Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 06.12.2023, Az. 1 BvR 1781/18

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2023, 9277

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Rechtssatzverfassungsbeschwerde gegen Regelungen des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes 2018 über die Rasterfahndung teils mangels Darlegung einer Grundrechtsverletzung, teils mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Entscheidungsgründe

1

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind verschiedene mit § 1 des [X.] [X.] Polizeirechts ([X.]) vom 18. Mai 2018 geänderte oder neu eingeführte Regelungen des [X.] ([X.]), die zum 25. Mai 2018 in [X.] getreten sind (BayGVBl S. 301, 434).

2

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie ist bereits unzulässig. Die Beschwerdeführenden haben nicht den Begründungsanforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] entsprechend dargelegt, dass sowohl die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung als auch die unmittelbare, eigene und gegenwärtige Betroffenheit durch die angegriffenen Regelungen besteht.

3

Soweit die Beschwerdeführenden die in Art. 46 Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. geregelte Befugnis zur Rasterfahndung angreifen, sind sie zwar selbst betroffen, da die Streubreite der Maßnahme in tatsächlicher Hinsicht sehr weit ist. Potentiell kann hiervon jede Person betroffen sein, da Daten aus unterschiedlichen Datenbanken abgefragt werden, um diese mit anderen Daten aus unterschiedlichen Beständen abzugleichen oder so bisher unbekannte Personen zu identifizieren (vgl. dazu [X.], Beschluss des [X.] vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 73 - Polizeiliche Befugnisse nach [X.] MV).

4

Die Beschwerdeführenden haben jedoch die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht in einer den § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] genügenden Weise aufgezeigt. Soweit sie das in Art. 46 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 [X.] a.F. genannte Rechtsgut "Gesundheit" als nicht hinreichend gewichtig rügen, verweisen sie zwar zu Recht darauf, dass eine Rasterfahndung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter vorgesehen werden darf und dass insbesondere die Rechtsgüter "Leib, Leben und Freiheit" solche hochrangigen Rechtsgüter sind (vgl. dazu [X.]E 115, 320 <346, 360>). Inwiefern aber das im [X.] genannte Rechtsgut "Gesundheit" sich von dem Rechtsgut "Leib" unterscheidet, zeigen sie nicht auf.

5

Mit ihrem Hinweis, dass das [X.] die Rasterfahndung im Gefahrenvorfeld grundsätzlich ausgeschlossen habe (vgl. [X.]E 115, 320 <360>; [X.], Beschluss des [X.] vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 186 ff.), können die Beschwerdeführenden eine mögliche Grundrechtsverletzung demgegenüber schon deshalb nicht aufzeigen, weil Art. 46 Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. die Rasterfahndung - entgegen der Annahme der Beschwerdeführenden - nur zur Abwehr einer konkreten Gefahr zulässt (vgl. dazu BayLTDrucks 17/20425 S. 68).

6

Soweit die Beschwerdeführenden auch das in Art. 46 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 [X.] a.F. genannte Rechtsgut "Sachen, deren Erhalt im besonderen öffentlichen Interesse liegt" als nicht hinreichend gewichtig rügen, fehlt ihnen das notwendige Rechtsschutzbedürfnis, nachdem Art. 11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 [X.] a.F. zum 1. August 2021 durch den neu eingeführten Art. 11a Abs. 2 Nr. 4 [X.] (BayGVBl S. 418) ersetzt worden ist (vgl. BayLTDrucks 18/13716 S. 24) und Art. 46 Abs. 1 Satz 1 [X.] diese Änderung nachvollzogen hat. Danach kann die Rasterfahndung nunmehr zum Schutz des Rechtsguts "Anlagen der kritischen Infrastruktur sowie Kulturgüter von mindestens überregionalem Rang" durchgeführt werden. Allenfalls von dieser Neuregelung kann - vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an - für die Beschwerdeführenden eine, insoweit neue, Beschwer ausgehen. Für ein ausnahmsweise fortbestehendes Rechtsschutzinteresse für die Überprüfung des nicht mehr gültigen Art. 11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 [X.] a.F. ist dagegen nichts ersichtlich und wurde auch von den Beschwerdeführenden nichts vorgetragen (vgl. dazu [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 4. Juni 2014 - 1 BvR 1443/08 -, Rn. 2).

7

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

8

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 1781/18

06.12.2023

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

§ 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 90 BVerfGG, § 92 BVerfGG, Art 11a Abs 2 Nr 4 PolAufgG BY vom 23.07.2021, Art 11 Abs 3 S 2 Nr 2 PolAufgG BY vom 18.05.2018, Art 11 Abs 3 S 2 Nr 5 PolAufgG BY vom 18.05.2018, Art 46 Abs 1 S 1 PolAufgG BY vom 18.05.2018

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 06.12.2023, Az. 1 BvR 1781/18 (REWIS RS 2023, 9277)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9277

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1 BvR 1443/08

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