Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.03.2016, Az. V ZR 266/14

5. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 14209

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Gegenstand

Anfrage bei dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts: Wirksamkeit der Vertretung einer bayerischen Gemeinde durch ihren ersten Bürgermeister nur bei erfolgter Beschlussfassung des Gemeinderats


Leitsatz

Bei dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts wird angefragt, ob dieser daran festhält, dass eine bayerische Gemeinde durch ihren ersten Bürgermeister nur dann wirksam vertreten wird, wenn die nach der gemeindeinternen Kompetenzverteilung für die Rechtshandlung erforderliche Beschlussfassung des Gemeinderats erfolgt ist.

Tenor

1. Bei dem [X.] des [X.] wird angefragt, ob dieser daran festhält, dass eine [X.] Gemeinde durch ihren ersten Bürgermeister nur dann wirksam vertreten wird, wenn die nach der gemeindeinternen Kompetenzverteilung für die Rechtshandlung erforderliche Beschlussfassung des Gemeinderats erfolgt ist.

2. Der Wert des Streitgegenstands wird für die Revisionsinstanz auf 25.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin ist eine Große Kreisstadt in [X.]. Im Zuge der Verlegung zweier [X.] erwarb die beklagte [X.] von einem [X.] ein Grundstück, an dem eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit in Gestalt eines [X.]s zugunsten der Klägerin bestand. Ausweislich der [X.] war die Klägerin verpflichtet, im Falle einer Wegmessung nicht betroffener Grundstücksteile die [X.] zu erklären.

2

Aus Neuvermessungen ging unter anderem ein Grundstück hervor, auf dem eine durch die Dienstbarkeit gesicherte Rohrleitungstrasse der Klägerin die [X.] unterquert (Flurstück Nr. 2394/1). Am 30. April 1997 erklärte der damalige Oberbürgermeister der Klägerin als deren Vertreter gegenüber einem Notar unter anderem für dieses Grundstück die [X.]. Daraufhin wurde das [X.] im Grundbuch gelöscht. Als die Leitung im Jahr 2009 wegen Baumaßnahmen der Beklagten tiefer gelegt werden sollte, wurde die fehlende dingliche Sicherung der auf dem Flurstück Nr. 2394/1 verlaufenden Leitung bemerkt.

3

Die auf Wiedereintragung der Grunddienstbarkeit gerichtete Klage der [X.] hat das [X.] abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] ihr stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

II.

4

Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des [X.] ([X.]) i.d.F. vom 5. Dezember 2012 ist eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.] nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf die zu begründende Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, dass er an seiner Rechtsauffassung festhält. Infolgedessen ist zunächst die aus dem Tenor ersichtliche Anfrage an den [X.] des [X.]arbeitsgerichts zu richten.

5

1. Nach Ansicht des erkennenden Senats stützt das Berufungsgericht den Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 [X.] zu Unrecht darauf, dass die durch den Oberbürgermeister erklärte [X.] die Klägerin in Ermangelung des hierfür erforderlichen [X.]ratsbeschlusses nicht nach Art. 38 Abs. 1 der [X.]ordnung für den Freistaat [X.] ([X.]) binde und das [X.] infolgedessen fortbestehe. Daher möchte der Senat die Entscheidung aufheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

