Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.06.2010, Az. 5 AZR 498/09

5. Senat | REWIS RS 2010, 6069

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Kleine dynamische Bezugnahmeklausel - Tarifsukzession - Tarifpluralität - ergänzende Vertragsauslegung - Chefarztvergütung


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 30. Juni 2009 - 13 Sa 1277/08 [X.] - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung Vergütung nach dem zwischen dem [X.] und der [X.] ([X.]) geschlossenen Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der [X.] vom 17. August 2006 (im Folgenden: [X.]/[X.]) zuzüglich eines Aufschlags von 15 % beanspruchen kann.

2

Die Beklagte betreibt eine Klinik. Der 1953 geborene Kläger ist bei ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin, der Landeshauptstadt [X.], seit 1. Januar 1995 als Chefarzt der Urologischen Klinik des Krankenhauses S beschäftigt.

3

Im Arbeitsvertrag vom 31. Dezember 1994 vereinbarten die Parteien ua.:

        

„§ 1   

        

Vertragsverhältnis

        

...     

        
        

(2)     

Soweit im Vertrag nichts anderes bestimmt ist, richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag ([X.]) und den ihn ergänzenden tariflichen Vorschriften, den Dienstanweisungen für die städtischen Krankenanstalten und den sonstigen für Angestellte der Stadtverwaltung bestehenden allgemeinverbindlichen Anordnungen; es gilt die jeweils gültige Fassung.

        

(3)     

Es gelten jedoch nicht die folgenden Bestimmungen des [X.]:

                 
                 

1.    

§§ 1 bis 3

Geltungsbereich

                 

2.    

§ 5     

Probezeit

                 

3.    

§ 11   

Nebentätigkeit

                 

4.    

§ 12   

Versetzung, Abordnung, Zuweisung

                 

5.    

§§ 15 bis 17, 35

Arbeitszeit, Überstunden und Zeitzuschläge

                 

6.    

§§ 22 bis 25

Eingruppierung

                 

7.    

§§ 33, 33 a

Zulagen

                 

8.    

§§ 47, 48

Erholungsurlaub

                 

9.    

§§ 53, 55

Kündigung

                 

10.     

§ 56   

Ausgleichszulage

                 

11.     

§§ 65, 67 bis 69

Besondere Vorschriften

                 

12.     

§§ 71 bis 74

Übergangs- und Schlußvor-schriften

                 

13.     

Anlage 2 c

Sonderregelungen für Ärzte und Zahnärzte

        

...     

        

§ 8     

        

Bezüge im dienstlichen Aufgabenbereich und
Einräumung des Liquidationsrechts

        

(1)     

Der Chefarzt erhält für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich (§§ 3 und 4) zugleich als Abgeltung evtl. Mehrarbeit - auch von [X.], Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit jeder Art sowie von Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft - folgende monatliche Vergütung:

                 

Grundvergütung

8.239,12 DM

        
                 

[X.]

1.013,82 DM

        
                 

zusammen

9.252,94 DM.

        
                 

Dieser Betrag verringert sich um die gesetzlichen Abzüge.

                 

Die Grundvergütung ändert sich im gleichen prozentualen Verhältnis und vom gleichen Zeitpunkt an wie die Endgrundvergütung der Vergütungsgruppe I [X.] für den kommunalen Bereich.

        

...     

        
        

(4)     

Der Chefarzt erhält in jedem Kalenderjahr in analoger Anwendung der Bestimmungen

                 

a)    

des [X.] über eine Zuwendung für Angestellte eine Sonderzuwendung

                 

b)    

des [X.] über ein Urlaubsgeld für Angestellte den danach zu zahlenden Betrag.

        

(5)     

Der Chefarzt ist berechtigt, für die von ihm oder unter seiner Verantwortung ausgeführte ärztliche Behandlung stationär kranker Patientinnen/Patienten zu liquidieren, die die ärztliche Leistung als Wahlleistung nach den Bestimmungen der [X.] mit dem Krankenhaus vereinbart haben. Von den Einnahmen aus diesem Recht führt der Chefarzt Anteile nach § 10 des Vertrages ab. Die Vertragsparteien sind sich einig, daß das Liquidationsrecht des Chefarztes den jeweiligen Regelungen der [X.], der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und anderer gesetzlicher Vorschriften unterliegt.

