Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.07.2014, Az. III ZR 228/13

III. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 3962

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
III ZR 228/13

Verkündet am:

17. Juli 2014

K i e f e r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja

[X.] § 198 Abs. 3 Satz 1; [X.] Art. 23 Satz 2

a)
Die Frage der Erhebung beziehungsweise Rechtzeitigkeit einer Verzöge-rungsrüge betrifft nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit einer [X.] nach §
198 [X.].

b)
Eine [X.] ist noch "unverzüglich" im Sinne des Art. 23 Satz
2 [X.] erhoben, wenn sie spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren beim Ausgangsgericht eingegangen ist ([X.] an [X.]surteil vom 10. April 2014 -
[X.], NJW 2014, 1967).

BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 -
III ZR 228/13 -
[X.]

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Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juli
2014 durch den Vizepräsidenten
Schlick und die Richter
Dr. [X.],
[X.], Seiters
und Reiter

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 22. Mai 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Oberlandesge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger nimmt das beklagte Land im Wege der Feststellungs-
und Leistungsklage auf Entschädigung für materielle und immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Zivilrechtsstreits in Anspruch.

Das Ausgangsverfahren betrifft einen Zivilprozess, der im Januar 2001 vor dem [X.] S.

eingeleitet wurde und Schadensersatzan-sprüche des [X.] wegen unberechtigter außerordentlicher Kündigung eines Vertrags zur Jungviehaufzucht zum Gegenstand hat. Hinsichtlich eines Betrags n die Parteien den Rechtsstreit
in der Hauptsache für erle-1
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digt. Nach Einholung eines gerichtlichen
Sachverständigengutachtens und mehrerer ergänzender Stellungnahmen
erging am 21. April 2009 ein Teilurteil. [X.] Kläger erkannte, wurde das Urteil rechtskräftig. Im Übrigen
wurde es durch
Berufungsurteil des [X.] R.

vom 1.
Oktober 2009 aufgeho-ben. Im weiteren Verfahrensgang holte das [X.]
ein Obergutachten
ein und verkündete schließlich am 23. März 2012 ein [X.], in dem es dem Kläger
weitere

Das Verfahren ist noch nicht abgeschlos-sen. Es befindet sich derzeit im [X.].

Mit [X.] vom 28. Dezember 2011, der am 30. Dezember 2011 beim [X.] einging, erhob der Kläger eine [X.] unter Hinweis auf § 198 [X.]. Bereits zuvor hatte er am 8. April 2004 und 16. Januar 2009 förmliche [X.] erhoben, die das [X.] als unzulässig verwarf. Einen
mit Schriftsatz vom 22. Januar 2009 gegenüber der Justizverwaltung geltend gemachten Anspruch auf immateriellen Scha-Bescheid vom 11. Mai 2011 ab. Die dagegen an das [X.] des be-klagten Landes gerichtete Beschwerde blieb erfolglos.

Mit [X.] vom 23. April 2012, der am 26. April 2012 beim [X.] R.

einging, reichte der Kläger die vorliegende Ent-schädigungsklage ein, die dem [X.] -
nach verzögerter Einzahlung des [X.] durch den Kläger -
erst am 9. August 2012 zuge-stellt wurde.

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Der Kläger hat geltend gemacht, die streitgegenständliche [X.] von inzwischen mehr als elf Jahren sei schon dem ersten Anschein nach nicht mehr angemessen. Der derzeit noch nicht bezifferbare materielle Schaden resultiere daraus, dass ihm
während der Prozessdauer ein Betrag von nahezu des offenkundigen Desinteresses der Justiz an der Bearbeitung seiner [X.] sei eine Entschädigung für immaterielle Nachteile in Höhe von mindestens habe, komme es auf die am 30. Dezember 2011 erhobene [X.] nicht mehr an.

Das [X.] hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit seiner vom [X.]
zugelassenen Revision verfolgt der Kläger
seine erstinstanz-lichen Anträge
weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision
ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des ange-fochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesge-richt.

I.

Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:

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Die [X.] sei unzulässig. Nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ([X.]) vom 24. November 2011 ([X.] I S. 2302) sei die Entschädigungsregelung der §§ 198 ff [X.] auf das seit Januar 2001 anhängige Ausgangsverfahren anwendbar. Die sechsmonatige Wartefrist des § 198 Abs. 5 Satz 1
[X.]
habe der Kläger zwar nicht einhalten müssen, weil das verzögerte erstinstanzliche Verfahren bei Erhebung der Entschädi-gungsklage am 23. April 2012 bereits abgeschlossen gewesen sei und die [X.] deshalb die ihr vom Gesetzgeber
beigemessene Funktion nicht mehr habe entfalten können. Der Kläger habe jedoch die Vorgabe des Art. 23 Satz 2 [X.], wonach die [X.] unverzüglich nach dem [X.]
(am 3. Dezember 2011)
zu erheben sei, nicht erfüllt. Die am 30. Dezember 2011 eingegangene [X.] sei mehr als drei [X.] und sechs Tage nach diesem Zeitpunkt erhoben worden. Sie sei daher verspätet, da "unverzüglich"
im Sinne des Art. 23 Satz 2 [X.] "ohne schuld-haftes Zögern"
(§ 121 Abs. 1 Satz 1 [X.]) bedeute. Die in der Regel als Ober-grenze anzunehmende Frist von zwei Wochen gelte auch im Streitfall. Die neue Entschädigungsregelung sei frühzeitig Gegenstand von Fachpublikationen ge-wesen. Der eindeutige Gesetzeswortlaut habe dem Prozessbevollmächtigten des [X.] bekannt sein müssen. Der Kläger sei daher zur Wahrung seiner Rechte gehalten gewesen,
eine [X.] gemäß §
198 Abs. 3 Satz 1 GV
binnen zwei Wochen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zu erheben.
Er könne sich auch nicht darauf berufen, die Unangemessenheit der [X.] bereits vor dem Inkrafttreten der neuen Entschädigungsregelung [X.] gerügt zu haben. Frühere Beanstandungen der Verfahrensdauer stünden einer [X.] gemäß §
198 Abs. 3 Satz 1 [X.] nicht gleich.

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II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in mehreren
Punkten nicht stand.

Entgegen der Auffassung des [X.] betrifft die Frage der Erhebung beziehungsweise Rechtzeitigkeit einer
[X.] nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit
der [X.].

Die
am 30. Dezember 2011 beim [X.] eingegangene
Verzöge-rungsrüge
ist
"unverzüglich"
nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechts-schutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfah-ren
([X.]) erhoben worden. Sie hat damit gemäß Art. 23 Satz 2 und 3 [X.] Entschädigungsansprüche auch für den der Rüge vorausgehenden Zeitraum gewahrt.

1.
Im Ausgangspunkt zutreffend hat das [X.] angenommen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§
198
ff [X.])
nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]
auf den Streitfall Anwendung
findet. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 [X.]) be-reits anhängig waren.
Diese Voraussetzung ist
hier erfüllt. Das im Januar 2001
eingeleitete Ausgangsverfahren war zum maßgeblichen Stichtag weder rechts-kräftig abgeschlossen noch anderweitig erledigt.

2.
Anders als das [X.] meint, hat das Fehlen einer Verzöge-rungsrüge (§ 198 Abs. 3 Satz 1 [X.]) oder die nicht unverzügliche Erhebung einer solchen Rüge (Art. 23 Satz 2 [X.]) nicht die Unzulässigkeit der Ent-10
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schädigungsklage zur Folge. Vielmehr ist die [X.] als materielle Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs konzipiert und nicht als Zuläs-sigkeitskriterium für dessen prozessuale Geltendmachung
(BT-Drucks. 17/3802 S. 20). § 198 Abs. 3 Satz 1 [X.] normiert als zwingende Entschädigungsvo-raussetzung, dass der Betroffene in dem Verfahren, für dessen Dauer er ent-schädigt werden möchte, eine [X.] erhoben hat. Dabei handelt es sich um eine haftungsbegründende Obliegenheit ([X.]surteile vom 23. Ja-nuar 2014 -
III ZR
37/13, NJW 2014, 939 Rn. 27 und vom 10. April 2014 -
III ZR 335/14, NJW 2014, 1967 Rn. 21; siehe auch [X.], 126
Rn.
24 und
BSG, NJW 2014, 253 Rn. 27). Wird die [X.] nicht unverzüglich gemäß Art. 23 Satz 2 [X.] erhoben, hat dies zur Folge, dass [X.] wegen überlanger Verfahrensdauer bis zum Rügezeitpunkt materiell-recht-lich präkludiert sind
(grundlegend [X.]surteil vom 10. April 2014 aaO
Rn.
27
ff). Die Zulässigkeit der Klage bleibt davon unberührt
(vgl.
BFHE
aaO; BSG aaO).