6

2. Daran sieht er sich aber gehindert, weil er von der Rechtsprechung des [X.]arbeitsgerichts abwiche.

7

a) Nach dem Urteil des [X.]arbeitsgerichts vom 8. Dezember 1959 (3 [X.], juris Rn. 25) kann aus Art. 38 Abs. 1 [X.] nicht geschlossen werden, dass dem ersten Bürgermeister - der in einer Großen Kreisstadt wie der Klägerin gemäß Art. 34 Abs. 1 Satz 2 [X.] die Amtsbezeichnung Oberbürgermeister führt - unabhängig von seiner Zuständigkeit im internen Bereich eine die [X.] bindende Vertretungsmacht nach außen eingeräumt wird. Daher binde eine durch den ersten Bürgermeister erklärte Kündigung eines leitenden Angestellten die [X.] nur dann, wenn der erste Bürgermeister auf Grund eines [X.]ratsbeschlusses, eines Beschlusses eines sonst zuständigen Ausschusses oder im Rahmen seiner eigenen Zuständigkeit gehandelt habe. Dagegen hat der [X.]gerichtshof diese Rechtsfrage für das [X.] Kommunalrecht bislang offen gelassen (Urteil vom 20. Februar 1979 - [X.], [X.], 115; Beschluss vom 25. April 2006 - 1 [X.], [X.], 306; Urteil vom 11. Juni 1992 - [X.], NJW-RR 1992, 1435 f. zu Art. 35 Abs. 1 BayLKrO).

8

b) Eine entstehende Divergenz gäbe Anlass zu einer Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.]. Die Vorlagepflicht erstreckt sich nämlich auf Entscheidungen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des [X.] am 1. Juli 1968 ergangen ([X.], BVerwGE 39, 355, 360; Pietzner in [X.]/[X.]/Bier, VwGO, [X.]. zu § 11 Rn. 10 [Stand Oktober 2015]; MüKoZPO/[X.], 4. Aufl., [X.]. zu §§ 123 ff. [X.] Rn. 6; [X.], 569, 576) und nicht als überholt anzusehen sind (vgl. dazu [X.], 359, 360).

9

c) Die vorgeschaltete Anfrage ist gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] an den [X.] des [X.]arbeitsgerichts zu richten. Denn die Entscheidung des [X.], von der abgewichen werden soll ([X.], Urteil vom 8. Dezember 1959 - 3 [X.], juris), betraf im Schwerpunkt die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Chefarztes als leitendem Angestellten. Hierfür wäre nunmehr der [X.] zuständig (Ziff. B. 2.1 des GVP 2016). Zudem ist der [X.] der Rechtsauffassung des [X.] hinsichtlich der gleichlautenden Bestimmung des Art. 35 Abs. 1 der Landkreisordnung für den Freistaat [X.] beigetreten (Urteil vom 18. Oktober 1990 - 2 [X.], juris Rn. 24 - obiter dictum).

3. Die Rechtsfrage ist entscheidungserheblich.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass der Oberbürgermeister der Klägerin nach der gemeindeinternen Zuständigkeitsverteilung nicht befugt war, die [X.] zu erklären.

aa) Die Befugnis ergibt sich nicht aus Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.].

(1) Nach dieser Bestimmung erledigt der erste Bürgermeister in eigener Zuständigkeit die laufenden Angelegenheiten, die für die [X.] keine grundsätzliche Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lassen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung erfasst dies nur solche Geschäfte der laufenden Verwaltung, die in mehr oder weniger gleichmäßiger Wiederkehr vorkommen und nach Größe, Umfang der Verwaltungstätigkeit und Finanzkraft der beteiligten [X.] von sachlich weniger erheblicher Bedeutung sind (vgl. [X.], Urteil vom 27. Oktober 2008 - [X.], [X.]Z 178, 192 Rn. 32; [X.], Urteil vom 4. Dezember 2003 - [X.], [X.]Z 157, 168, 174; [X.], Urteil vom 20. September 1984 - [X.], [X.]Z 92, 164, 173; [X.], Urteil vom 16. November 1978 - [X.], [X.], 117).

(2) Hiernach ist die [X.] keine laufende Angelegenheit. Bezogen auf das Flurstück 2394/1 bestand keine Verpflichtung zur Aufgabe des [X.]s, das die gemeindliche Wasserversorgung absicherte und aus diesem Grund erhebliche finanzielle Bedeutung hatte. Infolgedessen fehlt es schon an der „mehr oder weniger gleichmäßigen Wiederkehr“ oder - mit anderen Worten - dem [X.] der Angelegenheit. Dass der Oberbürgermeister irrtümlich davon ausging, die Leitung verlaufe nicht auf dem Flurstück 2394/1, begründet seine Zuständigkeit nicht.

