BT-Drucksache 16/4555

UN-Resolution 1325 - Frauen, Frieden und Sicherheit - Nationaler Aktionsplan zur strategischen Umsetzung

Vom 7. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4555
16. Wahlperiode 07. 03. 2007

Antrag
der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Winfried Nachtwei, Irmingard Schewe-
Gerigk, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Dr. Uschi Eid, Kai Gehring,
Britta Haßelmann, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Monika Lazar, Omid Nouripour,
Claudia Roth (Augsburg), Rainder Steenblock, Hans-Christian Ströbele,
Jürgen Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

UN-Resolution 1325 – Frauen, Frieden und Sicherheit –
Nationaler Aktionsplan zur strategischen Umsetzung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Kriege und gewaltsame Konflikte sind heute zunehmend innerstaatliche Aus-
einandersetzungen, bei denen die Zivilbevölkerung in viel stärkerem Ausmaß
vereinnahmt wird und Leid erfährt, als dies bei Kriegen zwischen Staaten und
Armeen der Fall war. Frauen sind davon in mehrfacher Hinsicht betroffen. Sie
sind traditionell für das Überleben der Familie im Kriegsalltag zuständig und
leben gleichzeitig in ständiger Angst vergewaltigt, verschleppt und getötet zu
werden. Sie müssen fürchten, dass ihre Kinder als Soldaten missbraucht und
junge Mädchen als sexuelle Sklaven gehalten werden. Der Griff zu den Waffen
wird oft damit begründet, dass Frauen und Kinder und die Werte der Nation ver-
teidigt werden müssen. Sexuelle Gewalt und Ausbeutung werden systematisch
und als bewusst angewandte Kriegswaffe mit dem Ziel ausgeübt, die betroffenen
Frauen und ihre Gemeinschaften zu demütigen, zu bestrafen, zu vertreiben und
bestehende soziale Strukturen zu zerstören. Frauen und Mädchen jeden Alters
erleiden schwerste Menschenrechtsverletzungen, werden brutal misshandelt,
schwer verletzt und verstümmelt, wie die Beispiele aus Ruanda, Darfur, Kosovo
und Bosnien zeigen. Eng verbunden mit sexualisierter Gewalt ist die rapide Aus-
breitung des HI-Virus.

Obwohl sexualisierte Gewalt im Krieg ein weit verbreitetes Verbrechen gegen
Frauen und ein Verstoß gegen das Völkerrecht ist, blieben diese Menschen-
rechtsverletzungen lange Zeit ungesühnt. Die beiden von den Vereinten Natio-
nen eingerichteten Internationalen Gerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien
(ICTY) und Ruanda (ICTR) stellten zum ersten Mal dieses Verbrechen explizit
unter Strafe. Im so genannten Foca-Fall 2001 wurden Einzelpersonen wegen
sexueller Gewalt, organisierter Vergewaltigung und sexueller Versklavung in

Zusammenhang mit Kriegshandlungen angeklagt und verurteilt. Der Interna-
tionale Strafgerichtshof (ICC) mit Sitz in Den Haag hat 2003 seine Arbeit
aufgenommen; in seine Zuständigkeit fallen u. a. Vergewaltigung, sexuelle Ver-
sklavung und erzwungene Prostitution.

Für viele Frauen endet die Gewalt auch nach Kriegsende nicht. Frauen und Kin-
der stellen weltweit 80 Prozent der Flüchtlinge. Es fehlt oft der sichere Zugang

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zu Wasser, Nahrungsmitteln und sanitären Anlagen. Davon sind Frauen beson-
ders betroffen. Aufgrund geschlechtsspezifischer Arbeitsteilungen sind sie für
die Versorgung der Familie zuständig und werden häufiger beim Wasserholen
oder der Feldarbeit durch Minen verletzt. Auch in Flüchtlingslagern sind Frauen
und Mädchen oft unzureichend vor sexuellen Übergriffen geschützt. Mit der
Heimkehr demobilisierter Soldaten steigt in vielen Regionen häusliche Gewalt
drastisch an.

