Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.04.2012, Az. 2 C 4/11

2. Senat | REWIS RS 2012, 6859

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Gegenstand

Rückforderung von Bezügen; Ortszuschlag; Verjährung; Verschulden; Billigkeitsentscheidung


Tatbestand

1

Der Kläger, ein Steueramtmann, erhielt, obwohl seine Ehefrau seit 1. Oktober 1996 als teilzeitbeschäftigte Angestellte im öffentlichen Dienst beschäftigt war, weiterhin den vollen [X.] der Stufe 2 (sogenannter Verheiratetenzuschlag). Die seinerzeit zuständige Besoldungs- und Versorgungsstelle hatte die entsprechende Zahlungsanweisung der Personalabteilung zur Reduzierung des [X.] nicht umgesetzt. Eine Durchschrift dieser Zahlungsanweisung erhielt der Kläger zur Kenntnis. Erst nachdem die Ehefrau des [X.] ab dem 1. November 2006 keinen [X.] mehr erhielt, stellte das nun zuständige Personalreferat der Finanzbehörde die Überzahlung für die Vergangenheit fest und forderte noch im November 2006 die Überzahlung von insgesamt 6 416,92 € zurück. Nach erfolglosem Klageverfahren hat das Berufungsgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

2

Der Kläger könne sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, weil er aufgrund der Zahlungsanweisung gewusst habe, dass ihm der höhere [X.] nicht mehr zugestanden habe. Auch sei der Rückforderungsanspruch nicht verjährt, da die für den Kläger zuständige Personalstelle der [X.] und später der Finanzbehörde vor 2006 nichts von der Überzahlung gewusst habe. Die Beklagte hätte den Rückforderungsbetrag aber aus Billigkeitsgründen, nämlich wegen des überwiegenden behördlichen [X.] an der Überzahlung, des Verbrauchs der überzahlten Beträge im Rahmen der allgemeinen Lebensführung und der jahrelangen Überzahlung mit jeweils geringen Einzelbeträgen herabsetzen müssen. Insoweit sei ihr Ermessen reduziert gewesen. Der Rückforderungsbescheid sei insgesamt und nicht lediglich hinsichtlich der Billigkeitsentscheidung aufzuheben, weil diese ein unselbstständiger Teil des Rückforderungsanspruchs sei.

3

Mit der Revision beantragt die Beklagte,

das Urteil des [X.] vom 10. Dezember 2009 aufzuheben und die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 22. August 2008 zurückzuweisen.

4

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des [X.]erufungsgerichts verstößt nicht gegen [X.] (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, § 127 Nr. 2 [X.]RRG, § 63 Abs. 3 Satz 2 [X.]eamtStG).

6

Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] in der hier maßgebenden Fassung vom 6. August 2002 ([X.] 3020) regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter [X.]ezüge nach den Vorschriften des [X.]ürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten [X.]ereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes steht es nach Satz 2 dieser [X.]estimmung gleich, wenn der Mangel so offensichtlich ist, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Nach Satz 3 kann aus [X.]illigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise von der Rückforderung abgesehen werden.

7

Der Kläger ist nach § 12 Abs. 2 Satz 2 [X.] zur Rückzahlung der zu viel gezahlten [X.]ezüge verpflichtet, obwohl er sie verbraucht hat (1). Der Rückforderungsanspruch ist nicht verjährt (2). Das [X.]erufungsgericht hat die nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] zu treffende [X.]illigkeitsentscheidung zu Recht als ermessensfehlerhaft beanstandet (3). Die Rechtsfehlerhaftigkeit einer [X.]illigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] hat die Rechtswidrigkeit des Rückforderungsbescheids nach § 12 Abs. 2 [X.] zur Folge (4).

8

1. Der Kläger hat die zu viel gezahlten [X.]ezüge im Rahmen der normalen Lebensführung verbraucht. Dies ist bei relativ geringen [X.]eträgen von 21,74 € bis 52,64 €, die monatlich über einen langen Zeitraum überzahlt wurden, anzunehmen.

9

Der Kläger schuldet aber die Rückzahlung der überzahlten [X.]eträge, weil der Mangel offensichtlich im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 2 [X.] war, sodass er ihn hätte erkennen müssen.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn der Empfänger die Überzahlung nur deshalb nicht bemerkt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer [X.] gelassen hat (Urteile vom 28. Juni 1990 - [X.]VerwG 6 [X.] 41.88 - [X.] 240 § 12 [X.] Nr. 17 S. 17 m.w.N. und vom 28. Februar 1985 - [X.]VerwG 2 [X.] 31.82 - [X.] 235 § 12 [X.] Nr. 7 S. 13 m.w.N.; stRspr) oder - mit anderen Worten - er den Fehler etwa durch Nachdenken oder logische Schlussfolgerung hätte erkennen müssen (Urteil vom 9. Mai 2006 - [X.]VerwG 2 [X.] 12.05 - [X.] 240 § 40 [X.] Nr. 37 Rn. 13). Letztlich ist das Fehlen des [X.] für die Zahlung dann offensichtlich, wenn es für den Empfänger ohne weiteres erkennbar ist.