        

...“   

        

4

Bei den in § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrags aufgeführten Beträgen handelt es sich um die am 31. Dezember 1994 geltende tarifliche Grundvergütung nach Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum [X.]. Der [X.] entspricht in seiner Höhe dem damaligen tariflichen Anspruch nach Stufe 1,5. Die Beklagte hat während der Geltung des [X.] im kommunalen öffentlichen Dienst Grundvergütung und [X.] entsprechend den tariflichen Entgelterhöhungen gewährt und familiäre Veränderungen im [X.] umgesetzt (zuletzt nach Stufe 2). Der Kläger wurde für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich faktisch bezahlt wie ein verheirateter Angestellter nach Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum [X.] und erhielt vom 1. August 2006 bis zum 30. Juni 2007 monatlich 5.700,30 Euro brutto.

5

Mit Schreiben vom 25. Januar 2007 machte der Kläger rückwirkend ab August 2006 Vergütung nach [X.] [X.]/[X.] zuzüglich eines Aufschlags von 15 % geltend.

6

Mit seiner Klage hat der Kläger für den Zeitraum August 2006 bis Juni 2007 die Differenz zwischen der [X.] [X.]/[X.] zuzüglich eines Aufschlags von 15 % iHv. insgesamt 7.475,00 Euro brutto monatlich und den erhaltenen 5.700,30 Euro brutto sowie die Feststellung begehrt, dass sich seine Vergütung nach der jeweiligen [X.] [X.]/[X.] zuzüglich 15 % berechnet. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, durch den Wegfall des [X.] sei in seinem Arbeitsvertrag eine Regelungslücke entstanden. [X.] sei der [X.]/[X.]. Nach den Eingruppierungsregelungen des [X.] seien Oberärzte in die Vergütungsgruppe Ia eingruppiert gewesen, so dass die Vereinbarung der Vergütungsgruppe I im Vergleich zum Gehalt der unterstellten Oberärzte eine um 15 % höhere Vergütung bedeutet habe. Diese Vergütungsdifferenz sei im Rahmen der Tarifumstellung fortzuschreiben. Da er an Tarifsteigerungen teilhaben sollte, stehe ihm zumindest die prozentuale Erhöhung der Vergütung nach Vergütungsgruppe Ia [X.] zu [X.] [X.]/[X.] um 25,63 % und damit ein monatlicher Differenzbetrag iHv. 1.460,98 Euro brutto zu.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass sich die Vergütung des Klägers als Chefarzt der Urologischen Klinik des Krankenhauses S gemäß § 8 Abs. 1 des Dienstvertrags ab dem 1. Juli 2007 nach der jeweiligen Entgeltgruppe IV des Tarifvertrags für die Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/[X.]) [X.] 15 % berechnet;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 19.521,70 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der [X.] aus jeweils 1.774,70 Euro nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen;

        

3.    

hilfsweise,

                 

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 16.070,78 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der [X.] aus jeweils 1.460,98 Euro nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Entgeltansprüche des [X.] seien einzelvertraglich geregelt, eine Eingruppierung nach dem [X.]/[X.] komme nicht in Betracht. Nach der Ersetzung des [X.] durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (im Folgenden: [X.]) könne die Anpassungsklausel allenfalls dahingehend ausgelegt werden, dass eine Anpassung entsprechend der Endgrundvergütung des [X.] für den kommunalen Bereich erfolge. Eine Anspruchsgrundlage für einen 15%igen Zuschlag sei im Übrigen nicht erkennbar.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Das [X.] hat seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des [X.]rbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger hat weder [X.]nspruch auf Vergütung nach [X.]/[X.] (Hauptantrag) noch einen solchen auf [X.]npassung seiner Vergütung entsprechend der „prozentualen Erhöhung“ der Vergütung nach Vergütungsgruppe [X.] im Vergleich zu der Vergütung nach [X.]/[X.].

