Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.02.2016, Az. 5 C 31/15 D

5. Senat | REWIS RS 2016, 15403

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Gegenstand

Überlanges verwaltungsgerichtliches Verfahren; maßgeblicher Zeitpunkt für die Erhebung der Verzögerungsrüge und die Berechnung der Verfahrensdauer


Leitsatz

1. Nach Art. 23 Satz 2 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (juris: ÜberlVfRSchG) ist die Verzögerungsrüge nur dann unverzüglich zu erheben, wenn im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bei dem mit dem Verfahren befassten Gericht eine rügepflichtige Situation bereits eingetreten ist.

2. Der Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG besteht auch für die bis zur Erhebung der wirksamen Verzögerungsrüge im Sinne des § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG eingetretene unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens.

3. Eine unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens kann auch innerhalb der Frist des § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 GVG für die Wiederholung der Verzögerungsrüge und der Frist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG für die Erhebung der Entschädigungsklage eintreten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer.

2

Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits, dessen Überlänge die Klägerin rügt, war ein von der Klägerin geltend gemachter Beihilfeanspruch. Die beihilfeberechtigte Klägerin ist [X.] im Dienst des [X.]. [X.] ließ sie eine Zahnimplantation vornehmen. Dafür gewährte ihr der Beklagte eine Beihilfe in Höhe von 257,83 €.

3

Nach erfolglosem Widerspruch erhob die Klägerin am 2. Januar 2009 Klage vor dem Verwaltungsgericht auf Zahlung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 1 825,91 € nebst Zinsen, die sie Ende Januar 2009 auf 1 745,91 € korrigierte. Die Klage wurde dem [X.] am 13. Januar 2009 mit einer Äußerungsfrist von sechs Wochen zugestellt. Nachdem das Verwaltungsgericht die Klageerwiderung vom 19. Februar 2009 der Klägerin am 27. Februar 2009 zur Kenntnis übersandt hatte, beantwortete das Verwaltungsgericht lediglich Sachstandsanfragen. Am 15. Juni 2011 fragte es an, ob auf mündliche Verhandlung des zur Entscheidung anstehenden Verfahrens verzichtet werde, was die Klägerin ablehnte. Daraufhin wurde das Verfahren am 2. September 2011 auf den Einzelrichter übertragen, der am selben Tag den Termin zur mündlichen Verhandlung für den 29. September 2011 bestimmte. Nach dem Verzicht der Beteiligten auf mündliche Verhandlung, wies das Verwaltungsgericht die Klage mit Urteil vom 29. September 2011 ab, das der Klägerin am 21. Oktober 2011 zugestellt wurde.

4

Am 21. November 2011 beantragte die Klägerin die Zulassung der Berufung. Nachdem das Oberverwaltungsgericht eine Verlängerung der Begründungsfrist abgelehnt hatte, begründete die Klägerin den Antrag einen Tag nach Ablauf der Frist und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in die Begründungfrist. Auf eine Sachstandsanfrage teilte das Oberverwaltungsgericht im Mai 2012 mit, dass eine Entscheidung über den Zulassungsantrag voraussichtlich im [X.] des Jahres ergehen werde, und erteilte außerdem am 5. Juni 2012 einen rechtlichen Hinweis zu dem Wiedereinsetzungsantrag. Nach dem Wechsel des Berichterstatters Anfang Januar 2013 teilte das Gericht der Klägerin mit Schreiben vom 20. Februar 2013 mit, man bemühe sich um eine Entscheidung innerhalb der nächsten sechs Monate. Daraufhin erhob die Klägerin am 25. Februar 2013 [X.]. Mit Beschluss des [X.] vom 18. Juni 2013 wurde der Antrag auf Zulassung der Berufung wegen Versäumung der Begründungsfrist als unzulässig zurückgewiesen.

5

Am 5. September 2013 erhob die Klägerin Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer in Höhe von 3 300 €. Insgesamt habe das Verfahren vier Jahre und fünf Monate gedauert, was unangemessen lang im Sinne des § 198 Abs. 1 [X.] gewesen sei. Die Verfahrenslänge sei überwiegend darauf zurückzuführen, dass die Gerichte die Sache nicht zügig bearbeitet hätten. Das Verwaltungsgericht habe das Verfahren über rund zwei Jahre "liegen lassen", um ältere Verfahren zu bearbeiten, das Oberverwaltungsgericht mindestens ein Jahr. Im gesamten Verfahren sei eine nicht gerechtfertigte Verzögerung von zwei Jahren und neun Monaten eingetreten. Das Verfahren habe die Klägerin als teilzeitbeschäftigte Mutter von drei Kindern sehr belastet, weil sie sich das Geld habe borgen müssen, so dass ihr mindestens die Regelentschädigung nach § 198 Abs. 2 Satz 3 [X.] zustehe.

