Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.02.2005, Az. V ZB 32/04

V. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 5181

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[X.][X.]/04
vom 3. Februar 2005 in dem Rechtsstreit

- 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 3. Februar 2005 durch den Vizepräsidenten des [X.] Dr. [X.], [X.] [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluß der 2. Zivilkammer des [X.] vom 12. Juli 2004 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 1.500 •. Gründe
I. Die Parteien sind Nachbarn. Der Hof auf dem Grundstück der Kläger grenzt an die bebaute Seite des Grundstücks der Beklagten. Einen durch eine zurückgesetzte Bebauung auf dem Grundstück der Beklagten entstandenen Streifen von 35 cm Breite nutzen die Kläger für ihren Hof. Im Jahre 1996 er-- 3 - neuerten sie das Hoftor und setzten den [X.]pfosten des neuen [X.] unmittelbar an die Wand des Hauses der Beklagten auf deren Grundstück. [X.] hiergegen gerichtete Klage der Beklagten wurde durch rechtskräftiges Urteil des [X.] vom 29. Januar 1998 abgewiesen.
Im Jahre 2000 entschlossen sich die Beklagten, die zum Grundstück der Kläger zugewandte Kellerwand ihres Hauses mit [X.] abzudichten, die durch eine Betonmauer an die Kellerwand ihres Hause gedrückt werden soll-ten. Da dazu auch der [X.]pfosten entfernt werden mußte, erklärten sich die Kläger hiermit nur unter der Bedingung einverstanden, daß die Beklagten 3.000 DM zur Wiederherstellung des [X.]pfostens hinterlegten, was auch ge-schah. Die Beklagten lehnten später eine Wiederherstellung des [X.]pfostens an der ursprünglichen Stelle ab, weil sie dann die von ihnen vorgesehenen [X.] nicht anbringen könnten. Dagegen und gegen die angebliche Ent-fernung eines Grenzsteins richtet sich die Klage, soweit sie noch anhängig ist.
Das Amtsgericht hat die Beklagten unter Abweisung im übrigen [X.], den [X.]pfosten ohne bauliche Veränderungen am [X.] wiederherzustellen. Den Streitwert hat es auf 3.500 • festgesetzt. Die Berufung der Beklagten hat das [X.] als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbe-schwerde der Beklagten.
[X.] Das Berufungsgericht hält die Berufung für unzulässig, weil die Beru-fungssumme von 600 • nicht überschritten sei und das Amtsgericht die Beru-fung nicht zugelassen habe. Für die Berufungssumme sei die Beschwer der - 4 - Beklagten als Berufungsführer maßgeblich. Hierfür seien allein die Kosten der Wiederherstellung des [X.]pfostens anzusetzen, da eine weitergehende Verur-teilung nicht erfolgt sei. Diese betrügen insgesamt 587,16 •. Das ergebe sich aus einer von den Beklagten zur Darstellung der Kosten für die Anlegung der [X.] eingereichten Rechnung. Diese enthalte auch Maßnahmen zum Wiedereinsetzen des [X.]pfostens. Der dort angesetzte Betrag von 642,40 • sei um 65,24 • zu kürzen, weil er auch andere Arbeiten umfaßt habe. I[X.] Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts H.

vom 17. Februar 2004 ist zulässig.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig. Die Ausführungen des Be-rufungsgerichts zum [X.] verfehlen das eigentliche Ziel der Beru-fung der Beklagten. Damit hat das Berufungsgericht den Beklagten den Zu-gang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in einer aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert. Dies ver-letzt den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschut-zes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsst[X.]tsprinzip, vgl. [X.] 77, 275, 284; [X.] NJW 2003, 281) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. Senat, [X.], 221, 227; Beschl. v. 20. Febru-ar 2003, [X.], NJW-RR 2003, 861; Beschl. v. 30. April 2003, [X.], NJW 2003, 2388; Beschl. v. 23. Oktober 2003, [X.], [X.], 367, 368). - 5 -
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

