BT-Drucksache 16/2558

Datenabfrage durch US-Geheimdienste bei der Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication

Vom 7. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2558
16. Wahlperiode 07. 09. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Silke Stokar von Neuforn, Volker Beck
(Köln), Kerstin Andreae, Matthias Berninger, Grietje Bettin, Alexander Bonde,
Monika Lazar, Jerzy Montag, Christine Scheel, Irmingard Schewe-Gerigk, Hans-
Christian Ströbele, Dr. Harald Terpe, Wolfgang Wieland, Josef Philip Winkler,
Margareta Wolf (Frankfurt) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Datenabfrage durch US-Geheimdienste bei der
Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication

Ende Juni dieses Jahres ist bekannt geworden, dass US-amerikanische Geheim-
dienste seit mehreren Jahren vertrauliche Daten bei der Society for Worldwide
Interbank Financial Telecommunication (SWIFT) – einem Netzwerkdienstleis-
ter für internationale Finanztransaktionen – einsehen. Grund dafür: die Bekämp-
fung des internationalen Terrorismus durch Aufspüren seiner Finanzaktivitäten.
Die Daten der SWIFT sind betriebswirtschaftlich und datenschutzrechtlich
hochsensibel. Wir wollen wissen, zu welchem Zeitpunkt die Bundesregierung
welche Kenntnisse von diesen Vorgängen hatte, wie sie die Aufsichtsstrukturen
in diesem Bereich einschätzt und wie sie die datenschutzrechtlichen Aspekte der
Vorgänge bewertet.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte die Datenabfrage der amerikanischen
Stellen bei der SWIFT, und war dies nach belgischem und europäischem
Recht zulässig?

Inwiefern unterscheidet sich hier die Rechtslage in Belgien von der in
Deutschland, und wäre ein vergleichbarer Vorgang nach deutschem Recht
zulässig gewesen?

2. Wäre für staatliche Stellen in Deutschland der gleiche Zugriff auf die SWIFT
möglich, und wenn ja, durch welche Rechtsgrundlagen begründet sich diese
Möglichkeit?

3. Welche Daten werden im Einzelnen pro Transaktion bei der SWIFT erfasst?

Wie lange werden diese Daten gespeichert?

4. Ist die SWIFT nach Auffassung der Bundesregierung ein Telekommunikati-
onsunternehmen oder ein Datenverarbeitungsunternehmen, das im Auftrag
der an das Bankgeheimnis gebundenen nationalen Banken handelt?
5. Müssen Geschäftsbanken ihre Kunden vorab darüber aufklären, dass staat-
liche Stellen anderer Länder auf ihre Daten zugreifen können, und wenn ja, in
welcher Form?

6. Hat die Deutsche Bundesbank Kenntnisse darüber, ob auch deutsche Privat-
und Geschäftsbanken von US-amerikanischen Stellen ausspioniert wurden,
und wenn ja, wie gedenkt die Bundesregierung dagegen vorzugehen?

Drucksache 16/2558 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

7. Inwieweit besteht für deutsche Unternehmen die Gefahr, dass durch die Ab-
frage der SWIFT-Daten durch ausländische Stellen Industriespionage geför-
dert werden könnte, und wie gedenkt die Bundesregierung dieser Gefahr zu
begegnen?

8. Hat die belgische Regierung, die bereits im April d. J. Kenntnis über die Vor-
gänge der Datenabfrage bei der SWIFT hatte, die Bundesregierung darüber
unterrichtet, und wenn ja, in welcher Weise ist die Bundesregierung mit
ihren Erkenntnissen umgegangen?

9. Haben die US-amerikanische Botschaft in Berlin oder andere US-amerika-
nische Stellen die Bundesregierung über die Datenabfrage bei der SWIFT
informiert, und wenn ja, welchen Inhalt hatten diese Informationen?

10. Welche Erkenntnisse konnte die Bundesregierung im Rahmen der offiziellen
und inoffiziellen Treffen des ECOFIN-Rates über die Abfragen der SWIFT-
Daten gewinnen?

11. Hat die Bundesregierung die Vorgänge rund um den Zugriff US-amerikani-
scher Stellen auf die SWIFT-Daten im Rahmen der Beratungen der G7 ange-
sprochen, und wenn ja, welche neuen Erkenntnisse hat die Bundesregierung
aus diesen Treffen gewinnen können?

12. Welche Angaben kann die Bundesregierung über das vom Europäischen Par-
lament in seiner Entschließung (P6_TA-PROV(2006)0317, s. Abschnitt D
Nr. 3) erwähnte Geheimabkommen zwischen der SWIFT und den US-Behör-
den machen?

13. Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, damit die Kontroll-
mechanismen auf EU-Ebene durch die Europäische Zentralbank (EZB) und
andere bankenaufsichtsrelevante Stellen in Bezug auf die Weitergabe daten-
schutzrechtlich und betriebswirtschaftlich sensibler Angaben effektiv ange-
wandt werden, und sieht die Bundesregierung Defizite bei den aktuell gülti-
gen Vorschriften?

14. Welche Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten haben die EZB und die natio-
nalen Notenbanken in der Europäischen Union bei der Übermittlung von
Daten Dritter im Rahmen von Finanzgeschäften?