6

Mit dem angegriffenen Urteil hat das Oberverwaltungsgericht der Klage teilweise stattgegeben und festgestellt, dass die Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht unangemessen war. Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht sei zwischen dem Zeitpunkt der Entscheidungsreife am 15. April 2009 und dem 15. Juni 2011 insgesamt 26 Monate nicht gefördert worden, von denen nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles 14 Monate nicht gerechtfertigt seien. Das Verfahren von mittlerer Schwierigkeit sei für die Klägerin als teilzeitbeschäftigte Mutter von drei Kindern von mehr als durchschnittlicher, allerdings nicht wesentlicher Bedeutung gewesen. Die Klägerin habe aber durch ihr Verhalten eine relevante Verzögerung des Rechtsstreits bewirkt, weil sie die Umstände, die die mehr als durchschnittliche Bedeutung begründeten, trotz Aufforderung durch das Gericht nicht im Ausgangsverfahren vorgetragen habe, sondern erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Entschädigungsgericht. Dagegen habe die Klägerin wegen der Dauer des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht keinen Wiedergutmachungsanspruch. Bis zur Erhebung der [X.] könne eine Wiedergutmachung nicht gewährt werden. In dem Zeitraum zwischen der Erhebung und dem Abschluss des Berufungszulassungsverfahrens sei eine Verzögerung nicht eingetreten. Aus § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 [X.] folge, dass in den ersten sechs Monaten ab Erhebung der [X.] eine unangemessene Verfahrensdauer nur in Ausnahmefällen eintreten könne. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung, weil eine Wiedergutmachung nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles durch Feststellung der unangemessenen Verfahrensdauer erreicht werden könne.

7

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Entschädigungsbegehren weiter.

8

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und macht insbesondere geltend, die Klägerin habe die [X.] gemäß Art. 23 Satz 2 [X.] unverzüglich erheben müssen, weil das Verfahren bei Inkrafttreten des Gesetzes schon verzögert gewesen sei.

Entscheidungsgründe

9

[X.]ie Revision der Klägerin ist teilweise begründet. [X.]as angefochtene Urteil verletzt [X.]recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit das [X.] entscheidungstragend davon ausgegangen ist, dass gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes ([X.]) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 ([X.] 1077), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. [X.]ezember 2015 ([X.] 2525), Ansprüche auf Entschädigung oder Wiedergutmachung in anderer Weise erst ab dem [X.]punkt der [X.] gewährt werden und danach eine Verzögerung innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 [X.] sowie des § 198 Abs. 5 Satz 1 [X.] nicht eintreten kann. Es beruht auch insoweit auf einer fehlerhaften Anwendung des § 198 Abs. 1 [X.], als der Klägerin weniger als 2 300 € als Entschädigung zuerkannt wurden.

1. [X.]ie Klägerin hat einen Anspruch auf Entschädigung ihrer immateriellen Nachteile in Höhe von 2 300 €.

[X.]er Anspruch folgt aus § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 [X.], der gemäß Art. 23 Satz 1 des [X.] bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 ([X.] 2302 - [X.]) auch für Verfahren gilt, die - wie hier - bei seinem Inkrafttreten am 3. [X.]ezember 2011 bereits anhängig waren. [X.]iese Regelungen sind im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbar (§ 173 Satz 2 VwGO). [X.]anach wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener [X.]auer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. [X.]iese Voraussetzungen sind hier erfüllt. [X.]ie [X.]auer des von der Klägerin in Bezug genommenen Gerichtsverfahrens (a) war unangemessen (b bis d). [X.]adurch hat die Klägerin einen immateriellen Nachteil erlitten, der nicht auf andere Weise wiedergutgemacht werden kann (e) und in Höhe von 2 300 € zu entschädigen ist (f).

a) Materieller Bezugsrahmen des geltend gemachten [X.] ist gemäß § 198 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 Nr. 1 [X.] das gesamte verwaltungsgerichtliche Verfahren im Ausgangsrechtsstreit von der Klageerhebung beim Verwaltungsgericht am 2. Januar 2009 bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 [X.] - BVerwGE 147, 146 Rn. 19) des die Zulassung der Berufung ablehnenden Beschlusses des [X.]s vom 18. Juni 2013.

b) [X.]ie [X.]auer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht, für das eine [X.] nicht erforderlich war (aa), war unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.] (bb).

aa) [X.]ie Erhebung einer [X.] gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 [X.], die eine materiellrechtliche Voraussetzung des [X.] darstellt ([X.], Urteil vom 17. Juli 2014 - [X.] - NJW 2014, 2588 Rn. 14 m.w.N; [X.], Urteil vom 7. November 2013 - [X.] - [X.], 126 Rn. 24; BSG, Beschluss vom 27. Juni 2013 - [X.] ÜG 9/13 B - NJW 2014, 253 Rn. 27), war, wie das [X.] zu Recht annimmt, in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gemäß Art. 23 Satz 4 [X.] nicht erforderlich. [X.]anach bedarf es bei einem Verfahren, das bei Inkrafttreten des [X.] bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren bereits anhängig war, keiner [X.], wenn die Verzögerung in einer bereits abgeschlossenen Instanz erfolgt ist. Bei Inkrafttreten dieses Gesetzes am 3. [X.]ezember 2011 war das Ausgangsverfahren seit dem 2. Januar 2009 anhängig. [X.]as Verfahren vor dem Verwaltungsgericht war mit dessen Urteil vom 29. September 2011, das der Klägerin am 21. Oktober 2011 zugestellt wurde, abgeschlossen.

bb) [X.]ie Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.], wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus [X.] und verfassungsrechtlichen Normen (Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - [X.] - in der Fassung vom 22. Oktober 2010 <[X.] I[X.] 1198>, Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener [X.] zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. [X.]abei ist vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die durch die Verfahrensführung des Gerichts eingetreten sind, bei Berücksichtigung des den Ausgangsgerichten insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 [X.] - [X.] 300 § 198 [X.] Nr. 3 Rn. 18 m.w.N.).