bb) Auch eine [X.], die sich aus § 10 Abs. 2 Unterabs. 5 der Geschäftsordnung des Stadtrats der Klägerin ableitet, verneint das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler. Danach „fallen unter die laufenden Angelegenheiten die Entscheidung über den Erwerb, Veräußerung oder Verpfändung von Vermögensgegenständen (insbesondere von Grundstücken) bis zu einem Wert von 30.000 DM (…)“. Eine „Veräußerung“ in diesem Sinne umfasst lediglich entgeltliche Verträge und deren Vollzug, nicht aber die Aufgabe eines dinglichen Rechts in vermeintlicher Erfüllung einer tatsächlich nicht bestehenden Rechtspflicht.

b) Die [X.] ist nicht gemäß § 134 [X.] nichtig. Zwar stellt Art. 75 Abs. 1 Satz 2 [X.], wonach die [X.] Vermögensgegenstände in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußern darf, ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 [X.] dar (vgl. Senat, Urteil vom 12. Juli 2013 - [X.], [X.], 3779 Rn. 15). Die [X.] ist aber - wie ausgeführt - keine Veräußerung. Die Nichtigkeit ergibt sich auch nicht aus dem in Art. 75 Abs. 3 Satz 1 [X.] enthaltenen Verbot, wonach die Verschenkung und die unentgeltliche Überlassung von [X.] unzulässig sind. Eine Schenkung liegt schon deshalb nicht vor, weil es an der hierfür gemäß § 516 Abs. 1 [X.] erforderlichen Einigung über eine unentgeltliche Zuwendung fehlt. Aber auch die unentgeltliche Überlassung von [X.], zu der unter anderem einseitige Rechtsakte zählen sollen ([X.] 1983, 85, 89 f.), setzt voraus, dass sich die [X.] der Unentgeltlichkeit bewusst ist (vgl. [X.] 1995, 225, 226 f.). [X.] wie der vorliegende werden nicht erfasst, sondern können nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln die Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts sowie Bereicherungsansprüche zur Folge haben.

c) Mit der Frage, ob die von der Klägerin am 6. Mai 2010 erklärte Anfechtung der [X.] einen Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 [X.] begründet, hat sich das Berufungsgericht bislang nicht befasst und insbesondere keine Feststellungen zu der von dem [X.] verneinten Einhaltung der Frist des § 121 Abs. 1 Satz 1 [X.] getroffen. Da die Anfechtung jedenfalls nicht durch Zeitablauf ausgeschlossen war (Art. 229 § 6 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 EG[X.], § 121 Abs. 2 a.F., § 121 Abs. 2 n.F. [X.]), wäre dies nachzuholen.

[X.]

Nach Auffassung des erkennenden Senats wird dem ersten Bürgermeister durch Art. 38 Abs. 1 [X.] eine umfassende Vertretungsmacht im Außenverhältnis eingeräumt.

1. Für das Kommunalrecht anderer [X.]länder entspricht es ständiger Rechtsprechung des [X.]gerichtshofs, dass die organschaftliche Vertretungsmacht des Bürgermeisters (bzw. des Landrats) im Außenverhältnis allumfassend und unbeschränkt ist. Die [X.] wird durch seine Erklärungen grundsätzlich auch dann verpflichtet, wenn es an einem erforderlichen Beschluss der [X.]vertretung  fehlt (Senat, Urteil vom 20. April 1966 - [X.], [X.] 1966, 669: [X.]; [X.], Urteil vom 16. November 1978 - [X.], [X.], 117, 118: [X.]; [X.], Urteil vom 20. September 1984 - [X.], [X.]Z 92, 164, 169 f.: [X.]; [X.], Urteil vom 6. März 1986 - [X.], [X.]Z 97, 224, 226: [X.]; [X.], Urteil vom 17. April 1997 - [X.], [X.], 118; [X.], Urteil vom 4. November 1997 - [X.], [X.]Z 137, 89, 93 f.: [X.]). Dies orientiert sich an der im Kommunalrecht anerkannten strikten Unterscheidung zwischen interner Willensbildung und externer Vertretungsbefugnis ([X.], Urteil vom 17. April 1997 - [X.], [X.], 118 mwN) und an der herrschenden Meinung für die Vertretung juristischer Personen des Zivilrechts durch ihre Organe ([X.], Urteil vom 20. Februar 1979 - [X.], [X.], 115). Von einer unbeschränkten Vertretungsmacht des Bürgermeisters geht auch das [X.]arbeitsgericht für die Länder [X.] ([X.]E 47, 179, 184 f.) und [X.] (NJW 2002, 1287, 1289) aus.