I. Der [X.]/[X.] findet auf das [X.]rbeitsverhältnis der Parteien nicht mit unmittelbarer und zwingender Wirkung [X.]nwendung (§ 3 [X.]bs. 1, § 4 [X.]bs. 1 [X.]). Unabhängig von dem Erfordernis der beiderseitigen Tarifgebundenheit gilt der [X.]/[X.] nach seinem § 1 [X.]bs. 2 nicht für Chefärzte, deren [X.]rbeitsbedingungen einzelvertraglich vereinbart worden sind. Darüber hinaus sind nach § 16 Buchst. d [X.]/[X.] in [X.] (nur) Leitende Oberärzte, denen die ständige Vertretung des Chefarztes übertragen ist (zu den [X.] des § 16 Buchst. d [X.]/[X.] vgl. [X.] 9. Dezember 2009 - 4 [X.] 836/08 - [X.], 294), nicht aber Chefärzte eingruppiert.

II. Ein [X.]nspruch des [X.] auf Vergütung nach [X.] IV [X.]/[X.] ergibt sich nicht aus dem [X.]rbeitsvertrag.

Gemäß § 8 [X.]bs. 1 des [X.]rbeitsvertrags erhält der Kläger für seine Tätigkeit im dienstlichen [X.]ufgabenbereich eine Vergütung, die sich entsprechend der in § 26 [X.] vorgesehenen Struktur aus Grundvergütung und [X.] zusammensetzt und deren Höhe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Grundvergütung nach [X.] der Vergütungsordnung zum [X.] und dem [X.] nach Stufe 1,5 entsprach. [X.]ußerdem sollte sich die Grundvergütung „im gleichen prozentualen Verhältnis und vom gleichen Zeitpunkt an wie die Endgrundvergütung der Vergütungsgruppe I [X.] für den kommunalen Bereich“ ändern. Diese Vereinbarung enthält eine kleine dynamische Bezugnahme.

1. Bei § 8 [X.]bs. 1 des [X.]rbeitsvertrags handelt es sich um eine [X.]llgemeine Geschäftsbedingung 305 [X.]bs. 1 Satz 1 und 2 BGB). Dafür begründet das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. [X.] 1. März 2006 - 5 [X.] 363/05 - Rn. 20 ff., [X.]E 117, 155; 24. September 2008 - 6 [X.] 76/07 - Rn. 18, [X.]E 128, 73), der keine der Parteien entgegen getreten ist. [X.]llgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter [X.]bwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die [X.] des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. [X.]nsatzpunkt für die [X.]uslegung [X.]llgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der [X.]. Von Bedeutung für das [X.]uslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten ([X.] 19. März 2008 - 5 [X.] 429/07 - Rn. 24 [X.], [X.]E 126, 198). Die [X.]uslegung [X.]llgemeiner Geschäftsbedingungen ist durch das Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen ([X.] 26. September 2007 - 5 [X.] 808/06 - Rn. 13, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 58 = Ez[X.] BGB 2002 § 305c Nr. 13).

2. Danach enthält § 8 [X.]bs. 1 des [X.]rbeitsvertrags eine kleine dynamische Bezugnahme.

In § 8 [X.]bs. 1 vereinbaren die Parteien eine Grundvergütung, die - obwohl leitende Ärzte (Chefärzte) nach § 3 Buchst. i [X.] von dessen Geltungsbereich ausgenommen sind und dementsprechend die Vergütungsordnungen zum [X.] keine Eingruppierungsmerkmale für Chefärzte enthalten - der Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum [X.] einschließlich der in § 26 [X.] vorgesehenen Struktur einer Gesamtvergütung bestehend aus der Grundvergütung und dem [X.] entspricht, und gestalten sie dynamisch. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung. Die in einem bestimmten [X.] festgehaltene Grundvergütung soll sich im gleichen prozentualen Verhältnis und vom gleichen Zeitpunkt an wie die Endgrundvergütung der [X.] [X.] für den kommunalen Bereich ändern. Damit wollte die Beklagte in ihrem Krankenhaus das Vergütungssystem des kommunalen öffentlichen Dienstes für die Vergütung der Chefärzte im dienstlichen [X.]ufgabenbereich anwenden und die dort stattfindende Vergütungsentwicklung nachvollziehen (vgl. [X.] 16. Dezember 2009 - 5 [X.] 888/08 - Rn. 14, [X.] § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44). Diese [X.]uslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des [X.], wonach Bezugnahmen im [X.]rbeitsvertrag auf anderweitige normative Regelungen in der Regel dynamisch zu verstehen sind (13. November 2002 - 4 [X.] 351/01 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 103, 338; vgl. auch 9. November 2005 - 5 [X.] 128/05 - Rn. 22, [X.]E 116, 185). Dass die Bezugnahme - jedenfalls innerhalb des [X.] [X.] - dynamisch sein sollte, bestätigt auch die tatsächliche Handhabung der Beklagten, die den Kläger nach nicht angegriffener Feststellung des [X.]s wie einen in Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum [X.] eingruppierten, verheirateten [X.]ngestellten vergütete.