Spätestens seit Anfang der 90er Jahre weisen Berichte über UN-Missionen in
Kambodscha (UNTAC), Westafrika, dem Kosovo und jüngst auch im Kongo
(MONUK) darauf hin, dass sexuelle Gewalt auch in Friedenseinsätzen durch
Soldaten internationaler Friedensmissionen, zivile UN-Angestellte oder Helfer
humanitärer Organisationen ausgeübt wird. Das Ausbildungs- und Forschungs-
institut der UN (UNITAR) hat spezielle Fortbildungen entwickelt wie z. B.
„Training for Civilian Personnel in Peacekeeping Operations on the Special
Needs of Women and Children in and after Conflict“. Auch die NATO hat 2004
eine Politik der Null-Toleranz gegenüber sexueller Gewalt und Vergewaltigung
durch Soldaten und Friedenstruppen eingeführt und entwickelte Sensibili-
sierungsschulungen zum Thema Menschenhandel für die Militärs. Die Um-
setzung von entsprechenden Verhaltensstandards für NATO-Missionen hängt
allerdings von den einzelnen Mitgliedstaaten ab, die für die Ausbildung, das
Training, das Kommando und für die Disziplin der durch sie zur Verfügung zu
stellenden Friedenstruppen verantwortlich sind.

Frauen sind nicht nur Opfer von Kriegshandlungen, sondern auch als Kämpfe-
rinnen, Soldatinnen und Unterstützerinnen aktiv an diesen beteiligt. Frauen
haben aber auch für den Wiederaufbau von krisen- und kriegszerrütteten Gesell-
schaften eine immens wichtige Rolle. Allerdings spielen sie als Akteurinnen in
der Sicherheits- und Friedenspolitik bzw. bei der Suche nach friedlichen Lösun-
gen in den Postkonflikt-Gesellschaften nur eine Nebenrolle. Die Erfahrungen
von Frauen im Verlauf von gewalttätigen Auseinandersetzungen sind vielfältig
und unterscheiden sich je nach Konfliktphase und -art. Frauen sind Haushalts-
vorstand und versorgen ihre Familien, sie pflegen die Verwundeten und organi-
sieren den Nachschub an Waffen und Munition. Sie kämpfen an der Seite ihrer
Männer oder sind in Friedensgruppen gegen den Krieg aktiv.

Frauen haben sich vielerorts einen wichtigen Platz in der Zivilgesellschaft
erobert, den sie auch nach Kriegsende nicht verlieren wollen. Sie wollen am
Wiederaufbau ihres Landes mitarbeiten und wissen genau, welche Maßnahmen
ergriffen werden müssen. Studien belegen, dass auch humanitäre Aktionen und
Friedensmissionen dieses Wissen zu wenig wahrnehmen. In erster Linie orien-
tieren diese sich noch immer vorwiegend an den Interessen von Männern. Beim
Wiederaufbau staatlicher Institutionen in Nachkriegsländern werden die Erfah-
rungen, das Wissen und die spezifischen Erfolge von Frauen wenig bis gar nicht
ausgewertet und einbezogen, was allzu oft dazu führt, dass Frauenrechte nicht
gewährleistet und sexualisierte Kriegsverbrechen nicht aufgeklärt werden. Ge-
rade die für die Stabilisierung von Post-Konfliktgesellschaften so wichtigen
innergesellschaftlichen Versöhnungsprozesse drohen damit zu scheitern, was
wiederum zu einem Wiederaufflammen von Gewalt und Krieg führen kann.
Frühwarnindikatoren, wie sie das OSZE Office for Democratic Institutions and
Human Rights (ODIHR) entwickelt hat, die u. a. die Umsetzung von Frauen-
rechten, das Ausmaß von häuslicher Gewalt, den Zugang zu Bildungsprogram-
men oder ökonomischer Förderung sowie die Angebote für Frauen im Rahmen
von Demobilisierungs- und Reintegrationsprozessen bewerten, sind die lobens-
werte Ausnahme. Dieses Beispiel sollte international Schule machen.

In praktisch allen Krisengebieten dieser Welt gibt es Fraueninitiativen, die sich

für Dialog, Frieden und Versöhnung stark machen. Frauen sind nicht nur Opfer,
sie sind Akteurinnen, die für ihre Rechte kämpfen und Verantwortung für

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die Gemeinschaft übernehmen, wie die Arbeit des „Jerusalem Link“, die Frie-
densgruppe afrikanischer Frauen „Mano River Women Peace Network“
(MARWOPNET), die „Frauen in Schwarz“ in Belgrad, das Frauennetzwerk im
Kosovo oder die „Revolutionary Association of the Women of Afghanistan“
(RAWA) anschaulich belegen. Sie müssen stärker in den Friedenprozess, die
Konfliktbearbeitung und den Wiederaufbau einbezogen werden.