2. Ob diese Erwägungen auf das [X.] Kommunalrecht übertragbar sind, ist umstritten.

a) In ständiger Rechtsprechung verneinen die [X.]n Gerichte - wie das Berufungsgericht - eine unbeschränkte Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters (vgl. [X.] 1952, 271 ff.; 1971, 252, 256; 1974, 81, 84; 1974, 374, 376; 1986, 112; 1997, 37, 41; BayObLG, BayVBl. 1973, 131, 313; 1974, 706; 1998, 122; [X.] 25, 27, 43; [X.], BayVBl. 2012, 177 Rn. 30; 2012, 341; [X.], [X.] 2009, 222 f.; 2012, 248 ff.; Beschluss vom 18. Juni 2010 - 34 [X.], juris Rn. 7; Beschluss vom 28. Januar 2013 - 34 Wx 390/12, juris Rn. 9; offen gelassen durch BayObLG, BayVBl. 1999, 473). Art. 38 Abs. 1 [X.] begründe lediglich dessen Vertretungsrecht, nicht aber seine Vertretungsmacht. Letztere ergebe sich aus Art. 37 [X.], sofern das Rechtsgeschäft unter den dort genannten Voraussetzungen in seinen eigenen Zuständigkeitsbereich falle. Soweit dagegen der [X.]rat als willensbildendes Organ der [X.] zu entscheiden habe (Art. 29 [X.]), werde die Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters erst durch einen entsprechenden [X.]rats- oder Ausschussbeschluss begründet (vgl. nur [X.] 1974, 81, 84; BayObLG, BayVBl. 1974, 706). Insoweit sei der erste Bürgermeister bloßes Vollzugsorgan (Art. 36 Abs. 1 [X.]). Die Rechtsprechung des [X.]gerichtshofs zu anderen [X.]ländern sei wegen der Eigenständigkeit des jeweiligen [X.]rechts nicht auf [X.] zu übertragen. Die jahrzehntelang dauernde tatsächliche Übung und in [X.] herrschende Meinung könne sich nicht nur auf das Gesetz, sondern auch auf die Gesetzesmaterialien und das Herkommen stützen (vgl. nur [X.] 1986, 112, 114 f.; 1997, 37, 41). Entgegen dieser internen Zuständigkeitsverteilung vorgenommene zivilrechtliche Rechtsgeschäfte seien nach §§ 177 ff. [X.] schwebend unwirksam ([X.], BayVBl. 2012, 177 Rn. 30 mwN.).

Dieser Ansicht folgen Teile der Rechtsliteratur ([X.], [X.]ordnung für den Freistaat [X.], Art. 38 [X.] [X.]. 2; [X.] in Berg/[X.]/Papier/[X.], Staats- und Verwaltungsrecht in [X.], 6. Aufl., [X.], 145; [X.]/[X.]/[X.], [X.] [X.]ordnung, Art. 29 [X.] Rn. 25 [Stand Dezember 2014] und Art. 38 [X.] Rn. 3 [Stand November 2013]; [X.], [X.], 29. Aufl., § 19 Rn. 85; [X.] in [X.]/v. Oefele, [X.], 3. Aufl., [X.] Rn. 327 ff.; [X.] in [X.][X.]/[X.], Kommunalverfassungsrecht [X.], Art. 38 [X.] [X.]. 2.2 [Stand Juni 2013], anders allerdings Art. 36 [X.] [X.]. 3.5 [Stand Mai 2015]; [X.], [X.] 1953, 244 f. und 267; [X.], [X.] 1997, 313, 316).