Zu den Sorgfaltspflichten des [X.]eamten gehört es aufgrund seiner beamtenrechtlichen Treuepflicht auch, die [X.]esoldungsmitteilungen bei besoldungsrelevanten Änderungen im dienstlichen oder persönlichen [X.]ereich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. Er darf sich insbesondere dann, wenn er ohne erkennbaren Grund höhere Leistungen erhält, nicht ohne weiteres auf die Rechtmäßigkeit der Zahlung verlassen (vgl. Urteile vom 28. Februar 1985 a.a.[X.] und 15 und vom 25. November 1982 - [X.]VerwG 2 [X.] 14.81 - [X.] 235 § 12 [X.] Nr. 3 m.w.N. ). Offensichtlichkeit im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 2 [X.] liegt vor, wenn dem [X.]eamten aufgrund seiner Kenntnisse auffallen muss, dass die ausgewiesenen [X.]eträge nicht stimmen können. Ihm muss sich aufdrängen, dass die [X.]esoldungsmitteilungen fehlerhaft sind; nicht ausreichend ist, wenn Zweifel bestehen und es einer Nachfrage bedarf. Nicht erforderlich ist hingegen, dass außerdem die konkrete Höhe der Überzahlung offensichtlich ist.

Nach den Feststellungen des [X.] wusste der Kläger aufgrund der ihm übersandten Zahlungsanweisung um die Verringerung des sogenannten [X.]. Dieser wird auf den [X.]esoldungsmitteilungen gesondert ausgewiesen. Die auf diesen Feststellungen basierende Annahme des [X.]erufungsgerichts, dass dem Kläger bei der gebotenen Prüfung der [X.]esoldungsmitteilungen aufgefallen wäre, dass der Zuschlag unverändert weitergezahlt wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das gilt auch insoweit, als das [X.]erufungsgericht der mehrjährigen Zahlung und dem behördlichen Verursachungsbeitrag an der Überzahlung im Rahmen der [X.] nach § 12 Abs. 2 Satz 2 [X.] keine [X.]edeutung beigemessen hat.

2. Die jeweils monatlich entstandenen Rückforderungsansprüche sind noch nicht verjährt.

[X.]is zur Neuregelung des Verjährungsrechts mit Wirkung vom 1. Januar 2002 trat die Verjährung bei Rückforderung von [X.] gemäß § 195 [X.]G[X.] a.F. nach dreißig Jahren ein (Urteil vom 13. September 2001 - [X.]VerwG 2 A 9.00 - [X.] 240 § 59 [X.] Nr. 11 S. 8). Rückforderungsansprüche nach § 12 [X.], die nach dem 31. Dezember 2001, also nach Änderung der Verjährungsfristen durch das [X.] vom 26. November 2001, entstanden sind, verjähren nunmehr gemäß § 195 [X.]G[X.] n.F. nach drei Jahren. Überleitungsfälle, d.h. bis zum 31. Dezember 2001 entstandene, aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährte Ansprüche, werden nach Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EG[X.]G[X.] ab dem 1. Januar 2002 ebenfalls nach der neuen kürzeren Verjährungsfrist berechnet, wenn die vorherige längere Frist nicht zu einem früheren Zeitpunkt abgelaufen wäre ([X.]eschluss vom 20. Dezember 2010 - [X.]VerwG 2 [X.] 44.10 - juris Rn. 6).

Nach § 199 Abs. 1 [X.]G[X.] beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. [X.]ei [X.]ehörden oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften ist hierbei auf die Kenntnis der verfügungsberechtigten [X.]ehörde abzustellen. [X.] in diesem Sinne sind dabei diejenigen [X.]ehörden, denen die Entscheidungskompetenz für den Rückforderungsanspruch zukommt, wobei die behördliche Zuständigkeitsverteilung zu respektieren ist ([X.]eschlüsse vom 20. August 2009 - [X.]VerwG 2 [X.] 24.09 - juris und vom 20. Dezember 2010 - [X.]VerwG 2 [X.] 34.10 - juris; [X.]GH, Urteil vom 12. Mai 2009 - [X.]/08 - NJW-RR 2009, 1471 <1472> m.w.N.).

