Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 27.09.2011, Az. 2 BvR 86/11

2. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2011, 2965

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Regelungen zur Eigenbeteiligung im Beihilferecht - hier: Eigenbeteiligung gem Art 96 des Bayerischen Beamtengesetzes (juris: BG BY) - keine Verletzung von Art 33 Abs 5 GG - Rüge der Verletzung weiterer Grundrechte (Art 2 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 S 1 GG) unsubstantiiert


Gründe

1

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Minderung der ihr ausgezahlten Beihilfe um eine sogenannte Eigenbeteiligung.

2

1. Die Beschwerdeführerin ist Richterin im Ruhestand und Empfängerin von Versorgungsbezügen. Der für sie maßgebliche Beihilfebemessungssatz beträgt 70 %. Die Beschwerdeführerin unterhält mehrere private Krankenversicherungen. Dieser Umstand zieht es nach sich, dass sie erheblich mehr als 30 % ihrer krankheitsbedingten, beihilfefähigen Aufwendungen durch ihre private Krankenversicherungen ersetzt bekommt. Art. 96 Abs. 2 Satz 2 des [X.] (BayBG) vom 29. Juli 2008 ([X.]) in der Fassung des [X.] vom 5. August 2010 (GVBl S. 410) bestimmt, dass Beihilfen nur gewährt werden dürfen, soweit die Beihilfe und Leistungen Dritter aus demselben Anlass die dem Grunde nach beihilfefähigen Aufwendungen nicht überschreiten. Art. 96 Abs. 3 Satz 5 BayBG ordnet an, dass die festgesetzte Beihilfe um 6,00 Euro je [X.] bei bestimmten medizinischen Leistungen und um 3,00 Euro je verordnetem Arzneimittel, Verbandmittel und Medizinprodukt zu mindern ist. In [ref=33964f72-58f6-494b-9498-7a4e14772a4d]Art. 96 Abs. 3 Satz 6 BayBG[/ref] führt das Gesetz die Fälle auf, in denen eine Eigenbeteiligung unterbleibt. So ist eine Eigenbeteiligung unter anderem insoweit nicht vorgesehen, als sie für den Beihilfeberechtigten und berücksichtigungsfähige Dritte zusammen eine sogenannte Belastungsgrenze überschreitet, die sich nach den [X.] beziehungsweise [X.] bemisst. Die Vorschrift ist im Wesentlichen identisch mit ihrer Vorgängerregelung in Art. 86a [X.], die durch Gesetz vom 8. Dezember 2006 (GVBl S. 987) in das [X.] in der Fassung der Neubekanntmachung vom 27. August 1998 (GVBl [X.]02) eingefügt worden war.

3

Die Beschwerdeführerin stellte in den Jahren 2007 und 2008 mehrere Anträge auf Beihilfe wegen verschiedener dem Grunde nach beihilfefähiger Aufwendungen. Die Höhe der zu gewährenden Beihilfe ermittelte das [X.], indem es im ersten Schritt die der Höhe nach beihilfefähigen Aufwendungen mit dem [X.] von 70 % multiplizierte. Sodann addierte es die Kostenerstattungen durch die privaten Krankenversicherungen der Beschwerdeführerin. Von diesem Betrag zog es die dem Grunde nach beihilfefähigen Aufwendungen ab. Schließlich wurde dieser Differenzbetrag von dem im ersten Schritt ermittelten Betrag abgezogen. Zuletzt erfolgte eine Minderung um die [X.]. Diese Berechnungsweise zieht es nach sich, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der Leistungen ihrer privaten Krankenversicherung und der [X.] keinesfalls mehr als den vollen Betrag ihrer beihilfefähigen Aufwendungen ersetzt bekommt und dass sie die Eigenbeteiligung stets selbst trifft.