b) In weiten Teilen der Rechtsliteratur wird die Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters dagegen im Grundsatz als unbeschränkt angesehen ([X.]/[X.]/[X.], [X.]ordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung für den Freistaat [X.], Art. 38 [X.] Erl. 2.1 [Stand Oktober 2013]; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], Kommunalrecht in [X.], Art. 38 GO [X.]. 1.1 [Stand März 2015]; [X.]/[X.]/[X.], [X.] Kommunalgesetze, Art. 38 [X.] Rn. 3 [Stand Juli 2015]; [X.], Kommunalrecht, 1982, Rn. 257 [X.]. 86; Gern, [X.] Kommunalrecht, 3. Aufl., Rn. 369 und 433; [X.], Kommunalrecht, 2013, [X.]. 8 Rn. 166 ff.; [X.], [X.]s Kommunalrecht, 3. Aufl., § 4 Rn. 36; [X.] in: [X.]/Heckmann/[X.]/[X.], Öffentliches Recht in [X.], 6. Aufl., Rn. 166; Burgi, Kommunalrecht, 3. Aufl., S. 173 f.; [X.]/[X.], Kommunalrecht in: Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl., Rn. 147 [X.]. 448; [X.], Die Vertretung der [X.] nach außen, 1964, [X.]1 f.; [X.], Vertrauensschutz im Privatrechtsverkehr mit [X.]n, 1983, [X.] f.; [X.], [X.] bei öffentlichen Auftraggebern, 1990, [X.] ff.; [X.], [X.], 144, 147 [X.]. 23; [X.], [X.] 1997, 15, 16; [X.], NJW 1998, 1676, 1679 ff.).

3. Nach Ansicht des Senats sprechen die besseren Argumente für die zweite Auffassung. Richtig ist zwar, dass durch Auslegung der die Vertretung regelnden Normen zu ermitteln ist, ob Beschränkungen Außenwirkung haben. Die Regelungen der [X.]n [X.]ordnung weisen aber keine Besonderheiten auf, die eine von der Rechtslage in den anderen [X.]ländern abweichende Reichweite der Vertretungsmacht des Bürgermeisters rechtfertigen könnten.

a) Unter der Überschrift „[X.]; Vertretung der [X.] nach außen“ regelt Art. 38 Abs. 1 [X.], dass der erste Bürgermeister die [X.] nach außen vertritt. Nur dieser (und nicht der [X.]rat) kann für die [X.] nach außen handeln. Aus dem Wortlaut der Norm ergeben sich keine Einschränkungen der Vertretungsbefugnis. Danach begründet sie im Zweifel nicht nur ein formelles Vertretungsrecht, sondern eine unbeschränkte organschaftliche Vertretungsmacht (vgl. [X.], Urteil vom 7. November 1977 - [X.], [X.] 1978, 388 f.) oder - mit anderen Worten - die materielle Befugnis zur Betätigung des betreffenden Geschäfts im Außenverhältnis.

b) Die systematische Auslegung ergibt nichts Gegenteiliges. Die Vorschriften der [X.]n [X.]ordnung, die die Zuständigkeit von [X.]rat und erstem Bürgermeister abgrenzen (Art. 29, 30 Abs. 2, Art. 36, 37 [X.]), regeln lediglich die gemeindeinterne Kompetenzverteilung. Insbesondere trifft Art. 36 Satz 1 [X.], wonach der erste Bürgermeister die Beschlüsse des [X.]rats vollzieht, keine Aussage über die in Art. 38 Abs. 1 [X.] eigenständig geregelte Vertretung der [X.] nach außen. Der Bestimmung lässt sich auch nicht entnehmen, dass der erste Bürgermeister „bloßes Vollzugsorgan“ ist. In Art. 29 [X.] wird er wie der [X.]rat ausdrücklich als Hauptorgan bezeichnet. Als grundsätzlich gleichgewichtiges Hauptorgan neben dem [X.]rat hat er einen eigenen, in Art. 37 [X.] positiv definierten Aufgabenbereich ([X.]/[X.]/[X.], [X.]ordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung für den Freistaat [X.], Art. 38 [X.] Erl. 2.1 [Stand Mai 2006]; [X.]/[X.]/[X.], [X.] Kommunalgesetze, Art. 29 [X.] Rn. 1 [Stand Juli 2015]; [X.], [X.]recht, 1963, S. 320 f.; ähnlich [X.]/[X.]/[X.], [X.] [X.]ordnung, Art. 29 [X.] Rn. 21 [Stand Dezember 2014]).

