Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.03.2016, Az. V ZR 266/14

V. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 14199

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:180316BVZR266.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]
vom

18. März 2016

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
GO BY Art. 38 Abs. 1
Bei dem [X.] des [X.] wird angefragt, ob dieser daran festhält, dass eine [X.]
[X.] durch ihren ersten Bürger-meister nur dann wirksam vertreten wird, wenn die nach der gemeindeinter-nen Kompetenzverteilung für die Rechtshandlung erforderliche Beschluss-fassung des [X.]rats erfolgt ist.
[X.], Beschluss vom 18. März 2016 -
V [X.] -
OLG Nürnberg

[X.]

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterinnen Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und Dr.
Brückner, [X.]
Göbel und die Richterin Haberkamp

beschlossen:

1.
Bei dem [X.] des [X.] wird angefragt, ob dieser daran festhält, dass eine [X.] [X.] durch ihren ersten Bürgermeister nur dann wirksam vertreten wird, wenn die nach der gemeindeinternen Kompetenzverteilung für die Rechtshandlung erforderliche Beschlussfassung des [X.]rats erfolgt ist.

2.
Der Wert des Streitgegenstands wird für die Revisionsinstanz

Gründe:

I.

Die Klägerin ist eine Große Kreisstadt in [X.]. Im Zuge der Verlegung zweier [X.] erwarb die beklagte [X.] von einem [X.] ein Grundstück, an dem eine beschränkte persönli-che Dienstbarkeit in Gestalt eines [X.]s zugunsten der Klägerin bestand. Ausweislich der [X.] war die Klägerin verpflichtet, im 1
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Falle einer Wegmessung nicht betroffener Grundstücksteile die [X.] zu erklären.

Aus [X.] ging unter anderem ein Grundstück hervor, auf dem eine durch die Dienstbarkeit gesicherte Rohrleitungstrasse der Klägerin die [X.] unterquert (Flurstück
Nr. 2394/1). Am 30. April 1997 erklärte der damalige Oberbürgermeister der Klägerin als deren Vertreter gegenüber einem Notar unter anderem für dieses Grundstück die [X.]. Daraufhin wurde das [X.] im Grundbuch gelöscht. Als die Leitung im Jahr 2009 wegen Baumaßnahmen der Beklagten tiefer gelegt werden sollte, wurde die fehlende dingliche Sicherung der auf dem Flurstück Nr. 2394/1 verlaufenden Leitung bemerkt.

Die auf Wiedereintragung der Grunddienstbarkeit gerichtete Klage der [X.] hat das [X.] abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] ihr stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

II.

Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des [X.] ([X.]) i.d.F. vom 5.
Dezember 2012 ist eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der ob[X.] Gerichtshöfe des [X.] nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Ent-scheidung abgewichen werden soll, auf die zu begründende Anfrage des er-kennenden Senats erklärt hat, dass er an seiner Rechtsauffassung festhält. In-2
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folgedessen ist zunächst die aus dem Tenor ersichtliche Anfrage an den Zwei-ten Senat des [X.] zu richten.

1. Nach Ansicht des erkennenden Senats stützt das Berufungsgericht den
Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 [X.] zu Unrecht darauf, dass die durch den Oberbürgermeister erklärte [X.] die Klägerin in Ermangelung des hierfür erforderlichen [X.]ratsbeschlusses nicht nach Art. 38 Abs. 1 der [X.]ordnung für den Freistaat [X.] ([X.]) binde und das [X.] infolgedessen fortbestehe. Daher möchte der Senat die Entscheidung aufheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Ent-scheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

