Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.04.2012, Az. 2 C 15/10

2. Senat | REWIS RS 2012, 6891

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Gegenstand

Rückforderung von Bezügen; Wechselschichtzulage; Verschulden; Billigkeitsentscheidung


Leitsatz

1. Bei der Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG ist in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt. In diesem Fall ist ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30 % des überzahlten Betrages im Regelfall angemessen.

2. Die Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG ist notwendiger und untrennbarer Bestandteil der Rückforderungsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG.

Tatbestand

1

Der Kläger steht als Polizeioberkommissar im Dienst der [X.]. Nach vorheriger Verwendung in einem Polizeikommissariat im Wechselschichtbetrieb übernahm er zum 1. Dezember 1997 einen Polizeiposten, bei dem Dienst im Dreischichtbetrieb von 7 Uhr bis 22 Uhr zu leisten war, Nachtschichten fielen nicht an. Ab Juli 2006 war er wieder beim Polizeikommissariat im Wechselschichtbetrieb tätig.

2

Im September 2006 stellte sich heraus, dass der Kläger auch während seiner [X.] beim Polizeiposten die [X.] in Höhe von 51,13 € monatlich erhalten hatte, obwohl ihm lediglich eine Schichtzulage in Höhe von 23,01 € zustand. Die Personaldienststelle beim Polizeikommissariat hatte die Versetzung des [X.] zum Polizeiposten der für Besoldung zuständigen Stelle nicht angezeigt. Die Fortzahlung der [X.] war in den Besoldungsmitteilungen an den Kläger ausgewiesen.

3

Die Beklagte forderte vom Kläger einen Betrag für Überzahlungen von Dezember 1997 bis Juli 2006 in Höhe von 3 008 € zurück, der im Widerspruchsbescheid im Hinblick auf spätere Unterzahlungen auf 2 688 € ermäßigt wurde. Sie gewährte dem Kläger aus Billigkeitsgründen Ratenzahlung; die Modalitäten der Rückzahlung sowie die Höhe der Raten sollten später vereinbart werden.

4

Auf die nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens erhobene und erstinstanzlich erfolglos gebliebene Klage hat das Oberverwaltungsgericht den Rückforderungsbescheid aufgehoben. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger könne sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, weil es für ihn offensichtlich gewesen sei, dass ihm die [X.] nicht mehr in der vorherigen Höhe zugestanden habe. Er habe gewusst, dass der Wegfall der regelmäßigen Nachtschichten die Verringerung seiner Schichtzulage zur Folge habe, wenn er auch keine genaue Vorstellung von der Größenordnung dieser Verringerung gehabt habe. Die Beklagte hätte den Rückforderungsbetrag aber aus Billigkeitsgründen, nämlich wegen des überwiegenden behördlichen [X.] an der Überzahlung, des Verbrauchs der überzahlten Beträge im Rahmen der allgemeinen Lebensführung und der jahrelangen Überzahlung mit jeweils geringen Einzelbeträgen herabsetzen müssen. Insoweit sei ihr Ermessen reduziert gewesen. Der Rückforderungsbescheid sei insgesamt und nicht lediglich hinsichtlich der Billigkeitsentscheidung aufzuheben, weil diese ein unselbstständiger Teil des Rückforderungsanspruchs sei.

5

Mit der Revision beantragt die Beklagte,

das Urteil des [X.] vom 12. Februar 2010 aufzuheben und die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 23. April 2009 zurückzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des [X.] verstößt nicht gegen [X.] (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, § 127 Nr. 2 [X.]RRG, § 63 Abs. 3 Satz 2 [X.]eamtStG).

8

Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] in der hier maßgebenden Fassung vom 6. August 2002 ([X.] 3020) regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter [X.]ezüge nach den Vorschriften des [X.]ürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten [X.]ereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes steht es nach Satz 2 dieser [X.]estimmung gleich, wenn der Mangel so offensichtlich ist, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Nach Satz 3 kann aus [X.]illigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise von der Rückforderung abgesehen werden.

9

Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger zu viel [X.]ezüge gezahlt worden sind (1). Der Kläger ist nach § 12 Abs. 2 Satz 2 [X.] zur Rückzahlung verpflichtet, obwohl er die [X.]ezüge verbraucht hat (2). Der Rückforderungsanspruch ist nicht verjährt (3). Das Oberverwaltungsgericht hat die nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] zu treffende [X.]illigkeitsentscheidung zu Recht als ermessensfehlerhaft beanstandet (4). Die Rechtsfehlerhaftigkeit einer [X.]illigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] hat die Rechtswidrigkeit des Rückforderungsbescheids nach § 12 Abs. 2 [X.] zur Folge (5).