Danach sind sowohl die vor als auch die nach dem 31. Dezember 2001 entstandenen Rückforderungsansprüche der [X.]eklagten nicht verjährt. Nach den Feststellungen des [X.] wusste die zuständige Personalstelle zwar von der Änderung der besoldungsrelevanten Daten und wies die [X.]esoldungs- und [X.] an. Ihr war aber nicht bewusst, dass diese ihre Anweisung nicht umsetzte. Erst im November 2006 erfuhr die für die Rückforderung zuständige Stelle von der Überzahlung. Daher begann erst zum Jahresende 2006 die Verjährungsfrist des § 195 [X.]G[X.] zu laufen, weil dieser Dienststelle auch keine grob fahrlässige Unkenntnis von der Überzahlung angelastet werden kann. Denn die [X.]eklagte hat das Erforderliche getan, um zu gewährleisten, dass besoldungsrelevante Änderungen unverzüglich umgesetzt werden. Somit könnte sich grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 [X.]G[X.] nur aus einem Organisationsverschulden ergeben. Sind organisatorische Vorkehrungen getroffen, um die unverzügliche [X.]erücksichtigung besoldungsrelevanter dienstlicher Veränderungen sicherzustellen, so kommt ein Organisationsverschulden nur in [X.]etracht, wenn sich herausstellt, dass das vorhandene System lückenhaft oder fehleranfällig ist. Hierzu hat das [X.]erufungsgericht keine Feststellungen getroffen.

3. Das [X.]erufungsgericht hat die [X.]illigkeitsentscheidung der [X.]eklagten nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] zu Recht als ermessensfehlerhaft beanstandet.

Nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] kann aus [X.]illigkeitsgründen ganz oder teilweise von der Rückforderung abgesehen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bezweckt eine [X.]illigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.], eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die [X.]ehörde zumutbare und für den [X.]eamten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben und stellt eine sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten [X.]ereicherung dar, sodass sie vor allem in Fällen der verschärften Haftung von [X.]edeutung ist. Dabei ist jedoch nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der [X.]ereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des [X.]eamten abzustellen (Urteile vom 27. Januar 1994 - [X.]VerwG 2 [X.] 19.92 - [X.]VerwGE 95, 94 <97> = [X.] 240 § 12 [X.] Nr. 21, vom 25. November 1982 - [X.]VerwG 2 [X.] 14.81 - [X.]VerwGE 66, 251 <255 f.> = [X.] 235 § 12 [X.] Nr. 3 und vom 21. September 1989 - [X.]VerwG 2 [X.] 68.86 - [X.] 240 § 12 [X.] Nr. 15 sowie [X.]eschluss vom 11. Februar 1983 - [X.]VerwG 6 [X.] 61.82 - [X.] 238.41 § 49 SVG Nr. 3).

[X.]ei der [X.]illigkeitsentscheidung ist von besonderer [X.]edeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war. Ein Mitverschulden der [X.]ehörde an der Überzahlung ist in die Ermessensentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] einzubeziehen (Urteile vom 27. Januar 1994 a.a.[X.] und vom 21. April 1982 - [X.]VerwG 6 [X.] 112.78 - [X.] 237.7 § 98 L[X.]G NW Nr. 10; [X.]eschluss vom 11. Februar 1983 - [X.]VerwG 6 [X.] 61.82 - a.a.[X.]).

Deshalb ist aus Gründen der [X.]illigkeit in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt. In diesen Fällen ist der [X.]eamte entreichert, kann sich aber, wie dargelegt, auf den Wegfall der [X.]ereicherung nicht berufen. Dann muss sich die überwiegende behördliche Verantwortung für die Überzahlung aber in der [X.]illigkeitsentscheidung niederschlagen. Das ist auch unter [X.] geboten. Der [X.]eamte, der nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt hat, muss besser stehen als der [X.]eamte, der die Überzahlung allein zu verantworten hat. Angesichts dessen erscheint ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30 % des überzahlten [X.]etrages im Regelfall als angemessen. [X.]ei Hinzutreten weiterer Umstände, etwa besonderer wirtschaftlicher Probleme des [X.]eamten, kann auch eine darüber hinausgehende Ermäßigung des [X.] in [X.]etracht kommen.

Das [X.]erufungsgericht ist deshalb in nachvollziehbarer, nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass im Rahmen der [X.]illigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] nur ein teilweises Absehen von der Rückforderung ermessensgerecht ist. Denn es hat einen überwiegenden Verursachungsbeitrag der [X.]ehörde für die Überzahlungen festgestellt.