2. Daran sieht er sich aber gehindert, weil er von der Rechtsprechung des [X.] abwiche.

a) Nach dem Urteil des [X.] vom 8. Dezember 1959 (3
[X.] 348/56, juris Rn. 25) kann aus Art. 38 Abs.
1 [X.] nicht geschlossen werden, dass dem ersten Bürgermeister -
der in einer Großen Kreisstadt wie der Klägerin gemäß Art. 34 Abs. 1 Satz 2 [X.] die Amtsbezeichnung Ober-bürgermeister führt -

unabhängig von seiner Zuständigkeit im internen Bereich eine die [X.] bindende Vertretungsmacht nach außen eingeräumt wird. Daher binde eine durch den ersten Bürgermeister erklärte Kündigung eines lei-tenden Angestellten die [X.] nur dann, wenn der erste Bürgermeister auf Grund eines [X.]ratsbeschlusses, eines Beschlusses eines sonst zu-ständigen Ausschusses oder im Rahmen seiner eigenen Zuständigkeit gehan-delt habe. Dagegen hat der [X.]gerichtshof diese Rechtsfrage für das [X.] Kommunalrecht bislang offen gelassen (Urteil vom 20. Februar 1979
-
VI [X.], [X.], 115; Beschluss vom 25. April 2006 -
1 [X.], 5
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5
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wistra 2006, 306; Urteil vom 11. Juni 1992 -
VII ZR 110/91, NJW-RR 1992, 1435 f. zu Art. 35 Abs. 1 BayLKrO).

b) Eine entstehende Divergenz gäbe Anlass zu einer Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.]. Die Vorlagepflicht erstreckt sich nämlich auf Entscheidungen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des [X.] am 1. Juli 1968 ergangen ([X.], BVerwGE 39, 355, 360; Pie-tzner in [X.]/[X.]/Bier, VwGO, [X.]. zu § 11 Rn. 10 [Stand Oktober 2015]; MüKoZPO/[X.], 4. Aufl., [X.]. zu §§ 123 ff. [X.] Rn. 6; [X.], 569, 576) und nicht als überholt anzusehen sind (vgl. dazu
[X.], 359, 360).

c) Die vorgeschaltete
Anfrage ist gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] an den [X.] des [X.] zu richten. Denn die Entscheidung des [X.], von der abgewichen wer-den soll ([X.], Urteil vom 8. Dezember 1959 -
3 [X.] 348/56, juris), betraf im Schwerpunkt die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Chefarztes als lei-tendem Angestellten. Hierfür wäre nunmehr der [X.] zuständig (Ziff. B. 2.1 des GVP 2016). Zudem ist der [X.] der Rechtsauffassung des [X.] Senats
hinsichtlich der gleichlautenden Bestimmung des Art. 35 Abs. 1 der Landkreisordnung für den Freistaat [X.] beigetreten (Urteil vom
18.
Oktober 1990 -
2 [X.] 157/90, juris Rn. 24 -
obiter dictum).

3. Die Rechtsfrage ist entscheidungserheblich.

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a) Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass der Oberbürgermeister der Klägerin nach der gemeindeinternen [X.] nicht befugt war, die [X.] zu erklären.

aa) Die Befugnis ergibt sich nicht aus Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.].

(1) Nach dieser Bestimmung erledigt der erste Bürgermeister in eigener Zuständigkeit die laufenden Angelegenheiten, die für die [X.] keine grundsätzliche Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen erwar-ten lassen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung erfasst dies nur solche Geschäfte der laufenden Verwaltung, die in mehr oder weniger gleich-mäßiger Wiederkehr vorkommen und nach Größe, Umfang der [X.] und Finanzkraft der beteiligten [X.] von sachlich weniger erhebli-cher Bedeutung sind (vgl. [X.], Urteil vom 27. Oktober 2008 -
II ZR 158/06, [X.]Z 178, 192 Rn. 32; [X.], Urteil vom 4. Dezember 2003 -
III ZR 30/02, [X.]Z 157, 168, 174; [X.], Urteil vom 20. September 1984 -
III ZR 47/83, [X.]Z 92, 164, 173; [X.], Urteil vom 16. November 1978 -
III ZR 81/77, [X.], 117).

(2) Hiernach ist die [X.] keine laufende Angelegenheit. Bezo-gen auf das Flurstück 2394/1 bestand keine Verpflichtung zur Aufgabe des [X.]s, das die
gemeindliche Wasserversorgung absicherte und aus diesem Grund erhebliche finanzielle Bedeutung hatte. Infolgedessen fehlt -
mit an-deren Worten -
dem [X.] der Angelegenheit. Dass
der Oberbür-germeister irrtümlich davon ausging, die Leitung verlaufe nicht auf dem [X.] 2394/1, begründet seine Zuständigkeit nicht.