1. Die Höhe der überzahlten Dienstbezüge lässt sich anhand der tatsächlichen Feststellungen des [X.] nicht endgültig bestimmen.

Der Kläger leistete von Dezember 1997 bis Januar 2006 keine planmäßigen Nachtschichten und damit auch keine Wechselschichten mehr. Ihm stand deshalb für diesen Zeitraum keine [X.], sondern lediglich eine Schichtzulage zu, § 20 Abs. 2 Satz 1 [X.]uchst. [X.], die ihm nach § 22 Abs. 3 bzw. § 20 Abs. 4 [X.] - ebenso wie zuvor die [X.] - nur zur Hälfte zu gewähren war, weil er als [X.] eine Stellenzulage nach Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den [X.] und [X.] erhielt.

Ob und in welcher Höhe es auch vom 6. Februar 2006 bis zum 10. Juli 2006 zu Überzahlungen kam, lässt sich auf der Grundlage der Feststellungen des [X.]erufungsgerichts nicht ermitteln. Das war nicht der Fall, wenn dem Kläger nach [X.]eendigung der Tätigkeit auf dem Polizeiposten wiederum ein Anspruch auf [X.] zustand. Dafür ist es ausreichend, dass er in einen [X.] eingeteilt war. Dienstzeiten in dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachtschichten, die ein [X.]eamter aus den in § 19 Abs. 1 [X.] genannten Gründen versäumt, werden für die [X.]erechnung des erforderlichen Nachtschichtpensums einbezogen, als hätte der [X.]eamte in diesen Zeiten Dienst verrichtet. Im Falle einer Unterbrechung der zulageberechtigenden Tätigkeit durch eine Erkrankung einschließlich Heilkur (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.]) wird die Zulage bis zum Ende des Monats, der auf den Eintritt der Unterbrechung folgt, [X.] (§ 19 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Deshalb wäre es unerheblich, wenn der Kläger für ihn vorgesehene Nachtdienste wegen Krankheit nicht hätte leisten können (Urteil vom 27. Oktober 2011 - [X.]VerwG 2 [X.] 73.10 - [X.] 240.1 [X.] Nr. 36, Rn. 14 ff., zur [X.] in der Entscheidungssammlung [X.] vorgesehen). Auch hätte ihm die [X.] gegebenenfalls von [X.]eginn an nach Einteilung in den [X.] zugestanden ([X.]eschluss vom 12. Dezember 2011 - [X.]VerwG 2 [X.] - NVwZ-RR 2012, 245, Rn. 6, zur [X.] in der Entscheidungssammlung [X.] vorgesehen).

Einer Zurückverweisung zur Nachholung der für den Zeitraum vom 6. Februar 2006 bis zum 10. Juli 2006 erforderlichen Feststellungen bedarf es allerdings nicht, weil sich das [X.]erufungsurteil unabhängig von diesen Feststellungen aus anderen Gründen als richtig erweist. Die [X.]eklagte wird die erforderlichen Feststellungen vor Erlass eines etwaigen neuen Rückforderungsbescheids zu treffen haben.

2. Der Kläger hat die zu viel gezahlten [X.]ezüge im Rahmen der normalen Lebensführung verbraucht. Dies ist bei relativ geringen [X.]eträgen - hier etwa 23 € - monatlicher Überzahlungen über einen langen Zeitraum anzunehmen.

Der Kläger schuldet aber die Rückzahlung der überzahlten [X.]eträge, weil der Mangel offensichtlich im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 2 [X.] war, so dass er ihn hätte erkennen müssen.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn der Empfänger die Überzahlung nur deshalb nicht bemerkt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer [X.] gelassen hat (Urteile vom 28. Juni 1990 - [X.]VerwG 6 [X.] 41.88 - [X.] 240 § 12 [X.] Nr. 17 S. 17 m.w.N. und vom 28. Februar 1985 - [X.]VerwG 2 [X.] 31.82 - [X.] 235 § 12 [X.] Nr. 7 S. 13 m.w.N.; stRspr) oder - mit anderen Worten - er den Fehler etwa durch Nachdenken oder logische Schlussfolgerung hätte erkennen müssen (Urteil vom 9. Mai 2006 - [X.]VerwG 2 [X.] 12.05 - [X.] 240 § 40 [X.] Nr. 37 Rn. 13). Letztlich ist das Fehlen des [X.] für die Zahlung dann offensichtlich, wenn es für den Empfänger ohne weiteres erkennbar ist.

