Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.06.2014, Az. 2 StR 381/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 5025

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen



BUNDESGERIC[X.]TS[X.]OF

I[X.] NA[X.]EN DES VOLKES

URTEIL
2 StR 381/13
vom
5. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk:
ja
[X.]St:

ja
[X.]R:

ja
Veröffentlichung:
ja
____________________

[X.] §§
243 Abs. 4 Satz
2, 238 Abs. 2

Die Rüge eines Verstoßes
gegen die [X.]itteilungs-
und Dokumentationspflichten ge-mäß §
243 Abs.
4 Satz
2 [X.] setzt nicht voraus, dass der Verteidiger zuvor von dem Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs.
2 [X.] Gebrauch gemacht hat.

[X.], Urteil vom 5. Juni 2014 -
2 StR 381/13 -
LG [X.] am [X.]ain
1.

2.

wegen unerlaubten [X.]andeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer [X.]enge u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat aufgrund
der Verhandlung
vom 28.
[X.]ai 2014
in der Sitzung am 5. Juni 2014,
an denen
teilgenommen haben:
Vorsitzender [X.] am [X.]
Prof. Dr. [X.],

die [X.] am [X.]
Dr. [X.],
Prof. Dr. [X.],
Prof. Dr. [X.],
die [X.]in am [X.]
Dr. [X.],

Staatsanwalt beim [X.]

in der Verhandlung,
[X.]in am [X.]

bei der Verkündung

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Verteidiger
des Angeklagten [X.].

,
Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Verteidiger des Angeklagten A.

,

Justizangestellte

in der Verhandlung,
Justizangestellte

bei der Verkündung

als Urkundsbeamtinnen
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-

1. Auf die Revision
des
Angeklagten
[X.].

wird das Urteil des [X.] [X.] am [X.]ain vom 12.
April 2013 mit den zu-gehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten A.

wird das vorgenannte Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebungen
wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwie-sen.
4. Die weitergehende Revision des Angeklagten A.

wird
ver-worfen.
Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten [X.].

wegen Beihilfe zum unerlaubten [X.]andeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer [X.]enge in 19
Fällen sowie wegen Beihilfe zum unerlaubten [X.]andeltreiben mit Betäu-bungsmitteln in 25
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren sowie
den Angeklagten A.

wegen unerlaubten [X.]andeltreibens mit Betäubungs-mitteln in nicht geringer [X.]enge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe 1
-
4
-
von zwei Jahren verurteilt und [X.] getroffen. [X.] richten sich die Revisionen der Angeklagten
mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel des Angeklagten [X.].

führt auf die Verfahrensrüge hin zur Aufhebung des gegen ihn ergangenen Ur-teils. Das Rechtsmittel des Angeklagten A.

hat hingegen mit der
Sachrüge
lediglich hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg.

I.
Nach den Feststellungen verkaufte der weitgehend geständige Ange-klagte [X.].

jeweils auf Weisung des gesondert verfolgten B.

gegen Provision im Zeitraum August 2010 bis Oktober 2011 an den gesondert verfolg-ten P.

in 30 Fällen [X.]eroin in [X.] zwischen 10 bis
50 Gramm mit einem [X.]indestwirkstoffgehalt von 5
%. Im Zeitraum Anfang [X.]ärz 2011 bis zum 16.
Februar 2012 verkaufte er wiederum im Auftrag B.

's in 11 Fällen [X.]eroin in [X.] zwischen 70 bis
200 Gramm an die gesondert verfolgte [X.].

. Am 4.
Oktober und am 4.
Dezember 2012 verkaufte er -
diesmal im Auftrag des [X.]itangeklagten A.

-
ihm
von diesem ausgehändigtes Rauschgift, ca. 50 bzw. 45
g [X.]eroin mit Wirkstoffanteilen von 6,2 bzw. 5,6
%,
an die gesondert verfolgten K.

und Pe.