UN-Resolution 1325 – Meilenstein für Friedens- und Sicherheitspolitik und
Frauenpolitik

Der Blick auf die verschiedenen Rollen von Frauen, sowohl passiv Opfer von
Kriegs- und Gewalthandlungen zu sein, als auch aktiv als Friedensakteurinnen
und Gestalterinnen der Gesellschaft zu leben, ist das zentrale Thema der UN-Re-
solution 1325 – Frauen, Frieden und Sicherheit und das Ergebnis der jahrzehn-
telangen beharrlichen Bemühungen international arbeitender Frauenorganisa-
tionen. Diese Resolution ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer geschlech-
tersensiblen Friedens- und Sicherheitspolitik. Der Sicherheitsrat der Vereinten
Nationen hat diese Resolution im Oktober 2000 einstimmig verabschiedet und
darin betont, dass die Berücksichtigung der Interessen und Bedürfnisse von
Frauen und ihre Mitwirkung am Friedensprozess zur Wahrung und Förderung
des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit beiträgt. Zum ersten Mal in
der Geschichte der Vereinten Nationen wurde damit eine völkerrechtlich bin-
dende Vorgabe zur Beteiligung von Frauen an Entscheidungen über Krieg und
Frieden beschlossen.

Die Resolution enthält dazu eine Reihe von Vorschlägen. Die vier Hauptpunkte
sind die Prävention von Konflikten, der Schutz für Frauen und Mädchen in
Kriegs- und Krisensituationen vor Gewalt, die volle Beteiligung der Frauen an
den politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen und die fun-
dierte geschlechtersensible Vorbereitung für alle beteiligten Akteurinnen und
Akteure.

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass mit diesem Beschluss die Geschlechter-
perspektive in die internationale sowie die deutsche Außen- und Sicherheits-
politik aufgenommen wurde, einer Perspektive, der es darum geht, nicht einfach
von Menschen zu sprechen, sondern Männer als Männer und Frauen als Frauen
sichtbar zu machen und ihre je unterschiedlichen Interessen, Bedürfnisse, Rol-
len und Lebenssituationen zu berücksichtigen. Frauen und Männer, Mädchen
und Jungen sind von Krisen und Konflikten, vom Verlauf und vom Austragen
gewaltsamer Konflikte verschiedenartig betroffen. Die gesellschaftlichen
Geschlechterrollen, die Erwartungen und Normen, die an Frauen und Männer
gerichtet sind, bestimmen sich sozial, kulturell und wirtschaftlich sowie durch
vorherrschende religiös-moralische und rechtliche Vorstellungen. Geschlechter-
rollen sind somit nicht unveränderlich, sondern wandel- und gestaltbar und spie-
len in jedem Konflikt eine zentrale Rolle. Die Resolution 1325 ermutigt Frauen,
ihre eigenen Sicherheitsbedürfnisse und Interessen zu artikulieren und die voll-
inhaltliche Umsetzung ihrer Rechte einzufordern.

Genderperspektive in der zivilen Konfliktprävention und bei Auslandseinsätzen

Die Bundesrepublik Deutschland gehört seit 2003 den „friends of the resolution
1325“ in New York an. In dieser Arbeitsgruppe haben sich einige UN-Mitglied-
staaten zusammengeschlossen, um die Umsetzung der Resolution zu beschleu-
nigen und die Maßnahmen der UN aktiv zu unterstützen. Dies zeigt sich auch in
der Berichterstattung der rot-grünen Bundesregierung an den UN-Generalsekre-
tär im Jahr 2004. Auf Betreiben der Bundesrepublik Deutschland wurde die
Geschlechterperspektive in UN-Mandate für Friedensmissionen, z. B. 2001 für

Afghanistan, aufgenommen. Die Resolution 1325 führte auch zur Einrichtung
eines offiziellen Beobachterstatus für Frauen an den Verhandlungen in Burundi

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und zur aktiven Teilnahme von Frauen am Friedensprozess in Sri Lanka. Im
Januar 2007 setzte die UN erstmals eine reine Fraueneinheit zur Friedenssiche-
rung ein. 125 indische Elite-Polizistinnen werden für sechs Monate in Liberia
ihren Dienst verrichten.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben dazu beigetragen, dass Deutschland im
Bereich der zivilen Krisenprävention und Konfliktbearbeitung innerhalb der EU
eine bedeutende Rolle einnimmt, wie u. a. die Gründung des Zentrums für Inter-
nationale Friedenseinsätze (ZIF), der Zivile Friedensdienst und der Aktionsplan
„Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ zeigen.
Das ZIF hat durch seinen integrierten Genderansatz im Vorbereitungsprogramm
für zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter innerhalb der EU große Beachtung
gefunden. Die Expertinnen und Experten des ZIF arbeiten aktiv an der
Implementierung der Resolution 1325 auf EU-Ebene mit. Die Unterstützung der
Initiativen zur Entstehung des „OSZE Gender Aktionsplans“ waren ebenfalls
Teil deutscher Außenpolitik unter Rot/Grün. Die Förderung der gleichberechtig-
ten Teilhabe von Frauen und Männern an Friedens- und Entwicklungsprozessen
ist seit Jahren in die gesamten Abläufe und Planungsmethoden der deutschen
Entwicklungszusammenarbeit integriert.