Zu den Sorgfaltspflichten des [X.]eamten gehört es aufgrund seiner beamtenrechtlichen Treuepflicht auch, die [X.]esoldungsmitteilungen bei besoldungsrelevanten Änderungen im dienstlichen oder persönlichen [X.]ereich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. Er darf sich insbesondere dann, wenn er ohne erkennbaren Grund höhere Leistungen erhält, nicht ohne weiteres auf die Rechtmäßigkeit der Zahlung verlassen (vgl. Urteile vom 28. Februar 1985 a.a.[X.] und 15 und vom 25. November 1982 - [X.]VerwG 2 [X.] 14.81 - [X.] 235 § 12 [X.] Nr. 3 m.w.N. ). Offensichtlichkeit im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 2 [X.] liegt vor, wenn dem [X.]eamten aufgrund seiner Kenntnisse auffallen muss, dass die ausgewiesenen [X.]eträge nicht stimmen können. Ihm muss sich aufdrängen, dass die [X.]esoldungsmitteilungen fehlerhaft sind; nicht ausreichend ist, wenn Zweifel bestehen und es einer Nachfrage bedarf. Nicht erforderlich ist hingegen, dass außerdem die konkrete Höhe der Überzahlung offensichtlich ist.

Nach den Feststellungen des [X.] wusste der Kläger, dass er auf dem neuen Dienstposten keine regelmäßigen Nachtschichten mehr zu leisten hatte. Er hatte zwar keine genaue Vorstellung von der Größenordnung der Verminderung der Schichtzulage, wusste aber, dass die Zulage ohne Nachtschichtbetrieb geringer ist. Die auf diesen Feststellungen basierende Annahme des [X.], dass dem Kläger beim Lesen der [X.]ezügemitteilungen hätte auffallen müssen, dass trotz der dienstlichen Veränderungen unverändert "1/2 [X.]" ausgewiesen war, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das gilt auch insoweit, als das Oberverwaltungsgericht der mehrjährigen Zahlung und dem behördlichen Verursachungsbeitrag an der Überzahlung im Rahmen der [X.] nach § 12 Abs. 2 Satz 2 [X.] keine [X.]edeutung beigemessen hat.

3. Die jeweils monatlich entstandenen Rückforderungsansprüche sind noch nicht verjährt.

[X.]is zur Neuregelung des Verjährungsrechts mit Wirkung vom 1. Januar 2002 trat die Verjährung bei Rückforderung von [X.] gemäß § 195 [X.]G[X.] a.F. nach dreißig Jahren ein (Urteil vom 13. September 2001 - [X.]VerwG 2 A 9.00 - [X.] 240 § 59 [X.] Nr. 11 S. 8). Rückforderungsansprüche nach § 12 [X.], die nach dem 31. Dezember 2001, also nach Änderung der Verjährungsfristen durch das [X.] vom 26. November 2001, entstanden sind, verjähren nunmehr gemäß § 195 [X.]G[X.] n.F. nach drei Jahren. Überleitungsfälle, d.h. bis zum 31. Dezember 2001 entstandene, aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährte Ansprüche, werden nach Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EG[X.]G[X.] ab dem 1. Januar 2002 ebenfalls nach der neuen kürzeren Verjährungsfrist berechnet, wenn die vorherige längere Frist nicht zu einem früheren Zeitpunkt abgelaufen wäre ([X.]eschluss vom 20. Dezember 2010 - [X.]VerwG 2 [X.] 44.10 - juris Rn. 6).

Nach § 199 Abs. 1 [X.]G[X.] beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. [X.]ei [X.]ehörden oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften ist hierbei auf die Kenntnis der verfügungsberechtigten [X.]ehörde abzustellen. [X.] in diesem Sinne sind dabei diejenigen [X.]ehörden, denen die Entscheidungskompetenz für den Rückforderungsanspruch zukommt, wobei die behördliche Zuständigkeitsverteilung zu respektieren ist ([X.]eschlüsse vom 20. August 2009 - [X.]VerwG 2 [X.] 24.09 - juris und vom 20. Dezember 2010 - [X.]VerwG 2 [X.] 34.10 - juris; [X.]GH, Urteil vom 12. Mai 2009 - [X.]/08 - NJW-RR 2009, 1471 <1472> m.w.N.).