. Bei einer Wohnungsdurchsuchung des Angeklagten [X.].

im Januar 2013 wurden
u.a. zwei Cannabisplatten mit einem Gesamtgewicht von ca. 185 Gramm mit einer Wirkstoffmenge von 15,9
Gramm sichergestellt, die teils zum Eigenkonsum, überwiegend aber
zum Verkauf bestimmt waren.
2
-
5
-
[X.]
Während die übrigen Verfahrensrügen aus den Gründen der [X.] ohne Erfolg
bleiben, führt
die Rüge eines Verstoßes gegen §§
257c, 243 Abs.
4 Satz
2 [X.]
zur Aufhebung des gegen den Angeklagten [X.].

ergangenen Urteils.
1. Dem liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:
Für den ersten [X.]auptverhandlungstag, den 9. April 2013, weist das Pro-tokoll nach Verlesung des Anklagesatzes folgendes Geschehen aus:
"Weiter wurde festgestellt, dass Erörterungen gem. §§
202a und 212 [X.], deren Gegenstand die [X.]öglichkeit einer Verständigung nach § 257c [X.] gewesen ist, nicht stattgefunden haben.
Die Angeklagten wurden darauf hingewiesen, dass
es ihnen frei-stehe, sich zur Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusa-gen.
Der Angeklagte A.

erklärte sich derzeit zur Äußerung nicht bereit.
[X.]. [X.]a.

regte ein [X.] an.
Die [X.]V
wurde um 09.47 Uhr unterbrochen und fortgesetzt um 10.17
Uhr.
Alle vorher erschienenen Prozessbeteiligten waren wieder anwe-send.
Es wurde festgestellt, dass ein [X.] geführt, jedoch keine
Verständigung getroffen wurde. Im Rahmen des Gesprächs hat der [X.] zum Ausdruck gebracht, dass eine geständige Ein-lassung des Angeklagten [X.].

werthaltiger sein könnte, so-fern sie auch Angaben zur Tatbeteiligung des Angeklagten A.

enthalte.
3
4
5
-
6
-
Es bestand Gelegenheit zur Stellungnahme. Erklärungen wurden nicht abgegeben."
2. Die Revisionen
rügen, es seien weder Erklärungen zur "personellen Beteiligung" an diesem [X.], an dem alle professionellen [X.] sowie die beiden Schöffen teilgenommen hatten, noch zu [X.] vollständigem Inhalt erfolgt. So habe der Vertreter der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten [X.].

eine Straferwartung von über sechs Jahren geäußert, die sich bei einer geständigen, den [X.]itangeklagten A.

belastenden Einlassung verringern könne. Der Vorsitzende [X.] habe eine Strafhöhe von fünf
bis sechs
Jahren in den Raum gestellt, was die Verteidigung des Angeklagten [X.].

als nicht akzeptabel bezeichnet habe. [X.]insichtlich des Angeklagten A.

seien von keiner Seite irgendwelche Straferwartungen geäußert worden, dies auch deshalb, weil dessen Verteidiger "schweigend ver-teidigt" und sich deshalb an den Gesprächen nicht aktiv beteiligt habe.
Durch die unvollständige Unterrichtung seitens des Vorsitzenden
habe die Strafkammer ihre Verpflichtung zur Transparenz und Dokumentation ver-letzt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Urteil -
auch wenn [X.] Verständigung zustande gekommen sei
-
auf den nicht mitgeteilten Ge-sprächsinhalten
beruhe.
3. Eine von den [X.] vorgelegte anwaltliche Versicherung des Instanzverteidigers des Angeklagten A.

, RA S.

, bestätigt das Revi-sionsvorbringen. Aus eingeholten dienstlichen Stellungnahmen des Sitzungs-staatsanwalts und der Berufsrichter ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft eine Straferwartung von "nicht unter 6-7 Jahren" gehabt habe. Seitens des [X.] seien entgegen dem [X.] keine Strafvorstellungen geäu-ßert worden.