3.
Entgegen der Auffassung der Revision haben die förmlichen [X.] des [X.] vom 8. April 2004 und 16. Januar 2009 sowie
sein [X.] vom 22. Januar 2009 die Erhebung einer [X.] nicht entbehrlich gemacht. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 23 Satz 2 [X.] muss in anhängigen, bereits verzögerten Verfahren die [X.] "unverzüglich
nach Inkrafttreten"
des
Gesetzes erhoben werden. Allein dadurch wird der Entschädigungsanspruch rückwirkend in vollem Umfang gewahrt (Art. 23 Satz 3 [X.];
BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erhobene [X.]n erfüllen diese Voraussetzung nicht. Da sie
keine präventive Warnfunktion im Sinne der §§
198
ff [X.] entfalten konnten, sind sie
nicht geeignet, einen Entschädi-gungsanspruch zu begründen (BFHE
aaO
Rn. 25; [X.], NJW 2013, 15
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2209, 2010). Dementsprechend bestimmt Art. 23 Satz 4 [X.], dass es einer [X.] dann nicht bedarf, wenn bei einem anhängigen Verfahren die Verzögerung in einer -
bei Inkrafttreten des Gesetzes -
schon abgeschlos-senen Instanz erfolgt ist (siehe auch BT-Drucks. 17/3802 S.
31).

4.
Dem [X.] kann nicht darin gefolgt werden, dass die Einhal-tung der Wartefrist gemäß § 198 Abs. 5 Satz 1 [X.] im Streitfall entbehrlich war. Allerdings hat das Gericht zugleich verkannt, dass die Entschädigungskla-ge nicht schon am 23. April 2012 (Fertigung der am 26. April beim [X.] eingegangenen Klageschrift), sondern erst am 9. August 2012 ([X.] an den [X.]) -
mithin nicht vorzeitig -
erhoben [X.] ist.

a) Nach § 198 Abs. 5 Satz 1 [X.] kann der Entschädigungsanspruch frühestens sechs Monate nach wirksamer Erhebung der [X.] ge-richtlich geltend gemacht werden. Der Sinn dieser Wartefrist besteht darin, dem Gericht des Ausgangsverfahrens die Möglichkeit einzuräumen, auf eine Be-schleunigung des Verfahrens hinzuwirken und dadurch (weiteren) Schaden zu vermeiden
([X.]surteil vom 21. Mai
2014 -
III ZR 355/13, BeckRS 2014, 12289 Rn. 17). Zugleich sollen die Entschädigungsgerichte vor verfrühten

[X.]n geschützt werden ([X.] in [X.]/[X.], Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, §
198 [X.] Rn. 245).
Die [X.] ist eine besondere Sachurteilsvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist. Eine vor Fristablauf erhobene Klage wird nach Ablauf der Frist nicht zulässig. Es liegt kein heilbarer Mangel vor. Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es für die Einhaltung der Wartefrist allein
auf den Zeitpunkt der Klageerhebung
an. Zudem könnte andernfalls die vorgenannte Schutzfunktion der Frist für die Entschädigungsgerichte unterlau-16
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fen werden ([X.] in [X.]/[X.], Rechtsschutz bei überlangen Gerichts-
und Ermittlungsverfahren, § 198 [X.] Rn. 152, 154; [X.] aaO
§
198 [X.] Rn.
247, 250; anders [X.], [X.] 2014, 293, 295 f
für den Fall, dass bei [X.] bereits mehrere Monate seit der [X.] vergangen sind).

b) Nach der Rechtsprechung des [X.]s kann eine [X.] ausnahmsweise vorzeitig erhoben werden, wenn das betroffene Verfahren schon vor Fristablauf beendet wurde. Ein Abwarten der Frist würde insofern im Hinblick auf den Zweck des § 198 Abs. 5 Satz 1 [X.] keinen Sinn mehr ma-chen. In diesen Fällen ist die Fristenregelung des § 198
Abs. 5 Satz 1 [X.] te-leologisch dahin einzuschränken, dass dann, wenn das als verspätet gerügte Verfahren schon vor Ablauf der [X.] abgeschlossen wurde, be-reits vom Moment des [X.] an eine [X.] zulässig ist ([X.]surteil vom 21. Mai 2014 aaO Rn. 17). So liegt der Fall hier aber nicht.