Danach sind sowohl die vor als auch die nach dem 31. Dezember 2001 entstandenen Rückforderungsansprüche der [X.]eklagten nicht verjährt. Nach der Feststellung des [X.] erfuhr die für die Rückforderung zuständige Dienststelle erst im November 2006 von der Überzahlung. Daher begann erst zum Jahresende 2006 die Verjährungsfrist des § 195 [X.]G[X.] zu laufen, weil dieser Dienststelle auch keine grob fahrlässige Unkenntnis von der Überzahlung angelastet werden kann. Denn die [X.]eklagte hat das Erforderliche getan, um zu gewährleisten, dass besoldungsrelevante Änderungen unverzüglich der zuständigen Stelle mitgeteilt werden. Somit könnte sich grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 [X.]G[X.] nur aus einem Organisationsverschulden ergeben. Sind organisatorische Vorkehrungen getroffen, um die unverzügliche [X.]erücksichtigung besoldungsrelevanter dienstlicher Veränderungen sicherzustellen, so kommt ein Organisationsverschulden nur in [X.]etracht, wenn sich herausstellt, dass das vorhandene System lückenhaft oder fehleranfällig ist. Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht keine Feststellungen getroffen.

4. Das Oberverwaltungsgericht hat die [X.]illigkeitsentscheidung der [X.]eklagten nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] zu Recht als ermessensfehlerhaft beanstandet.

Nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] kann aus [X.]illigkeitsgründen ganz oder teilweise von der Rückforderung abgesehen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bezweckt eine [X.]illigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.], eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die [X.]ehörde zumutbare und für den [X.]eamten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben und stellt eine sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten [X.]ereicherung dar, so dass sie vor allem in Fällen der verschärften Haftung von [X.]edeutung ist. Dabei ist jedoch nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der [X.]ereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des [X.]eamten abzustellen (Urteile vom 27. Januar 1994 - [X.]VerwG 2 [X.] 19.92 - [X.]VerwGE 95, 94 <97> = [X.] 240 § 12 [X.] Nr. 21, vom 25. November 1982 - [X.]VerwG 2 [X.] 14.81 - [X.]VerwGE 66, 251 <255 f.> = [X.] 235 § 12 [X.] Nr. 3 und vom 21. September 1989 - [X.]VerwG 2 [X.] 68.86 - [X.] 240 § 12 [X.] Nr. 15 sowie [X.]eschluss vom 11. Februar 1983 - [X.]VerwG 6 [X.] 61.82 - [X.] 238.41 § 49 SVG Nr. 3).

[X.]ei der [X.]illigkeitsentscheidung ist von besonderer [X.]edeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war. Ein Mitverschulden der [X.]ehörde an der Überzahlung ist in die Ermessensentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] einzubeziehen (Urteile vom 27. Januar 1994 a.a.O und vom 21. April 1982 - [X.]VerwG 6 [X.] 112.78 - [X.] 237.7 § 98 L[X.]G NW Nr. 10; [X.]eschluss vom 11. Februar 1983 - [X.]VerwG 6 [X.] 61.82 - a.a.O.).

Deshalb ist aus Gründen der [X.]illigkeit in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt. In diesen Fällen ist der [X.]eamte entreichert, kann sich aber, wie dargelegt, auf den Wegfall der [X.]ereicherung nicht berufen. Dann muss sich die überwiegende behördliche Verantwortung für die Überzahlung aber in der [X.]illigkeitsentscheidung niederschlagen. Das ist auch unter [X.] geboten. Der [X.]eamte, der nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt hat, muss besser stehen als der [X.]eamte, der die Überzahlung allein zu verantworten hat. Angesichts dessen erscheint ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30 % des überzahlten [X.]etrages im Regelfall angemessen. [X.]ei Hinzutreten weiterer Umstände, etwa besonderer wirtschaftlicher Probleme des [X.]eamten, kann auch eine darüber hinausgehende Ermäßigung des [X.] in [X.]etracht kommen.

Das Oberverwaltungsgericht ist deshalb in nachvollziehbarer, nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass im Rahmen der [X.]illigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] nur ein teilweises Absehen von der Rückforderung ermessensgerecht ist. Denn es hat einen überwiegenden Verursachungsbeitrag der [X.]ehörde für die Überzahlungen festgestellt.