6
7
8
-
7
-
4. Die Revision macht zu Recht geltend, es liege ein
Verstoß gegen die [X.]itteilungs-
und Dokumentationspflichten gemäß §
243 Abs.
4 Satz
2 i.V.m. §
273 Abs.
1a Satz
2 [X.]
vor.
a) Nach §
243 Abs.
4 Satz
1 [X.] teilt der Vorsitzende nach Verlesung des Anklagesatzes mit, ob Erörterungen nach den §§
202a, 212 [X.] [X.] haben, wenn deren Gegenstand die [X.]öglichkeit einer Verständigung (§
257c [X.]) gewesen ist, und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt (vgl. dazu Senat, Urteil vom 10.
Juli 2013 -
2 StR 47/13, [X.]St 58, 315, 316). Diese [X.]it-teilungspflicht ist gemäß §
243 Abs.
4 Satz
2 [X.] weiter zu beachten, wenn Erörterungen erst nach Beginn aber außerhalb der [X.]auptverhandlung [X.] haben ([X.], Beschlüsse vom 8.
Oktober 2013 -
4 [X.], [X.], 67 und vom 3.
Dezember 2013 -
2 [X.], [X.], 219; [X.]eyer-Goßner/[X.], [X.], 57.
Aufl., §
243
Rn.
18c). Das Gesetz will erreichen, dass derartige Erörterungen stets in der öffentlichen [X.]auptverhandlung zur Sprache kommen und dies auch inhaltlich dokumentiert wird. Gespräche au-ßerhalb der [X.]auptverhandlung dürfen kein informelles und unkontrollierbares Verhalten eröffnen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 5.
Oktober 2010 -
3 [X.], [X.], 72,
73,
vom 8.
Oktober 2013 -
4 [X.], [X.], 67,
vom 3.
Dezember 2013
-
2 [X.], [X.], 219
und vom 15.
April 2014
-
3
[X.], [X.], 418).
Die Pflicht zur Dokumentation der zur [X.] einer Verständigung außerhalb der [X.]auptverhandlung unter Umständen erfolglos geführten Gespräche ist zwar im Vergleich zur tatsächlichen Verstän-digung reduziert. Gleichwohl sollen alle Verfahrensbeteiligte und die [X.] nicht nur darüber informiert werden, dass solche Erörterungen stattgefun-den haben, sondern auch darüber, welche Standpunkte gegebenenfalls von den Teilnehmern vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verstän-digung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist (vgl. [X.]
133, 168, 215 f.; [X.], 9
10
-
8
-
Beschlüsse
vom 5.
Oktober 2010 -
3 [X.], [X.], 72 f., vom 3. [X.] -
2
[X.], [X.], 219
und vom 9. April 2014 -
1 [X.], [X.], 416, 417). Zur Gewährleistung einer effektiven Kontrolle ist die [X.]itteilung des Vorsitzenden hierüber -
sofern sie nach §
243 Abs.
4 [X.] vorgeschrieben ist
-
gemäß §
273 Abs.
1a Satz
2 [X.] in das Protokoll der
[X.]auptverhandlung aufzunehmen.
Gemessen daran enthält die [X.]itteilung des Vorsitzenden nicht alle [X.], die zur Transparenz und Dokumentation von Verfahrensabläufen im Zusammenhang mit möglichen Verständigungen nach § 257c [X.] mitgeteilt werden müssen. So
hat es der Vorsitzende -
was sich aus dem Protokoll,
den eingeholten dienstlichen Erklärungen
und der anwaltlichen Versicherung
ergibt
-
rechtsfehlerhaft unterlassen, jedenfalls die von der Staatsanwaltschaft für den Angeklagten [X.].

geäußerte Straferwartung mitzuteilen.
b) Der Angeklagte ist mit seiner darauf gerichteten Revisionsrüge nicht deshalb präkludiert, weil er es unterlassen hat, von dem Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 [X.] Gebrauch zu machen. Kommt der Vorsitzende unge-achtet eines ihm zustehenden Beurteilungs-
und Ermessensspielraum seinen [X.]itteilungs-
und Dokumentationspflichten nur unzureichend nach, muss dies
-
entgegen der Ansicht des [X.]
-
von dem Verteidiger
nicht
entsprechend §
238 Abs.
2 [X.] beanstandet werden
(so im Ergebnis auch [X.], [X.], 252; a.A.
Altvater, [X.] 2014, 221, 226; offengelassen von [X.], Beschluss vom 15. April 2014 -
3 [X.]). Dies gilt selbst dann, wenn dem Verteidiger -
wie hier
-
ausdrücklich Gelegenheit
gegeben wird, sich zur Unterrichtung durch den Vorsitzenden zu erklären.

