BT-Drucksache 14/5270

Eckpunkte zur Verbesserung der Bekämpfung illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit

Vom 8. Februar 2001


Deutscher Bundestag

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14. Wahlperiode

08. 02. 2001

Antrag

der Abgeordneten Franz Thönnes, Klaus Wiesehügel, Leyla Onur, Hermann
Bachmaier, Doris Barnett, Klaus Brandner, Anni Brandt-Elsweier, Bernhard
Brinkmann (Hildesheim), Hans Büttner (Ingolstadt), Peter Dreßen, Peter Enders,
Konrad Gilges, Hans-Joachim Hacker, Alfred Hartenbach, Walter Hoffmann
(Darmstadt), Gabriele Iwersen, Renate Jäger, Anette Kramme, Angelika Krüger-
Leißner, Ute Kumpf, Christine Lambrecht, Brigitte Lange, Erika Lotz, Winfried
Mante, Dirk Manzewski, Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Andrea Nahles, Adolf Ostertag,
Margot von Renesse, Renate Rennebach, Silvia Schmidt (Eisleben), Wilhelm
Schmidt (Salzgitter), Olaf Scholz, Richard Schuhmann (Delitzsch), Erika Simm,
Joachim Stünker, Hans-Eberhard Urbaniak, Hedi Wegener, Wolfgang Weiermann,
Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Eckpunkte zur Verbesserung der Bekämpfung illegaler Beschäftigung und
Schwarzarbeit

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Der Deutsche Bundestag begrüßt die im Koalitionsvertrag festgehaltene Ab-
sicht der Regierungsfraktionen, gegen illegale Beschäftigung und Lohn-
dumping unverzüglich und entschlossen vorzugehen. Illegale Beschäftigung
und Schwarzarbeit gefährden die sozialen Sicherungssysteme, beeinträchti-
gen den Wettbewerb und untergraben die Handlungsfähigkeit des Staates.

2. Alle Schätzungen sind sich einig, dass es in den vergangenen 10 Jahren einen
dramatischen Anstieg der illegalen Beschäftigung und Schwarzarbeit vor
allem in der Baubranche sowie in verschiedenen Dienstleistungsbereichen
gegeben hat. Legal handelnde Unternehmen wurden vom Markt verdrängt
oder sahen sich gezwungen, ebenfalls auf illegale Praktiken zurückzugrei-
fen. Das führte zu erheblichen Einbußen im Steueraufkommen und bei den
Beiträgen zur Sozialversicherung.

3. Ursächlich für diese Entwicklung sind nicht zuletzt eine Professionalisie-
rung der Organisation illegaler Beschäftigung mit zum Teil unüberschauba-
ren Ketten von Subunternehmern, eine lückenhafte sozialpolitische Flankie-
rung des europäischen Binnenmarktes sowie die politischen Veränderungen
in den mittel- und osteuropäischen Staaten. Mangelhafte berufliche Perspek-
tiven in den Heimatländern und ein zu großes Gefälle beim Arbeitslohn oder
den einzuhaltenden Sozialstandards sind hierfür die Grundlagen.
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4. Zu dieser Entwicklung beigetragen hat aber auch der Umstand, dass die Be-
auftragung von Schwarzarbeitenden immer mehr zur gesellschaftlich akzep-
tierten Normalität wurde. Für viele wurde eine derartige Beschäftigung im
Haushalt oder auch bei Renovierungsarbeiten zur Selbstverständlichkeit.

5. Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung können nur durch ein Bündel von
Maßnahmen erfolgreich bekämpft werden. Erste wichtige Schritte sind von
der Bundesregierung durch die Entfristung des Arbeitnehmer-Entsende-
gesetzes, der Verankerung einer Auftraggeberhaftung für den Mindestlohn
und die Urlaubskassenbeiträge sowie der Aufstockung des für die Bekämp-
fung illegaler Beschäftigung zuständigen Personals getan.

6. Aber auch die erfolgreiche Wirtschafts- und Steuerpolitik durch die rot-
grüne Regierungskoalition trugen zur Verringerung der Anreize für illegale
Beschäftigung und Schwarzarbeit bei. Legale Beschäftigung wird durch die
gesenkten Lohnnebenkosten billiger, die Kaufkraft und die Investitionsbe-
reitschaft nehmen durch die Steuerentlastungen zu.