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bb) Auch eine Eigenentscheidungsbefugnis, die sich aus § 10 Abs. 2
Unterabs.
5 der Geschäftsordnung des Stadtrats der Klägerin ableitet, verneint Angelegenheiten die Entscheidung über den Erwerb, Veräußerung oder [X.] (insbesondere von Grundstücken) bis zu [X.] lediglich entgeltliche Verträge und deren Vollzug, nicht aber die Aufgabe eines dinglichen Rechts in vermeintlicher Erfüllung einer tatsächlich nicht be-stehenden Rechtspflicht.

b) Die [X.] ist nicht gemäß § 134 [X.] nichtig. Zwar stellt Art. 75 Abs. 1 Satz 2 [X.], wonach die [X.] Vermögensgegenstände in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußern darf, ein gesetzliches Verbot im [X.] von §
134 [X.] dar (vgl. Senat, Urteil vom 12. Juli 2013 -
V [X.], [X.], 3779 Rn. 15). Die [X.] ist aber -
wie ausgeführt -
keine Veräu-ßerung. Die Nichtigkeit ergibt sich auch nicht aus dem in Art. 75 Abs. 3 Satz 1 [X.] enthaltenen Verbot, wonach die Verschenkung und die unentgeltliche Überlassung von [X.] unzulässig sind. Eine Schenkung liegt schon deshalb nicht vor, weil es an der hierfür gemäß § 516 Abs. 1 [X.] erfor-derlichen Einigung über eine unentgeltliche Zuwendung fehlt. Aber auch die unentgeltliche Überlassung von [X.], zu der unter anderem einseitige Rechtsakte zählen sollen ([X.] 1983, 85, 89
f.), setzt voraus, dass sich die [X.] der Unentgeltlichkeit bewusst ist (vgl. [X.] 1995, 225, 226
f.). [X.] wie der vorliegende
werden nicht erfasst, son-dern können nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln die Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts sowie [X.] zur Folge haben.

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c) Mit der Frage, ob die von der Klägerin am 6. Mai 2010 erklärte Anfech-tung der [X.] einen Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß
§
894 [X.] begründet, hat sich das Berufungsgericht bislang nicht befasst und insbesondere keine Feststellungen zu der von dem [X.] verneinten Ein-haltung der Frist des § 121 Abs. 1 Satz 1 [X.] getroffen. Da die Anfechtung jedenfalls nicht durch Zeitablauf ausgeschlossen war (Art. 229 § 6 Abs. 5 i.V.m. Abs.
4 EG[X.], § 121 Abs. 2 a.F., §
121 Abs. 2 n.F. [X.]), wäre dies [X.].

III.

Nach Auffassung des erkennenden Senats wird dem ersten Bürgermeis-ter durch Art. 38 Abs. 1 [X.] eine umfassende Vertretungsmacht im [X.] eingeräumt.

1. Für das Kommunalrecht anderer [X.]länder entspricht es ständiger Rechtsprechung des [X.], dass die organschaftliche Vertre-tungsmacht
des Bürgermeisters (bzw. des Landrats) im Außenverhältnis allum-fassend und unbeschränkt ist. Die [X.] wird durch seine Erklärungen grundsätzlich auch dann verpflichtet, wenn es an einem erforderlichen Be-schluss der [X.]vertretung fehlt (Senat, Urteil vom 20. April 1966
-
V [X.], [X.] 1966, 669: [X.]; [X.], Urteil vom 16.
November 1978 -
III ZR 81/77, [X.], 117, 118: [X.]; [X.], Urteil vom 20. September 1984 -
III ZR 47/83, [X.]Z 92, 164, 169 f.: [X.]; [X.], Urteil vom 6. März 1986 -
VII ZR 235/94, [X.]Z 97, 224, 226: [X.]; [X.], Urteil vom 17. April 1997 -
III ZR 98/96, [X.], 118; [X.], Urteil vom 4. November 1997 -
VI [X.], [X.]Z 137, 89, 93 f.: [X.]). Dies orientiert sich an
der im Kommunalrecht anerkann-17
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ten strikten Unterscheidung zwischen interner Willensbildung und externer [X.] ([X.], Urteil vom 17. April 1997 -
III ZR 98/96, [X.], 118 mwN) und an der herrschenden Meinung für die Vertretung juristischer
Personen des Zivilrechts durch ihre Organe ([X.], Urteil vom 20. Februar 1979 -
VI [X.], [X.], 115). Von einer unbeschränkten Vertretungsmacht des Bürgermeisters geht auch das [X.]arbeitsgericht für die Länder [X.] ([X.]E 47, 179, 184 f.) und [X.] (NJW 2002, 1287, 1289) aus.