aa) Der Senat lässt offen, ob der Rechtsansicht zu folgen wäre, wonach ein Verteidiger die Unvollständigkeit von [X.]itteilungen schon deswegen nicht 11
12
13
-
9
-
nach § 238 Abs. 2 [X.] rügen müsse
(und könne), weil solchen [X.]itteilungen nach dem Verständigungsgesetz die Funktion abgehe, auf das Verhalten des Verfahrensbeteiligten sachleitend
Einfluss zu nehmen, es sich mithin nur um bloße, dem Anwendungsbereich des § 238 Abs.
2 [X.] thematisch entzogene bloße Wissensentscheidungen handele (so [X.] [X.], 252).
bb) Entscheidend ist, dass
keine eine Rügeobliegenheit begründende [X.]itwirkungspflicht des Verteidigers im Verständigungsverfahren
besteht, was die [X.]itteilung und Protokollierung
von
außerhalb der [X.]auptverhandlung mit dem Ziel einer Verständigung geführten Gespräche
anbelangt.
Der mit dem Verständigungsgesetz eingeführte § 243 Abs.
4 [X.] über-antwortet
die Informationspflicht für außerhalb der [X.]auptverhandlung geführte [X.] ausschließlich dem Vorsitzenden des Gerichts.
Wie der Senat bereits in seiner Grundsatzentscheidung vom 10.
Juli 2013 (2
[X.], [X.]St 58, 310, 314) näher ausgeführt hat, will das Gesetz die Trans-parenz der Gespräche, die außerhalb der [X.]auptverhandlung geführt werden, durch die [X.]itteilung ihres wesentlichen Inhalts in der Verhandlung für die Öf-fentlichkeit und alle Verfahrensbeteiligten, insbesondere aber für den Angeklag-ten herbeiführen. Durch die [X.]itteilung nach § 243 Abs. 4 Satz
2 [X.]
und de-ren Protokollierung gemäß § 273 Abs. 1a [X.] werden außerhalb der [X.] im [X.]inblick auf eine Verständigung erfolgte Geschehnisse festge-schrieben und einer revisionsgerichtlichen Kontrolle zugänglich gemacht. [X.] soll dem Angeklagten eine eigenverantwortliche Entscheidung ermöglicht werden, wie er sein eigenes Verteidigungsverhalten einrichtet.
Die Zuweisung der [X.]itteilungs-
und Informationspflicht ausschließlich an den Vorsitzenden folgt auch aus den Überlegungen des Bundesverfassungsge-richts zur Schutzfunktion des §
243 Abs.
4 Satz
2 [X.], wonach eine "vollum-14
15
16
-
10
-
fängliche [X.]" des Verständigungsgeschehens erfolgen soll
([X.] 133, 168, 204, 207).
Gewollt ist die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes für den Angeklagten durch revisionsgerichtliche [X.]. Unzulässige "deals", aber auch informelle Absprachen hinter dem Rücken des Angeklagten auszuschließen, entspricht der Intention des Gesetz-gebers und des [X.].
Danach gilt es u.a. zu verhindern, "dass sich ein möglicher Interessengleichlauf von Gericht, Staatsanwaltschaft
und Verteidigung zum Nachteil des Angeklagten auswirkt" ([X.] 133, 168, 232).
"Die Transparenzvorschriften des [X.] dienen somit dem Schutz der Grundrechte des von einer Verständigung betroffenen Ange-klagten vor
einem im Geheimen sich vollziehenden 'Schulterschluss'
zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung" ([X.], Beschluss vom 1.
Juli 2014 -
2 BvR 989/14). Vor diesem [X.]intergrund
kommt der Informationspflicht durch den Vorsitzenden auch die Funktion zu, den Angeklagten vor einer [X.] Beratung durch seine Verteidiger zu schützen. Diese Schutzfunktion wäre jedoch eingeschränkt, würde man -
z.B. nach einem Verteidigerwechsel zwischen den Instanzen -
die Zulässigkeit einer auf die Verletzung des §
243 Abs.
4 Satz
2 [X.] gestützten Rüge davon abhängig machen, dass der [X.], der zuvor unter Umständen
an einer informellen Absprache hinter dem Rücken des Revisionsführers mitgewirkt hat, eine dies verschwei-gende [X.]itteilung des Vorsitzenden gemäß § 238 Abs.
2 [X.] in der [X.]auptver-handlung beanstandet
hat.
cc) Im Übrigen könnte §
238 Abs.
2 [X.], der darauf abzielt, die Verant-wortung des gesamten Spruchkörpers für die Rechtsförmigkeit der Verhandlung zu aktivieren, von vornherein nur dann zum Tragen kommen, wenn die Ver-ständigungsgespräche zuvor
in Gegenwart sämtlicher zur Entscheidung [X.] [X.]itglieder des Gerichts geführt worden wären. [X.] vor Beginn
der [X.]auptverhandlung erfolgen jedoch regelmäßig ohne die Schöf-17
-
11
-
fen; vorbereitende Gespräche während, aber außerhalb laufender Verhandlung, z.B. an Nichtsitzungstagen, müssen nicht zwingend von dem gesamten Spruchkörper geführt werden (vgl. z.B. [X.], Beschluss vom 29.
November 2013 -
1 [X.], [X.], 221). In diesen Fällen müsste eine Befassung des gesamten Spruchkörpers mit der Frage der Vollständigkeit der Information leerlaufen. Letztlich würde damit eine Rügeverpflichtung von Zufälligkeiten des Einzelfalles abhängen.
c) Auf der Verletzung der Informationspflichten aus § 243 Abs.
4 Satz
2 [X.] beruht das Urteil zum Nachteil des Angeklagten [X.].

