BT-Drucksache 16/12114

Keine Anrechnung der Abwrackprämie bei ALG II und Eingliederungshilfe

Vom 4. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12114
16. Wahlperiode 04. 03. 2009

Antrag
der Abgeordneten Katrin Kunert, Katja Kipping, Dr. Gesine Lötzsch, Klaus Ernst,
Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, Dr. Lothar Bisky, Heidrun Bluhm, Eva
Bulling-Schröter, Dr. Martina Bunge, Roland Claus, Diana Golze, Lutz Heilmann,
Hans-Kurt Hill, Michael Leutert, Dorothee Menzner, Elke Reinke, Volker Schneider
(Saarbrücken), Dr. Ilja Seifert, Frank Spieth, Dr. Kirsten Tackmann,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Keine Anrechnung der Abwrackprämie bei ALG II und Eingliederungshilfe

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bundesregierung schließt Hartz-IV-Beziehende und Menschen mit Behin-
derungen im Grundsicherungsbezug von der Nutzung der Abwrackprämie aus.
Sie hat es versäumt, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die Abwrackprämie
nicht auf die Grundsicherung angerechnet wird. Damit werden Hartz-IV-Bezie-
hende und Menschen mit Behinderungen im Grundsicherungsbezug ausge-
grenzt und diskriminiert.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Abwrackprämie nicht auf die
Grundsicherung für Arbeitsuchende angerechnet wird. Gleiches soll gelten für
Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderungen.

Berlin, den 4. März 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

In der Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen, die im
Zusammenhang mit der Einführung der Abwrackprämie erlassen wurde, heißt

es unter anderem: „Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, mit Hilfe
einer Umweltprämie die Verschrottung alter und den Absatz neuer Personen-
kraftwagen zu fördern.“ Anspruch auf diese Prämie haben alle Privatpersonen,
auf die ein Altfahrzeug – zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Verschrottung –
mindestens ein Jahr lang in Deutschland zugelassen war.

Drucksache 16/12114 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Einerseits muss diese sogenannte Umweltprämie unter umweltpolitischen Ge-
sichtspunkten kritisch gesehen werden, weil sie nicht an progressive Umwelt-
standards gekoppelt und damit keine Garantie für den Kauf effizienterer und
sauberer Fahrzeuge ist.

Andererseits ist es sozialpolitisch und im Interesse der Stärkung der Nachfrage
nicht zu rechtfertigen, Bezieherinnen und Bezieher der Grundsicherung für Ar-
beitsuchende durch die Anrechnung als Einkommen von der Nutzung dieser
Prämie auszuschließen. Der Ausschluss von Hartz-IV-Beziehenden ergibt sich
aus der Rechtsauffassung der Bundesregierung, wie sie in den Antworten auf
verschiedene schriftliche Fragen im Februar 2009 dargelegt wurde (Fragen 44
und 45 auf Bundestagsdrucksache 16/12073 sowie Frage 57 auf Bundestags-
drucksache 16/11845). Nach der Ansicht der Bundesregierung sei die Abwrack-
prämie im Monat des Zuflusses als Einkommen zu berücksichtigen. In vielen
Fällen würde durch die Abwrackprämie keine Hilfebedürftigkeit mehr bestehen,
und folglich seien diese Personen „in diesem Monat nicht auf die steuerfinan-
zierte Fürsorgeleistung angewiesen“. Die Rechtsauffassung der Bundesregie-
rung ignoriert die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 30. September
2008 zu der ähnlich gelagerten Eigenheimzulage. In dem Urteil kommt das Bun-
dessozialgericht zu dem Schluss, dass die Eigenheimzulage als „zweckgebunde-
nes Einkommen nicht bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II zu berück-
sichtigen (ist), soweit sie nachweislich zur Finanzierung – auch der tatsächlichen
baulichen Errichtung in Eigenarbeit oder durch Dritte – einer als Vermögen ge-
schützten Immobilie im Sinne des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch verwendet
worden ist oder nachweislich die Absicht bestand, sie derart zu verwenden“
(BSG AZ B4 AS 19/07, Leitsatz).

Die Zahlung der Abwrackprämie ist in analoger Weise zweckgebunden und er-
fordert den Nachweis über den Kauf eines Neu- oder Jahreswagens sowie über
die Verschrottung des alten Personenkraftfahrzeugs. Es gibt daher keine Recht-
fertigung, Hartz-IV-Beziehende von dieser Prämie auszuschließen. Gleiches gilt
für Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderungen.

Der Besitz eines PKW ist für den Personenkreis der erwerbstätigen Hilfebedürf-
tigen vielfach ein notwendiges Mittel, um einer Erwerbsarbeit nachkommen zu
können. Bei anderen Hilfeberechtigten ist ein PKW vielfach notwendig, um
wieder in Arbeit zu gelangen. Mit der Verwehrung der Abwrackprämie werden
Hartz-IV-Beziehende ausgegrenzt und diskriminiert. Da die Abwrackprämie laut
Gesetz allen Personen zusteht, die sich für den Kauf eines neuen und gleichzeitig
für die Verschrottung eines alten Fahrzeuges entscheiden, wird mit der indirek-
ten Verwehrung auch Artikel 3 des Grundgesetzes verletzt.

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