Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.01.2013, Az. B 6 KA 49/12 B

6. Senat | REWIS RS 2013, 8530

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Grundsätze der Interpretation der Leistungstatbestände des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (juris: EBM-Ä) - richtige oder falsche Anwendung auf einzelne Leistungstatbestände - keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 29. August 2012 wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten auch des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 13 792 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger wendet sich gegen eine Honorarkürzung wegen Nichterfüllung eines [X.] im Einheitlichen [X.]ewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ([X.]).

2

Der Kläger, als Facharzt für Orthopädie und Chirurgie im [X.]ezirk der beklagten [X.] ([X.]) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, brachte in seiner Abrechnung für das Quartal III/2004 in zahlreichen Fällen die [X.] (hier anzuwenden in der damaligen Fassung) in Ansatz. Die [X.]eklagte führte sachlich-rechnerische Richtigstellungen mit Streichungen der [X.] und der Zuschlagsleistung nach [X.] durch; sie kürzte ihm dementsprechend mit [X.]escheid vom [X.] das Honorar um 13 791,90 Euro. Widerspruch, Klage und [X.]erufung des [X.] sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 3.7.2007; Urteile des [X.] vom [X.] und des L[X.] vom 29.8.2012).

3

Zur Rechtmäßigkeit der sachlich-rechnerischen Richtigstellung hat das L[X.] ausgeführt, der Leistungstatbestand der [X.] laute auf eine Denervation der kleinen Wirbelgelenke (z[X.] Facettendenervation), wobei es sich um eine interventionelle Maßnahme handeln müsse. Nach diesem Wortlaut reiche eine bloße Facetteninfiltration mittels Injektion einer Glukoselösung, wie der Kläger sie durchgeführt habe, nicht aus. Dies bewirke nur eine vorübergehende Nervenblockade durch osmotische Effekte, aber keine dauerhafte Unterbrechung der Nervenbahn.

4

Mit seiner [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des L[X.] macht der Kläger die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache geltend.

5

II. Die [X.]eschwerde des [X.] ist unzulässig. Ihre [X.]egründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G abzuleitenden Darlegungsanforderungen.

6

1. Für die Geltendmachung der grundsätzlichen [X.]edeutung einer Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 [X.]G) muss gemäß den aus § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G abzuleitenden Darlegungsanforderungen in der [X.]eschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet (vgl [X.][X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.] f) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der [X.]eschwerde angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist (vgl [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.] f; [X.] 4-1500 § 160a [X.] RdNr 3 f; [X.][X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]; [X.]; besonders deutlich auch [X.] vom 14.4.2010 - 1 [X.]vR 2856/07- Juris RdNr 6). Es muss auch dargelegt werden, dass die [X.]edeutung der Rechtsfrage über den Einzelfall hinausgeht (vgl [X.][X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.] f; [X.] f mwN). Diese Anforderungen an die Darlegungspflicht sind verfassungsrechtlich unbedenklich sind (s die zitierte [X.]-Rechtsprechung.

7

Diesen Erfordernissen entsprechen die Ausführungen in der [X.]eschwerdebegründung in mehrfacher Hinsicht nicht. [X.]ei den vom Kläger aufgeworfenen - hier verkürzt wiedergegebenen - Rechtsfragen,

        

wie der Leistungstatbestand der [X.] E[X.]M-Ä auszulegen ist und welche [X.]ehandlungsmethoden nach dieser Regelung abgerechnet werden können, insbesondere ob die von ihm durchgeführte ärztliche [X.]ehandlung einer Facetteninfiltration, bei der mit einer langen Nadel eine 40 %ige Glukoselösung injiziert wird, eine interventionelle Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift darstellt, die nachweislich eine Denervation der kleinen Wirbelgelenkte bewirkt,

fehlt es an der Darlegung (a) der Klärungsbedürftigkeit und (b) der [X.]edeutung der Rechtssache über den Einzelfall hinaus.

8

a) Zur Darlegung eines Klärungsbedarfs im Sinne grundsätzlicher [X.]edeutung gehört vor allem, dass ersichtlich sein oder aufgezeigt werden muss, dass nicht nur die Richtigkeit der Rechtsanwendung im Einzelfall in Frage steht.

9

Die Untauglichkeit der [X.]eanstandung von Rechtsanwendungsfehlern im Einzelfall für eine Grundsatzrüge entspricht der Konzentration der Revisionsgerichte auf die ihnen vorrangig zugewiesene Aufgabe, sich mit grundsätzlichen Rechtsfragen zu befassen und das Recht zu vereinheitlichen und fortzubilden. Aufgabe der Revisionsgerichte ist es hingegen nicht, die - unterstellt - fehlerhafte Subsumtion eines [X.]erufungsgerichts zu korrigieren (vgl z[X.] [X.][X.] vom [X.] [X.]/11 [X.] - RdNr 23; [X.][X.] vom 17.10.2012 - [X.] [X.] 23/12 [X.] - RdNr 13).