a) Bei der Prüfung, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes den für eine Wertberufung erforderlichen Betrag von 600 • übersteigt, ist das [X.] nicht an eine (höhere) Streitwertfestsetzung durch das erstin-stanzliche Gericht gebunden. Zwar kann das Amtsgericht eine Berufung auch unterhalb von 600 • zulassen. Das ändert aber nichts daran, daß eine Beru-fung ohne eine solche Zulassung nur bei Übersteigen der Berufungssumme von 600 • zulässig ist (Senat, Beschl. v. 9. Juli 2004, [X.], [X.] 2004, 1643, 1644).
b) Der Wert des von den Beklagten mit ihrer Berufung verfolgten [X.], ihre Verurteilung zur Wiederherstellung des [X.]pfostens insoweit aufzu-heben, als das [X.] dabei nicht verändert werden dürfe, war von dem [X.] gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen. Eine solche Festsetzung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht die Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entspre-chenden Weise Gebrauch gemacht hat (Beschl. v. 9. Juli 2004, [X.], [X.]O; zur Revision auch Senatsurt. v. 24. April 1998, [X.], NJW 1998, 2368).
c) Ein solcher Ermessensfehler liegt hier vor.

[X.]) Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß bei der Berechnung der Beschwer der Beklagten die [X.] 6 - kosten für die ihnen aufgegebene Wiederherstellung des [X.]es anzusetzen sind. Diese hat es auch ermessensfehlerfrei ermittelt. Auf seine Frage nach ihrer Beschwer haben die Beklagten die Rechnung der [X.]vorgelegt. Diese hatte zwar in erster Linie den Zweck, die Kosten der Anbringung der [X.] zu belegen, an der sich die Beklagten jetzt gehindert sehen. Sie konnte aber gleichwohl eine taugliche Grundlage für die Ermittlung der Ersatz-beschaffungskosten sein. Denn zu den der [X.] in Auftrag zu gebenden Arbeiten gehörte auch die Wiederherstellung des [X.]pfostens. Das Berufungs-gericht hat die dafür anfallenden Kosten auf Grund der insoweit einschlägigen Position der Rechnung geschätzt und um einen geringfügigen Betrag gekürzt, da die dort angegebenen Baggerarbeiten auch anderen Zwecken dienten. Das ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zu beanstanden. Dagegen spricht auch nicht, daß die Kläger eine Sicherheit von 3.000 DM verlangt haben. Denn diese diente der Absicherung aller Schäden, z. B. auch der Nachteile durch eine Absenkung der Hofpflasterung auf dem [X.] der Kläger. Auch zeigt die Zwischenrechnung der [X.] für den ausgeführten Teil der Arbeiten an den [X.], daß der von dem Berufungsgericht angesetzte Betrag nicht unrealistisch ist. Diese Rechnung beläuft sich über 1.587,75 DM und [X.] mehr Arbeiten als die Wiederherstellung des Pfostens verlangt.
[X.]) [X.] ist es aber, den von den Beklagten mit ihrer Berufung geltend gemachten Nachteil, nämlich die Einschränkung in der Nut-zung ihres Eigentums zur Sanierung ihres Hauses, unberücksichtigt zu lassen.
(1) Der Senat hat entschieden, daß die Beschwer des zur Beseitigung einer Eigentumsstörung Verurteilten nicht nach dem Interesse des [X.] an der Beseitigung, sondern eigenständig nach den Nachteilen zu berechnen ist, - 7 - die dem Verurteilten bei Befolgung der Verurteilung drohen ([X.], 313, 318). Seine Beschwer ist auch nicht durch das Interesse des [X.] begrenzt ([X.], 313, 315; [X.]/[X.], 2. Aufl., § 3 Rdn. 45; Musielak/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 3 Rdn. 34; a.A. [X.]/[X.], ZPO, 22. Aufl., § 3 Rdn. 47 Stichwort Abwehrklage). Daran hält der Senat fest, weil die Waffengleichheit der Parteien im Verfahren anders nicht zu gewährleisten ist. Der Nachteil einer Verurteilung besteht für den Verurteilten in aller Regel darin, daß ihm für den Fall der Nichtbefolgung Ersatzbeschaffungskosten dro-hen. Der Nachteil des Verurteilten muß sich aber nicht auf solche Ersatzbe-schaffungskosten beschränken. Vielmehr sind auch andere Nachteile jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn sie in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Beseitigung der Störung stehen ([X.], 313, 319).
