Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2017, Az. VII ZR 49/16

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 10077

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2017:010617UVIIZR49.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VII ZR 49/16
Verkündet am:

1. Juni 2017

Klein,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
GO BY Art. 38 Abs. 1
Die organschaftliche Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters einer bayeri-schen Gemeinde ist im Außenverhältnis allumfassend und unbeschränkt; infol-gedessen wird die Gemeinde auch durch solche Rechtshandlungen des ersten Bürgermeisters berechtigt und verpflichtet, die dieser ohne die erforderliche Be-schlussfassung des Gemeinderats vorgenommen hat (Bestätigung von [X.], Urteil vom 18. November 2016 -
V [X.], WM
2017, 256, zur Veröffentli-chung in [X.]Z bestimmt).
[X.], Urteil vom 1. Juni 2017 -
VII ZR 49/16 -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 1.
Juni
2017
durch den
Vorsitzenden Richter
Dr.
[X.], die Richter
[X.], Dr.
Kartzke und Prof.
Dr.
Jurgeleit und die Richterin
Sacher
für Recht erkannt:
Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 10. Zivilsenats des [X.] vom 9.
Februar
2016
aufgeho-ben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil der 28.
Zivilkam-mer des [X.] vom 27.
Juli 2015 wird [X.].
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Klägerin.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die klagende [X.] Marktgemeinde fordert von der beklagten GmbH die Rückzahlung eines Architektenhonorars
wegen
ungerechtfertigter Bereicherung. Die Beklagte verlangt mit ihrer Widerklage weiteres Architekten-honorar. Sie beantragt mit einer Zwischenfeststellungswiderklage, um die es im Revisionsverfahren nur geht,
die Feststellung, dass der Architektenvertrag vom 28. März 2012 zwischen den Parteien wirksam zustande gekommen ist.
1
-
3
-
Die
Klägerin
führte ein VOF-Verfahren für ein Bauvorhaben in der [X.] durch. Hierfür bewarb sich das Architekturbüro "[X.]", deren Gesellschafter
G. und K. auch
die Gesellschaftergeschäftsführer der [X.]
("gk
G. + K. Generalplaner GmbH")
sind. Der Gemeinderat der Klägerin beschloss am 13.
Dezember 2011, den Auftrag "dem [X.]" zu erteilen.
Der mittlerweile verstorbene erste Bürgermeister der Klägerin unter-zeichnete nach vorangegangenen Gesprächen und Telefonaten, deren Inhalt zwischen den Parteien streitig ist, am 28.
März
2012
einen von der [X.] übersandten Entwurf des [X.], in dem
die beklagte GmbH
als Auftragnehmerin ausgewiesen ist. Die Beklagte unterzeichnete
den Vertrag
an-schließend
ebenfalls und sandte ihn der
Klägerin
zurück. Später gerieten die
Parteien in Streit
darüber, welche Architektenleistungen erbracht worden sind und ob die Klägerin zu beachtende Kostenvorstellungen
mitgeteilt hatte. Am 30.
Juli 2013 beschloss der Gemeinderat, den Architektenvertrag nicht zu ge-nehmigen.
Das [X.] hat auf die Zwischenfeststellungswiderklage der [X.] durch Teilurteil festgestellt, dass der Architektenvertrag zwischen den Par-teien vom 28.
März 2012 wirksam zustande gekommen ist. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Zwischenfeststellungswiderklage ab-gewiesen. Mit der
vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Teilurteils.

2
3
4
-
4
-
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.

I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in [X.], 1315 veröffentlicht
ist, ist der Auffassung, dass zwischen den Parteien kein wirksamer Architekten-vertrag zustande gekommen sei.
Zwar habe der erste Bürgermeister der Klägerin den Vertrag
unterzeich-net, in dem die Beklagte als Vertragspartnerin genannt sei.
Er
sei kommunal-verfassungsrechtlich
jedoch
nicht berechtigt gewesen, den Architektenvertrag mit der [X.] abzuschließen. Der Abschluss
eines solchen Architektenver-trags sei kein einfaches Geschäft der laufenden Verwaltung im Sinne von Art.
37 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 der Gemeindeordnung für den [X.] ([X.])
und falle auch nicht unter
die weiteren Ausnahmetatbestände in Art.
37 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 und 3 [X.]. Die dem ersten Bürgermeister in Art.
38 Abs.
1 [X.] eingeräumte Vertretungsmacht sei
deshalb
davon ab-hängig, dass ein entsprechender Gemeinderats-
oder Ausschussbeschluss vor-lag. Der Beschluss des Gemeinderats der Klägerin vom 13.
Dezember
2011 habe sich aber auf die aus den Geschäftsführern der [X.] bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts und nicht auf die beklagte GmbH bezogen. Der Vertrag sei daher zunächst schwebend unwirksam gewesen; der [X.] habe seine Genehmigung ausdrücklich verweigert.
Es sei der Klägerin nicht nach §
242 BGB versagt, sich auf die Unwirk-samkeit des Vertrags
mit der [X.] zu berufen. Der [X.] habe unter 5
6
7
8
-
5
-
anderem bekannt sein müssen, dass die Klägerin schon aus vergaberechtli-chen Gründen mit ihr keinen Architektenvertrag habe abschließen dürfen.