Ein wichtiges Element des zivilen Krisenmanagements sind internationale
Polizeimissionen der UN oder OSZE. In Ausbildung und Vorbereitung der deut-
schen Kontingente muss die Umsetzung der Resolution 1325 verwirklicht wer-
den. Dies setzt voraus, dass Polizisten und Polizistinnen neben Kenntnissen über
die Kultur des jeweiligen Einsatzlandes auch für die Geschlechterverhältnisse
vor Ort sensibilisiert und umfangreich zum Thema häusliche Gewalt geschult
werden.

Die Resolution 1325 muss konsequent auch in die Ausbildung und Vorbereitung
von Bundeswehrsoldaten und -soldatinnen für ihre internationalen Aufgaben
umgesetzt werden. Laut Weißbuch der Bundesregierung zur „Sicherheitspolitik
Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr“ hat die Bundeswehr heute pri-
mär die Aufgabe, einen Beitrag zur internationalen Konfliktverhütung und Kri-
senbewältigung im Rahmen kollektiver Sicherheitssysteme zu leisten. In ihren
internationalen Einsätzen müssen Soldaten und Soldatinnen in unterschied-
lichen sozialen und politischen Konfliktlagen handeln und sich mit Akteuren
verschiedenster Art auseinandersetzen. Neben traditionellen militärischen Fä-
higkeiten müssen sie dafür zusätzliche soziale und interkulturelle Fähigkeiten
entwickeln, die auch auf Versöhnung verfeindeter Gruppen zielt. Dazu sind
Kenntnisse über die Ursachen des Konflikts, den Verlauf und über die sozialen,
politischen und kulturellen Verhältnisse und auch die Geschlechterverhältnisse
vor Ort erforderlich.

„Peacekeeping“ hat nicht nur mit Gewalteindämmung und Kriegsverhinderung,
mit „humanitärer Hilfe“ und ziviler Polizeiarbeit, mit Minenräumung und
Demobilisierung zu tun, sondern in steigendem Maße auch mit Menschenrechts-
überwachung, Rückkehrerproblematiken, Wahlbeobachtung und im Rahmen
von „nation and state building“ mit dem Aufbau staatlicher und zivilgesell-
schaftlicher Strukturen. Das UN-Department for Peacekeeping Operations
(DPKO) hat dazu umfangreiche Trainingsmaterialien entwickelt, die wesentlich
mehr als bisher in die Ausbildungskonzepte auch von Bundespolizei und Bun-
deswehr einfließen müssen.

Der Primat deutscher Außenpolitik muss weiterhin im Bereich der Prävention
und Gewaltvorbeugung gesetzt werden. Der Einsatz von Streitkräften kann im-
mer nur im Rahmen kollektiver Sicherheitssysteme mit Mandat der Vereinten
Nationen stattfinden und muss Ultima Ratio sein.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/4555

Nationaler Aktionsplan

Die hohen Erwartungen an die Resolution haben sich auch sechs Jahre nach de-
ren Verabschiedung noch nicht erfüllt. Der Bericht der Bundesregierung zur na-
tionalen Umsetzung der Resolution 1325 zeigt detailreich den guten Willen und
die einzelnen Anstrengungen, verliert sich allerdings in vielen kleinen Einzel-
maßnahmen und lässt eine gemeinsame Strategie vermissen. Dies wurde auch
von frauenpolitisch arbeitenden Nichtregierungsorganisationen und dem Frau-
ensicherheitsrat kritisiert. Das in der deutschen Politik verankerte Prinzip des
Gender Mainstreaming kann eine hilfreiche Unterstützung für die Umsetzung
sein, es reicht bei weitem nicht aus, die Ziele der Resolution 1325 zu verwirk-
lichen. Einige Staaten wie Großbritannien, Dänemark, Schweden, Norwegen,
Kanada und die Schweiz haben dies bereits erkannt und nationale Aktionspläne
erarbeitet. Nachdem der UN-Generalsekretär 2005 einen „Systemweiten Akti-
onsplan 2005 bis 2007“ vorgelegt und um Fortschreibung des Plans gebeten hat,
scheint wieder etwas Dynamik in die geschlechtersensible Friedens- und Sicher-
heitspolitik gekommen zu sein. Mitte 2006 fand die erste internationale Kon-
ferenz des UN-Weltbevölkerungsfonds (UNFPA) gegen sexuelle Gewalt in
Kriegs- und Krisengebieten in Brüssel statt. 200 Delegierte aus 14 Ländern ver-
abschiedeten den „Brüsseler Aktionsplan“, der unter anderem Forderungen nach
neuen Gesetzesinitiativen, freier medizinischer und psychologischer Versor-
gung, Trainings- und Sicherheitsmaßnahmen enthält und sich ausdrücklich auf
die Resolution 1325 bezieht.