3. Eine Erstreckung auf den [X.]/[X.] trägt der Wortlaut der Bezugnahmeklausel aber nicht. Der [X.]/[X.] ist keine „Fassung“ des [X.]. § 8 [X.]bs. 1 des [X.]rbeitsvertrags ist zeit-, nicht jedoch inhaltsdynamisch ausgestaltet. Ein Zusatz, dass sich die Grundvergütung auch entsprechend der den [X.] ersetzenden Tarifverträge ändern soll, wurde nicht in die Vergütungsvereinbarung der Parteien aufgenommen (vgl. [X.] 16. Dezember 2009 - 5 [X.] 888/08 - Rn. 15, [X.] § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44; 19. Mai 2010 - 4 [X.] 796/08 - Rn. 18 f.).

III. Ein [X.]nspruch des [X.] auf Vergütung nach dem [X.]/[X.] seit 1. [X.]ugust 2006 lässt sich nicht auf eine ergänzende [X.]uslegung des [X.]rbeitsvertrags stützen.

1. Es ist nachträglich eine Regelungslücke entstanden.

Im kommunalen Bereich wurde der [X.] zum 1. Oktober 2005 durch den [X.] ersetzt, § 2 [X.]bs. 1 TV[X.]-[X.]. [X.]b diesem Zeitpunkt wurden der [X.] und die [X.] zum [X.] nicht mehr weiterentwickelt. Durch die Tarifsukzession ist die zeitdynamisch angelegte Bezugnahme auf eine Änderung der Grundvergütung entsprechend der Grundvergütung der Vergütungsgruppe I [X.] im [X.]rbeitsvertrag zur statischen geworden. Der letzte [X.] Nr. 35 zum [X.] datiert vom 31. Januar 2003. Ihn als Grundlage der Vergütung des [X.] zu betrachten, wäre weder mit dem Wortlaut des § 8 [X.]bs. 1 des [X.]rbeitsvertrags noch dem Zweck einer zeitdynamischen Bezugnahme vereinbar. Es träte eine statische Fortgeltung der bereits heute überholten tariflichen Rechtslage des Jahres 2003 ein ([X.] 16. Dezember 2009 - 5 [X.] 888/08 - Rn. 18 ff., [X.] § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44). Mithin lässt sich ohne Vervollständigung der arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarung nach dem ihr zugrunde liegenden Regelungsplan eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht erzielen (vgl. [X.] 19. Mai 2010 - 4 [X.] 796/08 - Rn. 23; 21. [X.]pril 2009 - 3 [X.] 640/07 - Rn. 33, [X.] Betr[X.]VG § 2 Nr. 60).

2. Die zum 1. Oktober 2005 entstandene nachträgliche Regelungslücke ist zu diesem Zeitpunkt im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen.

a) Bei [X.] hat die ergänzende Vertragsauslegung nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu erfolgen, der am Willen und Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise (und nicht nur der konkret beteiligten Parteien) ausgerichtet sein muss. Die Vertragsergänzung muss deshalb für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Es ist zu fragen, was die Parteien bei einer angemessenen [X.]bwägung ihrer Interessen nach [X.] und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unvollständigkeit ihrer Regelung bekannt gewesen wäre ([X.] 25. [X.]pril 2007 - 5 [X.] 627/06 - Rn. 26, [X.]E 122, 182; 11. Oktober 2006 - 5 [X.] 721/05 - Rn. 34, [X.] BGB § 308 Nr. 6 = Ez[X.] BGB 2002 § 308 Nr. 6).

b) [X.]us der dynamischen [X.]usgestaltung der Änderung der Grundvergütung ergibt sich der Wille der Parteien, die Vergütung nicht in der im [X.]rbeitsvertrag festgehaltenen bestimmten Höhe bis zu einer Vertragsänderung festzuschreiben, sondern sie - dynamisch - an der jeweiligen Höhe der Vergütung eines [X.]ngestellten im öffentlichen Dienst, der in die [X.] der Vergütungsordnung zum [X.] eingruppiert ist, auszurichten. Deshalb hätten die Parteien [X.] für den Fall einer Tarifsukzession eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe vereinbart, die der im [X.]rbeitsvertrag bezeichneten Vergütungsgruppe nachfolgt und ihr entspricht. Ein „Einfrieren“ der Vergütung auf den Zeitpunkt der Tarifsukzession entsprach nicht ihren Interessen.