c) Der Entstehungsgeschichte der [X.]n [X.]ordnung lässt sich ein auf eine Beschränkung der Vertretungsmacht gerichteter Wille des Gesetzgebers nicht entnehmen.

aa) Eine ausdrückliche Stellungnahme hierzu findet sich in den Gesetzesmaterialien nicht. Soweit in dem Regierungsentwurf zu Art. 39 Abs. 1 (entspricht Art. 38 Abs. 1 [X.]) ausgeführt wird, die Vertretung der [X.] im Rechtsverkehr sei herkömmlich Sache des ersten Bürgermeisters, der allerdings den betreffenden [X.]rats- oder Ausschussbeschluss dem Vertragspartner der [X.] oder dem beurkundenden Notar auf Verlangen nachzuweisen habe (Regierungsentwurf, [X.]drucksachen 1951/152 Beilage 1140, [X.]), ist dies unergiebig (aA [X.] 1952, 271, 274). Denn der Entwurf erfuhr im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch umfangreiche Änderungen, durch die die Stellung des ersten Bürgermeisters gegenüber dem [X.]rat deutlich gestärkt wurde. So wird der erste Bürgermeister in allen [X.]n vom Volk gewählt (Art. 17 [X.]), während der Regierungsentwurf eine direkte Wahl nur in [X.]n bis zu 20.000 Einwohnern und für größere [X.]n die Wahl durch den [X.]rat vorgesehen hatte (Art. 17 Abs. 1, Art. 35 Abs. 1 Satz 2). Art. 29 [X.], wonach der [X.]rat die [X.] verwaltet, soweit nicht der erste Bürgermeister selbständig entscheidet, erhielt die Überschrift „Hauptorgane“ (vgl. Sitzungsprotokoll der 60. Sitzung des [X.] vom 19. Dezember 1951, S. 1083, 1085). In Art. 30 Abs. 2 [X.] wurde die Passage eingefügt, wonach der [X.]rat (nur) „im Rahmen des Art. 29“ über alle Angelegenheiten bestimmt, für die nicht beratende Ausschüsse bestellt sind (Sitzungsprotokoll der 60. Sitzung des [X.] vom 19. Dezember 1951, [X.]). Dieser Einschub nimmt die in Art. 37 [X.] festgelegten selbständigen Befugnisse des ersten Bürgermeisters ausdrücklich vom Aufgabenbereich des [X.]rates aus ([X.], aaO, Art. 30 [X.] [X.]. 3; [X.]/Rollwagen, [X.]ordnung für den Freistaat [X.], Art. 30 [X.]. 2). Schließlich wurde dem [X.]rat auf Einwendung des [X.]n Senats die ursprünglich in Art. 38 Abs. 2 Sätzen 2 und 3 des Entwurfs vorgesehene Möglichkeit genommen, den von dem ersten Bürgermeister getätigten dringlichen Anordnungen und unaufschiebbaren Geschäften vorbehaltlich entstandener Rechte Dritter die Genehmigung zu versagen (vgl. Protokoll der Plenarsitzung des [X.]n Senats vom 11. Januar 1952, Anlage 5, [X.] und Sitzungsprotokoll der 66. Sitzung des [X.] vom 18. Januar 1952, S. 1305 f., 1310).

