Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.02.2023, Az. 6 AZR 95/22

6. Senat | REWIS RS 2023, 1475

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Gegenstand

Stufenzuordnung nach Verschmelzung der DHL Delivery Regionalgesellschaften mit der Deutschen Post AG - Wiedereinstellungszusage - 13. Monatsentgelt


Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 21. Januar 2022 - 4 [X.] 1103/20 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die [X.] der Klägerin, sich daraus ergebende Vergütungsdifferenzen sowie über einen Anspruch auf Zahlung eines 13. [X.] für das [X.].

2

Die Beklagte bietet bundesweit logistische Dienstleistungen an. Die Klägerin war bei ihr zunächst vom 24. März 2014 befristet bis zum 30. Juni 2015 als Paketzustellerin beschäftigt. Auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 22. Juni 2015 nahm sie zum 1. Juli 2015 wiederum als Paketzustellerin eine Tätigkeit bei der [X.] (im Folgenden [X.]) auf. Bei dieser handelte es sich neben bundesweit weiteren 48 [X.] Delivery Regionalgesellschaften um eine Tochtergesellschaft einer Beteiligungsgesellschaft der [X.]. Der Arbeitsvertrag vom 22. Juni 2015 lautet auszugsweise wie folgt:

        

„Auf das Arbeitsverhältnis sind zwecks Gleichstellung der Beschäftigten und für die Dauer der normativen Tarifbindung der Arbeitgeberin die für den Betrieb jeweils einschlägigen Tarifverträge anzuwenden. Dies sind zurzeit der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen des privaten Verkehrsgewerbes im Lande [X.] ([X.]) und der Lohn- und Gehaltstarifvertrag für die gewerblichen und angestellten Arbeitnehmer/innen des privaten Verkehrsgewerbes im Lande [X.] ([X.]) und die ggf. sonstigen Tarifverträge für die Arbeitnehmer/innen des privaten Verkehrsgewerbes im Lande [X.].“

3

Unter dem 1. Juli 2016 schrieb die Beklagte der Klägerin wie folgt:

        

„…
hiermit erklärt die [X.], dass Sie im Falle

                 
        

-       

betriebsbedingter Beendigungskündigungen,

        

-       

betriebsbedingter Änderungskündigungen zur Herabsetzung der [X.] oder

        

-       

einer Insolvenz

        

der [X.] Delivery Regionalgesellschaften auf Ihren Antrag unverzüglich, unbefristet und zu gleichwertigen Bedingungen Ihres Arbeitsvertrages mit der [X.] ([X.], [X.]), den Sie unmittelbar vor Ihrem Wechsel zur [X.] Delivery Regionalgesellschaft innehatten, bei der [X.] wiedereingestellt werden.

        

In diesem Fall werden die bei der [X.] Delivery Regionalgesellschaft erbrachten Zeiten als Zeiten gemäß § 17 [X.]-DP AG und Tätigkeitszeiten einer vergleichbaren Tätigkeit bei der [X.] Delivery Regionalgesellschaft nach § 4 [X.]-DP AG als Tätigkeitsjahre, die für die Einstufung in [X.] maßgeblich sind, anerkannt.
…“

4

Unter dem 22. März 2019 schlossen die Beklagte und die [X.] anlässlich einer ab Juli 2019 beabsichtigten Reintegration der [X.] Delivery Regionalgesellschaften mehrere Tarifverträge. Dies betrifft [X.]. den Tarifvertrag Nr. 200 bezüglich der Änderung des [X.] ([X.]-DP AG) für bei der [X.] ab dem 1. Juli 2019 neu begründete Arbeitsverhältnisse (im Folgenden TV Änderung [X.]) sowie den Tarifvertrag Nr. 202 zur Überleitung der tariflichen Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse der [X.] Delivery Regionalgesellschaften in die [X.] ([X.][X.] [X.] - im Folgenden [X.]).