2. Ob diese Erwägungen auf das [X.] Kommunalrecht übertragbar sind, ist umstritten.

a) In ständiger Rechtsprechung verneinen die [X.]n Gerichte -
wie das Berufungsgericht -
eine unbeschränkte Vertretungsmacht des ersten [X.] (vgl. [X.] 1952, 271
ff.; 1971, 252, 256; 1974, 81, 84; 1974, 374, 376; 1986, 112; 1997, 37, 41; BayObLG, BayVBl. 1973, 131, 313; 1974, 706; 1998, 122; [X.] 25, 27, 43; [X.], BayVBl. 2012, 177 Rn. 30; 2012, 341; [X.], [X.] 2009, 222 f.; 2012, 248 ff.; Beschluss vom 18. Juni 2010 -
34 [X.], juris Rn. 7; Beschluss vom 28.
Januar 2013
-
34 [X.], juris Rn.
9; offen gelassen durch BayObLG, BayVBl. 1999, 473). Art.
38 Abs.
1 [X.] begründe lediglich dessen Vertretungsrecht, nicht aber seine Vertretungsmacht. Letztere ergebe sich aus Art. 37 [X.], sofern das Rechtsgeschäft unter den dort genannten Voraussetzungen in seinen eige-nen Zuständigkeitsbereich falle. Soweit dagegen der [X.]rat als willens-bildendes Organ der [X.] zu entscheiden habe (Art. 29 [X.]), werde die Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters erst durch einen [X.] [X.]rats-
oder Ausschussbeschluss begründet (vgl. nur [X.] 1974,
81,
84; BayObLG, BayVBl. 1974, 706). Insoweit sei der erste 20
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Bürgermeister bloßes Vollzugsorgan (Art. 36 Abs. 1 [X.]). Die Rechtspre-chung des [X.] zu anderen [X.]ländern sei wegen der Ei-genständigkeit des jeweiligen [X.]rechts nicht auf [X.] zu übertragen. Die jahrzehntelang dauernde tatsächliche Übung und in [X.] herrschende Meinung könne sich nicht nur auf das Gesetz, sondern auch auf die Gesetzes-materialien und das Herkommen stützen (vgl. nur [X.] 1986, 112, 114 f.; 1997, 37, 41). Entgegen dieser internen Zuständigkeitsverteilung [X.] zivilrechtliche Rechtsgeschäfte seien nach §§
177 ff. [X.] schwebend un-wirksam ([X.], BayVBl. 2012, 177 Rn.
30 mwN.).

Dieser Ansicht folgen Teile der Rechtsliteratur ([X.], [X.]ord-nung für den Freistaat [X.], Art. 38 [X.] [X.]. 2; [X.] in Berg/[X.]/Papier/[X.], Staats-
und Verwaltungsrecht in [X.], 6.
Aufl., S.
137, 145; [X.]/[X.]/[X.], [X.] [X.]ordnung, Art. 29 [X.] Rn. 25 [Stand Dezember 2014] und Art. 38 [X.] Rn. 3 [Stand November 2013]; [X.], [X.], 29. Aufl., §
19 Rn. 85; [X.] in [X.]/v. Oefele, [X.], 3. Aufl., [X.] Rn. 327 ff.; [X.] in [X.][X.]/[X.], Kommunalverfassungsrecht [X.], Art. 38 [X.] [X.]. 2.2 [Stand Juni 2013], anders allerdings Art. 36 [X.] [X.]. 3.5 [Stand Mai 2015]; [X.], [X.] 1953, 244 f. und 267; [X.], [X.] 1997, 313, 316).