7. Die getroffenen Maßnahmen reichen aber noch nicht aus. Es gilt die An-
strengungen aller Beteiligten im Interesse des Funktionierens unserer
Solidargemeinschaft weiter zu intensivieren. 100 000 verhinderte illegale
Beschäftigungsverhältnisse könnten zu mehr als 60 000 legalen Beschäfti-
gungsverhältnissen und damit zu Mehreinnahmen für den Staatshaushalt
und die Sozialversicherungen von mehr als 2 Mrd. DM führen.

8. In Anbetracht der Tatsache, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Behörden
und Stellen für die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und Schwarzar-
beit zuständig ist und Arbeitsmarktdelikte häufig in Verbindung mit weite-
ren Verstößen erfolgen, sind Information, Kooperation und ein planmäßig
organisierter Datenaustausch für eine wirkungsvolle Bekämpfung von he-
rausragender Bedeutung. Darüber hinaus gilt es die Defizite bei der Verfol-
gung und Ahndung von Verstößen zu beheben sowie präventive Maßnah-
men zu verstärken.

II. Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Bundesregierung auf,

weitere organisatorische und rechtliche Voraussetzungen für eine wirksamere
Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und Schwarzarbeit zu schaffen und
den Bundestag über die zeitliche und inhaltliche Umsetzung geplanter Maß-
nahmen zu informieren.

Dabei sollte die Bundesregierung vorrangig folgende Schritte unternehmen:

1. Abschreckungswirkung erhöhen und Vollzugsdefizite ausräumen

Es ist zu überprüfen, wie die Abschreckungswirkung durch eine zielgerich-
tete Verbesserung der Sanktionierung erhöht werden kann. Hierbei ist nicht
nur an die Anhebung der Bußgeld- und Strafrahmen zu denken, es ist auch
die Einführung neuer Tatbestände zu erwägen. Hierzu könnte z. B. die Aus-
dehnung der Strafbarkeit der Sozialabgabenhinterziehung auch auf die Hin-
terziehung der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung zählen.

Die erhöhte Abschreckungswirkung setzt aber nur dann ein, wenn es auch
tatsächlich zur Verhängung von mehr Sanktionen kommt und diese auch
durchsetzbar sind. Um dieses zu erreichen sollte u. a. geprüft werden, ob der
Bundesanstalt für Arbeit nicht vergleichbare Rechte eingeräumt werden, wie
sie die Finanzbehörden bei Steuerstraftaten haben. Eine solche Kompetenz-
ausweitung könnte die Staatsanwaltschaften entlasten und eine zeitnähere
Ahndung ermöglichen.
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Die Durchsetzbarkeit entsprechender Sanktionen darf zukünftig auch nicht
an der Bundesgrenze enden. Gerade illegaler Arbeitnehmerverleih wird in
großem Stil über das Ausland organisiert. Hier könnte die Ausweitung des
dinglichen Arrestes auf zu erwartende Geldstrafen oder der Abschluss
weiterer transnationaler Amtshilfe- und Vollstreckungsabkommen Abhilfe
schaffen.

Die Bundesländer sollten angeregt werden, bei den Landgerichten Schwer-
punktstaatsanwaltschaften für illegale Beschäftigung, Schwarzarbeit und
damit verbundene Steuerstraftaten einzurichten.

2. Effizienz der Arbeit der Verfolgungsbehörden verbessern

Voraussetzung für die wirksame Verfolgung von Arbeitsmarktdelikten ist
aber nach wie vor eine effiziente Arbeit der zuständigen Behörden. Für die
Verfolgung der einzelnen Arbeitsmarktdelikte ist eine Vielzahl von Behör-
den/Institutionen zuständig, allein in Hamburg z. B. mindestens dreizehn.
Hinzu kommt, dass Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung häufig in Ver-
bindung mit anderen Vergehen wie Steuerhinterziehung oder Verstößen ge-
gen das Ausländerrecht begangen werden. Für eine effektive Bekämpfung
sind daher neben der notwendigen Ausstattung mit qualifiziertem Personal
und entsprechenden Sachmitteln der organisierte Austausch der für die Er-
füllung eigener Aufgaben erforderlichen Informationen und die Zusammen-
arbeit mit anderen Behörden und Institutionen zu gewährleisten.