5

Nach § 1 TV Änderung [X.] iVm. § 4 Abs. 1 [X.]-DP AG erfolgt die Zuordnung zu einer [X.] nach den bei der [X.] erbrachten [X.]en, wobei zwischen Arbeitnehmern, welche am 30. Juni 2019 bereits in einem Arbeitsverhältnis zur [X.] standen, und solchen, deren Arbeitsverhältnisse nach dem 30. Juni 2019 neu begründet wurden, unterschieden wird. Für Angehörige der ersten Gruppe wird die [X.] 2 ab dem fünften [X.] und die [X.] 3 ab dem siebten [X.] erreicht. Demgegenüber sieht der [X.] für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis bei einer [X.] Delivery Regionalgesellschaft bestand und welche mit Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister gemäß § 324 UmwG iVm. § 613a BGB auf die Beklagte übergeleitet worden sind (§ 1 [X.]), [X.] vor. Die [X.] richtet sich gemäß § 9 Abs. 1 [X.] dann nicht nach den bei der [X.] ggf. im Rahmen eines früheren Arbeitsverhältnisses bereits zurückgelegten [X.]en, sondern allein nach dem Vergleich des bisherigen [X.] mit dem neuen Bruttojahresbezugsentgelt, welches nunmehr bei der [X.] erzielt wird. Durch die Gewährung einer persönlichen Ausgleichszulage erfolgt nach §§ 10 bis 12 [X.] eine Entgeltsicherung.

6

Nach § 3 TV Änderung [X.] iVm. § 8 [X.]-DP AG wird unter folgenden Voraussetzungen ein 13. Monatsentgelt gewährt:

        

„(1)   

Der Arbeitnehmer erhält in jedem Kalenderjahr ein 13. Monatsentgelt, wenn er am 1. November in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht. Der Anspruch auf ein 13. Monatsentgelt entsteht jedoch erst, wenn ein Arbeitsverhältnis ununterbrochen 12 Monate bestanden hat. Nach Ablauf der 12 Monate ergibt sich für jeden Kalendermonat des jeweiligen Kalenderjahres, an dem ein Arbeitsverhältnis besteht, ein Anspruchsmonat.

        

(2)     

Das 13. Monatsentgelt beträgt für jeden Anspruchsmonat 1/12 des für den Monat Oktober zustehenden [X.] gemäß § 2 einschließlich einer ggf. zustehenden Tätigkeitszulage gem. § 5.

        

…       

        
        

(6)     

Bei einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis zur [X.] vor dem 01.07.2019 begründet wurde und nach dem 30.06.2019 noch besteht, finden die Absätze 1 und 2 keine Anwendung. Stattdessen gilt folgende Regelung:

                 

Der Arbeitnehmer erhält in jedem Kalenderjahr ein 13. Monatsentgelt, wenn er am 1. November in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht und dieses Arbeitsverhältnis ununterbrochen seit dem 1. Juli bestanden hat.

                 

Das 13. Monatsentgelt beträgt 100 v.H. des für den Monat Oktober zustehenden [X.] gemäß § 2 einschließlich einer ggf. zustehenden Tätigkeitszulage gem. § 5.“

7

§ 14 [X.] sieht für die vom Anwendungsbereich dieses Tarifvertrags erfassten Beschäftigten Sonderregelungen für [X.] vor. Bezüglich des 13. [X.] bestimmt § 14 Abs. 1 Satz 2 [X.], dass der Anspruch gemäß § 8 [X.]-DP AG erst nach Vollendung einer ununterbrochenen Beschäftigung von zwölf Monaten ab dem Tag der Überleitung entsteht.

8

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ging aufgrund Verschmelzung der [X.] mit der [X.] zum 8. Juli 2019 auf die Beklagte über. Die Klägerin ist seitdem unstreitig in der [X.] 3 [X.]-DP AG eingruppiert. Die Beklagte geht davon aus, dass sich die Zuordnung der Klägerin zu einer [X.] nach § 9 Abs. 1 [X.] bestimmt und diese dementsprechend nach [X.] 0 zu vergüten ist. Sie entrichtete ab Oktober 2019 demnach ein monatliches Grundentgelt in Höhe von 2.284,39 Euro brutto.

9

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin demgegenüber eine Vergütung nach [X.] 2 bzw. 3 der [X.] 3 [X.]-DP AG sowie die Zahlung eines 13. [X.] für das [X.].