Die Verantwortung für die Umsetzung der Resolution 1325 liegt bei den einzel-
nen Mitgliedstaaten der UN. Der Handlungsbedarf für die Bundesrepublik
Deutschland ist weiterhin groß. Zur Gestaltung einer geschlechtergerechten Au-
ßen- und Sicherheitspolitik bedarf es der gemeinsamen Strategie aller beteiligten
Akteure und dies kann nur durch einen nationalen Aktionsplan geschehen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. eine nationale Monitoringstelle zur Umsetzung der Resolution 1325 einzu-
richten und diese finanziell unabhängig auszustatten. Dazu gehört die Bil-
dung eines „Gender Round Table“ aller beteiligten Ministerien (Auswärtiges
Amt, Bundesministerium der Verteidigung, Bundesministerium des Innern,
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung),
des ZIF, der Forschung und der Zivilgesellschaft (besonders frauenspezifisch
arbeitender NGOs) und die Ernennung einer politischen Beauftragten als
Vorsitzenden dieser Monitoringstelle. Die Federführung für diesen Prozess
sollte im Auswärtigen Amt angesiedelt werden;

2. zur detaillierten Erfassung der bisherigen Initiativen zur Umsetzung der Re-
solution 1325 einen Gender Audit durchzuführen. Durch diese Studie wird
zum einen aufgezeigt, in welcher Weise die verantwortlichen Akteurinnen
und Akteure agieren und verdeutlicht, in welchen Bereichen und Ministerien
es Überschneidungen und Doppelungen gibt und wo erhöhter Handlungs-
bedarf besteht. Zum anderen werden die deutschen Projekte und Initiativen
in Krisenregionen hinsichtlich ihrer jeweiligen Auswirkungen auf Männer
und Frauen evaluiert;

3. aus den Ergebnissen des Gender Audit einen nationalen Aktionsplan zur stra-
tegischen Umsetzung der Resolution 1325 bis zum Internationalen Frauentag
2008 zu erarbeiten, der Maßnahmen zu den vier Hauptpunkten beinhaltet:

– Zur Prävention werden genderbezogene Frühwarn- und Präventionsindi-
katoren aus den Vorgaben der OSZE übernommen sowie eine Präzisierung
der Begriffe „Frieden und Sicherheit“ vorgenommen und zusammen mit

Gender benchmarks in alle Länderberichte, Länderanalysen und Lage-
berichte der verschiedenen Ministerien eingearbeitet.

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– Im Bereich Partizipation ist langfristig das Ziel, dass jedes Geschlecht mit
mindestens 40 Prozent in allen Projekten, die im Bereich der Krisenprä-
vention, der Friedenssicherung oder des Aufbaus von demokratischen
Strukturen durchgeführt werden, vertreten ist, zu erreichen. Hierzu ist es
erforderlich, Frauen systematisch zu qualifizieren und zu fördern, damit
sie für die genannten Positionen in Frage kommen. Finanzielle Mittel wer-
den nach dem Prinzip des Gender Budgeting vergeben, wobei auf die
Nachhaltigkeit der Projekte und Programme zu achten ist.

– Im Bereich der Protektion muss die als Waffe in Krisen- und Kriegsgebie-
ten eingesetzte sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen als
schwere Menschenrechtsverletzung international geächtet und grundsätz-
lich strafrechtlich verfolgt werden. Es wird ein „Gender Code of Conduct“
für alle Beteiligten an zivilen und militärischen Einsätzen erarbeitet, der
u. a. sexuelle Gewalt und sexuelle Ausbeutung in den Einsatzgebieten
unter Strafe stellt; dazu gehört auch, wer sich an Zwangsprostitution und
Prostitution mit Minderjährigen beteiligt oder sich bei Frauen- und Mäd-
chenhandel der Beteiligung bzw. Duldung schuldig macht.