In Übereinstimmung mit dem dargelegten rechtlichen Maßstab hat sich das [X.] bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht zu Recht nicht von festen [X.]vorgaben oder abstrakten Orientierungs- bzw. Anhaltswerten leiten lassen, sondern eine Einzelfallprüfung vorgenommen (vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 [X.] - BVerwGE 147, 146 Rn. 28 ff. und - 5 C 27.12 [X.] - [X.] 300 § 198 [X.] Nr. 2 Rn. 20 ff.; s.a. [X.], [X.] vom 22. August 2013 - 1 BvR 1067/12 - NJW 2013, 3630 Rn. 30). [X.]as Verfahren vor dem Verwaltungsgericht war insbesondere unter Berücksichtigung der in § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] genannten Gesichtspunkte der Schwierigkeit des Verfahrens ((1)), seiner Bedeutung für die Klägerin ((2)) und des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten ((3)) sowie mit Blick auf die Verfahrensführung durch das Gericht ((4)) ein Jahr und fünf Monate ungerechtfertigt verzögert.

(1) [X.]as [X.] nimmt zutreffend an, dass das verwaltungsgerichtliche Verfahren als mittelschwer zu bewerten ist. [X.]as Verwaltungsgericht hatte sich insbesondere mit den §§ 5 und 6 der früheren Beihilfevorschriften des [X.], dem [X.] und der Härtefallregelung auseinanderzusetzen. Gemessen daran erweist sich das Verfahren (allenfalls) von durchschnittlicher Schwierigkeit, wofür auch die Übertragung des Verfahrens auf den Einzelrichter spricht (vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 [X.] - BVerwGE 147, 146 Rn. 46 und vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 [X.] - [X.] 300 § 198 [X.] Nr. 3 Rn. 21).

(2) Auch die Bewertung des [X.]s, dass das Verfahren für die Klägerin "von mehr als durchschnittlicher, allerdings nicht wesentlicher Bedeutung" gewesen ist, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. [X.]ie den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.]s, dass die Klägerin als Teilzeitbeschäftigte und Mutter von drei Kindern nicht über die finanziellen Mittel verfügte, die für die Zahnimplantation erforderlich waren, sondern sich den Betrag leihen musste, rechtfertigen es, die Bedeutung des Verfahrens für die Klägerin als mehr als durchschnittlich anzusehen.

[X.]as [X.] durfte diese Gesichtspunkte im Zusammenhang mit dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht berücksichtigen. [X.]ie Klägerin war mit ihrem Vorbringen zu ihren persönlichen und finanziellen Verhältnissen, die sie erst vor dem Entschädigungsgericht vorgetragen hat, nicht gemäß § 198 Abs. 3 Satz 3 und 4 [X.] präkludiert. [X.]anach muss die [X.] auf Umstände hinweisen, auf die es für die Verfahrensführung ankommt und die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind. Andernfalls darf sie das Entschädigungsgericht bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigen. [X.]ie Präklusionswirkung des § 198 Abs. 3 Satz 4 [X.] greift nicht ein, wenn eine [X.] - wie hier - in der bei Inkrafttreten des [X.] bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtliche Ermittlungsverfahren bereits abgeschlossenen Instanz gemäß Art. 23 Satz 4 [X.] nicht erforderlich war. Mit der Verpflichtung zur Erhebung einer [X.] entfällt auch die Hinweispflicht, die gemäß § 198 Abs. 3 Satz 3 [X.] unmittelbar mit der [X.] verknüpft ist. [X.]as entspricht dem Zweck der [X.], der auch darin liegt, das Gericht zu einer etwa gebotenen Verfahrensbeschleunigung zu veranlassen. [X.]iese präventive Warnfunktion wird durch die Hinweispflicht ergänzt, die dem Gericht Kenntnis von den für eine Verfahrensbeschleunigung relevanten Umständen verschaffen soll (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-[X.]rs. 17/3802 S. 21 f. und [X.], in: [X.]/[X.], Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 [X.] Rn. 210). Kann der Zweck der [X.] - wie bei einer bereits abgeschlossenen Instanz - nicht erfüllt werden, ist auch für die Hinweispflicht kein Raum.

(3) [X.]agegen ist dem [X.] nicht in der Annahme zu folgen, die Klägerin habe durch ihr Verhalten eine relevante Verzögerung des Rechtsstreits bewirkt, weil sie es unterlassen hat, das Verwaltungsgericht trotz dessen Aufforderung zur Mitteilung von Gründen, die eine bevorzugte Behandlung des Falles rechtfertigen, auf ihre wirtschaftliche Lage hinzuweisen.