b) In weiten Teilen der Rechtsliteratur wird die Vertretungsmacht des [X.] Bürgermeisters dagegen im Grundsatz als unbeschränkt
angesehen ([X.]/[X.]/[X.], [X.]ordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung für den Freistaat [X.], Art.
38 [X.] Erl.
2.1 [Stand Oktober 2013]; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], Kommu-nalrecht in [X.], Art. 38
GO [X.]. 1.1 [Stand März 2015]; [X.]/[X.]/[X.], 22
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-
[X.] [X.], Art. 38 [X.] Rn. 3 [Stand Juli 2015]; [X.], Kommunalrecht, 1982, Rn. 257 [X.]. 86; Gern, [X.] Kommunalrecht, 3. Aufl., Rn. 369 und 433; [X.], Kommunalrecht, 2013, Kap.
8 Rn. 166
ff.; [X.], [X.]s Kommunalrecht, 3. Aufl., § 4 Rn. 36; [X.] in: [X.]/Heckmann/[X.]/Mansen, Öffentliches Recht in [X.], 6.
Aufl., Rn. 166; Burgi, Kommunalrecht, 3. Aufl., S.
173 f.; [X.]/[X.], [X.] in: Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl., Rn. 147 [X.]. 448; [X.], Die Vertretung der [X.] nach außen, 1964, [X.]1
f.; [X.] im Privatrechtsverkehr mit [X.]n, 1983, S. 63
f.; [X.], [X.] bei öffentlichen Auftraggebern, 1990, S.
63
ff.; [X.], [X.], 144, 147 [X.]. 23; [X.], [X.] 1997, 15, 16; [X.], NJW 1998, 1676, 1679
ff.).

3. Nach Ansicht des Senats sprechen die besseren Argumente für die zweite Auffassung. Richtig ist zwar, dass durch Auslegung der die Vertretung regelnden Normen zu ermitteln ist, ob Beschränkungen Außenwirkung haben. Die Regelungen der [X.]n [X.]ordnung weisen aber keine Beson-derheiten auf, die eine von der Rechtslage in den anderen [X.]ländern ab-weichende Reichweite der Vertretungsmacht des Bürgermeisters rechtfertigen könnten.

e-die [X.] nach außen vertritt. Nur dieser (und nicht der [X.]rat) kann für die [X.] nach außen handeln. Aus dem Wortlaut der Norm ergeben sich keine Einschränkungen der Vertretungsbefugnis. Danach begründet sie im Zweifel nicht nur ein formelles Vertretungsrecht, sondern eine unbeschränkte organschaftliche Vertretungsmacht (vgl. [X.], Urteil vom 7. November 1977
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12
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-
II ZR 236/75, [X.] 1978, 388 f.) oder -
mit anderen Worten -
die materielle Befugnis zur Betätigung des betreffenden Geschäfts im Außenverhältnis.

b) Die systematische Auslegung ergibt nichts Gegenteiliges. Die Vor-schriften der [X.]n [X.]ordnung, die die Zuständigkeit von [X.] und erstem Bürgermeister abgrenzen (Art. 29, 30 Abs. 2, Art. 36, 37 [X.]), regeln lediglich die gemeindeinterne Kompetenzverteilung. [X.] trifft Art. 36 Satz 1 [X.], wonach der erste Bürgermeister die Beschlüs-se des [X.]rats vollzieht, keine Aussage über die in Art. 38 Abs. 1 [X.] eigenständig geregelte Vertretung der [X.] nach außen. Der Bestimmung lässt sich auch nicht entnehmen,

g-Hauptorgan bezeichnet. Als grundsätzlich gleichgewichtiges Hauptorgan neben dem [X.]rat hat er einen eigenen, in Art. 37 [X.] positiv definierten Aufgabenbereich ([X.]/[X.]/[X.], [X.]ordnung mit Verwaltungsge-meinschaftsordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung für den Freistaat [X.], Art. 38 [X.] Erl. 2.1 [Stand Mai 2006]; [X.]/[X.]/[X.], Bayeri-sche [X.], Art. 29 [X.] Rn. 1 [Stand Juli 2015]; [X.], [X.]recht, 1963, S. 320
f.; ähnlich [X.]/[X.]/[X.], [X.] [X.]ordnung, Art. 29 [X.]
Rn. 21 [Stand Dezember 2014]).

