BT-Drucksache 16/10839

Verbot des Vereins "Heimattreue Deutsche Jugend e.V." (HDJ) prüfen

Vom 11. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10839
16. Wahlperiode 11. 11. 2008

Antrag
der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Hans-Peter Uhl, Kristina Köhler
(Wiesbaden), Ralf Göbel, Günter Baumann, Clemens Binninger, Helmut Brandt,
Reinhard Grindel, Hans-Werner Kammer, Alois Karl, Hartmut Koschyk, Stephan
Mayer (Altötting), Michaela Noll, Beatrix Philipp, Klaus Riegert, Dr. Norbert
Röttgen, Ingo Wellenreuther, Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der
Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Sebastian Edathy, Gabriele Fograscher, Niels Annen,
Klaus Uwe Benneter, Dr. Michael Bürsch, Siegmund Ehrmann, Kerstin Griese,
Wolfgang Gunkel, Michael Hartmann (Wackernheim), Frank Hofmann (Volkach),
Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Maik Reichel, Gerold Reichenbach, Michael Roth
(Heringen), Rüdiger Veit, Dr. Dieter Wiefelspütz, Dr. Peter Struck und der
Fraktion der SPD

Verbot des Vereins „Heimattreue Deutsche Jugend e. V.“ (HDJ) prüfen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Deutsche Bundestag begrüßt ausdrücklich die vom Bundesminister des
Innern Dr. Wolfgang Schäuble am 9. Oktober 2008 im Zusammenhang mit einer
vereinsrechtlichen Prüfung des Vereins „Heimattreue Deutsche Jugend – Bund
zum Schutz für Umwelt, Mitwelt und Heimat e. V.“ (HDJ) veranlassten Durch-
suchungen.

Der Verein HDJ ist eine bundesweit tätige Jugendorganisation, die ein rassisti-
sches Weltbild1 vertritt und durch eine rechtsextremistische Ideologie geprägt
ist.2 Die HDJ ist beim Amtsgericht Kiel eingetragen, die Bundesführung ist in
Berlin ansässig. Mit mehreren hundert Mitgliedern ist die HDJ fester Bestandteil
des rechtsextremistischen Spektrums in Deutschland und verfügt über umfang-
reiche szeneübergreifende Kontakte. Das Bundesamt für Verfassungsschutz
sowie mehrere Landesämter für Verfassungsschutz beobachten die Tätigkeiten
der HDJ.

Das LebensbundKonzept der HDJ zielt darauf ab, Freizeitangebote für Familien
und Kinder anzubieten, welche der Verbreitung antisemitischer und völkischer

Ideologie dienen. Nach Eigendarstellung der HDJ sollen bereits Kleinstkinder
aber auch Jugendliche in die Aktivitäten eingebunden und somit nach Familien-
gründung ein Ausscheiden aus der rechtsextremistischen Szene verhindert
werden.3

1 Verfassungsschutzbericht Brandenburg 2007, S. 61.
2 Verfassungsschutzbericht Berlin 2007, S. 195.
3 Vergleiche ebenda, S. 188f.

Drucksache 16/10839 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die HDJ ist bemüht, für Kinder und Jugendliche eine völkisch-nationalistische
Parallelwelt zu schaffen. Nach Angaben des Landesamtes für Verfassungsschutz
Sachsen versucht die HDJ mit „scheinbar harmlosen Freizeitangeboten […]
Kinder und Jugendliche an sich zu binden“.4 Im Rahmen von Zeltlagern werden
ideologische Schulungen durchgeführt und militaristische Rituale praktiziert.
Nach Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz betreibt die HDJ
„unter Vorspiegelung einer jugendpflegerischen Tätigkeit […] eine gezielte
Ideologisierung ihrer Mitglieder“.5

Damit zeigen sich hinsichtlich der bekannt gewordenen Aktivitäten und der
Zielgruppe Parallelen mit der im Jahr 1994 verbotenen Wiking-Jugend (WJ).