Sie hat die Auffassung vertreten, die Regelungen des [X.] fänden auf ihr Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Sie sei so zu stellen, als ob sie seit dem 24. März 2014 durchgängig als Zustellerin bei der [X.] beschäftigt gewesen wäre. Sie habe auch während der Dauer der formell bei der [X.] bestehenden Anstellung ihre Tätigkeit unverändert ausgeübt. Sowohl bei ihrem Wechsel von der [X.] zur [X.] als auch bei ihrer Rückkehr zur [X.] handle es sich um [X.]. Schon deshalb müsse ihre Betriebszugehörigkeit bei der [X.] im Rahmen der [X.] als ununterbrochen angesehen werden. Anderenfalls verstoße die „Verschiebung des Arbeitsverhältnisses“ zwischen der [X.] und ihrer Tochtergesellschaft gegen das Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB und stelle eine unzulässige Umgehung der Schutzvorschriften dar.

Zudem sei ihr durch das Schreiben vom 1. Juli 2016 individ[X.]lvertraglich eine Wiedereinstellung bei der [X.] unter Anrechnung der bei ihr vormals geleisteten Tätigkeitszeiten zugesichert worden. Die Wiedereinstellungszusage führe den Fall einer Verschmelzung der [X.] mit der [X.] nur deshalb nicht an, weil zum Zeitpunkt ihrer Erteilung an diese Konstellation noch nicht gedacht worden sei. Der Sache nach sei aber erklärt worden, dass die bei der [X.] Beschäftigten ohne Nachteile zur [X.] zurückkehren könnten, falls „es bei der [X.] nicht klappt“.

Für die [X.] nach § 4 Abs. 1 [X.]-DP AG sei daher der Beginn des Arbeitsverhältnisses am 24. März 2014 zugrunde zu legen. Nach dem Aufstieg in die [X.] 2 im Jahr 2018 sei sie seit April 2020 der [X.] 3 zugeordnet. Für den Zeitraum von August 2019 bis Oktober 2019 sei eine Vergütungsdifferenz von 401,43 Euro brutto auszugleichen. Für das [X.] sei zudem nach § 8 [X.]-DP AG ein 13. Monatsentgelt iHv. 2.451,82 Euro brutto zu entrichten. Dies entspreche dem Monatsgrundentgelt der [X.] 3 [X.] 2 [X.]-DP AG.

Die Klägerin hat dementsprechend zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 401,43 Euro brutto zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie ab dem 1. November 2019 nach [X.] 3 [X.] 2 [X.]-DP AG und ab dem 1. April 2020 nach [X.] 3 [X.] 3 [X.]-DP AG zu vergüten;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.451,82 Euro brutto als 13. Monatsentgelt für das [X.] zu zahlen.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Die Klägerin werde [X.] vergütet. Ihre [X.] bestimme sich nach der speziellen Regelung des § 9 [X.]. Dessen Vorgaben seien umgesetzt worden. Für den Fall der Verschmelzung mit der [X.] sei keine Anrechnung der Beschäftigungszeit bei der [X.] im Rahmen der [X.] zugesagt worden. Eine solche Verpflichtung ergebe sich auch nicht aus Treu und Glauben. Ein Anspruch auf die Zahlung eines 13. [X.] bestehe für das [X.] gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihre Klageziele weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist unbegründet.

I. Die Revision ist zulässig. Sie genügt dem Begründungserfordernis nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO (vgl. hierzu [X.] 18. Mai 2021 - 3 [X.] - Rn. 11).

1. Die Revision rügt in ausreichendem Maße die Verletzung von Tarifrecht. Ihr Vorbringen gegen die Anwendbarkeit des [X.] erfasst alle tariflichen Ansprüche, weil das [X.] seiner Entscheidung die Regelungen des [X.] zugrunde gelegt hat. Es ist daher unschädlich, dass sich die Revision nicht ausdrücklich mit der Argumentation des [X.]s bezüglich der Abweisung der Klage auf Zahlung eines 13. [X.] für das [X.] befasst. Das [X.] hatte einen solchen Anspruch verneint, weil die Voraussetzungen nach § 14 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht erfüllt seien. Da die Klägerin die Anwendbarkeit des [X.] mit der Revision unverändert gänzlich in Abrede stellt, greift sie die Begründung des [X.]s nicht nur bezüglich der [X.] nach § 9 [X.], sondern auch bezüglich des streitbefangenen 13. [X.] hinreichend an.

2. Bezüglich des behaupteten Anspruchs auf Anrechnung von Beschäftigungszeiten bei der [X.] aufgrund der Wiedereinstellungszusage im Schreiben vom 1. Juli 2016 liegt eine ausführliche Revisionsbegründung vor. Auf weitere individ[X.]lvertragliche Zusagen beruft sich die Klägerin im Revisionsverfahren nicht mehr (vgl. [X.] 19. Dezember 2013 - 6 [X.] - Rn. 15).

