BT-Drucksache 16/10869

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -Drucksachen 16/7076, 16/10850- Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz - DNeuG)

Vom 12. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10869
16. Wahlperiode 12. 11. 2008

Änderungsantrag
der Abgeordneten Silke Stokar von Neuforn, Volker Beck (Köln), Birgitt Bender,
Monika Lazar, Jerzy Montag, Brigitte Pothmer, Christine Scheel, Irmingard
Schewe-Gerigk, Dr. Gerhard Schick, Hans-Christian Ströbele, Wolfgang Wieland,
Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/7076, 16/10850 –

Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienst-
rechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz – DNeuG)

Der Bundestag wolle beschließen:

1. In der Inhaltsübersicht werden nach den Wörtern „Artikel 1 Bundesbeam-
tengesetz“ die Wörter „Artikel 1a Gesetz über die Gleichbehandlung der
Lebenspartnerschaft im öffentlichen Dienstrecht“ eingefügt.

2. Nach Artikel 1 wird folgender Artikel 1a eingefügt:

„Artikel 1a

Gesetz über die Gleichbehandlung der Lebenspartnerschaft im öffentlichen
Dienstrecht

§ 1
Anwendungsbereich

Dieses Gesetz gilt für das gesamte öffentliche Dienstrecht der Beamtinnen
und Beamten, Richter und Richterinnen sowie der Soldatinnen und Soldaten
und des Bundes. Zum Anwendungsbereich zählen insbesondere die Bestim-
mungen über Leistungen an die in Satz 1 genannten Personen und ihre Ange-
hörigen.

§ 2
Gleichbehandlung

(1) Im Anwendungsbereich dieses Gesetz stehen gleich

1. die Lebenspartnerschaft der Ehe, auch soweit es nach der anzuwenden
Regelung auf das Bestehen oder frühere Bestehen einer Ehe ankommt,

2. Lebenspartner den Ehegatten und

3. Angehörige und Hinterbliebene von Lebenspartnern den Angehörigen

und Hinterbliebenen von Ehegatten.

(2) Für versorgungs- und besoldungsrechtliche Ansprüche gilt die Gleich-
stellung rückwirkend ab dem 3. Dezember 2003.“

Berlin, den 12. November 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Drucksache 16/10869 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung

Im Gesetzentwurf der Bundesregierung fehlt die Gleichstellung von eingetra-
genen Lebenspartnerschaften im öffentlichen Dienstrecht. Der Gesetzentwurf
sieht vor, dass homosexuelle Lebenspartnerschaften weiterhin von Leistungen
ausgeschlossen sind, die für Ehepaare selbstverständlich bestehen. Das betrifft
insbesondere die Hinterbliebenenversorgung, die Beilhilfe im Krankheits- oder
Pflegefall und den Familienzuschlag. Diese Ungleichbehandlung ist nicht ge-
rechtfertigt. Die Situation von Lebenspartnern und Eheleuten ist vergleichbar,
da sie in gleicher Weise füreinander Verantwortung übernehmen und einander
zu Unterhalt verpflichtet sind.

Um die Benachteiligung von verpartnerten Bundesbeamtinnen und -beamten,
Richterinnen und Richtern sowie Soldatinnen und Soldaten gegenüber ihren
verheirateten Kolleginnen und Kollegen zu beenden, ist das Dienstrechtsneu-
ordnungsgesetz zu ergänzen. Der vorliegende Änderungsantrag sieht eine
Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit der Ehe im gesamten öffent-
lichen Dienstrecht des Bundes vor.

Die dienstrechtliche Gleichstellung von Lebenspartnerschaften ist europarecht-
lich geboten. Die Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rah-
mens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf
verbietet sowohl die mittelbare als auch die unmittelbare Diskriminierung auf-
grund der sexuellen Orientierung. Wegen mangelhafter Umsetzung der Richt-
linie in der Bundesrepublik Deutschland hat die Europäische Kommission ein
Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. In ihrem Mahnschreiben an die Bun-
desregierung vom 31. Januar 2008 beanstandet die Europäische Kommission
ausdrücklich Leistungsbeschränkungen hinsichtlich der Beihilfe, des Familien-
zuschlags und des Witwen- und Witwergeldes.