c) Der Entstehungsgeschichte der [X.]n [X.]ordnung lässt sich ein auf eine Beschränkung der Vertretungsmacht gerichteter Wille des Ge-setzgebers nicht entnehmen.

aa) Eine ausdrückliche Stellungnahme hierzu findet sich in den Geset-zesmaterialien nicht. Soweit in dem Regierungsentwurf zu Art. 39 Abs.
1 (ent-spricht Art. 38 Abs. 1 [X.]) ausgeführt wird, die Vertretung der [X.] im 26
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Rechtsverkehr sei herkömmlich Sache des ersten Bürgermeisters, der aller-dings den betreffenden [X.]rats-
oder Ausschussbeschluss dem [X.] der [X.] oder dem beurkundenden Notar auf Verlangen nachzuweisen habe (Regierungsentwurf, [X.]drucksachen 1951/152 Bei-lage 1140, [X.]), ist dies unergiebig (aA [X.] 1952, 271, 274). Denn der Entwurf erfuhr im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch umfang-reiche Änderungen, durch die die Stellung des ersten Bürgermeisters gegen-über dem [X.]rat deutlich gestärkt wurde. So wird der erste Bürgermeis-ter in allen [X.]n vom Volk gewählt (Art. 17 [X.]), während der [X.] eine direkte Wahl nur in [X.]n bis zu 20.000 Einwohnern und für größere [X.]n die Wahl durch den [X.]rat vorgesehen hatte (Art. 17 Abs. 1, Art. 35 Abs. 1 Satz
2). Art.
29 [X.], wonach der [X.]rat die [X.] verwaltet, soweit nicht der erste Bürgermeister selbständig ent-60.
Sitzung des [X.] vom 19. Dezember 1951, S. 1083, 1085). In Art. 30
er alle Angelegenheiten bestimmt, für die nicht beraten-de Ausschüsse bestellt sind (Sitzungsprotokoll der 60. Sitzung des [X.] vom 19. Dezember 1951, [X.]). Dieser Einschub nimmt die in Art.
37
[X.] festgelegten selbständigen Befugnisse des ersten
Bürgermeisters aus-drücklich vom Aufgabenbereich des [X.]rates aus ([X.], aaO, Art. 30 [X.] [X.]. 3; [X.]/Rollwagen, [X.]ordnung für den Freistaat [X.], Art. 30 [X.]. 2). Schließlich wurde dem [X.]rat auf Einwendung des [X.] die ursprünglich in Art.
38 Abs. 2 Sätzen 2 und 3 des Entwurfs vorgesehene Möglichkeit genommen, den von dem ersten Bürgermeister getä-tigten dringlichen Anordnungen und unaufschiebbaren Geschäften vorbehaltlich entstandener Rechte Dritter die Genehmigung zu
versagen (vgl. Protokoll der Plenarsitzung des [X.]n Senats vom 11. Januar 1952, Anlage 5, [X.] -
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und Sitzungsprotokoll der 66. Sitzung des [X.] vom 18. Januar 1952, S.
1305 f., 1310).

bb) Demgegenüber spricht der Vergleich mit den in dem [X.] nicht erwähnten Vorgängerregelungen in den [X.]ordnungen vom 17. Oktober 1927 (GVBl. S. 293) und vom 18. Dezember 1945 (GVBl. 1946 S.
225) eher für eine nunmehr unbeschränkte Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters im Außenverhältnis ([X.], Vertrauensschutz im Privatrechtsver-kehr mit [X.]n, 1983, S. 64; aA [X.] 1952, 271, 274). In diesen Vorgängerregelungen kam die außerhalb der [X.] Abhängigkeit der Vertretungsmacht von der internen Willensbildung im Gesetzeswortlaut nämlich noch deutlich zum Ausdruck. Nach Art. 17 Abs. 1 Satz
3 [X.] 1927 vollzog der erste Bürgermeister die Beschlüsse des [X.]s und vertrat