II. Die Revision ist aber unbegründet.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine [X.] nach § 4 Abs. 1 [X.] AG unter Berücksichtigung ihrer Beschäftigungszeit bei der [X.].

a) § 4 Abs. 1 [X.] AG findet keine Anwendung.

aa) Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtet sich seit dem 8. Juli 2019 auf vertraglicher Grundlage nach den bei der [X.] geltenden Haustarifverträgen. Es kommt daher auf eine Tarifgebundenheit der Klägerin iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 3 Abs. 1 [X.] nicht an. Das [X.] hat rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass der mit der [X.] am 22. Juni 2015 geschlossene Arbeitsvertrag eine Bezugnahme auf die für den Betrieb jeweils einschlägigen Tarifverträge enthält und dies nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zur Anwendbarkeit [X.]. des [X.] AG und des [X.] führt. Die Bezugnahmeregelung ist hinsichtlich der anzuwendenden Tarifverträge sowohl zeitdynamisch als auch inhaltsdynamisch ausgestaltet. Sie erfasst nicht nur die Tarifverträge einer bestimmten Branche oder bestimmter Tarifvertragsparteien in ihrer jeweiligen Fassung, sondern auch andere Tarifverträge, an die der Arbeitgeber (zukünftig) gebunden sein wird (sog. große dynamische Bezugnahmeklausel, die auch als Tarifwechselklausel bezeichnet wird, [X.] 28. April 2021 - 4 [X.] - Rn. 53; vgl. auch [X.] 13. Mai 2020 - 4 [X.] - Rn. 14). Mit diesem Inhalt ist das Arbeitsverhältnis gemäß § 324 UmwG iVm. § 613a Abs. 1 Satz 1 [X.] auf die Beklagte zum 8. Juli 2019 übergegangen. Die Revision erhebt diesbezüglich keine Rüge.

bb) Die Klägerin unterfällt als Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis von einer [X.] Delivery Regionalgesellschaft auf die Beklagte übergegangen ist, nach § 1 [X.] dem Geltungsbereich dieses Tarifvertrags. Bezogen auf die erstmalige Zuordnung zu einer Gruppenstufe nach der Überleitung zum 8. Juli 2019 sind allein und abschließend die Vorgaben der Spezialregelung des § 9 [X.] maßgeblich. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 [X.] kommt es für die erstmalige [X.] nicht auf die bei der [X.] ggf. im Rahmen eines früheren Arbeitsverhältnisses bereits zurückgelegten Tätigkeitsjahre an, sondern allein auf den Vergleich des bisherigen [X.] mit dem neuen Bruttojahresbezugsentgelt. Art. 3 Abs. 1 GG steht dem nicht entgegen. Dies hat der [X.] bereits entschieden ([X.] 24. März 2022 - 6 [X.] - Rn. 16 ff.) und hält hieran fest. In der Folge richtet sich die [X.] der Klägerin nicht nach der in Anspruch genommenen Regelung des § 4 Abs. 1 [X.] AG, sondern nach §§ 9 ff. [X.]. Hieraus macht die Klägerin keine Ansprüche geltend.

b) Ein individ[X.]lvertraglicher Anspruch auf eine [X.] entsprechend § 4 Abs. 1 [X.] AG unter Anrechnung der Beschäftigungszeit bei der [X.] wurde durch die Wiedereinstellungszusage vom 1. Juli 2016 nicht begründet und steht der [X.] nach § 9 [X.] folglich nicht entgegen.

aa) Entgegen der Auffassung des [X.]s ist die Wiedereinstellungszusage nicht nach §§ 133, 157 [X.] auszulegen, sondern nach den für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen geltenden Grundsätzen. Das rügt die Revision zu Recht. Das Schreiben der [X.] vom 1. Juli 2016 enthält - anders als die Beklagte meint - [X.] iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 [X.].