Die Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum [X.] galt zwar ab dem 1. Oktober 2005 - für neu eingestellte Beschäftigte - nicht fort, die [X.]usgestaltung entsprechender [X.]rbeitsverhältnisse erfolgt außertariflich, § 17 [X.]bs. 2 TV[X.]-[X.]. Zum 30. September 2005 schon Beschäftigte der [X.] der Vergütungsordnung zum [X.] wurden aber in die [X.] 15 [X.] übergeleitet, § 4 [X.]bs. 1 Satz 1 iVm. der [X.]nlage 1 TV[X.]-[X.], § 19 [X.]bs. 2 TV[X.]-[X.]. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Parteien eine Vergütung entsprechend der [X.] 15 [X.] [X.] vereinbart hätten, wenn sie eine Ersetzung der Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum [X.] bedacht hätten. Damit erhält der Kläger genau die Vergütung, die er arbeitsvertraglich vereinbart hat.

3. Mit dem Inkrafttreten des [X.]/[X.] zum 1. [X.]ugust 2006 ist entgegen der [X.]uffassung des [X.] eine (weitere) Regelungslücke nicht entstanden.

a) Der [X.]/[X.] hat zwar, allerdings erst mit Wirkung zum 1. [X.]ugust 2006, den [X.] für die in den Geltungsbereich des [X.]/[X.] fallenden Ärztinnen und Ärzte ersetzt, § 2 [X.]bs. 1 TV[X.]-Ärzte/[X.]. § 8 [X.]bs. 1 des [X.]rbeitsvertrags ist dadurch aber nicht - erneut - lückenhaft geworden. Die von den Parteien gewollte Dynamik der Vergütungsvereinbarung war durch die Schließung der Lücke zum 1. Oktober 2005 durch die [X.]nwendung der [X.] 15 [X.] [X.] erhalten geblieben. Diese ist - jedenfalls bislang - keine „statische“ [X.], ihre Tabellenwerte wurden zum 1. Januar 2008, 1. Januar 2009, 1. Januar 2010 sowie 1. Januar und 1. [X.]ugust 2011 erhöht, § 19 [X.]bs. 2 TV[X.]-[X.] idF des [X.] Nr. 2 vom 31. März 2008 und des [X.] Nr. 5 vom 27. Februar 2010. Zudem gibt es im [X.]/[X.] keine der [X.] der Vergütungsordnung zum [X.] entsprechende [X.]. [X.]uch eine Zuordnung der [X.] der Vergütungsordnung zum [X.] bzw. der [X.] 15 [X.] [X.] zu einer der [X.]n des § 16 [X.]/[X.] erfolgte nicht.

b) Selbst wenn man eine Lücke deshalb annehmen würde, weil die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht bedenken konnten, dass ihnen ab dem 1. [X.]ugust 2006 bei der Vereinbarung der Vergütung zwei die [X.]rbeitsverhältnisse von Ärzten regelnde Tarifwerke (die allerdings beide Chefärzte aus ihrem Geltungsbereich ausgeschlossen haben) zur Verfügung stehen würden (so wohl [X.], 935), ist nicht anzunehmen, dass die Parteien bei einer angemessenen [X.]bwägung ihrer Interessen nach [X.] und Glauben als redliche Vertragsparteien eine Vergütung nach dem [X.]/[X.] vereinbart hätten.