1945: die [X.]) nach außen. Deshalb wurde ein solcher Beschluss als Voraussetzung der Vertretungsmacht angesehen (vgl. [X.]/[X.], Die neue [X.] [X.]gesetzgebung, 1929, Art. 17 [X.] [X.]. 5; [X.], Kommentar zur [X.]n [X.]ordnung vom 17. Oktober 1927,
1931, Art. 17 [X.] [X.]. 11). Diese Einschränkung findet sich in der nunmehr geltenden Fassung des Art. 38 Abs. 1 [X.] gerade nicht mehr.

d) Signifikante Unterschiede zu dem Kommunalrecht der anderen Bun-desländer, die nur in [X.] die Annahme einer
beschränkten Vertretungs-macht des ersten Bürgermeisters im Außenverhältnis erlauben könnten, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil entspricht die dualistische Struktur der [X.] Kommunalverfassung derjenigen der [X.]. Dieses Konzept der süddeutschen Kommunalverfassung ist in Abwandlungen inzwischen in den meisten [X.]ländern übernommen worden 29
30
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15
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(näher [X.]/Bachhof/[X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., § 97 Rn. 7; [X.], [X.]s Kommunalrecht, 12. Aufl., Rn. 292). Auch der [X.] [X.]rat ist gemäß §
24 Abs. 1 Satz 2 GO [X.] Hauptor-gan der [X.]. Gleichwohl ist die Vertretungsmacht des Bürgermeisters gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 GO [X.] unbeschränkt (vgl. Senat, Urteil vom 20.
April 1966 -
V [X.], [X.] 1966, 669 sowie [X.]E 47, 179
ff. zu §
37 Abs. 1 Satz
2 LKrO [X.]). Selbst für das frühere [X.] [X.], das eine Allzuständigkeit des [X.]rats (§
28 [X.] a.F.) und eine entsprechend schwächere Stellung des [X.]direktors vorsah, war die umfassende Außenvertretungsmacht des [X.]direktors anerkannt (eingehend [X.], DVBl. 1960, 816, 817 f. mit [X.]. [X.]; [X.], Urteil vom 20. September 1984 -
III ZR 47/83, [X.]Z 92, 164, 169 zu §§
28, 55 [X.] i.d.F. von 1969).

e) Entscheidend für die Auslegung des Art. 38 Abs. 1 [X.] als [X.] einer umfassenden Vertretungsmacht im Außenverhältnis spricht -
wie in den anderen [X.]ländern auch -
das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und angemessenem Verkehrsschutz (vgl. [X.], Urteil vom 17. April 1997
-
III ZR 98/96, [X.], 118; U. Stelkens, [X.], 2005, S.
207: sinnvolles Ordnungsprinzip).

aa) Der Erklärungsempfänger -
in der Regel der Bürger -
muss sich auf die Vertretungsbefugnis des für die [X.] nach außen handelnden Organs verlassen können. Demgegenüber bleibt es der [X.] unbenommen, ge-gen ihr pflichtwidrig handelndes Organ beamtenrechtliche Sanktionen zu ver-hängen bzw. Schadensersatzforderungen geltend zu machen. Es erscheint [X.], das Risiko fehlerhaften Organhandelns dem Erklärungsempfän-ger aufzubürden, der die Vorgänge bei der internen Willensbildung als außen-31
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16
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stehender Dritter in aller Regel nicht erkennen kann. Insbesondere wird ein aus-reichender Schutz
nicht dadurch gewährleistet, dass er von der für die Gemein-de handelnden Person den Nachweis ihrer Befugnis zur Vornahme des betref-fenden Geschäfts verlangen kann (vgl. [X.], Urteil vom 7. November 1977
-
II ZR 236/75, [X.] 1978, 388; aA [X.] 1952, 271, 274; 1974, 374, 376; 1986, 112, 115 mwN.). Dabei verbleiben nämlich erhebliche Ungewissheiten. Wird dem Erklärungsempfänger die Ausfertigung eines [X.]ratsbeschlus-ses vorgelegt (vgl. Art. 54 [X.]), müsste er überprüfen, ob dieser wirksam ist und das
konkrete Rechtsgeschäft umfasst. Hat der [X.]rat keinen Be-schluss gefasst, kann eine schwierige Abgrenzung der gemeindeinternen Zu-ständigkeiten erforderlich sein, insbesondere im Hinblick auf die oft zweifelhafte Einordnung einer Rechtshandlung als Geschäft der laufenden Verwaltung (vgl. hierzu etwa [X.] 1974, 374, 377). Dies ist umso problematischer, als sich die [X.] im Falle einer Fehleinschätzung unter Umständen noch Jahrzehnte später auf eine fehlende Vertretungsbefugnis des für sie handeln-den Bürgermeisters berufen kann (vgl. z.B. BayObLG, [X.] 1997, 120
ff.).