(1) Es handelt sich nicht um ein einseitiges Rechtsgeschäft, welches grundsätzlich nicht der [X.] unterfällt (vgl. zur Kündigungserklärung [X.] 20. Jan[X.]r 2016 - 6 [X.] - Rn. 14). Die in den §§ 305 ff. [X.] über [X.] getroffenen Bestimmungen finden nach § 305 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf „Vertragsbedingungen“ Anwendung und setzen damit grundsätzlich eine Erklärung des Verwenders voraus, die den Vertragsinhalt regeln soll (vgl. auch zu Ausnahmefällen: [X.] 15. Dezember 2016 - 8 [X.] - Rn. 24, [X.]E 157, 317; [X.] 10. Jan[X.]r 2019 - III [X.]/17 - Rn. 32). Solche Vertragsbedingungen liegen hier vor. Die Wiedereinstellungszusage stellt nicht die Ausübung einer eigenen rechtlichen Gestaltungsmacht der [X.] dar, welche einer Q[X.]lifikation als Allgemeiner Geschäftsbedingung entgegenstünde (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.] AGB-Recht 13. Aufl. § 305 [X.] Rn. 16; [X.] ArbR-HdB/[X.] 19. Aufl. § 35 Rn. 7; [X.]/[X.] [2022] § 305 Rn. 17; [X.] AGB-Recht 4. Aufl. Rn. 115). Sie verändert die Rechtslage nicht einseitig, sondern verpflichtet die Beklagte unter bestimmten, von ihr vorgegebenen Bedingungen zur Annahme eines Antrags der Klägerin auf Abschluss eines Arbeitsvertrags zu bestimmten Konditionen. Damit bezieht sich die Zusage auf den Inhalt eines möglichen Vertrags.

(2) Das Schreiben der [X.] vom 1. Juli 2016 weist keine individuellen Besonderheiten auf. Dies begründet eine tatsächliche Vermutung dafür, dass es sich um [X.] iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 [X.] handelt (vgl. [X.] 1. März 2022 - 9 [X.] - Rn. 10). Jedenfalls lägen Einmalbedingungen iSd. § 310 Abs. 3 Nr. 2 [X.] vor, welche der [X.] als typische Erklärungen ebenfalls selbst auslegen kann (vgl. [X.] 15. Juli 2021 - 6 [X.] - Rn. 22; 22. Oktober 2020 - 6 [X.] - Rn. 14, [X.]E 172, 377).

bb) Die Auslegung des [X.]s erweist sich im Ergebnis aber als zutreffend (zu den Auslegungsgrundsätzen [X.] 22. Oktober 2020 - 6 [X.] - Rn. 15 mwN, [X.]E 172, 377). Das [X.] hat zu Recht festgestellt, dass der Wortlaut des Schreibens vom 1. Juli 2016 den Fall einer Verschmelzung der [X.] mit der [X.] nicht erfasst. Er ist in der enumerativen Aufzählung der von der Wiedereinstellungszusage erfassten Fallkonstellationen nicht enthalten. Das Schreiben hat keinerlei Bezug zu einer späteren Verschmelzung. Darum ist auch nicht erkennbar, dass bei einer Rückkehr zur [X.] nach einer Verschmelzung eine Anerkennung von Tätigkeitszeiten bei der [X.] für die [X.] zugesichert werden sollte. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die Beklagte als Konzernmuttergesellschaft über die später eingetretene Verschmelzung letztlich selbst entscheiden konnte.

cc) Es kann dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen eine ergänzende Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen möglich ist (vgl. zur Schließung einer Lücke in einem Formularvertrag: [X.] 28. April 2021 - 4 [X.] - Rn. 70 ff.; [X.]/[X.] AGB-Recht 7. Aufl. § 307 Rn. 34; zur Lückenschließung bei Unwirksamkeit einer Klausel vgl.: [X.] 24. September 2019 - 9 [X.] - Rn. 28 f., [X.]E 168, 54; 13. Juli 2021 - 3 [X.] - Rn. 65 ff.; zur diesbezüglichen unionsrechtlichen Problematik: [X.]/[X.] 10. Aufl. § 306 [X.] Rn. 5 mwN). Eine ergänzende Auslegung des Schreibens vom 1. Juli 2016 im Sinne einer allumfassenden Zusage der Anerkennung von Tätigkeitszeiten bei der [X.] bei einer Wiedereinstellung kommt jedenfalls nicht in Betracht. Dabei kann zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, dass am 1. Juli 2016 eine Verschmelzung der [X.] mit der [X.] noch nicht absehbar war. Das nicht auf diesen Umstand bezogene Schreiben vom 1. Juli 2016 ist dennoch weder ergänzungsbedürftig noch ergänzungsfähig. Für die Konstellation der Verschmelzung war eine Wiedereinstellungszusage nicht veranlasst, weil der Übergang des Arbeitsverhältnisses zur [X.] dann unabhängig von deren Bereitschaft hierzu aufgrund gesetzlicher Vorgaben erfolgen würde (§ 324 UmwG iVm. § 613a [X.]). Zudem wäre ein hypothetischer Wille beider Parteien des Arbeitsvertrags zur [X.] unter Anrechnung der Beschäftigungszeiten bei der [X.] nicht festzustellen. Die anlässlich der Verschmelzung mit dem [X.] geschaffenen Tarifregelungen belegen, dass eine objektiv interessengerechte Ausgestaltung der [X.]sregeln auch durch eine betragsbezogene Besitzstandssicherung, wie sie §§ 9 ff. [X.] vorsieht, möglich ist. Ob dies die Klägerin als unzureichend ansieht, ist ohne Belang. Ihr einseitiger Wille ist nicht maßgebend.