(2) Einen solchen Nachteil machen die Beklagten hier geltend. Die an-gegriffene Verurteilung zwingt die Beklagten nach ihrem Vortrag dazu, den [X.]pfosten auf ihrem Grundstück so dicht an ihrer Hauswand aufzustellen, daß die bereits teilweise angelegten [X.] die Entfeuchtung der Kellerwand nicht mehr leisten können und die getroffenen Entfeuchtungsmaßnahmen wert-los werden. Das müssen die Beklagten entgegen der Annahme der [X.] nicht schon auf Grund der rechtskräftigen Abweisung ihrer Klage auf Be-seitigung des [X.]pfostens im Vorprozeß hinnehmen. Gegenstand dieses Ur-teils war nur die damals mit der Aufstellung des [X.]pfostens auf dem [X.] der Beklagten verbundene Eigentumsstörung. Seine Rechtskraft be-schränkt sich auf diese Eigentumsstörung. Es steht deshalb auch nicht etwa als kontradiktorisches Gegenteil fest, daß die Beklagten die Aufstellung des [X.]pfostens an der bisherigen Stelle auch dann dulden müssen, wenn dies zu - 8 - einer anderen Eigentumsstörung führt. Das wäre ein neuer Sachverhalt, des-sen auch einredeweiser Geltendmachung die Rechtskraft des früheren Urteils nicht entgegensteht (Senat, Urt. v. 17. März 1995, [X.], NJW 1995, 1757; Senat, Urt. v. 14. Juli 1995, [X.], NJW 1995, 2993, 2994; Urt. v. 24. April 1998, [X.], NJW 1998, 2368; vgl. auch [X.]. v. 10. Sep-tember 1997, [X.], NJW 1998, 374, 375). Die hier von den Beklagten geltend gemachte Beeinträchtigung ihres Eigentums war nicht Gegenstand des [X.]. Ihre Verurteilung zur Wiederherstellung des [X.]es führt damit nicht zur Wiederherstellung des früheren Zustands, sondern zu einer über die bisher festgestellte hinausgehenden Duldungspflicht. Diese ist bei der [X.] zu berücksichtigen.
d) Ihr Wert entspricht mindestens den Kosten, die für die Herstellung des bisherigen Teils der [X.] aufgewandt worden sind. Damit beträgt die Beschwer jedenfalls mehr als 600 •, so daß die Berufung zulässig ist und nicht als unzulässig verworfen werden durfte.
[X.] das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
Zwar haben [X.] nach ständiger Rechtsprechung des Senats auf Grund des nachbarlichen [X.] eine Pflicht zur Rücksichtnahme (Urt. v. 31. Januar 2003, [X.], NJW 2003, 1392; Urt. v. 11. Juli 2003, [X.], NJW-RR 2003, 1313, 1314). Zur Duldung einer fremden Anlage ist ein Grundstückseigentümer danach aber nur ver-pflichtet, wenn dem Nachbarn ein ungewöhnlich schwerer Nachteil droht, der - 9 - durch ihm zumutbare Alternativen nicht abgewendet werden kann (Senat, Urt. v. 11. Juli 2003, [X.]O). Werden diese Voraussetzungen, wie im Vorprozeß [X.], verneint, kommt eine Duldungspflicht auch unter Rückgriff auf Treu und Glauben nicht in Betracht. Sollte sich in der neuen Verhandlung [X.] - daß die Beklagten auf Grund des nachbarlichen [X.] den [X.]pfosten nicht oder jedenfalls nicht an der bisherigen Stelle zu dulden haben, wäre der Herstellungsanspruch in diesem Umfang unbegründet.

[X.]

[X.]Stresemann

Meta

V ZB 32/04

03.02.2005

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.02.2005, Az. V ZB 32/04 (REWIS RS 2005, 5181)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 5181

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