bb) Demgegenüber spricht der Vergleich mit den in dem Regierungsentwurf nicht erwähnten Vorgängerregelungen in den [X.]ordnungen vom 17. Oktober 1927 (GVBl. S. 293) und vom 18. Dezember 1945 (GVBl. 1946 S. 225) eher für eine nunmehr unbeschränkte Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters im Außenverhältnis ([X.], Vertrauensschutz im Privatrechtsverkehr mit [X.]n, 1983, S. 64; aA [X.] 1952, 271, 274). In diesen Vorgängerregelungen kam die außerhalb der [X.] bestehende Abhängigkeit der Vertretungsmacht von der internen Willensbildung im Gesetzeswortlaut nämlich noch deutlich zum Ausdruck. Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 3 [X.] 1927 vollzog der erste Bürgermeister die Beschlüsse des [X.]rats und vertrat „hierbei“ den [X.]rat (Art. 23 Abs. 1 Satz 2 [X.] 1945: die [X.]) nach außen. Deshalb wurde ein solcher Beschluss als Voraussetzung der Vertretungsmacht angesehen (vgl. [X.]/[X.], Die neue [X.] [X.]gesetzgebung, 1929, Art. 17 [X.] [X.]. 5; [X.], Kommentar zur [X.]n [X.]ordnung vom 17. Oktober 1927, 1931, Art. 17 [X.] [X.]. 11). Diese Einschränkung findet sich in der nunmehr geltenden Fassung des Art. 38 Abs. 1 [X.] gerade nicht mehr.

d) Signifikante Unterschiede zu dem Kommunalrecht der anderen [X.]länder, die nur in [X.] die Annahme einer beschränkten Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters im Außenverhältnis erlauben könnten, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil entspricht die dualistische Struktur der [X.]n Kommunalverfassung derjenigen der [X.] [X.]ordnung. Dieses Konzept der süddeutschen Kommunalverfassung ist in Abwandlungen inzwischen in den meisten [X.]ländern übernommen worden (näher [X.]/[X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., § 97 Rn. 7; [X.], [X.]s Kommunalrecht, 12. Aufl., Rn. 292). Auch der [X.] [X.]rat ist gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 GO BW Hauptorgan der [X.]. Gleichwohl ist die Vertretungsmacht des Bürgermeisters gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 GO BW unbeschränkt (vgl. Senat, Urteil vom 20. April 1966 - [X.], [X.] 1966, 669 sowie [X.]E 47, 179 ff. zu § 37 Abs. 1 Satz 2 LKrO BW). Selbst für das frühere [X.] Kommunalverfassungsrecht, das eine Allzuständigkeit des [X.]rats (§ 28 GO NRW a.F.) und eine entsprechend schwächere Stellung des [X.]direktors vorsah, war die umfassende Außenvertretungsmacht des [X.]direktors anerkannt (eingehend [X.], DVBl. 1960, 816, 817 f. mit [X.]. [X.]; [X.], Urteil vom 20. September 1984 - [X.], [X.]Z 92, 164, 169 zu §§ 28, 55 [X.] i.d.F. von 1969).

e) Entscheidend für die Auslegung des Art. 38 Abs. 1 [X.] als Einräumung einer umfassenden Vertretungsmacht im Außenverhältnis spricht - wie in den anderen [X.]ländern auch - das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und angemessenem Verkehrsschutz (vgl. [X.], Urteil vom 17. April 1997 - [X.], [X.], 118; U. Stelkens, [X.], 2005, [X.]: sinnvolles Ordnungsprinzip).