4

Gegen die Beihilfebescheide erhob die Beschwerdeführerin nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage zum Verwaltungsgericht. Sie vertrat die Auffassung, dass sie die Eigenbeteiligung wegen ihrer mehr als lediglich komplementären privaten Krankenversicherungen nicht treffen dürfe. Die Eigenbeteiligung sei nicht erst im letzten Schritt in Ansatz zu bringen, vielmehr mindere sie bereits die in die [X.] einzustellende Höhe der beihilfefähigen Aufwendungen. Die Differenz zwischen der vom [X.]für Finanzen und der von der Beschwerdeführerin für zutreffend erachteten Berechnungsweise belaufe sich stets auf die Höhe der [X.].

5

Die Klage der Beschwerdeführerin blieb ohne Erfolg, ihren Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der Verwaltungsgerichtshof ab. Wortlaut und Systematik der Art. 96 Abs. 3 BayBG und seiner Vorgängerregelung zeigten, dass die Eigenbeteiligung im letzten Berechnungsschritt von der Beihilfe abzuziehen sei. Der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Bereich des [X.]lasse die Festlegung einer solchen Berechnungsweise zu, um Beihilfeaufwendungen steuernd zu begrenzen. Die Möglichkeit zur amtsangemessenen Lebensführung werde durch die Eigenbeteiligung nicht beeinträchtigt, denn die Belastungsgrenze verhindere eine unverhältnismäßige finanzielle Belastung.

6

2. Mit ihrer [X.]beschwerde greift die Beschwerdeführerin die ergangenen Verwaltungsakte und gerichtlichen Entscheidungen an und verfolgt ihr Anliegen weiter. Sie rügt eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und [ref=cfb46fea-fe2c-498f-8023-fad6b727cd0c]Art. 33 Abs. 5 [X.]]. Sie sieht in den [X.] eine verdeckte Bearbeitungsgebühr und vertritt die Auffassung, Alimentations- und Fürsorgeleistungen des Dienstherrn dürften nicht an die Entrichtung einer solchen Gebühr geknüpft werden. Jedenfalls aber müsse es ihr möglich sein, die Aufwendungen für die Eigenbeteiligung durch ihre private Krankenversicherung auszugleichen. Dass dies nach der gerichtlich gebilligten Berechnungsweise des Dienstherrn nicht möglich sei, verletze zudem ihre allgemeine Handlungsfreiheit und die verfassungsrechtliche Garantie ihres Eigentums.

7

Die [X.]beschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 [X.] liegt nicht vor. Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist die Annahme zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG rügt, ist die [X.]beschwerde unzulässig. Im Übrigen ist sie unbegründet.

8

1. Die Beschwerdeführerin legt nicht in einer den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] genügenden Weise dar, dass durch die Minderung der auszuzahlenden Beihilfe um die Eigenbeteiligung eine verfassungsrechtlich als Eigentum geschützte Rechtsposition beeinträchtigt ist. Ein teilweiser Entzug ihrer Forderung gegen ihre privaten Krankenversicherer, auf den die Beschwerdeführerin insoweit verweist, findet nicht statt. Hinsichtlich der [X.] als solcher geht [ref=25be9768-da9d-4bf0-962d-8430cd7e6ef8]Art. 33 Abs. 5 [X.]] als speziellere Grundgesetzbestimmung dem Art. 14 GG vor (vgl. [X.] 17, 337 <355>). Entsprechendes gilt mit Blick auf die gerügte Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG.

9

2. Die angegriffenen Verwaltungsakte und gerichtlichen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin nicht in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 33 Abs. 5 GG.