Da die EG-Richtlinie bereits zum 2. Dezember 2003 umzusetzen war und seit-
dem verbindlich ist, sieht der vorliegende Änderungsantrag in Artikel 1a § 2
Abs. 2 eine entsprechende Rückwirkung für versorgungs- und besoldungsrecht-
liche Ansprüche vor. Diese Rückwirkung entspricht den Änderungen, die das
Land Berlin für seinen Zuständigkeitsbereich bereits vollzogen hat (Fünfzehn-
tes Landesbesoldungsänderungsgesetz, GVBl. Berlin 64, 174; Gesetz über die
Gleichstellung Eingetragener Lebenspartnerschaften in der Beamtenversor-
gung, GVBl. Berlin 64, 176).

War es im Jahr 2000 noch der Bundesrat, der die von der ehemaligen rot-grünen
Bundesregierung im Rahmen des Lebenspartnerschaftsgesetzes angestrebte
Gleichstellung im Beamtenrecht verhinderte, so ist inzwischen der Bund gegen-
über den Ländern ins Hintertreffen geraten. Schritt für Schritt ändern immer
mehr Bundesländer ihr jeweiliges Landesbeamtenrecht im Sinne der Gleichbe-
handlung von Lebenspartnerschaften. Eine vollständige Gleichstellung hat zu-
erst das Land Bremen vollzogen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern sind ge-
folgt. In Hessen liegt ein entsprechender Gesetzentwurf der Landtagsfraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor, für den sich in den Ausschüssen eine Mehr-
heit abzeichnete. In Hamburg ist die vollständige Gleichstellung im Koalitions-
vertrag zwischen der Christlich Demokratischen Union, Landesverband Hamburg
und Bündnis 90/Die Grünen, Landesverband Hamburg, GAL festgeschrieben. In
weiteren Ländern besteht ein breiter politischer Konsens über das Ziel der voll-
ständigen Gleichstellung, so z. B. in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und
Sachsen-Anhalt. Im Saarland und in Brandenburg liegen bereits Gesetzentwürfe
der Regierungen vor, die zumindest in wesentlichen Teilbereichen die beamten-
rechtliche Gleichstellung von Lebenspartnerschaft und Ehe vorsehen.

Eine Fortsetzung der Ungleichbehandlung von Lebenspartnerschaften im
öffentlichen Dienstrecht des Bundes ist nicht vermittelbar. Sie steht nicht nur

im Kontrast zu der Entwicklung in den Bundesländern, sondern auch zu der be-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10869

reits erfolgten Gleichstellung in der gesetzlichen Krankenversicherung und
Rentenversicherung. Zudem ist es unglaubwürdig, wenn der Bund mit dem
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz im Arbeitsrecht Diskriminierungen auf-
grund der sexuellen Identität verbietet, diese aber im eigenen Dienstrecht fort-
schreibt.

Bei der Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages zum
Dienstrechtsneuordnungsgesetz am 8. April 2008 wurde die Gleichstellung von
Lebenspartnerschaften von mehreren Sachverständigen angemahnt. Keiner der
Sachverständigen benannte einen Grund, der gegen die Gleichstellung spräche.
Auch bei den Anhörungen des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages
zum Lebenspartnerschaftsrecht am 19. Juni 2008 und zum Antidiskriminie-
rungsrecht am 15. Oktober 2008 sprachen sich die Sachverständigen mit über-
wältigender Mehrheit für die konsequente Gleichstellung von Lebenspartner-
schaften aus.

Die Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries, hat in einer Pressemitteilung
vom 24. September 2008 die „vollständige Gleichstellung homosexueller Part-
nerschaften“ gefordert und dazu ausgeführt: „Die angestoßene Entwicklung hin
zu einer umfassenden Gleichstellung muss weitergehen.“ Die Bundesregierung
habe mit ihren Vorschlägen zum Dienstrechtsneuordnungsgesetz Initiativen
eingeleitet, „die auf einen weiteren Abbau von rechtlichen Ungleichheiten ab-
zielen“. Tatsächlich aber kommen Lebenspartnerschaften in dem gesamten Ge-
setzentwurf nicht vor. Weder hinsichtlich der Hinterbliebenenversorgung, noch
hinsichtlich der Beihilfe oder der Familienzuschläge sind darin auch nur Fort-
schritte in Richtung Gleichbehandlung von Lebenspartnerschaften vorgesehen.
Die Lücke zwischen Worten und Taten wird mit dem vorliegenden Änderungs-
antrag geschlossen.

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