Bei der Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] zu Lasten eines Verfahrensbeteiligten grundsätzlich nur ein Verhalten zu berücksichtigen, durch das eine Verzögerung herbeigeführt wird. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Verfahrensbeteiligten, abgesehen insbesondere von der Obliegenheit zur Erhebung der [X.], grundsätzlich nicht verpflichtet sind, aktiv darauf hinzuarbeiten, dass das Gericht das Verfahren in angemessener [X.] zum Abschluss bringt. [X.]aher kann ihnen eine Passivität bei der im Rahmen der Ermittlung der angemessenen [X.]auer eines Gerichtsverfahrens erforderlichen Prüfung, ob die Verfahrensbeteiligten durch ihr Verhalten eine Verzögerung des Rechtsstreits bewirkt haben, nicht angelastet werden. [X.]ie Verpflichtung des Gerichts, das Verfahren in angemessener [X.] zum Abschluss zu bringen, ergibt sich unmittelbar aus der dem Staat obliegenden Justizgewährleistungspflicht, aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes und aus Art. 6 Abs. 1 [X.] (BVerwG, Urteile vom 26. Februar 2015 - 5 C 5.14 [X.] - NVwZ-RR 2015, 641 Rn. 37 und vom 11. Juli 2013 - 5 C 27.12 [X.] - [X.] 300 § 198 [X.] Nr. 2 Rn. 41). Ein Unterlassen der Förderung des Verfahrens führt nur dann zu einer einem Verfahrensbeteiligten anzulastenden Verzögerung, wenn eine entsprechende Rechtspflicht bestand. [X.]as ist hier nicht der Fall. [X.]ie Klägerin war in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht - wie aufgezeigt - nicht gemäß § 198 Abs. 3 Satz 3 [X.] verpflichtet, auf Umstände hinzuweisen, die für die Verfahrensförderung relevant waren. Eine solche Verpflichtung ergibt sich auch nicht im Hinblick auf das Schreiben des [X.] vom 18. Oktober 2010, in dem die Klägerin unter anderem um Nachricht gebeten wird, wenn Gründe vorliegen sollten, die eine bevorzugte Behandlung des Falles rechtfertigen. [X.]enn die Klägerin war aus den oben dargelegten Gründen über die gesetzlichen Vorgaben des § 198 Abs. 3 Satz 3 [X.] hinaus zu einer Förderung des Prozesses nicht verpflichtet.

(4) Aus den in dem angefochtenen Urteil zur Verfahrensführung getroffenen Feststellungen ist unter Berücksichtigung der zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] genannten Gesichtspunkten angestellten Bewertungen und der gerichtlichen Gestaltungsfreiheit zu schließen, dass das Verwaltungsgericht das Verfahren zwischen Mitte April 2009 und Mitte Juni 2011 für ein Jahr und vier Monate sowie zwischen Mitte Juni 2011 und Anfang September 2011 für einen Monat ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund nicht gefördert hat.

Zum Verfahrensgang hat das [X.] neben der Chronologie des Verfahrens festgestellt, dass das Verwaltungsgericht zwischen dem 16. April 2009 und der Anfrage vom 15. Juni 2011, ob auf mündliche Verhandlung des zur Entscheidung anstehenden Verfahrens verzichtet werde, insgesamt zwei Jahre und zwei Monate keine verfahrensfördernden Handlungen vorgenommen, sondern lediglich Sachstandsanfragen beantwortet hat. [X.]araus ist bei wertender Betrachtung zu folgern, dass die Klage etwa sechs Wochen nach Übersendung der am 23. Februar 2009 eingegangenen Klageerwiderung "zur Kenntnis" Mitte April 2009 entscheidungsreif war. [X.]er Sachverhalt war zu diesem [X.]punkt in tatsächlicher Hinsicht ausreichend aufbereitet und den Beteiligten war in hinreichender Weise rechtliches Gehör gewährt worden.

Im vorliegenden Fall erscheint es angemessen, dem Verwaltungsgericht ab diesem [X.]punkt einen (Gestaltungs-)[X.]raum von etwa 10 Monaten für seine Entscheidung zuzugestehen, wann und wie es das Verfahren im Sinne eines Hinwirkens auf eine Erledigung des Prozesses fördert. [X.]ies trägt dem Umstand Rechnung, dass - auch vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich gewährten richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) - die Verfahrensgestaltung in erster Linie dem mit der Sache befassten Gericht obliegt und ihm hinsichtlich der Entscheidung, wann und wie es eine bestimmte Sache in Abstimmung mit anderen bei ihm anhängigen Sachen terminiert oder sonst fördert, ein Spielraum zusteht. [X.]er (Gestaltungs-)[X.]raum berücksichtigt weiter, dass das Gericht vor einer verfahrensfördernden Handlung oder Entscheidung zur Sache [X.] zur rechtlichen [X.]urchdringung benötigt, um dem rechtsstaatlichen Anliegen zu genügen, eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes vorzunehmen. [X.]er ab Eintritt der [X.] zugestandene [X.]raum ist im Einzelfall in Relation zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] benannten Kriterien zu bestimmen. Maßgeblich ist insoweit - genauso wie hinsichtlich der in § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] aufgeführten Umstände - wie die Gerichte im Ausgangsverfahren die Lage aus ihrer [X.] einschätzen durften. Hingegen ist eine Überlastung der [X.]barkeit oder des konkreten Ausgangsgerichts bzw. Spruchkörpers für die Bemessung des richterlichen Gestaltungsspielraums ohne Belang. Sie gehört zu den strukturellen Mängeln, die sich der Staat zurechnen lassen muss und die er zu beseitigen hat (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 [X.] - [X.] 300 § 198 [X.] Nr. 3 Rn. 28 m.w.N.).