aa) Der Erklärungsempfänger - in der Regel der Bürger - muss sich auf die Vertretungsbefugnis des für die [X.] nach außen handelnden Organs verlassen können. Demgegenüber bleibt es der [X.] unbenommen, gegen ihr pflichtwidrig handelndes Organ beamtenrechtliche Sanktionen zu verhängen bzw. Schadensersatzforderungen geltend zu machen. Es erscheint unangemessen, das Risiko fehlerhaften Organhandelns dem Erklärungsempfänger aufzubürden, der die Vorgänge bei der internen Willensbildung als außenstehender Dritter in aller Regel nicht erkennen kann. Insbesondere wird ein ausreichender Schutz nicht dadurch gewährleistet, dass er von der für die [X.] handelnden Person den Nachweis ihrer Befugnis zur Vornahme des betreffenden Geschäfts verlangen kann (vgl. [X.], Urteil vom 7. November 1977 - [X.], [X.] 1978, 388; aA [X.] 1952, 271, 274; 1974, 374, 376; 1986, 112, 115 mwN.). Dabei verbleiben nämlich erhebliche Ungewissheiten. Wird dem Erklärungsempfänger die Ausfertigung eines [X.]ratsbeschlusses vorgelegt (vgl. Art. 54 [X.]), müsste er überprüfen, ob dieser wirksam ist und das konkrete Rechtsgeschäft umfasst. Hat der [X.]rat keinen Beschluss gefasst, kann eine schwierige Abgrenzung der gemeindeinternen Zuständigkeiten erforderlich sein, insbesondere im Hinblick auf die oft zweifelhafte Einordnung einer Rechtshandlung als Geschäft der laufenden Verwaltung (vgl. hierzu etwa [X.] 1974, 374, 377). Dies ist umso problematischer, als sich die [X.] im Falle einer Fehleinschätzung unter Umständen noch Jahrzehnte später auf eine fehlende Vertretungsbefugnis des für sie handelnden Bürgermeisters berufen kann (vgl. z.B. BayObLG, [X.] 1997, 120 ff.).

bb) Vor denselben praktischen Schwierigkeiten und der damit verbundenen Rechtsunsicherheit stehen nach der bislang in [X.] herrschenden Meinung die dortigen Grundbuchämter. Sie dürfen Eintragungen in das Grundbuch nur dann vornehmen, wenn die Vertretungsbefugnis des ersten Bürgermeisters in der Form des § 29 [X.] nachgewiesen ist. Dementsprechend betrifft ein großer Teil der oben unter [X.] 2 a) zitierten Entscheidungen der [X.]n Gerichte die Frage, ob dieser Nachweis als erbracht anzusehen ist oder nicht (vgl. nur aus jüngerer Zeit [X.], [X.] 2009, 222 f.; 2012, 248 ff.; Beschluss vom 18. Juni 2010 - 34 [X.], juris; Beschluss vom 28. Januar 2013 - 34 Wx 390/12, juris). Den Grundbuchämtern wird in diesem Zusammenhang ggf. die Auslegung von [X.]ratsbeschlüssen abverlangt (vgl. z.B. [X.], [X.] 2012, 248 ff.); sie haben strenge Anforderungen an die Beweisführung zu stellen und die Eintragung im Zweifel abzulehnen (BayOblGZ 1974, 374, 376 ff.). Nach der von dem Senat befürworteten Auslegung des Art. 38 Abs. 1 [X.] ist dieser Nachweis entbehrlich; es ist nicht Aufgabe der Grundbuchämter, die Einhaltung der gemeindlichen Zuständigkeitsordnung zu überwachen.


Stresemann                     Schmidt-Räntsch                            Brückner

                      Göbel                                   Haberkamp

Meta

V ZR 266/14

18.03.2016

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Nürnberg, 28. Oktober 2014, Az: 4 U 1900/13, Urteil

Art 38 Abs 1 GemO BY, § 894 BGB, § 11 Abs 3 S 1 RsprEinhG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.03.2016, Az. V ZR 266/14 (REWIS RS 2016, 14209)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 2412 WM 2017, 256 REWIS RS 2016, 14209


Verfahrensgang

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Az. V ZR 266/14

Bundesgerichtshof, V ZR 266/14, 18.11.2016.

Bundesgerichtshof, V ZR 266/14, 18.03.2016.


Az. 2 AZB 26/16

Bundesarbeitsgericht, 2 AZB 26/16, 22.08.2016.


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