– Im Bereich der Präparation wird eine Sensibilisierung für die Geschlech-
terperspektive in alle Ausbildungsprogramme des Peacekeeping und der
Wahlbeobachtung, bei Projekten der Entwicklungszusammenarbeit, der
Krisenprävention, der Konfliktbeilegung und des demokratischen und
friedlichen Aufbaus von Nachkriegsgesellschaften (Peacebuilding) auf-
genommen und als Einsatzvoraussetzung bewertet. Dies gilt für alle Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter der einzelnen Ministerien, Soldaten und
Soldatinnen, zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch solche, die
als humanitäre Helferinnen und Helfer in Katastrophengebieten und als
Polizistinnen und Polizisten eingesetzt werden. Der Aktionsplan zur
Zivilen Konfliktbearbeitung, das Weißbuch zur Sicherheitspolitik
Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr, die Grundlagen des
zivilen Friedensdienstes und der Humanitären und Katastrophenhilfe
werden durch systematische Implementierung und konzeptionelle Ein-
bindung der Geschlechterperspektive überarbeitet;

4. jährlich am Internationalen Frauentag (8. März) dem Deutschen Bundestag
Bericht über die Umsetzung zu erstatten;

5. bei der nationalen Umsetzung der Resolution 1325 die Kooperation mit zivil-
gesellschaftlichen Gruppen, besonders mit frauenpolitisch arbeitenden Nicht-
regierungsorganisationen, zu verstärken;

6. ihren Einfluss während der EU-Ratspräsidentschaft geltend zu machen, dass
zivile Konfliktprävention und Konfliktbearbeitung im Sinne der Resolution
1325 in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik einen besonderen
Stellenwert erhalten und dafür zu sorgen, dass zivile Krisenprävention und
Konfliktbearbeitung finanziell und personell deutlich besser ausgestattet
werden;

7. sich während der EU-Ratspräsidentschaft für die konkrete Umsetzung des
Maßnahmenkatalogs „Implementation of UNSCR 1325 in the context of
ESDP“ und der „Generic Standards of Behaviour“ des Politischen Sicher-
heitskomitees (PSK) für Einsätze im Rahmen der ESDP einzusetzen;

8. eine Monitoringstelle zur Umsetzung der Resolution 1325 auf EU-Ebene ein-
zurichten und dafür zu sorgen, dass alle Länder der EU von der Resolution
Kenntnis erhalten und nationale Beauftragte zur Monitoringstelle entsenden;

9. sich dafür einzusetzen, dass der Beschluss des Ministerrates der OSZE von
2005 über Frauen in der Konfliktverhütung, der Krisenbewältigung und der

Konfliktnachsorge umgesetzt wird;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/4555

10. bei den Vereinten Nationen für die vollinhaltliche und zeitgerechte Um-
setzung des UN-Aktionsplans 2005 bis 2007 einzutreten und die jährliche
Berichterstattung vor der UN konsequent zu nutzen, um den Stellenwert der
Resolution in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik international
sichtbar zu machen;

11. sich als Mitglied der Kommission zur Friedenskonsolidierung dafür einzu-
setzen, dass in Nach-Konflikt-Situationen internationale und nationale Ak-
teure die Geschlechterperspektive in ihrer Arbeit beachten und lokale oder
regionale Frauenorganisationen über ihre Rechte und Möglichkeiten infor-
miert, bei Bedarf geschult und in die Konsultationen eingebunden werden;

12. Kandidatinnen für Stellenbesetzungen der Vereinten Nationen oder anderer
internationaler Organisationen gezielt auszubilden, aktiv zu fördern und zu
unterstützen;

13. sich als aktives Mitglied der „friends of the resolution 1325“ für den Aus-
tausch von „Lessons learnt and Best Practices“ auf internationaler Ebene
einzusetzen und darüber Bericht zu erstatten;

14. innerhalb der UN dafür einzutreten, dass bei Mandaten für eine neue
Nachkriegsordnung und bei Gesprächen mit Regierungsvertretern von
Nachkriegsländern darauf zu achten ist, dass Frauen gleichberechtigt am
politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wiederaufbau des
Landes beteiligt werden und die Gleichstellung in der Verfassung verankert
wird.

Berlin, den 7. März 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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