[X.]ie Gestaltungsfreiheit des Gerichts wird in zeitlicher Hinsicht begrenzt durch den [X.]punkt, ab dem ein (weiteres) Zuwarten auf eine verfahrensfördernde Entscheidung bzw. Handlung des Gerichts im Hinblick auf die subjektive Rechtsposition des Betroffenen auf eine angemessene Verfahrensdauer nicht mehr vertretbar ist, weil sich die (weitere) Verzögerung bei Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles als sachlich nicht mehr gerechtfertigt und damit als unverhältnismäßig darstellt. Es ist nicht mit dem [X.]punkt gleichzusetzen, bis zu dem von einer "optimalen Verfahrensführung" des Gerichts auszugehen ist. [X.] relevant sind nur die nach Ablauf des [X.] auf die Verfahrensführung des Gerichts zurückzuführenden Verzögerungen. [X.]enn zur Begründung des [X.] reicht nicht jede Abweichung von der optimalen Verfahrensführung aus. Vielmehr setzt der Entschädigungsanspruch aus § 198 Abs. 1 [X.] voraus, dass der Beteiligte durch die Länge des Gerichtsverfahrens in seinem Grund- und Menschenrecht auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener [X.] beeinträchtigt worden ist, was eine gewisse Schwere der Belastung erfordert (vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 [X.] - BVerwGE 147, 146 Rn. 39 und - 5 C 27.12 [X.] - [X.] 300 § 198 [X.] Nr. 2 Rn. 31 m.w.N.).

In Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe ist hier bei der Bemessung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums zu berücksichtigen, dass das Ausgangsverfahren (allenfalls) einen durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad aufwies, seine Bedeutung für die Klägerin mehr als durchschnittlich, aber nicht wesentlich war und die Klägerin nicht durch ihr Verhalten zu einer Verfahrensverzögerung beigetragen hatte. Angesichts dessen war die fehlende Bearbeitung bzw. Förderung des Verfahrens durch das Verwaltungsgericht für die Klägerin ab Mitte Februar 2010 nicht mehr hinnehmbar. [X.]a die nächste verfahrensfördernde Handlung am 15. Juni 2011 mit der Anfrage nach einem Verzicht auf mündliche Verhandlung vorgenommen wurde, war das Verfahren bis zu diesem [X.]punkt 16 Monate ungerechtfertigt verzögert.

Nach den Feststellungen des [X.]s zum Verfahrensgang nahm das Verwaltungsgericht außerdem zwischen seiner Anfrage vom 15. Juni 2011 und der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 2. September 2011 nach dem Eingang der Rücknahme des Verzichts auf mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2011 neun Wochen, also etwa zwei Monate keine verfahrensfördernden Handlungen vor, weil das Verfahren vorzubereiten und seine Terminierung den übrigen Verhandlungsterminen der Kammer anzupassen war. Insoweit ist es angemessen, dem Verwaltungsgericht für diesen Verfahrensabschnitt einen weiteren (Gestaltungs-)[X.]raum von fünf Wochen für seine Entscheidung einzuräumen. In Anwendung der oben dargelegten rechtlichen Maßstäbe ist insoweit bei der Bemessung des Gestaltungsspielraums zu berücksichtigen, dass das Verfahren, das für die Klägerin mehr als durchschnittliche Bedeutung besaß, zu diesem [X.]punkt ohne Zutun der Klägerin bereits erheblich verzögert war.

War dem Verwaltungsgericht in dem [X.]raum zwischen Mitte April 2009 und Mitte Juni 2011 ein Gestaltungsspielraum von zehn Monaten und für den [X.]raum von Mitte Juni 2011 bis Anfang September 2011 von fünf Wochen einzuräumen, ergibt sich eine ungerechtfertigte Verzögerung des Verfahrens von insgesamt einem Jahr und fünf Monaten.

c) [X.]ie [X.]auer des Verfahrens vor dem [X.], in dem die Klägerin rechtzeitig [X.] (aa) erhoben hat, war unangemessen (bb).

aa) [X.]ie Klägerin hat in dem Verfahren vor dem [X.] mit der am 25. Februar 2013 eingegangenen [X.] die materiellrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen des § 198 Abs. 3 Satz 1 [X.] erfüllt. [X.]er Vorinstanz ist nicht darin zu folgen, dass eine Wiedergutmachung für den [X.]raum vor Erhebung der [X.] nicht gewährt werden kann.