aa) [X.]ls redliche Vertragsparteien hätten die Parteien, wenn sie bei Vertragsschluss bedacht hätten, dass die arbeitsvertraglich in Bezug genommene Vergütungsordnung durch mehrere tarifliche Vergütungssysteme ersetzt werden könnte, eine [X.]nlehnung ihrer Vergütung an das Vergütungssystem gewählt, das der im [X.]rbeitsvertrag benannten „Vergütungsgruppe I [X.] für den kommunalen Bereich“ entspricht oder am nächsten kommt. Eine „[X.]berleitung“ bzw. „Ersetzung“ der Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum [X.] erfolgte nur durch die [X.] 15 [X.] [X.]. Dagegen enthält der [X.]/[X.] überhaupt keine der [X.] der Vergütungsordnung zum [X.] entsprechende [X.] und hat zudem ein gegenüber dem früheren [X.] vollständig neues Eingruppierungssystem für die von ihm erfassten Ärztinnen und Ärzte (also nicht für Chefärzte) geschaffen, §§ 16 ff. [X.]/[X.]. Einer derartigen diskontinuierlichen Ersetzung ihrer Vergütungsabrede hätten redliche Vertragsparteien nicht den Vorzug gegenüber der mit einer Vergütung entsprechend [X.] 15 [X.] [X.] kontinuierlichen Entwicklung gegeben (ähnlich [X.], 2, 5). Es wäre keine angemessene Lösung, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Vergütungsvereinbarung und die Vergütung der Parteien auf ein „neues System“ umzustellen, wenn ein die Kontinuität der bisherigen Vergütungsabrede wahrendes Vergütungssystem zur Verfügung steht. Dass über die von den Parteien gewollte Dynamisierung der Vergütung hinaus der Kläger auch an strukturellen Änderungen der tariflichen Vergütungsregelungen oder an neuen tariflichen Entgeltsystemen für Ärzte, die nicht Chefärzte sind, teilhaben soll, lässt sich dem Regelungsplan des § 8 [X.]rbeitsvertrag nicht entnehmen. Dafür hat der Kläger auch keine durchgreifenden [X.]nhaltspunkte vorgebracht.

bb) Ein anderes [X.]uslegungsergebnis lässt sich nicht damit begründen, der [X.]/[X.] sei der „speziellere“ Tarifvertrag. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dem tatsächlich so ist (verneinend etwa [X.], 935: „tarifrechtlich (…) gleichwertig“). Jedenfalls für Chefärzte ist der [X.]/[X.] schon deshalb nicht „spezieller“, weil er für sie ebenso wie der [X.] nicht gilt, § 1 [X.]bs. 2 [X.]/[X.], und keine Regelungen für die Berufsgruppe der Chefärzte enthält. Zudem handelt es sich bei dem Prinzip der Sachnähe oder Spezialität um eine tarifrechtliche Kollisionsregel, die dazu dient, eine Tarifkonkurrenz aufzulösen (vgl. dazu [X.]/[X.] 10. [X.]ufl. § 4 [X.] Rn. 65 ff. [X.]; [X.] 9. Dezember 2009 - 4 [X.] 190/08 - Rn. 49, [X.], 712). Eine Tarifkonkurrenz kann aber bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag nicht entstehen ([X.] 29. [X.]ugust 2007 - 4 [X.] 767/06 - Rn. 20, [X.]E 124, 34; 27. Januar 2010 - 4 [X.] 549/08 ([X.]) - Rn. 99, [X.], 645). Für die ergänzende Vertragsauslegung ist deshalb das tarifrechtliche Prinzip der Spezialität ohne Belang, sofern sich nicht aus dem Regelungsplan des Vertrags Gegenteiliges ergibt.

cc) Eine Vergütung entsprechend dem [X.]/[X.] hätten die Parteien nach [X.] und Glauben als redliche Vertragsparteien auch nicht deshalb vereinbaren müssen, weil Chefärzte stets mehr verdienen müssten, als ihr in [X.]/[X.] eingruppierter ständiger Vertreter.

Einen allgemeinen Grundsatz, ein Vorgesetzter sei stets höher zu vergüten als seine ihm unterstellten Mitarbeiter, gibt es im [X.]rbeitsrecht ebenso wenig wie ein „[X.]bstandsgebot“ (vgl. für tarifliche Vergütungsregelungen [X.] 17. Dezember 2009 - 6 [X.] 665/08 - [X.], 190). [X.]berdies erzielt ein Chefarzt aufgrund der Einräumung des [X.] als variablen weiteren Vergütungsbestandteil neben der Festvergütung in der Regel ein höheres Einkommen als die ihm unterstellten Ärzte.

