Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.02.2010, Az. XII ZB 168/08

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 9040

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[X.]BESCHLUSS [X.] 168/08 vom 24. Februar 2010 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 522; GG Art. 103 Abs. 1 Vor Verwerfung einer Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist dem Rechtsmittelführer durch einen Hinweis rechtliches Gehör zu gewähren, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich zu der Fristversäumung zu äußern und einen [X.] auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen (im [X.] an [X.] vom 15. August 2007 - [X.]/07 - NJW-RR 2007, 1718; vom 13. Juli 2005 - [X.]/05 - NJW-RR 2006, 142 und vom 18. Juli 2007 - [X.] 162/06 - FamRZ 2007, 1725). [X.], Beschluss vom 24. Februar 2010 - [X.] 168/08 - [X.]AG [X.]

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 24. Februar 2010 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.] Dr. [X.], die Richterin [X.] und [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 1. Familiensenats des [X.] vom 7. August 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen. Wert: 17.532 • Gründe: [X.] Die [X.]en sind Eheleute. Sie streiten um Trennungsunterhalt. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat im schriftlichen Vorverfahren am 27. März 2008 ein Teilversäumnisurteil erlassen, das ausweislich der [X.] dem erst- und zweitinstanzlichen [X.] (im Folgenden: [X.]) in der [X.] in [X.] am 12. April 2008 persönlich zugestellt [X.] ist. Der [X.] hat per Telefax, eingehend am 28. April 2008 (Montag), Einspruch eingelegt. Das Einspruchsschreiben trägt den Briefkopf des Rechtsanwalts [X.] in A. und die Unterschrift des [X.]s. Durch Urteil vom 9. Mai 2008 hat das Amtsgericht den Einspruch als unzulässig 1 - 3 - verworfen. Das Urteil ist ausweislich der [X.] am 23. Mai 2008 dem [X.] unter der Kanzleiadresse des Rechtsanwalts [X.] in A. durch Übergabe an Rechtsanwalt [X.] zugestellt worden. 2 Durch undatiertes handschriftliches Schreiben, das beim [X.] am 12. Juni 2008 eingegangen ist, hat der [X.] (Adresse nunmehr: [X.] in [X.]) gegen das Urteil "vom 11. Mai 1008" Berufung [X.]. Eine Berufungsbegründung blieb in der Folgezeit aus. Durch den [X.] Beschluss hat das [X.] die Berufung wegen Nichtein-haltung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen, ohne den [X.] zuvor auf die Fristversäumung hinzuweisen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten. Er beruft sich darauf, dass das amtsgerichtliche Urteil seinem Prozessbevollmächtigten nicht wirksam zugestellt worden sei. 3 I[X.] Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen [X.] und Zurückverweisung an das [X.]. 4 1. Auf das Verfahren findet nach Art. 111 [X.] noch das bis zum 31. August 2009 geltende Verfahrensrecht Anwendung. Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie erfüllt auch die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung des [X.] ist zur Sicherung der Einheitlichkeit der [X.] erforderlich, denn der Beschluss des [X.]s verletzt den Beklagten in seinem Grundrecht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG. 5 - 4 - 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. 6 7 Zwar sieht § 522 Abs. 1 ZPO im Gegensatz zu § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO für den Fall einer Verwerfung eines unzulässigen Rechtsmittels eine Anhörung der [X.] nicht ausdrücklich vor. Die Pflicht zur Anhörung des [X.] folgt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] indessen unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG (Senatsbeschlüsse vom 15. August 2007 - [X.]