(1) [X.]er Anspruch auf Entschädigung oder Wiedergutmachung ist für die [X.] vor Erhebung der [X.] nicht gemäß Art. 23 Satz 3 [X.] ausgeschlossen (vgl. dazu: [X.], Urteil vom 10. April 2014 - [X.] - NJW 2014, 1967 Rn. 27 ff.; [X.], Urteil vom 20. August 2014 - [X.] - [X.]E 247, 1 Rn. 24; BSG, Urteil vom 5. Mai 2015 - [X.] ÜG 8/14 R - [X.] 4-1710 Art. 23 Nr. 4 (vorgesehen) = juris Rn. 23 ff.). [X.]ie Klägerin war nicht gemäß Art. 23 Satz 2 [X.] verpflichtet, die [X.] unverzüglich nach Inkrafttreten des [X.] bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren am 3. [X.]ezember 2011 zu erheben. [X.]anach gilt § 198 Abs. 3 [X.] für anhängige Verfahren, die bei Inkrafttreten jenes Gesetzes schon verzögert sind, mit der Maßgabe, dass die [X.] unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben werden muss. [X.]ie Obliegenheit des Art. 23 Satz 2 [X.] betrifft nur Verzögerungen in anhängigen Verfahren, die im [X.]punkt des Inkrafttretens bei dem mit der Sache befassten Gericht bereits eingetreten sind. [X.]as ergibt sich neben der systematischen Unterscheidung zwischen Verzögerungen in einer bereits abgeschlossenen Instanz (Art. 23 Satz 4 [X.]) und schon verzögerten Verfahren (Art. 23 Satz 2 [X.]) sowie dem mit der [X.] verfolgten Zweck einer präventiven Warnung an das befasste Gericht vor allem aus der Gesetzesbegründung. [X.]anach ist die unverzügliche Erhebung einer [X.] an das Gericht nur dann geboten, wenn in dem von ihm betreuten Verfahren bereits eine rügepflichtige Situation eingetreten ist. Kommt es nach Abschluss einer Instanz bei der befassten Instanz zu einer weiteren Verzögerung, bleibt es bei der allgemeinen Regelung des § 198 Abs. 3 [X.] (so ausdrücklich die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-[X.]rs. 17/3802 S. 31; ebenso [X.], in: [X.]/[X.], Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, Art. 23 [X.] Rn. 5; vgl. auch [X.], Urteil vom 25. August 2015 - L 37 SF 29/14 [X.] - juris Rn. 36). [X.]a das [X.] bei Inkrafttreten des Gesetzes erst wenige Tage mit dem Verfahren befasst war, war dort eine Verzögerung, die gemäß Art. 23 Satz 2 [X.] unverzüglich zu rügen gewesen wäre, noch nicht eingetreten.

(2) [X.]ie [X.] ist gemäß § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 [X.] wirksam erhoben worden. [X.]anach kann die [X.] erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen [X.] abgeschlossen wird. [X.]iese Besorgnis bestand spätestens, nachdem der mit Schreiben vom Mai 2012 für [X.] in Aussicht gestellte Entscheidungstermin verstrichen war und das [X.] auf die zweite Sachstandsanfrage der Klägerin mit Schreiben vom 20. Februar 2013 mitgeteilt hatte, man bemühe sich um eine Entscheidung innerhalb der nächsten sechs Monate.

(3) Entgegen der Auffassung des [X.]s besteht der Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.] gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 [X.] auch für den [X.]raum vor der Erhebung der [X.]. [X.]ies folgt nicht nur aus dem Wortlaut des § 198 Abs. 3 Satz 1 [X.] ("wenn"), sondern ergibt sich zwingend auch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes. [X.]er Referentenentwurf vom 15. März 2010 (abgedruckt in [X.]/[X.], Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, Anhang 5, Seite 413 und 433) und dessen Begründung sind zu § 198 Abs. 3 Satz 1 [X.] davon ausgegangen, dass ein Entschädigungsanspruch nur in Betracht komme, "soweit" die [X.] rechtzeitig zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 [X.] genannten [X.]punkt erhoben werde und dass im Fall einer nach diesem [X.]punkt erhobenen Rüge die Entschädigung für den davorliegenden [X.]raum ausgeschlossen sei. [X.]er Gesetzgeber ist dem nicht gefolgt. Er hat zum einen in § 198 Abs. 3 Satz 1 [X.] statt des Wortes "soweit" den Begriff "wenn" gewählt. Zum anderen hat er in der Begründung des Gesetzentwurfs darauf hingewiesen, dass es grundsätzlich unschädlich sei, wenn die Rüge erst nach dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 [X.] bestimmten [X.]punkt eingelegt wird (BT-[X.]rs. 17/3802 S. 21). [X.]araus ergibt sich zweifelsfrei auch, dass der vor einer wirksam bei dem mit dem Verfahren befassten Gericht erhobenen [X.] verstrichene [X.]raum des Verfahrens vor diesem Gericht in die Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer einzustellen ist (vgl. auch [X.], in: [X.]/[X.], Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 [X.] Rn. 194).

bb) In Anwendung des oben darlegten rechtlichen Maßstabs ist im Hinblick auf die für die Einzelfallprüfung maßgeblichen Kriterien des § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] der Schwierigkeit des Verfahrens ((1)), dessen Bedeutung für die Klägerin ((2)) und deren Verhalten ((3)) angesichts der Verfahrensführung durch das [X.] bei Berücksichtigung der insoweit einzustellenden gerichtlichen Gestaltungsfreiheit davon auszugehen, dass das Berufungszulassungsverfahren sechs Monate ungerechtfertigt verzögert war ((4)). [X.]em stehen weder die Karenzfrist des § 198 Abs. 3 Satz 2 [X.] noch die Wartefrist des § 198 Abs. 5 Satz 1 [X.] entgegen ((5)).