dd) Entgegen der Auffassung der Revision ist es auch nicht iSv. § 305c Abs. 1 [X.] überraschend, dass das Schreiben vom 1. Juli 2016 keine Klausel bezüglich der Verschmelzung enthält. Nach dieser Vorschrift werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht. Dies setzt objektiv eine ungewöhnliche Klausel voraus, mit der der Arbeitnehmer subjektiv nicht zu rechnen brauchte ([X.] 24. Febr[X.]r 2016 - 5 [X.] - Rn. 32, [X.]E 154, 178). Hier existiert gerade keine Klausel bezüglich der Verschmelzung. Die [X.]. nach § 305c Abs. 1 [X.] zu beantwortende Frage der Einbeziehung einer Klausel stellt sich nicht.

c) [X.] der Beschäftigungszeit bei der [X.] verstößt entgegen der Auffassung der Revision nicht gegen höherrangiges Recht.

aa) § 613a Abs. 1 [X.] steht der Nichtanrechnung nicht entgegen.

(1) Die Behauptung der Revision, der Wechsel der Arbeitnehmer von der [X.] auf die [X.] im Jahr 2015 sei im Rahmen eines Betriebsübergangs vollzogen worden, ist durch keine Feststellungen des [X.]s belegt. Selbst wenn damals ein Betriebsübergang stattgefunden hätte, könnte die Klägerin hieraus bezogen auf die streitgegenständliche [X.] keine Rechte ableiten. Sie hat durch Abschluss des Arbeitsvertrags vom 22. Juni 2015 zum 1. Juli 2015 ein neues Arbeitsverhältnis mit der [X.] begründet. Die Rechtswirkungen des vorher mit der [X.] bestehenden befristeten Arbeitsverhältnisses endeten vereinbarungsgemäß zum 30. Juni 2015. Hätte vor dem 30. Juni 2015 ein Betriebsübergang auf die [X.] stattgefunden, wäre das Arbeitsverhältnis nur befristet auf die [X.] übergegangen. Nach Beendigung durch Befristungsablauf endete der Schutz bezüglich des vom Übergang betroffenen Arbeitsverhältnisses. Dies gilt auch dann, falls der [X.] AG aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit im befristeten Arbeitsverhältnis mit der [X.] gegolten hätte und folglich zunächst der [X.] des § 613a Abs. 1 Satz 2 [X.] unterfallen wäre. Die Wirkung der nach § 613a Abs. 1 Satz 2 [X.] transformierten Normen ist auf die beim Betriebsübergang mit dem Veräußerer bestehenden Arbeitsverhältnisse beschränkt. Die transformierten Normen gelten nicht für Arbeitsverhältnisse, die mit dem Erwerber selbst unmittelbar begründet worden sind oder werden ([X.] 22. April 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 80, [X.]E 130, 237; [X.] ArbR-HdB/[X.] 19. Aufl. § 119 Rn. 7).

(2) Eine unzulässige Umgehung des § 613a Abs. 1 [X.] ist nicht ersichtlich.

(a) Eine Beseitigung der ansonsten bestehenden Kontinuität des Arbeitsverhältnisses kann als Umgehung von § 613a [X.] zu werten sein ([X.] 22. Jan[X.]r 2015 - 8 [X.] - Rn. 37; zu Aufhebungsverträgen vgl.: [X.] 25. Oktober 2012 - 8 [X.] - Rn. 33; 18. August 2005 - 8 [X.] - zu II 2 a der Gründe, [X.]E 115, 340). Dies war hier jedoch bereits wegen der Befristung des ursprünglich mit der [X.] begründeten Arbeitsverhältnisses nicht der Fall.