IV. Der Kläger hat auch keinen [X.]nspruch auf eine Erhöhung seiner Vergütung um 25,63 % (Hilfsantrag).

Seine Vergütung ist zwar dynamisch in dem Sinne, dass sie entsprechend den tariflichen Erhöhungen der Grundvergütung der [X.] [X.] steigt, § 8 [X.]bs. 1 letzter Satz [X.]rbeitsvertrag. Diese Dynamik bleibt durch die im Wege ergänzender Vertragsauslegung erfolgte [X.]npassung der Vergütungsabrede (Vergütung entsprechend der [X.] 15 [X.] [X.]) erhalten. Inwiefern sich darüber hinaus aus § 8 [X.]bs. 1 letzter Satz des [X.]rbeitsvertrags ein [X.]nspruch auf eine Erhöhung um das prozentuale Verhältnis, in dem die Vergütung nach Vergütungsgruppe [X.] zur Vergütung nach [X.] IV [X.]/[X.] differiert, ist nicht nachzuvollziehen. Die Differenz zwischen der Vergütungsgruppe Ia der Vergütungsordnung zum [X.] und der [X.]/[X.] beruht nicht auf einer tariflichen Vergütungserhöhung, sondern resultiert aus unterschiedlichen Vergütungsordnungen in verschiedenen Tarifverträgen. Möglicherweise meint der Kläger, er müsse gleichbehandelt werden mit einem Leitenden Oberarzt, dem die ständige Vertretung des Chefarztes übertragen worden ist und der früher Vergütung nach Vergütungsgruppe [X.] erhielt, seit dem 1. [X.]ugust 2006 aber in [X.] IV [X.]/[X.] eingruppiert ist bzw. eingruppiert sein kann. Ein [X.]nspruch aufgrund des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes kommt aber schon deshalb nicht in Betracht, weil eine Differenzierung der Beklagten zwischen der Gruppe der Chefärzte und der Gruppe der „sonstigen Ärzte“ bzw. der Gruppe der Leitenden Oberärzte aufgrund von § 1 [X.]bs. 2 [X.]/[X.] sachlich gerechtfertigt wäre.

V. Der Kläger hat gemäß § 97 [X.]bs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

    Spelge    

        

        

        

    Zoller    

        

    Haas    

        

        

Meta

5 AZR 498/09

09.06.2010

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hannover, 18. Juni 2008, Az: 8 Ca 141/08, Urteil

§ 611 Abs 1 BGB, § 133 BGB, § 157 BGB, § 242 BGB, § 305 Abs 1 S 1 BGB, § 1 Abs 1 TVG, Art 3 Abs 1 GG, § 2 Abs 1 S 1 TVÜ-VKA, § 4 Abs 1 S 1 TVÜ-VKA, § 17 Abs 2 TVÜ-VKA, § 19 Abs 2 TVÜ-VKA, Anl 1 Entgeltgr 15Ü TVÜ-VKA, § 16 Buchst d TV-Ärzte/VKA, § 1 Abs 2 TV-Ärzte/VKA, § 51 Abs 1 S 1 TVöD BT-K, § 51 Abs 3 TVöD BT-K, Anl 1a Teil I VergGr I BAT, § 3 Buchst i BAT, § 2 Abs 1 S 1 TVÜ-Ärzte/VKA

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.06.2010, Az. 5 AZR 498/09 (REWIS RS 2010, 6069)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6069

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 AZR 696/09 (Bundesarbeitsgericht)

Kleine dynamische Bezugnahmeklausel - Tarifsukzession - Tarifpluralität - ergänzende Vertragsauslegung - Chefarztvergütung


5 AZR 135/09 (Bundesarbeitsgericht)

Kleine dynamische Bezugnahmeklausel - Tarifsukzession - ergänzende Vertragsauslegung - Chefarztvergütung


5 AZR 384/09 (Bundesarbeitsgericht)

Kleine dynamische Bezugnahmeklausel - Tarifsukzession - Tarifpluralität - ergänzende Vertragsauslegung - Chefarztvergütung


5 AZR 637/09 (Bundesarbeitsgericht)

Kleine dynamische Bezugnahmeklausel - Tarifsukzession - Tarifpluralität - ergänzende Vertragsauslegung - Chefarztvergütung


5 AZR 651/09 (Bundesarbeitsgericht)

Kleine dynamische Bezugnahmeklausel - Tarifsukzession - ergänzende Vertragsauslegung - Chefarztvergütung


Referenzen
Wird zitiert von

5 AZR 112/10

7 Sa 1006/10

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.