II.
Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich eine Unwirksamkeit des [X.] nicht annehmen. Die
Klägerin war beim Abschluss des Vertrags wirksam durch ihren
ersten Bürgermeister vertreten, §
164 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat nach Erlass des
angefoch-tenen Urteils
entschieden, dass die organschaftliche Vertretungsmacht des [X.] Bürgermeisters einer [X.]n Gemeinde nach Art.
38 Abs.
1 [X.] im Außenverhältnis allumfassend und unbeschränkt ist. Infolgedessen wird
die Gemeinde auch durch solche Rechtshandlungen des ersten Bürgermeisters berechtigt und verpflichtet, die dieser ohne die erforderliche Beschlussfassung des Gemeinderats vorgenommen hat (Urteil vom 18.
November
2016 -
V
[X.], [X.], 256
Rn.
12, zur Veröffentlichung in [X.]Z vorgesehen). Die Auslegung der einschlägigen Normen der Gemeindeordnung für den [X.] ergebe diese umfassende Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters. Weder der Wortlaut noch die systematische Auslegung der Vorschriften noch ihre Entstehungsgeschichte wiesen auf Einschränkungen der [X.] hin. Dasselbe gelte für den Vergleich mit dem Kommunalrecht anderer Bundesländer. Für diese Auslegung des Art. 38 Abs. 1 [X.] als Einräumung einer umfassenden Vertretungsmacht im Außenverhältnis spreche schließlich entscheidend -
wie in den anderen Bundesländern auch
-
das Bedürfnis nach 9
10
11
-
6
-
Rechtssicherheit und angemessenem Verkehrsschutz (vgl. im Einzelnen [X.], Urteil vom 18.
November
2016 -
V
[X.], aaO Rn.
13-23).
Dem schließt sich der erkennende Senat an.
2. Es fehlt auch nicht aus anderen Gründen an einem wirksamen
Zu-standekommen des
[X.]
vom 28.
März 2012 zwischen den [X.]
a) Das Berufungsgericht hat die Feststellungen des [X.]s bestä-tigt, dass der Architektenvertrag zwischen den Parteien geschlossen worden ist. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die von der Klägerin [X.] in der Revisionserwiderung vertretene Ansicht, aus Sicht der [X.] habe sich das Angebot auf Abschluss des Vertrags an die [X.] gerichtet, geht fehl.
Die Auslegung von Willenserklärungen ist grundsätzlich
Angelegenheit des Tatrichters. Sie
ist revisionsrechtlich nur dahingehend überprüfbar, ob [X.] gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht, insbesondere nicht alle vorgetragenen wesentli-chen Umstände berücksichtigt sind
(st.
Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 22.
Oktober
2015 -
VII ZR 58/14, NZBau
2016, 213
Rn. 15 m.w.N.).
Derartige Fehler der Auslegung liegen nicht vor.
Insoweit erhebt die
Revisionserwiderung keine Gegenrüge und weist keinen in der Instanz übergangenen [X.] nach.
Entgegen der Revisionserwiderung folgt aus den Grundsätzen des Urteils des Senats vom 14.
Mai
2014 (VII
ZR
334/12, [X.]
2014, 1303
Rn.
17
=
NZBau
2014, 494) nichts anderes. Hiernach muss der Empfänger eines [X.], wenn er von dem Vertragswillen des Anbietenden abweichen will, das in der Annahmeerklärung klar und unzweideutig zum Ausdruck brin-12
13
14
15
-
7
-
gen. Erklärt der Vertragspartner seinen vom Angebot abweichenden [X.] nicht hinreichend deutlich, kommt der Vertrag zu den Bedingungen des Angebots zustande. Hier steht dagegen die Auslegung des Angebots des [X.] der Klägerin in Rede. Bei der Nutzung eines [X.] für ein eigenes Angebot kann nicht ohne weiteres in vergleichbarer
Weise auf die Übereinstimmung mit vorherigen Verhandlungen vertraut werden wie bei der Annahme eines Vertragsangebots auf das Fehlen von nicht hinrei-chend deutlich gemachten Änderungen (§ 150 Abs. 2 BGB).
b) Etwaige Verstöße gegen das Vergaberecht haben auf die Wirksamkeit des [X.] keinen Einfluss.
Dass der Bürgermeister sich in [X.] Zusammenwirken mit der [X.] bewusst über die Beschlüsse des Gemeinderats und das Vergaberecht hinweggesetzt hätte, hat die Klägerin selbst nicht behauptet.
c) Es kann dahinstehen, ob der Feststellungsantrag der [X.] unbe-gründet wäre, wenn die Klägerin im Wege des Schadensersatzes verlangen könnte, von einem Vertrag mit der [X.] befreit zu werden. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung rechtfertigen
die Feststellungen des [X.] keinen derartigen Anspruch wegen eines Verschuldens der [X.] bei Vertragsschluss. Die Klägerin zeigt auch keinen Sachvortrag auf, den das Berufungsgericht hierzu etwa übergangen hätte.

16
17
-
8
-
III.
Der Senat hat in der Sache selbst entschieden, da sie
im Hinblick auf die Zwischenfeststellungswiderklage zur Endentscheidung reif ist (§
563 Abs.
3 ZPO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.
1, §
97 Abs.
1 ZPO.

[X.]
[X.]
Kartzke

Jurgeleit

Sacher

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.07.2015 -
28 O 195/14 -

O[X.], Entscheidung vom 09.02.2016 -
10 [X.] -

18

Meta

VII ZR 49/16

01.06.2017

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2017, Az. VII ZR 49/16 (REWIS RS 2017, 10077)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10077

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VII ZR 49/16 (Bundesgerichtshof)

Reichweite der Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters einer bayrischen Gemeinde im Außenverhältnis


V ZR 266/14 (Bundesgerichtshof)

Reichweite der Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters einer bayerischen Gemeinde im Außenverhältnis


34 Wx 325/17 (OLG München)

Vertretungsmacht eines ersten Bürgermeisters


V ZR 266/14 (Bundesgerichtshof)

Anfrage bei dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts: Wirksamkeit der Vertretung einer bayerischen Gemeinde durch ihren …


V ZR 266/14 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

VII ZR 49/16

V ZR 266/14

VII ZR 58/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.