet und abgespeichert.

Drucksache 16/5602 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Bundesregierung hat mit dem nationalen IT-Gipfel ein Signal für den Stand-
ort Deutschland gesetzt. Politik, Wirtschaft und Wissenschaft wollen Deutsch-
land in der Informations- und Kommunikationstechnik an die Weltspitze heran-
führen. Der Beitrag von Normen und Standards zum Bruttoinlandsprodukt wird
allein für Deutschland auf ca. 16 Mrd. Euro pro Jahr geschätzt und entspricht
somit etwa einem Drittel des Wirtschaftswachstums. Deutsche Normen werden
im Ausland bei der Ausschreibung von Investitionsgütern (Kraftwerke, Maschi-
nenbau, Elektrotechnik) referenziert.

Wer die Standards setzt, dominiert den Markt.

Aktuell findet gerade ein intensiver Wettbewerb um die Setzung von Standards
für das hochauflösende Fernsehen statt.

Deutschland ist auch deshalb zum Exportweltmeister aufgestiegen, weil in vie-
len technischen Bereichen, wie zum Beispiel dem Maschinenbau oder der Kom-
munikationstechnik, die Nutzung offener Standards eine Selbstverständlichkeit
ist.

Bei der Erstellung und Speicherung digitaler Dokumente wird derzeit aber noch
weitgehend auf herstellerabhängige, nicht öffentlich dokumentierte Formate zu-
rückgegriffen, obwohl auch hier mittlerweile Alternativen in Form von genorm-
ten Standards vorliegen oder in der Entwicklung sind. Hier vollziehen sich dy-
namische Entwicklungen, die die genannten Probleme lösen wollen.

Im Internet haben offene Standards von Anfang an eine herausgehobene Rolle
gehabt. Der Siegeszug des World Wide Webs wäre ohne den offenen HTML-
Standard wohl kaum denkbar gewesen. HTML ist ein gelungenes Beispiel eines
vollständig offenen Formats. Im Bereich der Dokumentenverarbeitung besteht
hinsichtlich der Nutzung offener Standards ein deutlicher Nachholbedarf.

Der Einsatz offener Standards in diesem Bereich kann Märkte öffnen oder neue
Märkte schaffen. Offene Standards ermöglichen es mehreren Herstellern, Pro-
dukte zur Unterstützung eines solchen Standards zu entwickeln. Damit wird für
den Verbraucher die Möglichkeit geschaffen, zwischen verschiedenen Produk-
ten zu wählen. Wahlfreiheit schafft Konkurrenz und beflügelt somit Wettbewerb
und Innovation.

Für den Wirtschaftsstandort Deutschland mit seiner überwiegend mittelstän-
disch strukturierten Softwarebranche ist unverzichtbar, dass der Zugang dieser
Unternehmen zu den entsprechenden Standards ungehindert und diskriminie-
rungsfrei möglich ist.

Für alle Beteiligten muss der Austausch von Dokumenten und Daten zwischen
Behörden, Unternehmen und Bürgern ohne große technische Hindernisse mög-
lich sein. Die öffentliche Verwaltung muss besonderen Wert darauf legen, nie-
manden von der Beteiligung an einem elektronischen Verfahren aufgrund der
Nutzung eines bestimmten Produktes auszuschließen.

Standards sollen dann als „offen“ betrachtet werden, wenn sie den Austausch
zwischen verschiedenen Plattformen und Applikationen ermöglichen und aus-
reichend dokumentiert sind. Die Schnittstellen müssen offengelegt, die techni-
schen Spezifikationen auch umsetzbar sein, und ihre Nutzung muss zu fairen
und diskriminierungsfreien Konditionen lizenziert werden.

Die Vernachlässigung offener Standards im Bereich der Dokumentenverarbei-
tung und des Dokumentenaustauschs wird mit weiter zunehmender Digitalisie-
rung unseres Wissens bereits bestehende Abhängigkeiten erhöhen.

Offene Dokumentenaustauschformate können zudem die Weiterverarbeitung
von Dokumenten und Daten durch unterschiedliche Benutzer auf unterschiedli-

chen Systemen erheblich erleichtern. Aus diesen Gründen kommt der Weiterent-
wicklung und Förderung von offenen Dokumentenstandards und offenen Doku-
mentenaustauschformaten eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung zu.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5602

Der Weg der Digitalisierung wird weiter fortschreiten und sich auch aufgrund
der Bestrebungen der Bundesregierung in den verschiedenen eGovernment-Pro-
jekten weiter beschleunigen. Zunehmend wird sich auch die Frage der langfris-
tigen Archivierbarkeit von digitalen Daten und deren langfristige Abrufbarkeit
stellen.

Ohne offene Standards laufen wir Gefahr, in der Zukunft entweder irgendwann
das gespeicherte Wissen nicht mehr vollständig abrufen zu können oder aber für
die immer wiederkehrende Konvertierung der gespeicherten Dokumente in neue
wiederum herstellerabhängige Formate erhebliche Mittel aufwenden zu müssen.
Dabei werden wir unter Umständen Verluste im Bereich der Formatierung hin-
nehmen oder hohen manuellen Nachbereitungsaufwand treiben müssen.

Regierung und Parlament sind hier nicht nur als Exekutive und Legislative son-
dern auch als Marktteilnehmer gefordert.

Daraus erwächst für die öffentliche Hand die politische Verantwortung, sich für
die Schaffung offener Märkte einzusetzen. Es ist anzustreben, dass alle öffent-
lichen Stellen durch ihr Nachfrageverhalten offene Standards unterstützen.

Durch die Entscheidung für den Einsatz von offenen Standards im Bereich digi-
taler Dokumente können die Weichen zum Abbau bereits bestehender Abhän-
gigkeiten gestellt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf,

1. das Bewusstsein von Verwaltung, Wirtschaft und Bürgern für die Bedeutung
international akzeptierter, offener Dokumentenstandards umfassend zu för-
dern;

2. im eigenen Geschäftsbereich, immer dort wo es möglich ist, international ak-
zeptierte, offene Dokumentenstandards einzusetzen und in den entsprechen-
den Gremien der Europäischen Union, des Bundes und der Länder auf ein
entsprechend koordinierteres Vorgehen hinzuwirken;

3. Vorschläge für politische Initiativen zu machen, um die Bundesbehörden auf
offene Dokumentenstandards zu verpflichten;

4. zu prüfen, ob es zusätzlicher Maßnahmen bedarf, um bei der Beschaffung
von Informationstechnologie für die öffentliche Hand im Rahmen des gelten-
den Vergaberechts offene Dokumentenstandards als Teil der Leistungsbe-
schreibung zwingend vorzugeben und diese gegebenenfalls umzusetzen;

5. die Wirtschaft bei der Entwicklung und Nutzung international akzeptierter,
offener Dokumentenstandards zu fördern;

6. im Rahmen der Förderung von Forschung und Wissenschaft auf die Publika-
tion und Ablieferung von Ergebnissen in offenen Dokumentenstandards hin-
zuwirken;

7. an der Neu- und Fortentwicklung offener Standards und Dokumentenaus-
tauschformate mitzuwirken;

8. für die Bereiche, in denen herstellerabhängige Dokumentenformate de facto
dominieren, aber international akzeptierte, offene Dokumentenformate exis-
tieren, Migrationspfade hin zu diesen Formaten aufzuzeigen und mittelfristig
die Migration durchzuführen.

Berlin, den 13. Juni 2007

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion

Dr. Peter Struck und Fraktion

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