.
Zwar hat das Verständigungsgesetz davon abgesehen, den Verstoß ge-gen § 243 Abs.
4 Satz
2 [X.] den absoluten [X.] zuzuordnen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 3.
September 2013 -
1 StR 237/13, [X.], 740 [für §
243 Abs. 4 Satz 1 [X.]]; vom 12. Dezember 2013 -
3 [X.], NJW 2014, 1254, 1256);
indes ist, sofern die [X.]itteilung über das Gespräch unter-bleibt oder sich auf eine unzureichende Darstellung beschränkt, grundsätzlich die Verteidigungsposition des Angeklagten tangiert (vgl. [X.]
133, 168, 223 f.; [X.], Beschluss vom 25. November 2013 -
5 [X.], NStZ-RR 2014, 52).
Nur in besonderen Ausnahmefällen ist ein Beruhen auszuschließen ([X.], Urteil vom 13. Februar 2014 -
1 [X.], [X.], 217, 218). Dies gilt selbst dann, wenn -
wie hier -
im Ergebnis eine Verständigung nicht zustande kommt, weil auch in einem solchen Fall nicht auszuschließen ist, dass das Pro-zessverhalten des Angeklagten durch die vorangegangenen [X.] beeinflusst wurde ([X.], Beschlüsse vom 3. Dezember 2013 -
2 [X.], [X.], 219, 220
und vom 9.
April 2014 -
1
[X.], [X.], 416, 417 f.).
Ein solcher
das Beruhen ausschließender
Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor.
18
19
-
12
-
Es kommt auch nicht darauf an, ob der
Instanzverteidiger den Angeklag-ten über den Ablauf und den Inhalt außerhalb der [X.]auptverhandlung geführter Gespräche unterrichtet und so ein etwaiges Informationsdefizit seines [X.]andan-ten ausgeglichen
hat
oder ob dies möglich gewesen wäre. Für die Entschei-dung des Angeklagten, die meist mit der Frage nach einem Geständnis in der [X.]auptverhandlung verbunden wird, ist es von besonderer Bedeutung, ob er über die Einzelheiten der in seiner Abwesenheit geführten Gespräche nur zu-sammenfassend und in nicht dokumentierter Weise von seinem Verteidiger nach dessen Wahrnehmung und Verständnis informiert wird, oder ob ihn das Gericht unter Dokumentation seiner [X.]itteilungen im Protokoll der [X.]auptver-handlung unterrichtet ([X.], Urteil vom 10.
Juli 2013 -
2 [X.], [X.]St 58, 310, 314; anders wohl [X.], Beschluss vom 15. April 2014 -
3 [X.], [X.], 418, 419
und [X.], [X.], 252, 253).
I[X.]
1. Die auch von dem Angeklagten A.

erhobene Verfahrensrüge ei-nes Verstoßes gegen §§ 257c, 243 Abs. 4 Satz 2 [X.] führt hinsichtlich dieses Angeklagten nicht zur [X.], weil der Senat insoweit ein Beruhen des Urteils auf dem unter [X.] festgestellten [X.] ausschließt. Der Verteidiger des "sich schweigend verteidigenden" Angeklagten A.

hat sich an den [X.]n nicht aktiv beteiligt. Welche Straferwartung die Staatsanwaltschaft für den wegen der Beteiligung an insgesamt 44 Fällen des [X.] angeklagten [X.].

hatte, war für den nur in zwei Fällen als Täter Angeklagten A.

ohne Aussagekraft
und für seine Ent-scheidung, sich nicht einzulassen, erkennbar ohne Belang
(vgl. auch [X.], Beschluss vom 1.
Juli 2014 -
2 BvR 989/14 sowie [X.], Beschluss vom 29.
November 2013 -
1 [X.], [X.], 221, 222 f.). Soweit die [X.] im Rahmen des Verständigungsgesprächs den Angeklagten
20
21
-
13
-
[X.].

darauf hingewiesen hat, belastende Angaben zu seinem
[X.]itange-klagten könnten sein Geständnis werthaltiger machen, ist dieser
für A.

be-deutende Umstand -
nach anwaltlicher Versicherung seines
Verteidigers auf dessen Initiative -
vom Vorsitzenden entsprechend mitgeteilt und protokolliert worden.
2. Während der
Schuldspruch
betreffend des Angeklagten A.

aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] auch auf die Sachrüge hin nicht zu beanstanden ist, unterliegt
der Strafausspruch
der [X.], weil das [X.] die durch §
46 Abs.
2 StGB gezogene Grenze zulässiger strafschärfender Berücksichtigung nicht angeklagter Taten über-schritten hat.
Gemäß §
46 Abs.
2 StGB hat der Tatrichter bei der Strafzumessung die für und gegen den Täter sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen und dabei namentlich auch sein Vorleben zu berücksichtigen. Insoweit ist er bei der Feststellung und Bewertung von Strafzumessungstatsachen durch den An-klagegrundsatz (§§
155, 264 [X.]) nicht beschränkt und kann daher auch strafbare [X.]andlungen ermitteln und würdigen, die nicht Gegenstand der Ankla-ge sind,
bzw. die nach §
154 [X.] eingestellt worden sind, soweit diese für die Persönlichkeit eines Angeklagten bedeutsam sein können und Rückschlüsse auf dessen Tatschuld gestatten. Allerdings müssen solche
Taten -
wie jeder für die Strafzumessung erhebliche Umstand
-
prozessordnungsgemäß und damit hinreichend bestimmt festgestellt werden
und zur Überzeugung des Tatrichters feststehen
([X.], Beschluss vom 9.
Oktober 2003 -
4
StR 359/03, [X.], 359
[Pfister]; Beschluss vom 19.
November 2013 -
4
StR 448/13, NJW 2014, 645, 646
mwN; [X.], StGB,
61.
Aufl.,
§
46
Rn.
41
f.).

22
23
-
14
-
Diesen Anforderungen genügen die insoweit rudimentären Urteilsgründe nicht. Das [X.] hat hinsichtlich des
Angeklagten A.

strafschärfend gewertet, dass die "hier abgeurteilten Taten nur die Spitze des Eisberges" [X.], was sich nicht zuletzt etwa aus den Angaben des Zeugen Pe.

er-gebe, mehrfach in gleicher Weise von den
Angeklagten [X.]eroin erworben zu haben ([X.]). Im Rahmen der Beweiswürdigung heißt es dazu, es hätten "auch weitere vermutliche Rauschgiftübergaben, die jedoch nicht konkret [X.] werden konnten", stattgefunden (UA 18),
und der Zeuge Pe.

habe glaubhaft
ausgesagt, insgesamt dreimal zum Rauschgiftkauf nach F.

gefahren zu sein. In den ersten beiden Fällen vom 13.
November 2012 und am 4.
Dezember 2012 habe er das Rauschgift von dem Angeklagten [X.].

im dritten Fall, wohl am 19.
Januar 2013, von dem Angeklagten A.

erhalten.
Solche Ausführungen belegen, dass die nur vermeintlich begangenen
Rauschgiftgeschäfte
nicht konkretisiert werden konnten; es bleibt demnach
of-fen, ob, welche und wie viele Straftaten die Angeklagten über die hier abgeur-teilten Taten hinaus noch begangen haben sollen (vgl. [X.], Beschluss vom 9.
April 1991 -
4 [X.], [X.]R StGB §
46 Abs.
2 Vorleben
14). Dies lässt eine unzulässige Berücksichtigung des bloßen Verdachts weiterer Straftaten besorgen.
24
25
-
15
-
Der Senat kann
nicht ausschließen, dass der Strafausspruch insgesamt auf den rechtsfehlerhaften
Erwägungen beruht; die Einzelstrafen und die Ge-samtstrafe können deshalb nicht bestehen bleiben.
[X.] [X.]

[X.]

[X.] [X.]
26

Meta

2 StR 381/13

05.06.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.06.2014, Az. 2 StR 381/13 (REWIS RS 2014, 5025)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5025

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 381/13 (Bundesgerichtshof)

Revision in Strafsachen: Präklusion der Verfahrensrüge wegen der Verletzung von Mitteilungs- und Dokumentationspflichten zu einem …


3 StR 89/14 (Bundesgerichtshof)

Hauptverhandlung: Mitteilungspflichten über Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung; Verletzung der Verteidigungsposition des Angeklagten


2 RVs 47/15 (Oberlandesgericht Hamm)


3 StR 310/15 (Bundesgerichtshof)

Verständigung im Strafverfahren: Beruhensprüfung bei Verstößen gegen die Hinweis- und Dokumentationspflichten


3 StR 310/15 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.