Mit der oben zitierten zweiten Rechtsfrage ("insbesondere, ob") macht der Kläger indessen nur geltend, die Vorinstanzen hätten fehlerhaft subsumiert, nämlich nicht erkannt, dass eine Facetteninfiltration, bei der mit einer langen Nadel eine 40 %ige Glukoselösung injiziert wird, eine interventionelle Maßnahme im Sinne der [X.] [X.] darstelle.

b) Eine grundsätzliche [X.]edeutung ergibt sich auch nicht aus der - ohnehin recht abstrakten - ersten Frage, wie der Leistungstatbestand der [X.] [X.] auszulegen ist. Der in der [X.]eschwerdebegründung dafür angeführte Gesichtspunkt, das [X.][X.] habe noch keine Entscheidung zum Leistungstatbestand der [X.] [X.] getroffen, kann nicht zur Revisionszulassung führen. Wie der Senat wiederholt ausgeführt hat, sind die Grundsätze der Interpretation der Leistungstatbestände des [X.] - mit dem Primat der Auslegung anhand des Wortlauts - in der Rechtsprechung geklärt; deren richtige oder falsche Anwendung auf einzelne Leistungstatbestände kann im Regelfall keine grundsätzliche [X.]edeutung ergeben (zuletzt [X.][X.] vom 12.12.2012 - [X.] [X.] 31/12 [X.] - Juris RdNr 6; ebenso schon früher [X.][X.] vom 13.12.2000 - [X.] [X.] 30/00 [X.] - und vom 16.5.2001 - [X.] [X.] 15/01 [X.]). Die geklärten Grundsätze der Interpretation werden vom Kläger auch nicht in Zweifel gezogen, vielmehr wirft er allein die Frage nach deren richtiger Anwendung auf, sodass eine Klärungsbedürfigkeit im Sinne grundsätzlicher [X.]edeutung nicht vorliegt.

c) Schließlich ist auch außer [X.] getretenes Recht betroffen. Der Leistungstatbestand der [X.] [X.] besteht bereits seit Langem nicht mehr. [X.]ei Rechtsfragen zu sog ausgelaufenem Recht muss für eine grundsätzliche [X.]edeutung entweder noch eine erhebliche Zahl in gleicher Weise problematischer Fälle auf der Grundlage des nicht mehr geltenden Rechts zu entscheiden sein, oder die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihrer Auslegung muss aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine [X.]edeutung haben. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist in der [X.]eschwerdebegründung darzulegen (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G, vgl z[X.] [X.][X.] vom 20.10.2004 - [X.] [X.] 13/04 [X.] - Juris RdNr 9 f). Darlegungen zu einer dermaßen fortwirkenden [X.]edeutung - etwa dahin, einen gleichartigen Leistungstatbestand, in dem sich die gleiche Auslegungsfrage stelle, gebe es auch heute noch, oder, bezogen auf das frühere Recht seien noch weitere Rechtsstreitigkeiten anhängig - sind der [X.]eschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

d) Im Übrigen ist eine grundsätzliche [X.]edeutung auch dann nicht gegeben, wenn sich die Antwort auf die aufgeworfene Rechtsfrage ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften ergibt, was in der [X.]eschwerdebegründung darzulegen ist. Hierzu enthält die [X.]eschwerdebegründung indessen keine Ausführungen - evtl deshalb, weil ohnehin viel dafür spricht, dass nach den Grundsätzen zur Interpretation der Leistungstatbestände des [X.] die Auslegung der Vorinstanzen, eine Facettendenervation im Sinne der [X.] [X.] sei bei einer bloßen Facetteninfiltration nicht gegeben, zutrifft.

2. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz. Die [X.]emessung erfolgt entsprechend der [X.]erechnung der Vorinstanz, die von keinem der [X.]eteiligten in Frage gestellt worden ist.

Meta

B 6 KA 49/12 B

31.01.2013

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Stuttgart, 26. Februar 2010, Az: S 11 KA 5952/07, Urteil

§ 87 Abs 1 SGB 5, § 87 Abs 2 SGB 5, Nr 2960 EBM-Ä

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.01.2013, Az. B 6 KA 49/12 B (REWIS RS 2013, 8530)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8530

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 6 KA 23/09 B (Bundessozialgericht)

Fortbestand einer Gemeinschaftspraxis bei schwebender Auseinandersetzung um Forderungen und Verbindlichkeiten - Krankenversicherung - Nichtbestehen einer …


B 6 KA 31/12 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Grundsätze der Auslegung von Vergütungstatbeständen - richtige oder falsche Anwendung dieser Grundsätze …


B 6 KA 13/12 B (Bundessozialgericht)

(Vertragsarzt - schuldhafte Pflichtverletzung - gerichtliche Überprüfung - Rechtsschutz bei Quartalshonorarbescheiden und Voranfragen - Medizinprodukt …


B 6 KA 57/12 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtvorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung - Auslegung eines Tatbestandsmerkmals (hier Heparine) …


B 6 KA 63/15 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Auslegung der Bewertungsmaßstäbe im ärztlichen und zahnärztlichen Bereich (juris: EBM-Ä 2008 und …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 BvR 2856/07

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.