Außerdem entspricht es in der Regel der [X.]illigkeit, bei wiederkehrenden Überzahlungen in jeweils geringer Höhe über einen längeren Zeitraum Ratenzahlungen einzuräumen, die dem Überzahlungszeitraum entsprechen. Die Festlegungen sind im [X.]escheid zu treffen; eine bloße [X.]ereitschaft, später Ratenzahlungen zu vereinbaren, genügt nicht. Der [X.]illigkeit entspricht es, dass sich Dienstherr und [X.]eamter über die Modalitäten der Rückzahlung zu verständigen suchen.

5. Die Rechtsfehlerhaftigkeit einer [X.]illigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] hat die Rechtswidrigkeit der Rückforderungsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] zur Folge. Ein Rückforderungsbescheid darf nicht ergehen, ohne dass eine [X.]illigkeitsentscheidung getroffen worden ist. Eine [X.]illigkeitsentscheidung zugunsten des Schuldners modifiziert den Rückzahlungsanspruch (Urteil vom 28. Februar 2002 - [X.]VerwG 2 [X.] 2.01 - [X.]VerwGE 116, 74 <77 f.> = [X.] 240 § 12 [X.] Nr. 29 S. 14). Die [X.]illigkeitsentscheidung betrifft nicht lediglich die Vollziehung oder Vollstreckung des Rückforderungsbescheids, sondern den materiellen [X.]estand des Rückforderungsanspruchs und ist deshalb zwingend vor der Rückforderung zu treffen (Urteil vom 15. Dezember 1993 - [X.]VerwG 10 A 1.91 - [X.] 232 § 87 [X.][X.]G Nr. 65 S. 8 f.) Neben dem vollständigen oder teilweisen Absehen von der Rückzahlung kommen die Stundung der [X.] oder die Einräumung von Ratenzahlungen in [X.]etracht (Urteil vom 8. Oktober 1998 - [X.]VerwG 2 [X.] 21.97 - [X.] 239.1 § 55 [X.]eamtVG Nr. 25 m.w.N.). Vor der [X.]illigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] steht lediglich die Höhe der Überzahlung fest, nicht aber, ob, in welcher Höhe und mit welchen Modalitäten diese Überzahlung auch einen Rückforderungsanspruch nach § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] begründet. Die [X.]illigkeitsentscheidung ist damit notwendiger und untrennbarer [X.]estandteil der Rückforderungsentscheidung.

[X.]ei einer erneuten Entscheidung über die Rückforderung der überzahlten [X.]ezüge nach § 12 Abs. 2 [X.] wird die [X.]ehörde prüfen müssen, in welcher Höhe die bislang angenommene Überzahlung für den Zeitraum vom 6. Februar bis zum 10. Juli 2006 tatsächlich vorlag. Im Rahmen der [X.]illigkeitsprüfung wird sie die gebotenen Ermessenserwägungen anstellen und den Umfang des [X.] von der Rückforderung sowie die Modalitäten der Ratenzahlung für den verbleibenden Rückforderungsbetrag bestimmen müssen.

Dass die [X.]eklagte im [X.]erufungsverfahren ihre Ermessenserwägungen um Ausführungen zur [X.]edeutung des behördlichen [X.] an der Überzahlung für die [X.]illigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] ergänzt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen handelt es sich insoweit nicht um ein nach § 114 Satz 2 VwGO im gerichtlichen Verfahren zulässiges Ergänzen der Ermessenserwägungen, sondern angesichts dessen, dass der im vorliegenden Fall allein relevante [X.]illigkeitsaspekt des behördlichen Verschuldens an der Überzahlung zuvor keine Rolle in der [X.]illigkeitsentscheidung der [X.]eklagten gespielt hat, um eine von § 114 Satz 2 VwGO nicht gedeckte Auswechselung der die [X.]illigkeitsentscheidung tragenden Gründe (grundlegend zu § 114 Satz 2 VwGO Urteil vom 5. Mai 1998 - [X.]VerwG 1 [X.] 17.97 - [X.]VerwGE 106, 351 <363 ff.> = [X.] 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 13; Urteil vom 21. Juni 2007 - [X.]VerwG 2 A 6.06 - [X.] 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 35 Rn. 29). Zum anderen genügen auch die im gerichtlichen Verfahren mitgeteilten Ermessenserwägungen nicht den dargelegten Anforderungen an die Ermessensbetätigung im Rahmen der [X.]illigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.], weil sie dem Aspekt des behördlichen Verschuldens an der Überzahlung nicht das ihm zukommende Gewicht beimessen und im Ergebnis nicht zu dem hier gebotenen teilweisen Absehen von der Rückforderung führten.

Meta

2 C 15/10

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Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.04.2012, Az. 2 C 15/10 (REWIS RS 2012, 6891)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6891

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