(b) Die Gründung der [X.] sowie die Einstellung ehemals bei der [X.] befristet beschäftigter Arbeitnehmer stellt für sich genommen keine Umgehung des § 613a Abs. 1 [X.] dar. Damit wurde kein gesetzlich missbilligter Erfolg angestrebt (vgl. [X.] 15. Dezember 2020 - 1 [X.] - Rn. 37). Die Beklagte hat lediglich von einer von § 613a [X.] nicht eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Die Norm schützt nur den Inhalt und den Bestand übergegangener und fortgeführter Arbeitsverhältnisse (vgl. AR/[X.] 10. Aufl. § 613a [X.] Rn. 1; [X.]/Wemheuer 7. Aufl. [X.] § 613a Rn. 4).

bb) Die Berufung der [X.] auf die Regelungen des [X.] verstößt nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Die Annahme der Revision, die „Verschiebung des Arbeitsverhältnisses zwischen der [X.] und der [X.]“ sei rechtsmissbräuchlich und nicht mit § 242 [X.] vereinbar, entbehrt jeder Grundlage. Dem Vortrag der Klägerin kann nicht entnommen werden, dass die Beklagte sich bei der Gestaltung ihrer Rechtsbeziehung zur [X.] mit Blick auf Arbeitnehmerrechte unredlich verhalten hätte. Dem steht bezüglich des Wechsels zur [X.] schon die überobligatorische Wiedereinstellungszusage vom 1. Juli 2016 und bezüglich der späteren Verschmelzung deren tarifliche Ausgestaltung entgegen.

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf ein 13. Monatsentgelt für das [X.].

a) Das [X.] hat einen Anspruch mit der Begründung verneint, dass § 14 Abs. 1 Satz 2 [X.] einen solchen Anspruch erst nach einer ununterbrochenen Beschäftigung von zwölf Monaten ab dem [X.] vorsehe und die Klägerin diese Voraussetzung angesichts einer Überleitung im Juli 2019 bezogen auf den 1. November 2019 nicht erfülle. Diese Begründung ist unzutreffend. Das [X.] hat nicht berücksichtigt, dass sich der Stichtag 1. November nach § 8 Abs. 1 [X.] AG ebenso wie nach § 8 Abs. 6 [X.] AG nur auf die Tatbestandsvoraussetzung eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses bezieht.

b) Im Ergebnis stellt sich die Entscheidung des [X.]s aber als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Geltung des [X.] bewirkt, dass die Klägerin sich nicht auf die für durchgehend bei der [X.] Beschäftigte geltende Besitzstandsregelung des § 8 Abs. 6 [X.] AG berufen kann. § 14 Abs. 1 Satz 2 [X.] verlangt für das Entstehen des Anspruchs nicht wie die für Neueinstellungen geltende Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 2 [X.] AG eine Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses, sondern stellt stattdessen die speziellere Voraussetzung auf, dass gerechnet ab dem [X.] eine ununterbrochene Beschäftigungsdauer von zwölf Monaten erfüllt sein muss. Erst danach kann sich für jeden Kalendermonat ein Anspruchsmonat ergeben (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 3 [X.] AG). Ausgehend von der Überleitung am 8. Juli 2019 war die für das Entstehen des Anspruchs auf das 13. Monatsentgelt erforderliche ununterbrochene Beschäftigungsdauer von zwölf Monaten erst im Juli 2020 erfüllt. Die Klägerin konnte folglich erst ab Juli 2020 sog. [X.] erwerben. Für das [X.] war dies nicht möglich.

III. [X.] gründet sich auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Spelge    

        

    Heinkel    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Wollensak    

        

    W. Kreis    

                 

Meta

6 AZR 95/22

16.02.2023

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hannover, 1. September 2020, Az: 5 Ca 480/19, Urteil

§ 242 BGB, § 305 Abs 1 S 1 BGB, § 305c Abs 1 BGB, § 310 Abs 3 Nr 2 BGB, § 613a Abs 1 BGB, § 324 UmwG, § 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.02.2023, Az. 6 AZR 95/22 (REWIS RS 2023, 1475)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1475

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