Das Ausgangsverfahren ist noch nicht beendet, da das am 23. März 2012 verkündete [X.] des [X.]s mit der Berufung angefochten wurde. Vor dem Hintergrund des Zwecks des § 198 Abs. 5 Satz 1 [X.] -
das Ausgangsgericht soll genügend Zeit haben, das Verfahren zu fördern und in angemessener Zeit abzuschließen oder jedenfalls eine weitere Verzögerung zu vermeiden -
besteht keine Veranlassung, auf das Fristerfordernis bereits dann zu verzichten, wenn lediglich die Instanz, auf deren Dauer das Entschädigungs-verlangen gestützt wird und in der die [X.] erhoben wurde, vor Ablauf von sechs Monaten nach Rügeerhebung abgeschlossen wurde (so aber [X.] aaO § 198 [X.] Rn.
150 f). Das zunächst verzögerte Verfahren kann in einer höheren Instanz besonders zügig geführt werden, so dass
die Wahrung 18
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der [X.] auch nach Abschluss einer Instanz sinnvoll ist.
Sie gibt nämlich dem Rechtsmittelgericht Gelegenheit, eine in der Vorinstanz eingetre-tene Verzögerung zu kompensieren.
Demgemäß muss das Entschädigungsge-richt bei der abschließenden Würdigung nach § 198 Abs. 1 [X.] das gesamte Verfahren in den Blick nehmen und prüfen, ob
Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Prozesses
ausgeglichen
wurden
([X.]surteile vom 14.
November 2013 -
III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 -
III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 41; vom 23.
Januar 2014 -
III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 37; vom 13. Februar 2014 -
III ZR
311/13, NJW 2014, 1183
Rn.
28 und vom 10. April 2014 -
[X.], NJW 2014, 1967 Rn. 39).
Es ist zudem nicht erkennbar, dass
ein Zuwarten von wenigen Wochen oder Monaten bis zum Ablauf der Frist eine nennenswerte Einschränkung des Rechtsschutzes für den Entschädigungskläger darstellen würde
(vgl. [X.], Entschädi-gung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn. 166).

c) Der Kläger hat die sechsmonatige Wartefrist eingehalten. Die [X.] bestimmt sich nach § 201 Abs. 2
Satz 1
[X.] i.V.m § 222
ZPO und §
187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 [X.]
([X.] aaO § 198 [X.] Rn. 153; [X.] aaO § 198 [X.] Rn. 249). Für den Beginn der Frist war
der Eingang
der Verzögerungs-rüge
am 30. Dezember 2011 als Ereignis im Sinne des § 187 Abs. 1 [X.] maß-gebend. Die Frist endete gemäß § 188 Abs. 2
[X.] mit Ablauf des 30. Juni 2012. Der Umstand, dass die [X.] bereits am 26. April 2012 beim [X.] eingereicht wurde, ist unschädlich. Vielmehr ist
ent-scheidend, dass die Klage, nachdem der Kläger den [X.] gemäß §§ 12a, 12 Abs. 1 Satz 1 GKG
i.V.m. KV Nr. 1212
erst am 7. August 2012 eingezahlt hatte, an das beklagte Land am 9. August 2012 zugestellt [X.] ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Einhaltung der
Wartefrist ist nach dem klaren Wortlaut des
§ 198 Abs. 5 Satz 1 [X.] nicht die Einreichung, sondern 20
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die Erhebung der [X.]
([X.] aaO Rdnr. 154).
Letztere erfolgt nach § 201 Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m. § 253 Abs. 1 ZPO durch
Zustellung der Klageschrift an den [X.], sobald die Gebühr für das Verfahren im [X.] gemäß §§ 12a, 12 Abs. 1 Satz 1 GKG eingezahlt ist.

Eine Rückwirkung der Zustellung der Klageschrift nach § 167 ZPO kommt im vorliegenden Zusammenhang nicht in Betracht. Die Vorschrift soll den [X.] vor
den Nachteilen aus Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahren (vgl. nur
[X.]surteil vom 6. März 2008 -
III ZR 206/07,
NJW 2008, 1674 Rn. 12 mwN),
ihm aber nicht
-
umgekehrt -
einen Nachteil zufügen.
Aus diesem Grund besteht
vorlie-gend auch keine Veranlassung zu prüfen, ob der Kläger alles Erforderliche un-ternommen hat, um eine zügige Zustellung zu gewährleisten.