a) Die Gewährung von krankheitsbedingten Unterstützungsleistungen findet ihre Grundlage in der durch Art. 33 Abs. 5 GG statuierten Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. [X.] 83, 89 <99>; 106, 225 <232>). In einer bestimmten einfachrechtlichen Ausgestaltung, etwa in ihrer gegenwärtigen Gestalt, gehört die Beihilfe nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Dementsprechend besteht auch keine verfassungsrechtliche Verpflichtung, den Beamten und Versorgungsempfängern für Krankheitsfälle und vergleichbare Belastungen Unterstützung gerade in Form von Beihilfen oder gar von solchen Beihilfen in einer bestimmten Höhe zu gewähren (vgl. [X.] 58, 68 <77>; 79, 223 <235>; 83, 89 <98>; 106, 225 <232>; BVerfGK 13, 278 <281>). Der Dienstherr muss allerdings Vorkehrungen dafür treffen, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten bei Eintritt besonderer finanzieller Belastungen durch Krankheits-, Geburts- oder Todesfälle nicht gefährdet wird. Ob er dieser Pflicht über eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonstiger geeigneter Weise Genüge tut, bleibt von [X.] wegen seiner Entscheidung überlassen. Entscheidet sich der Dienstherr, seiner Fürsorgepflicht durch die Eigenvorsorge des Beamten ergänzende Beihilfen nachzukommen, so muss er sicherstellen, dass der Beamte nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare Eigenvorsorge nicht absichern kann. Der Dienstherr darf somit die Beihilfe - da er sie als eine die Eigenvorsorge ergänzende Leistung konzipiert hat - nicht ohne Rücksicht auf die vorhandenen Versicherungsmöglichkeiten ausgestalten. Eine in Ergänzung der zumutbaren Eigenvorsorge lückenlose Erstattung jeglicher Aufwendungen verlangt die Fürsorgepflicht dagegen nicht ([X.] 106, 225 <233>; BVerfGK 13, 278 <282>; vgl. auch [X.] 83, 89 <101 f.>).

b) Die angegriffenen Rechtsakte genügen diesem Maßstab. [X.] und Dienstherr sind verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, gesetzliche Regelungen so zu gestalten beziehungsweise die bestehenden Regelungen so auszulegen, dass der Beamte seine nicht von der Beihilfe abgedeckten Aufwendungen vollständig versichern kann. Durch den Abschluss einer privaten Krankenversicherung werden die mit einer Krankheit verbundenen finanziellen Risiken besser beherrschbar und das Risiko einer ruinösen finanziellen Belastung wird weitestgehend ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund wäre es dem Gesetzgeber verwehrt, es dem Beamten durch die Ausgestaltung der beihilferechtlichen Regelungen unmöglich zu machen, die mit einer Krankheit verbundenen, individuell unkalkulierbaren finanziellen Risiken zu versichern. Die [X.] nach Art. 96 Abs. 3 BayBG begründen dagegen für den Beamten kein unkalkulierbares finanzielles Risiko im Fall der Krankheit. Die [X.] sind durch die Belastungsgrenze nach Art. 96 Abs. 3 Satz 7 und 8 BayBG der Höhe nach begrenzt. Dass bei der Entrichtung von [X.] in Höhe der Belastungsgrenze eine amtsangemessene Alimentation nicht mehr gewährleistet ist, behauptet die Beschwerdeführerin ausdrücklich nicht; hierfür ist auch nichts ersichtlich. Zugleich ließ sich der [X.] bei der Einführung der [X.] von sachlichen Gründen leiten, die einer Versicherbarkeit dieser Beiträge gerade entgegenstehen. Die [X.] sollen nach dem Willen des Gesetzgebers dieselbe Funktion erfüllen wie die [X.] (etwa die "Praxisgebühr") im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Die kaum modifizierte Übertragung dieses Regelungskomplexes auf den Bereich der Beihilfe hatte den [X.] stark verkompliziert und sich damit als unzweckmäßig erwiesen. Die beihilferechtlichen Regelungen zur Eigenbeteiligung sollen die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen in gleicher Weise steuern, aber einfacher zu vollziehen sein (vgl. [X.], [X.] 15/6302, [X.]).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 86/11

27.09.2011

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 1. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 7. Dezember 2010, Az: 14 ZB 10.1396, Beschluss

Art 33 Abs 5 GG, Art 96 Abs 2 S 2 BG BY 2008, Art 96 Abs 3 S 5 BG BY 2008, Art 96 Abs 3 S 7 BG BY 2008, Art 96 Abs 3 S 8 BG BY 2008, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 27.09.2011, Az. 2 BvR 86/11 (REWIS RS 2011, 2965)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2965

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

1 K 305/17.NW

1 K 232/17.NW

14 ZB 18.626

B 5 K 15.405

B 5 K 14.717

Zitiert

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