(1) [X.]ie Schwierigkeit des Berufungszulassungsverfahrens vor dem [X.] kann noch als durchschnittlich angesehen werden. Zwar war die entscheidungserhebliche Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und damit die Frage der Zulässigkeit des Antrags nicht schwierig zu entscheiden. [X.]as [X.] hat sich in den Gründen seines Beschlusses vom 18. Juni 2013, mit dem es den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt hat, aber auch mit dem geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auseinandergesetzt. Es kann hier offenbleiben, ob diese Erwägungen wegen der Unzulässigkeit der Beschwerde prozessual als "nicht geschrieben" anzusehen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 2015 - 5 B 36.14 - juris Rn. 6 m.w.N.). Für das Entschädigungsverfahren kommt es nur darauf an, dass das Gericht die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erörtert hat. Insoweit hängt die Schwierigkeit von der Beschaffenheit der in dem angefochtenen Urteil entschiedenen Fragen ab (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 [X.] - [X.] 300 § 198 [X.] Nr. 3 Rn. 21). [X.]a der Zulassungsgrund keine Vollprüfung der Richtigkeit des vorinstanzlichen Urteils erfordert, liegt der Schwierigkeitsgrad hier noch an der unteren Grenze des [X.]urchschnittlichen.

(2) Für das Berufungszulassungsverfahren ist davon auszugehen, dass das Verfahren für die Klägerin keine besondere Bedeutung hatte. [X.]ie persönlichen und finanziellen Umstände, die in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht die besondere Bedeutung begründen, durfte das Entschädigungsgericht gemäß § 198 Abs. 3 Satz 4 [X.] bei der Bewertung der Angemessenheit des Verfahrens vor dem [X.] nicht berücksichtigen, weil die Klägerin auf sie nicht gemäß § 198 Abs. 3 Satz 3 [X.] in der dort gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 [X.] zu erhebenden [X.] hingewiesen hatte.

(3) [X.]ie Klägerin hat zu einer Verzögerung des Verfahrens vor dem [X.] nicht beigetragen. Soweit sie es in diesem Verfahren entgegen § 198 Abs. 3 Satz 3 [X.] versäumt hat, auf ihre damalige wirtschaftliche Lage hinzuweisen, war dies bereits im Zusammenhang mit der Bedeutung des Verfahrens für sie in Rechnung zu stellen.

(4) Mit Blick auf die Verfahrensführung des [X.]s und bei Berücksichtigung der Schwierigkeit des Verfahrens und seiner Bedeutung für die Klägerin sowie des Umstands, dass sie zur Verzögerung nichts beigetragen hat, ergibt sich eine unangemessene Verfahrensdauer von sechs Monaten.

Aus den Feststellungen der Vorinstanz zur Chronologie des Verfahrens ist wertend zu folgern, dass dieses vor dem [X.] mit der Übersendung der Stellungnahme der Klägerin zu dem rechtlichen Hinweis des [X.]s an den Beklagten "zur Kenntnis" am 5. Juni 2012 und dem telefonisch erbetenen Fristverlängerungsantrag vom November 2011 am 27. Juni 2012 an den Beklagten ebenfalls "zur Kenntnis" entscheidungsreif war.

In dem [X.]raum vom Eingang des [X.] am 28. November 2011 bis zur Herstellung der [X.] ist eine ungerechtfertigte Verzögerung nicht eingetreten. [X.]ie Grenzen des gerichtlichen [X.] sind nicht deshalb überschritten, weil das [X.] nach der Übersendung der [X.] des Beklagten am 9. Februar 2012 bis zu dem rechtlichen Hinweis vom 5. Juni 2012 zu dem Wiedereinsetzungsantrag vier Monate lang keine verfahrensfördernden Handlungen vorgenommen hat. [X.]as Gericht besitzt zwar auch in dem [X.]raum vor der [X.] keine unbeschränkte Gestaltungsfreiheit. Bei der Bestimmung des Umfangs des Gestaltungsspielraums, der dem Gericht im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit und das rechtsstaatliche Gebot einer inhaltlich richtigen, an Recht und Gesetz orientierten Entscheidung im konkreten Einzelfall einzuräumen ist, ist aber zu berücksichtigen, dass ihm in der [X.] der Herstellung der [X.] die Erkenntnisse, die für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich sind, nicht vollständig vorliegen. Vielmehr dient dieser [X.]raum gerade dazu, das Verfahren rechtlich und tatsächlich soweit aufzubereiten, dass eine Entscheidung getroffen werden kann. [X.]emgegenüber zeichnet sich der [X.]raum ab [X.] dadurch aus, dass einer Entscheidung des Verfahrens "an sich" nichts mehr entgegensteht. [X.]ieser Unterschied ist bei der Ausfüllung des Entscheidungsspielraums im konkreten Einzelfall in Rechnung zu stellen. [X.]as [X.] ist in diesem [X.]raum auch nicht untätig gewesen, sondern hat sich dem Verfahren insoweit gewidmet, als es Unstimmigkeiten zwischen dem Antrag auf Widereinsetzung in die Begründungsfrist vom 22. [X.]ezember 2011 und dem Antrag auf Fristverlängerung vom 21. [X.]ezember 2011 herausgearbeitet und die Klägerin mit dem rechtlichen Hinweis vom 5. Juni 2012 dazu um Stellungnahme gebeten hat.

In dem [X.]raum ab [X.] Ende Juni 2012 bis zum Abschluss des Verfahrens durch den Beschluss vom 18. Juni 2013 ist das Verfahren vor dem [X.] sechs Monate ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund nicht gefördert worden. Bei der Bemessung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums ist zu berücksichtigen, dass die Schwierigkeit des Verfahrens und dessen Bedeutung für die Klägerin als durchschnittlich zu bewerten sind und das Verfahren in der Vorinstanz bereits 17 Monate verzögert war. Gemessen daran kommt dem Umstand, dass der Berichterstatter am 3. Januar 2013 gewechselt hatte, keine maßgebliche Bedeutung zu. [X.]er dem Gericht einzuräumende Gestaltungsspielraum ist danach mit fünf Monaten zu bemessen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 [X.] - [X.] 300 § 198 [X.] Nr. 3 Rn. 26 f.), was eine unangemessene Verzögerung des Verfahrens von etwa sechs Monaten ergibt.