15. War die EZB nach Ansicht der Bundesregierung gemäß der Verordnung
(EG) Nr. 45/2001 dazu verpflichtet, auf den möglichen Verstoß gegen den
Datenschutz, von dem sie Kenntnis erhalten hatte, zu reagieren?

16. Teilt die Bundesregierung die „tiefe Besorgnis“ und die „äußerste Miss-
billigung“ des Europäischen Parlaments vom Juli 2006 (P6_TA-
PROV(2006)0317, Abschnitt D Nr. 13) über den Zugriff des US-Auslands-
geheimdienstes CIA auf die SWIFT-Daten, und wenn ja, in welcher Form
hat sie dies der US-amerikanischen Regierung mitgeteilt?

17. Teilt die Bundesregierung die Rechtauffassung, dass es sich bei den US-
Behörden, die Daten von der SWIFT empfangen haben, um Unbefugte im
Sinne des europäischen und deutschen Datenschutzrechts handelt, und wie
begründet sie ihre Auffassung?

18. Teilt die Bundesregierung die von Datenschützern (z. B. dem Unabhängigen
Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein) vertretene Rechtsauffas-
sung, dass die grenzüberschreitende Übermittlung von personenbezogenen
Banken-Transaktionen ein Anwendungsfall der seit 1995 geltenden europäi-
schen Datenschutzrichtlinie ist, und wie begründet sie ihre Auffassung?

19. Kann die Bundesregierung einen Bericht von „tagesschau.de“ vom 20. Juli
2006 bestätigen, in dem der Sprecher des Bundesministeriums der Finanzen,
Thorsten Albig, mit den Worten zitiert wird, die Vorgänge könnten nicht mit
deutschen Gesetzen gestoppt werden, „wir haben keinen Zugriff auf ein bel-

gisches Unternehmen“?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/2558

a) Wenn ja, teilt die Bundesregierung die vom Sprecher des Bundesminis-
teriums der Finanzen geäußerte Ansicht, dass es von offizieller deutscher
Seite aus keine Möglichkeit gebe, auf das Unternehmen im Sinne der
Sicherung rechtsstaatlicher Standards des Datenschutzes einzuwirken?

b) Teilt die Bundesregierung die dem Sprecher des Bundesministeriums der
Finanzen zugeschriebene Einschätzung, dass es nunmehr die Angelegen-
heit der Bankkunden sei, über ihre Bank Einfluss auf die SWIFT zu neh-
men?

20. Wie schätzt die Bundesregierung die Arbeit der federführenden belgischen
Notenbank im zuständigen Überwachungsausschuss der SWIFT im Hin-
blick auf den erfolgreichen Schutz der Kundendaten vor Ansprüchen der Be-
hörden der USA ein?

a) War nach Kenntnis der Bundesregierung der Überwachungsausschuss
über die Weitergabe der Daten unterrichtet, und hat er diesen Datentrans-
fer gebilligt?

b) Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Arbeit
des deutschen Vertreters in dem Ausschuss?

c) War die Bundesregierung über dessen Arbeit unterrichtet, und wenn ja, hat
sie versucht, auf diese Tätigkeit im Sinne des Datenschutzes einzuwirken?

21. Reichen die Befugnisse des Überwachungsausschusses bei der SWIFT nach
Auffassung der Bundesregierung aus, um einen illegalen Datentransfer in
Zukunft zu unterbinden, und wenn nein, was hat die Bundesregierung bisher
unternommen, um eine bessere Kontrolle der Tätigkeit der SWIFT zu ge-
währleisten?

22. Durch welche Maßnahmen unterstützt die Bundesregierung gegebenenfalls
die Bemührungen der so genannten Artikel-29-Gruppe der europäischen
Datenschutzbeauftragten, die SWIFT-Affäre aufzuklären, die europäischen
Datenschutzbestimmungen zu verbessern und diese in der Praxis effektiver
zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger der EU umzusetzen?

23. Hält die Bundesregierung die Form der Kontrolle der SWIFT für ausrei-
chend, und wenn nicht, wie und bis wann will die Bundesregierung gemein-
sam mit ihren europäischen Partnern die Kontrollmechanismen verbessern?

24. Was hat die Bundesregierung vor und nach Bekanntwerden der SWIFT-
Affäre unternommen, um auf internationaler Ebene bessere und klarere Re-
gelungen für die Weitergabe vertraulicher Bankdaten zu treffen, und inwie-
fern unterstützt sie dabei die Bemühungen der europäischen Datenschutz-
beauftragten?

25. Haben sich nach dem 11. September 2001 neben der Central Intelligence
Agency (CIA) auch das Federal Bureau of Investigation (FBI) und/oder wei-
tere US-Behörden Zugriff auf die von der SWIFT den US-Behörden zur Ver-
fügung gestellten Daten verschafft, und welche Haltung nimmt hier die Bun-
desregierung ein?

a) Nach welchen Auswahlkriterien, insbesondere Zielpersonen, Organisa-
tionen, Herkunft oder Religionszugehörigkeit, wurden die Daten in den
USA ausgewertet?

b) Ist der Bundesregierung bekannt, nach welchen Methoden die Daten von
den US-Behörden ausgewertet wurden, und wenn nein, was hat sie unter-
nommen, um Einzelheiten über Auswahlkriterien und Methoden in
Erfahrung zu bringen?

Berlin, den 7. September 2006
Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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