5.
Die Annahme des [X.], die am 30. Dezember 2011 ein-gegangene [X.] sei nicht "unverzüglich"
im Sinne von Art. 23 Satz 2 [X.] erhoben worden, wird von der Revision zu Recht beanstandet. Diese Frage hat der [X.]
-
nach Verkündung des angefochtenen Urteils -
mit Urteil vom 10. April 2014 ([X.], NJW 2014, 1967) grundlegend dahin entschieden, dass
eine [X.] noch "unverzüglich"
erhoben ist,
wenn sie spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermitt-lungsverfahren beim Ausgangsgericht einging.
Da die neue [X.] am 3. Dezember 2011 in [X.] getreten ist, lag die [X.] noch innerhalb der dem Kläger eingeräumten Zeitspanne.

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12

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Wird die Entschädigungsregelung -
wie hier -
nach Art. 23 Satz 1 Halb-satz 1 [X.] auf Altfälle angewandt, die am 3. Dezember 2011 bereits anhän-gig, aber noch nicht
abgeschlossen waren, wird das Recht der Verzögerungs-rüge durch Art. 23 Satz 2 und 3 [X.] an die Besonderheiten dieser [X.] angepasst (BT-Drucks. 17/3802 S.
31).
Bei Verfahren, die beim Inkrafttreten der Regelung schon verzögert sind, muss die Verzögerungs-rüge "unverzüglich"
erhoben werden.

Da das [X.] zu dem bestrittenen Vorbringen des [X.], das Ausgangsverfahren hätte bei angemessener Verfahrensförderung innerhalb eines Jahres vollständig abgeschlossen werden können, keine Feststellungen getroffen hat, ist bei der revisionsgerichtlichen Nachprüfung zugunsten des [X.] davon auszugehen, dass das Verfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der §§ 198 ff [X.]
bereits erheblich verzögert war.

"Unverzüglich"
bedeutet nach der Gesetzesbegründung "ohne schuldhaf-tes Zögern"
(BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Damit wird die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 [X.] in Bezug genommen, die nach allgemeiner Auffassung auch über die Fälle des § 121 [X.] hinaus gilt ([X.]/[X.], [X.], 73. Aufl., §
121 Rn. 3).

Soweit Art. 23 Satz 2 [X.] die unverzügliche Erhebung der Verzöge-rungsrüge nach Inkrafttreten der Entschädigungsregelung verlangt, ist kein so-fortiges Handeln geboten. Vielmehr muss dem Betroffenen eine angemessene Prüfungs-
und Überlegungsfrist eingeräumt werden, um entscheiden zu [X.], ob er seine Rechte durch eine [X.] wahren muss. Die von der Rechtsprechung zu § 121
[X.] herausgebildete Obergrenze von zwei [X.] beziehungsweise
die zweiwöchige gesetzliche Ausschlussfrist des §
626 23
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-

Abs. 2 Satz 1 [X.] stellen insoweit einen zu engen Maßstab dar ([X.]surteil vom 10. April 2014 aaO 25 mwN).
Bei der Bemessung der gemäß Art. 23 Satz
2 [X.] angemessenen Überlegungsfrist ist vor allem der Zweck des [X.] in den Blick zu nehmen, durch
Einräumung eines [X.] gegen den Staat bei überlanger Verfahrensdauer eine Rechtsschutzlü-cke zu schließen und eine Regelung zu schaffen, die sowohl den [X.] (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) als auch denen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 6 Abs. 1, Art. 13 [X.]) gerecht wird (BT-Drucks. 17/3802 S. 15). Es kommt hinzu, dass das
Gesetz
nur einen Tag vor seinem Inkrafttreten verkündet worden ist (Art. 24 [X.]). Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, den Begriff der "[X.]"
in Art. 23 Satz 2 [X.] weit zu verstehen. Der [X.] hat deshalb eine Drei-Monats-Frist für erforderlich gehalten, um den Erfordernissen eines effekti-ven Menschenrechtsschutzes zu entsprechen und den Betroffenen in allen Fäl-len ausreichend Zeit für die Prüfung zu geben, ob eine entschädigungspflichtige Verzögerung bereits eingetreten und eine Rügeerhebung deshalb geboten ist ([X.]surteil aaO; siehe auch [X.], 126 Rn. 31 ff; [X.], [X.] 2014, 293, 295).

III.

Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an
das [X.] zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Das [X.] wird nunmehr erstmals

27
-

14

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zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nach §
198 Abs. 1, 2 [X.] vorliegen.

Schlick

Herrmann

[X.]

Seiters

Reiter
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 22.05.2013 -
1 [X.] 2/12 -

Meta

III ZR 228/13

17.07.2014

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.07.2014, Az. III ZR 228/13 (REWIS RS 2014, 3962)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3962

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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