Die Auftritte der HDJ zeichnen sich durch Uniformen oder uniformähnliche
Pflichtkleidung, oftmals mit Verbands- und Sonderabzeichen, aus. Das Füh-
rungspersonal wird durch farbige Balken am Oberarm der Hemden gekenn-
zeichnet. Fahnenappelle, das Marschieren in Reih und Glied sowie Fanfaren-
züge konstituieren den paramilitärischen Charakter der HDJ. Eine von der HDJ
beim Bundesministerium des Innern beantragte Ausnahmegenehmigung vom in
Deutschland geltenden generellen Uniformverbot ist mit der Begründung abge-
lehnt worden, dass „eine Gesamtschau der Aktivitäten ergibt, dass die politische
gegenüber der jugendpflegerischen Betätigung überwiegt“. Ungeachtet dessen
kündigte die HDJ an, das Verbot zu ignorieren.

Bundesweit bestehen nach Angaben von Staatsschutzbehörden Verbindungen
der HDJ zur NPD und zur neonazistischen Kameradschaftsszene.6 Besonders
auffällig dabei sind „die guten Kontakte der HDJ zum Landesverband der NPD“
in Mecklenburg-Vorpommern7 und in Brandenburg.8 Darüber hinaus gibt es
Hinweise auf Verflechtungen mit ehemaligen Angehörigen der verbotenen
Wiking-Jugend.

Die HDJ lehnt unsere freiheitlich demokratische Grundordnung strikt ab. In
ihrem Verbandsorgan „Funkenflug“ finden sich stark geschichtsrevisionis-
tische, rassistische und antisemitische Inhalte.9 Tolerantes Verhalten gegenüber
Schwächeren wird im „Funkenflug“ 2/2006 als niedere Charaktereigenschaft
eingestuft. Die HDJ verehrt zudem exponierte Repräsentanten des NS-Terror-
regimes wie z. B. den Kommandanten der SS-Division „Wiking“, der 1943 im
„großdeutschen Freiheitskampf […] an der Ostfront“ ums Leben gekommen
sei (Funkenflug 4/2005). Insgesamt werden im Verbandsorgan, so das Bundes-
amt für Verfassungsschutz, Texte publiziert, „in denen der Nationalsozialis-
mus verherrlicht wird sowie antisemitische Einstellungsmuster deutlich wer-
den“.10

II. Der Deutsche Bundestag

– verurteilt die jugendgefährdenden und volksverhetzenden Aktivitäten der
„Heimattreuen Deutschen Jugend e. V.“ aufs Schärfste und begrüßt die
aktuellen Verbotsinitiativen der Länder Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-
Vorpommern;

– befürwortet die Durchführung eines vereinsrechtlichen Ermittlungsverfah-
rens mit dem Ziel eines Verbots der HDJ.

4 Verfassungsschutzbericht Sachsen 2007, S. 12.
5 Verfassungsschutzbericht 2007 des Bundesministeriums des Innern, S. 59.
6 Verfassungsschutzbericht 2007 des Bundesministeriums des Innern, S. 59.
7 Verfassungsschutzbericht Mecklenburg-Vorpommern 2007, S. 71.
8 Vergleiche Verfassungsschutzbericht Brandenburg 2007, S. 63.

9 Vergleiche ebenda, S. 61.
10 Verfassungsschutzbericht 2007 des Bundesministeriums des Innern, S. 59.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10839

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung und den Bundesminister
des Innern auf,

– bis zu einem Verbot der HDJ in Zusammenarbeit mit den Innenministerien
der Länder, Polizeibehörden, Jugendämtern, Jugendverbänden, Herbergs-
verbänden etc. darüber aufzuklären, dass bezüglich der HDJ tatsächliche
Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen, um da-
durch weitere jugendgefährdende Zeltlager und Schulungen zu unterbinden;

– bis zu einem Verbot der HDJ weiterhin in Zusammenarbeit mit den Länder-
behörden darauf hinzuwirken, dass das Uniformverbot konsequent durch-
gesetzt wird.

Berlin, den 11. November 2008

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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