(5) [X.]em steht nicht entgegen, dass die Wiederholung der [X.] frühestens nach sechs Monaten zulässig ist (§ 198 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 [X.]) und die [X.] frühestens sechs Monate nach Erhebung der [X.] erhoben werden kann (§ 198 Abs. 5 Satz 1 [X.]). Soweit das [X.] davon ausgeht, dass innerhalb dieser Fristen eine Verzögerung nicht eintreten kann, ist dies mit [X.]recht nicht vereinbar. Weder Wortlaut und Gesetzessystematik noch der mit diesen Fristen verfolgte Zweck sprechen für diese Annahme. [X.]ie Karenzfrist des § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 [X.] dient dem Schutz des Gerichts vor "[X.]" in kurzen Abständen sowie der Entlastung der Betroffenen und ihrer Anwälte (vgl. BT-[X.]rs. 17/3802 S. 21), was die Annahme einer unangemessenen Verfahrensdauer während dieser [X.] nicht hindert. Mit der Wartefrist des § 198 Abs. 5 Satz 1 [X.] soll dem Gericht hinreichend [X.] gegeben werden, auf die [X.] zu reagieren und das Verfahren in einer angemessenen [X.] abzuschließen oder in bereits verzögerten Verfahren eine Verlängerung der Verzögerung zu vermeiden (vgl. BT-[X.]rs. 17/3802 S. 22). Auch diesen Zwecken ist nicht ansatzweise zu entnehmen, dass die Wartefrist ausschließt, in ihrem Umfang eine ungerechtfertigte Verzögerung anzunehmen.

d) [X.]as Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und dem [X.] war bei der gebotenen Gesamtabwägung insgesamt im Umfang von einem Jahr und 11 Monaten unangemessen. [X.]ie unangemessenen Verzögerungen vor dem Verwaltungsgericht und dem [X.] sind zu addieren. Sie sind weder innerhalb eines Stadiums des Verfahrens noch in einzelnen Verfahrensabschnitten innerhalb einer anderen Phase des Verfahrens ausgeglichen worden (vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 [X.] - BVerwGE 147, 146 Rn. 17 und 44 m.w.N. und vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 [X.] - [X.] 300 § 198 [X.] Nr. 3 Rn. 30).

e) [X.]adurch hat die Klägerin einen immateriellen Nachteil erlitten, der durch Entschädigung wiedergutzumachen ist.

Nach § 198 Abs. 2 Satz 1 [X.] wird ein immaterieller Nachteil vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren - wie hier - unangemessen lange gedauert hat. [X.]iese Vermutung ist hier nicht widerlegt. Eine Entschädigung ist auch nicht nach § 198 Abs. 2 Satz 2 [X.] ausgeschlossen. [X.]anach kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 [X.] ausreichend ist. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise ist gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 [X.] insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Ob eine solche Feststellung ausreichend im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 2 [X.] ist, beurteilt sich auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 [X.] - [X.] 300 § 198 [X.] Nr. 3 Rn. 34 m.w.N.). Mit Blick auf den Umfang der Verzögerung des vom Schwierigkeitsgrad allenfalls durchschnittlich gelagerten Falles, zu der die Klägerin nicht beigetragen hat, und wegen der mehr als durchschnittlichen Bedeutung für die Klägerin, die für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zu berücksichtigen ist, ist die bloße Feststellung, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, hier nicht ausreichend.

f) [X.]ie Klägerin ist in Höhe von 2 300 € zu entschädigen.

[X.]ie Bemessung der immateriellen Nachteile richtet sich nach § 198 Abs. 2 Satz 3 [X.]. [X.]anach ist der immaterielle Nachteil in der Regel in Höhe von 1 200 € für jedes Jahr der Verzögerung zu entschädigen. Für [X.]räume unter einem Jahr lässt diese Regelung eine zeitanteilige Berechnung zu. Nach § 198 Abs. 2 Satz 4 [X.] kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen, wenn der Betrag von 1 200 € nach den Umständen des Einzelfalles unbillig ist. Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich.

2. [X.]ie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Meta

5 C 31/15 D

29.02.2016

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 9. Juli 2014, Az: EK 11 F 5/13, Urteil

Art 23 S 1 ÜberlVfRSchG, Art 23 S 2 ÜberlVfRSchG, Art 23 S 3 ÜberlVfRSchG, Art 23 S 4 ÜberlVfRSchG, § 198 Abs 1 S 1 GVG, § 198 Abs 2 GVG, § 198 Abs 3 S 1 GVG, § 198 Abs 3 S 2 Halbs 2 GVG, § 198 Abs 5 S 1 GVG, § 173 S 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.02.2016, Az. 5 C 31/15 D (REWIS RS 2016, 15403)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 15403

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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X K 13/12

III ZR 228/13

1 BvR 1067/12

III ZR 335/13

X K 9/13

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