bb) Vor denselben praktischen Schwierigkeiten und der damit verbunde-nen Rechtsunsicherheit stehen nach der bislang in [X.] herrschenden [X.] die dortigen Grundbuchämter. Sie dürfen Eintragungen in das Grundbuch nur dann vornehmen, wenn die Vertretungsbefugnis des ersten Bürgermeisters in der Form des § 29 [X.] nachgewiesen ist. Dementsprechend betrifft ein gro-ßer Teil der oben unter III.
2
a) zitierten Entscheidungen der [X.]n Ge-richte die Frage, ob dieser Nachweis als erbracht anzusehen ist oder nicht (vgl. nur aus jüngerer Zeit [X.], [X.] 2009, 222 f.; 2012, 248
ff.; Beschluss vom 18.
Juni 2010 -
34
Wx
65/10, juris; Beschluss vom
28.
Januar 2013 -
34
Wx
390/12, juris). Den Grundbuchämtern wird in diesem 33
-
17
-
Zusammenhang ggf. die Auslegung von [X.]ratsbeschlüssen abverlangt (vgl. z.B. [X.], [X.] 2012, 248 ff.); sie haben strenge Anforde-rungen an die Beweisführung zu stellen und die Eintragung im Zweifel abzu-lehnen (BayOblGZ 1974, 374, 376 ff.). Nach der von dem Senat befürworteten Auslegung des Art. 38 Abs. 1 [X.] ist dieser Nachweis entbehrlich; es ist nicht Aufgabe der Grundbuchämter, die Einhaltung der gemeindlichen Zustän-digkeitsordnung zu überwachen.

f) Schließlich kann den Überlegungen des [X.]n Obersten Lan-desgerichts, wonach die von den [X.]n Gerichten seit 1952 vorgenom-mene Auslegung des Art. 38 Abs. 1 [X.] zu der Entstehung von Gewohn-heitsrecht geführt haben könnte ([X.] 1986, 112, 115), nicht beigetreten werden. Gewohnheitsrecht entsteht durch längere tatsächliche Übung, die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine ist und von den Beteilig-ten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird (vgl. nur Senat, Urteil vom 21.
November 2008 -
V [X.], NJW-RR 2009, 311 Rn. 12; [X.] 122, 248, 269). Diese Voraussetzungen liegen schon deshalb nicht vor, weil der [X.]gerichtshof die Frage bereits 1966 für die sehr ähnlich gelagerte [X.] [X.]ordnung anders entschieden und dies im Jahr 1979 für [X.] ausdrücklich offen gelassen hat; zudem wurden in der Rechts-

34
-
18
-

literatur schon frühzeitig Bedenken im Hinblick auf den Verkehrsschutz erhoben (vgl. z.B. [X.] in [X.], Handbuch der
kommunalen Wissenschaft und Praxis, 1. Aufl. [1956] Bd. I, [X.], 266 f.).

Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner

Göbel

Haberkamp

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 16.08.2013 -
2 O 1474/11 Öff -

OLG Nürnberg, Entscheidung vom 28.10.2014 -
4 U 1900/13 -

35

Meta

V ZR 266/14

18.03.2016

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.03.2016, Az. V ZR 266/14 (REWIS RS 2016, 14199)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14199

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZR 266/14

V ZR 154/14

V ZR 203/14

IX ZR 255/14

V ZR 122/12

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