BT-Drucksache 16/3736

Untersuchung der Massengräber von Mazar-e-Sharif (Afghanistan) im Zuständigkeitsbereich des deutschen Einsatzkontingents der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppen

Vom 1. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3736
16. Wahlperiode 01. 12. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Winfried Nachtwei, Monika Lazar,
Irmingard Schewe-Gerigk, Silke Stokar von Neuforn, Wolfgang Wieland,
Josef Philip Winkler, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Dr. Uschi Eid,
Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Claudia Roth (Augsburg),
Rainder Steenblock, Jürgen Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Untersuchung der Massengräber von Mazar-e-Sharif (Afghanistan) im
Zuständigkeitsbereich des deutschen Einsatzkontingents der Internationalen
Sicherheitsunterstützungstruppen

Nach Berichten von Augenzeugen und Aussagen ehemaliger Gefangener, ha-
ben Truppen des mit den USA verbündeten Rashid Dostum (Northern Alliance)
im November 2001 in Dasht-I-Leili möglicherweise ein Massaker begangen.
Die im Gebiet zwischen Kunduz und dem Gefängnis von Sheberghan gefangen
genommenen Talibankämpfer sollen in Schiffscontainern gepresst worden sein,
in denen viele erstickten. Andere starben mutmaßlich im Kugelhagel der Trup-
pen Dostums, die einzelne Container mit Maschinengewehrfeuer belegten. Die
Schätzungen schwanken, es kann jedoch als gesichert gelten, dass zwischen
250 und 3 000 Gefangene getötet wurden und in einem Massengrab bei Dasht-
I-Leili verscharrt wurden (Burns, New York Times, 29. August 2002; Raban,
New York Review of Books, 15. Oktober 2006; NDR-Reportagen vom 18. De-
zember 2002 „Das Massaker in Afghanistan - Haben die Amerikaner zugese-
hen?“ und vom 8. April 2003 „Konvoi in den Tod“).

Mehrere Journalisten haben sich um eine Aufklärung der von Dostums Truppen
mutmaßlich begangenen Verbrechen bemüht. Die in den USA ansässigen
„Physicians for Human Rights“ und ein Team der UN haben die Existenz eines
Massengrabes bestätigt, ohne jedoch gründliche forensische Untersuchungen
vornehmen zu können (Rose, The Guardian, 21. März 2004; Physicians for
Human Rights, Preliminary Assessment of Alleged Mass Gravesites in the
Area of Mazar-e Sharif, Januar/Februar 2002). Die unsichere Lage in diesem
Gebiet hat eine weitere Aufklärung der damaligen Vorfälle durch forensische
Mediziner und andere Experten nicht erlaubt (Burns, New York Times, 29. Au-
gust 2002; Niggemeier, FAZ, 15. November 2004).

Das Gebiet zwischen Kunduz und dem Ort des mutmaßlichen Massengrabes in
Dasht-I-Leili gehört zum von Deutschland geführten Regionalkommando Nord

von ISAF, wo in der Provinz Kundus deutsche Streitkräfte als internationale
Unterstützungstruppe in Afghanistan operieren. Zu den in der Bonner Verein-
barung, der Berliner Erklärung und verschiedenen UN-Resolutionen definierten
Aufgaben gehört es, gemäß des Antrages der Bundesregierung vom 13. Sep-
tember 2006 zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte
(Bundestagsdrucksache 16/2573) „Afghanistan bei der Aufrechterhaltung der
Sicherheit so zu unterstützen, dass sowohl die afghanischen Staatsorgane als

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auch das Personal der Vereinten Nationen und anderes internationales Zivilper-
sonal, insbesondere solches, das dem Wiederaufbau und humanitären Aufgaben
nachgeht, in einem sicheren Umfeld arbeiten können“.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Informationen liegen der Bundesregierung bis heute über die Miss-
handlung und Ermordung von Gefangenen im November 2001 in der Nähe
von Kunduz vor?

2. Was hat die Bundesregierung bisher getan, um zur Aufklärung der mutmaß-
lichen Verbrechen in dem Gebiet beizutragen, in dem deutsche Sicherheits-
kräfte heute als Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe tätig sind?

3. Beabsichtigt die Bundesregierung selbst deutsche Fachkräfte nach Afgha-
nistan zu entsenden, die eine forensische Untersuchung des Massengrabes
von Dasht-I-Leili und anderer Massengräber im Gebiet Mazar-e-Sharif und
eine Exhuminierung der Leichen vornehmen können, und wenn nein, warum
nicht?

4. Ist die Bundesregierung darüber hinaus bereit, Bemühungen deutscher und
ausländischer Menschenrechtsorganisationen zu unterstützen, die erhobenen
Vorwürfe eines Massakers vor Ort zu untersuchen?

5. Wird die Bundesregierung, im Falle einer solchen Untersuchung der damali-
gen Vorkommnisse durch deutsche und ausländische Menschenrechtsorga-
nisation, sicherstellen, dass forensische Teams, die im deutschen Zustän-
digkeitsgebiet im Norden Afghanistans das Massengrab bei Dasht-I-Leili
explorieren, in einem sicheren Umfeld arbeiten können?

Berlin, den 1. Dezember 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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