/07 - NJW-RR 2007, 1718; vom 13. Juli 2005 - [X.]/05 - NJW-RR 2006, 142 und vom 18. Juli 2007 - [X.] 162/06 - FamRZ 2007, 1725). Art. 103 Abs. 1 GG gibt dem Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ein Recht darauf, dass er Gelegenheit erhält, sich zu dem einer gerichtlichen Ent-scheidung zugrunde liegenden Sachverhalt (hier: zu der vom [X.] angenommenen Fristversäumung) zu äußern. Das [X.] hat dem Beklagten vor seiner Entscheidung den erforderlichen Hinweis auf die Fristversäumung nicht erteilt, so dass die Ent-scheidung allein aus diesem Grund rechtsfehlerhaft ist. Es kann auch nicht da-von ausgegangen werden, dass der Beschluss des [X.]s nicht auf dem [X.] beruht oder sich aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 577 Abs. 3 ZPO; vgl. Senatsurteil vom 10. Juli 1991 - [X.] ZR 109/90 - NJW 1991, 3036; Musielak/[X.] ZPO 7. Aufl. § 561 Rdn. 3). 8 3. Das [X.] wird nach der Zurückverweisung zu prüfen ha-ben, ob die Zustellung nach § 178 ZPO wirksam war. 9 Das setzt zunächst voraus, dass es sich bei der Adresse um Geschäfts-räume des [X.]s handelte, was bislang noch nicht abschließend aufgeklärt ist. Allein aus den Angaben des [X.]s und des Recht-sanwalts [X.] lässt sich noch nicht ohne weiteres die Unwirksamkeit der Zustel-lung folgern. Sie haben zwar übereinstimmend angegeben, der [X.] - 5 - Vertreter habe bei Rechtsanwalt [X.] nie eine Kanzleiadresse unterhalten. Nicht erläutert worden ist allerdings, wieso der [X.] mehrere Schrei-ben unter dem Briefkopf des Rechtsanwalts [X.] versandte. Unter anderem [X.] er den Einspruch gegen das Teil-Versäumnisurteil des Amtsgerichts unter dem Briefkopf des Rechtsanwalts [X.] ein und wurde der Schriftsatz von [X.] aus versandt. Noch im Prozesskostenhilfeverfahren vor dem [X.] hat der [X.] auf diese Weise korrespondiert und ein Telefax von der Kanzlei des Rechtsanwalts [X.] versandt. Die Zustellung des angefoch-tenen Beschlusses hat der Beklagte ausweislich der Rechtsbeschwerdeschrift sogar gelten lassen, obwohl auch der angefochtene Beschluss unter der Kanz-leiadresse des Rechtsanwalts [X.] - diesmal durch Einlegung in den "zur Woh-nung" gehörenden Briefkasten - zugestellt worden ist. Wenn nicht festzustellen ist, dass sich an der Kanzleiadresse des Rechtsanwalts [X.] ein Geschäftsraum des [X.]s befand, wird zu prüfen sein, ob der [X.] nicht durch sein Verhalten einen darauf hindeutenden Rechtsschein erzeugt hat, der ebenfalls zur Wirksamkeit der Zustellung führen kann (vgl. [X.]/[X.] ZPO 28. Aufl. § 178 Rdn. 17 m.w.[X.]). Zudem wäre aber in diesem Fall für die wirksame Zustellung erforder-lich, dass die Übergabe an eine "dort beschäftigte Person" erfolgte (§ 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO; vgl. dazu einerseits [X.] [X.] 1907, 104; [X.], 1137). 11 Schließlich wäre bei einer nicht wirksamen Zustellung im Hinblick auf § 189 ZPO aufzuklären, wie (und wann) der [X.] von dem Urteil 12 - 6 - des Amtsgerichts erfahren hat. Denn ohne Kenntnis von dem Urteil hätte er keine Veranlassung gehabt, dagegen Berufung einzulegen. Hahne [X.] Vézina Dose Klinkhammer Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 09.05.2008 - 13 F 23/07 - [X.], Entscheidung vom 07.08.2008 - 1 UF 74/08 -

Meta

XII ZB 168/08

24.02.2010

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.02.2010, Az. XII ZB 168/08 (REWIS RS 2010, 9040)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9040

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