Es ist daher zu untersuchen, wo Defizite liegen und wie die Arbeit der Ver-
folgungsbehörden gezielt verbessert werden kann.

Zu prüfen ist, ob zusätzliche Informationen für die Erfüllung der den Behör-
den zugewiesenen Aufgaben erforderlich sind. Hier geht es nicht nur um
mögliche Erweiterungen z. B. der Anzeige- und Informationspflichten, son-
dern auch und vor allem um die Nutzung von Synergieeffekten durch einen
organisierten Informationsaustausch. So würde z. B. die wechselseitige Nut-
zung der Kenntnisse und Befugnisse aller an Prüfungen beteiligten Behör-
den die Effizienz steigern ohne zusätzliche Kosten zu verursachen. Gleiches
gilt im Falle der zwingenden Weitergabe von für die Verfolgung illegaler
Beschäftigung und Schwarzarbeit relevanten Informationen der Steuer-
behörden an die jeweils zuständigen Behörden zur Bekämpfung der Arbeits-
marktdelikte. Wechselseitige Informationen sind aber auch notwendig, um
z. B. angemessene Sanktionen, wie etwa den Ausschluss von der Vergabe
öffentlicher Aufträge, zu verhängen. Die Bundesregierung möge deshalb
prüfen, wo es Defizite beim Austausch von Informationen und Daten auf-
grund der bestehenden Regelungen gibt und welche Maßnahmen zur Ver-
besserung getroffen werden sollten.

Neuregelungen werden aber nur dann den gewünschten Effekt erzielen kön-
nen, wenn auch die tatsächliche Zusammenarbeit der unterschiedlichsten
Akteure verbessert und vorhandene Ressortegoismen überwunden werden.
Helfen könnte hierbei die Bildung von gemeinsamen Ermittlungsgruppen
zumindest in den von illegaler Beschäftigung besonders betroffenen Regio-
nen. Sollte eine verbesserte Koordination und Zusammenarbeit auch auf
diesem Wege nicht zu erzielen sein, so müsste langfristig über eine Konzen-
tration der für die Bekämpfung illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit
auf möglichst wenige Behörden nachgedacht werden.

3. Prävention verstärken

Für die Zurückdrängung illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit ist auch
die Verstärkung präventiver Maßnahmen von Bedeutung. Angesichts der
doch weit verbreiteten Akzeptanz derartiger Beschäftigungsformen in der
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Bevölkerung ist eine verbesserte Aufklärung über die einschneidenden Fol-
gen für unseren Sozialstaat notwendig. Hier sind alle am Wirtschafts- und
Arbeitsleben Beteiligten gefordert.

Eine Vorbildfunktion kommt der öffentlichen Hand zu, die nicht nur als
Gesetzgeber, sondern auch als Bauherr in besonderem Maße auf die Ein-
haltung gesetzlicher und tariflicher Bestimmungen achten muss. Die Ver-
gabegesetze von Bund und Ländern müssen deshalb diesen Zielvorgaben
Rechnung tragen.

Aber auch die Unternehmen müssen ihrer Verantwortung für das Gemein-
wohl stärker gerecht werden. Wir begrüßen, dass Unternehmer und die
Tarifvertragsparteien des Baugewerbes bereits initiativ geworden sind.
Diese Anstrengungen müssen verstärkt und ergänzt werden. Dies sollte da-
durch geschehen, dass die Unternehmer als Auftraggeber durch eine einzu-
führende Haftung für die Sozialversicherungsbeiträge ihrer Nachunterneh-
mer zur verstärkten präventiven Kontrolle ihrer potentiellen Auftragnehmer
angehalten werden.

Schließlich ist daran zu denken, den Tarifvertragsparteien oder auch den
konkurierenden Unternehmen verbesserte Handlungsmöglichkeiten einzu-
räumen sowie die Konfliktfähigkeit der betroffenen Arbeitnehmer zu erhö-
hen.

Berlin, den 8. Februar 2001

Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

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