BT-Drucksache 16/12531

Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit von Verfahren für Personen, die an Kenia überstellt werden

Vom 30. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12531
16. Wahlperiode 30. 03. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jürgen Trittin, Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen),
Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Jerzy Montag, Kerstin
Müller (Köln), Winfried Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Irmingard Schewe-Gerigk, Rainder Steenblock, Silke Stokar von
Neuforn, Hans-Christian Ströbele, Wolfgang Wieland, Josef Philip Winkler und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit von Verfahren für Personen,
die an Kenia überstellt werden

Die EU und Kenia haben eine Vereinbarung in Form eines Briefwechsels über
Bedingungen und Modalitäten für die Übergabe von Personen, die seeräuberi-
scher Handlungen verdächtigt werden und von den EU-geführten Seestreitkräf-
ten (EUNAVFOR) in Haft genommen wurden, getroffen. Konkret davon betrof-
fen sind neun somalische Piraten, die die Bundesregierung an Kenia überstellt
hat. Sie hatten im Golf von Aden einen deutschen Frachter kapern wollen, waren
aber überwältigt und auf der Fregatte „Rheinland-Pfalz“ festgesetzt worden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Nach welchem Verfahren ist der Briefwechsel zwischen der EU und Kenia
„über die Bedingungen und Modalitäten für die Übergabe von Personen, die
seeräuberischer Handlungen verdächtigt werden und von der EUNAVFOR
in Haft genommen wurden, und von im Besitz der EUNAVFOR befind-
lichen beschlagnahmten Gütern durch die EUNAVFOR an Kenia und für
ihre Behandlung nach einer solchen Übergabe“ zustande gekommen?

a) Wie begründet die Bundesregierung, dass der Deutsche Bundestag vor
dem wirksamen Abschluss dieser grundrechts- und EMRK-relevanten
(EMRK – europäische Menschenrechtskonvention) Vereinbarung nicht
beteiligt wurde?

b) Wird die Bundesregierung in Zukunft bei ähnlich grundrechts- und
EMRK-relevanten Vereinbarungen den Deutschen Bundestag vor dem
Abschluss der Vereinbarung beteiligen?

c) Welche vergleichbaren Abkommen sind derzeit von Seiten der Bundes-
regierung und/oder der EU mit welchen Ländern in Planung?
d) Bestätigt die Bundesregierung die Aussage des Auswärtigen Amtes vor
dem Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe am 18. März
2009, nach der die Bundesregierung den Deutschen Bundestag informiert
und beteiligt hätte, hätte Letzterer dies angefordert, und ist sie der Mei-
nung, dass der Deutsche Bundestag in diesen Fälle hinsichtlich seiner Be-
teiligung eine Holschuld hat?

Drucksache 16/12531 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
2. Inwieweit sieht die Bundesregierung gesichert, dass Personen, die auf
Grundlage des Briefwechsels an Kenia überstellt werden, dort rechtsstaat-
lich behandelt und insbesondere nicht gefoltert werden, und worauf gründet
sich die Einschätzung der Bundesregierung?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung angesichts der Schwere der Tatvorwürfe
und der Höhe der zu erwartenden Strafen die Tatsache, dass nach der Verein-
barung mit Kenia die kostenfreie Beiordnung eines Rechtsanwaltes nicht
zwingend vorgesehen ist?

Unter welchen Bedingungen sieht die Bundesregierung die Möglichkeit und
wäre bereit, die Kosten für einen Anwalt zu bezahlen?

4. Wie soll die Kontrolle eines rechtsstaatlichen Verfahrens für die überstellten
Personen und ggf. nachfolgend einer menschenrechtskonformen Behand-
lung in der Haft gemäß den Vereinbarungen zwischen der EU und Kenia
konkret aussehen?

a) In welchen zeitlichen Abständen, und durch welche Personen, welcher
Nationalität, und in welcher Funktion soll sie erfolgen?

b) Wie kann sichergestellt werden, dass Kenia die an sie überstellten Perso-
nen nicht an einen Staat ausweist, der keine rechtsstaatlichen Verfahren
garantieren kann, wie etwa Somalia oder Jemen?

c) Inwieweit soll der Deutsche Bundestag über die Erkenntnisse dieser
Kontrollen informiert werden?

5. Wann wird die Bundesregierung das Gesetz zur Anwendung unmittelbaren
Zwangs und der Gewahrsamnahme durch Angehörige der Bundeswehr oder
der Bundespolizei im Ausland und auf internationalen Gewässern vorlegen?

Und wenn dies nicht beabsichtigt ist, wie begründet die Bundesregierung
das Festhalten in der gesetzlich nicht geregelten derzeitigen Lage?

6. Inwieweit setzt sich die Bundesregierung für die Schaffung einer internatio-
nalen Gerichtsbarkeit für Fälle von Piraterie auf hoher See ein?

Welche Optionen werden dabei erwogen, und für welche Konzepte bestehen
die größten Erfolgsaussichten?

Berlin, den 30. März 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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