Außerdem entspricht es in der Regel der [X.]illigkeit, bei wiederkehrenden Überzahlungen in jeweils geringer Höhe über einen längeren Zeitraum Ratenzahlungen einzuräumen, die dem Überzahlungszeitraum entsprechen. Die Festlegungen sind im [X.]escheid zu treffen; eine bloße [X.]ereitschaft, später Ratenzahlungen zu vereinbaren, genügt nicht. Der [X.]illigkeit entspricht es, dass sich Dienstherr und [X.]eamter über die Modalitäten der Rückzahlung zu verständigen suchen.

4. Die Rechtsfehlerhaftigkeit einer [X.]illigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] hat die Rechtswidrigkeit der Rückforderungsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] zur Folge. Ein Rückforderungsbescheid darf nicht ergehen, ohne dass eine [X.]illigkeitsentscheidung getroffen worden ist. Eine [X.]illigkeitsentscheidung zugunsten des Schuldners modifiziert den Rückzahlungsanspruch (Urteil vom 28. Februar 2002 - [X.]VerwG 2 [X.] 2.01 - [X.]VerwGE 116, 74 <77 f.> = [X.] 240 § 12 [X.] Nr. 29 S. 14). Die [X.]illigkeitsentscheidung betrifft nicht lediglich die Vollziehung oder Vollstreckung des Rückforderungsbescheids, sondern den materiellen [X.]estand des Rückforderungsanspruchs und ist deshalb zwingend vor der Rückforderung zu treffen (Urteil vom 15. Dezember 1993 - [X.]VerwG 10 A 1.91 - [X.] 232 § 87 [X.][X.]G Nr. 65 S. 8 f.) Neben dem vollständigen oder teilweisen Absehen von der Rückzahlung kommen die Stundung der [X.] oder die Einräumung von Ratenzahlungen in [X.]etracht (Urteil vom 8. Oktober 1998 - [X.]VerwG 2 [X.] 21.97 - [X.] 239.1 § 55 [X.]eamtVG Nr. 25 m.w.N.). Vor der [X.]illigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] steht lediglich die Höhe der Überzahlung fest, nicht aber, ob, in welcher Höhe und mit welchen Modalitäten diese Überzahlung auch einen Rückforderungsanspruch nach § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] begründet. Die [X.]illigkeitsentscheidung ist damit notwendiger und untrennbarer [X.]estandteil der Rückforderungsentscheidung.

[X.]ei einer erneuten Entscheidung über die Rückforderung der überzahlten [X.]ezüge nach § 12 Abs. 2 [X.] wird die [X.]ehörde im Rahmen der [X.]illigkeitsprüfung die gebotenen Ermessenserwägungen anstellen und den Umfang des [X.] von der Rückforderung sowie die Modalitäten der Ratenzahlung für den verbleibenden Rückforderungsbetrag bestimmen müssen.

Dass die [X.]eklagte im [X.]erufungsverfahren ihre Ermessenserwägungen um Ausführungen zur [X.]edeutung des behördlichen [X.] an der Überzahlung für die [X.]illigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] ergänzt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen handelt es sich insoweit nicht um ein nach § 114 Satz 2 VwGO im gerichtlichen Verfahren zulässiges Ergänzen der Ermessenserwägungen, sondern angesichts dessen, dass der im vorliegenden Fall allein relevante [X.]illigkeitsaspekt des behördlichen Verschuldens an der Überzahlung zuvor keine Rolle in der [X.]illigkeitsentscheidung der [X.]eklagten gespielt hat, um eine von § 114 Satz 2 VwGO nicht gedeckte Auswechselung der die [X.]illigkeitsentscheidung tragenden Gründe (grundlegend zu § 114 Satz 2 VwGO Urteil vom 5. Mai 1998 - [X.]VerwG 1 [X.] 17.97 - [X.]VerwGE 106, 351 <363 ff.> = [X.] 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 13; Urteil vom 21. Juni 2007 - [X.]VerwG 2 A 6.06 - [X.] 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 35 Rn. 29). Zum anderen genügen auch die im gerichtlichen Verfahren mitgeteilten Ermessenserwägungen nicht den dargelegten Anforderungen an die Ermessensbetätigung im Rahmen der [X.]illigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.], weil sie dem Aspekt des behördlichen Verschuldens an der Überzahlung nicht das ihm zukommende Gewicht beimessen und im Ergebnis nicht zu dem hier gebotenen teilweisen Absehen von der Rückforderung führten.

Meta

2 C 4/11

26.04.2012

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, 10. Dezember 2009, Az: 1 Bf 144/08, Urteil

§ 12 Abs 2 BBesG, § 195 BGB, § 199 Abs 1 Nr 2 BGB, § 812 BGB, §§ 812ff BGB, § 818 Abs 3 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.04.2012, Az. 2 C 4/11 (REWIS RS 2012, 6859)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6859

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