Bundessozialgericht, Beschluss vom 08.06.2021, Az. B 13 R 205/20 B

13. Senat | REWIS RS 2021, 5215

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Gegenstand

Sozialgerichtsverfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Wiederholung einer bereits in der ersten Instanz durchgeführten Zeugenvernehmung


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 23. Juni 2020 wird verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Das [X.] hat mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 23.6.2020 einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Witwenrente verneint.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum [X.] eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 14.10.2020 begründet hat.

3

II. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 [X.]G durch Beschluss ohne Zuziehung [X.] als unzulässig zu verwerfen. Die Beschwerdebegründung genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G gebotenen Form. Die Klägerin hat darin die als Zulassungsgrund allein geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G gebotenen Weise bezeichnet.

4

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass iS von § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 1 [X.]G ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, so müssen bei der Bezeichnung des [X.] zunächst die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des Berufungsgerichts ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; zB [X.] Beschluss vom 27.10.2010 - [X.] KR 2/10 B - juris Rd[X.] 5; jüngst [X.] Beschluss vom 9.12.2019 - [X.] R 259/19 B - juris Rd[X.] 4). Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.]G kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Berufungsgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Den daraus abgeleiteten Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

5

Das gilt schon deswegen, weil die Klägerin den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht ausreichend darstellt (vgl zu dieser Darlegungsanforderung [X.] Beschluss vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - [X.] 1500 § 160a [X.] 14 - juris Rd[X.]; s auch [X.] Beschluss vom 10.10.2017 - [X.] R 234/17 B - juris Rd[X.] 5). Ihrem Gesamtvorbringen ist zwar noch zu entnehmen, dass das [X.] den geltenden gemachten Anspruch verneint hat, weil die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten weniger als ein Jahr gedauert habe und die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs 2a [X.], dass alleiniger oder überwiegender Zweck der Eheschließung die Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gewesen sei, nach Überzeugung des [X.] nicht durch den Nachweis besonderer Umstände im Sinne dieser Vorschrift widerlegt werden konnte. Die Klägerin zeigt aber allenfalls bruchstückhaft auf, welche Tatsachen das [X.] insbesondere zu den Umständen der Eheschließung festgestellt hat. Es ist nicht Aufgabe des [X.], sich den maßgeblichen Sachverhalt aus den Akten oder der angegriffenen Entscheidung herauszusuchen ([X.] Beschluss vom 31.5.2017 - B 5 R 358/16 B - juris Rd[X.] 8 mwN; [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] R 309/14 B - juris Rd[X.] f). Aber auch im Übrigen sind die geltend gemachten Verfahrensmängel nicht hinreichend bezeichnet.

6

Die Klägerin rügt einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 103 Abs 1 Halbsatz 1 [X.]G). Sie bringt vor, das [X.] habe zu Unrecht von der Vernehmung weiterer Zeugen abgesehen, die sie im erstinstanzlichen Verfahren benannt habe, die aber auch vom [X.] nicht vernommen worden seien. Die bereits in der Berufungsinstanz anwaltlich vertretene Klägerin legt jedoch nicht dar, insoweit einen ordnungsgemäßen Beweisantrag iS des § 118 Abs 1 Satz 1 [X.]G, § 403 ZPO gestellt und diesen bei Erhalt der Anfrage zu einer Entscheidung ohne mündlichen Verhandlung (§ 124 Abs 4 Satz 2 [X.]G) aufrechterhalten oder neue Beweisanträge gestellt zu haben (vgl zu diesem Darlegungserfordernis allgemein [X.] Beschluss vom [X.] - [X.]a [X.]/06 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 13 Rd[X.] 11 mwN; [X.] Beschluss vom 21.2.2018 - [X.] R 28/17 R, [X.] R 285/17 B - juris Rd[X.] 14 mwN; bezogen auf Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 6/16 B - juris Rd[X.] 4 f mwN; [X.] Beschluss vom 7.2.2017 - [X.] R 389/16 B - juris Rd[X.] 9). Ihr pauschaler Hinweis auf "ihre Beweisangebote erster Instanz" reicht insoweit nicht aus. Zudem macht die Klägerin selbst nicht geltend, bei Abgabe ihrer Einverständniserklärung gegenüber dem [X.] deutlich gemacht zu haben, dass sie weiteren Aufklärungsbedarf sehe.

7

Die Klägerin rügt ferner sinngemäß eine Verletzung der Grenzen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G), indem sie [X.] vorbringt, sie habe im Zeitpunkt der Eheschließung nicht um die Schwere der Erkrankung des Versicherten gewusst; der die Trauung vollziehende Standesbeamte habe mit Schreiben vom 8.7.2020 bestätigt, es habe eine "normale" Trauung stattgefunden und er habe nicht den Eindruck einer besonderen Dringlichkeit der Eheschließung gehabt; das [X.] habe nicht angemessen gewürdigt, dass durchaus ein Dreivierteljahr zwischen Verlobung und Eheschließung vergehen könne und eine Chemotherapie auch bei gutartigen Tumoren angezeigt sein könne, und habe seine Feststellungen insgesamt unter Verstoß gegen Denkgesetze getroffen. Hierauf kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde - anders als die Revision selbst - von vornherein nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.]G). Dass die Klägerin die angegriffene Entscheidung offensichtlich für unzutreffend hält, kann ebenfalls nicht zur Revisionszulassung führen (stRspr; vgl zuletzt etwa [X.] Beschluss vom 24.3.2021 - [X.] R 14/20 B - juris Rd[X.] 13 mwN).

8

Sollte die Klägerin mit ihrem Vorbringen, im Berufungsurteil werde weder das genannte Schreiben des Standesbeamten erwähnt noch darauf eingegangen, dass sie und der Versicherte schon 30 Jahre vor der Heirat gemeinsam gewirtschaftet hätten, zudem einen Verstoß gegen die Begründungspflicht (§ 128 Abs 1 Satz 2 [X.]G iVm § 136 Abs 1 [X.] 6 [X.]G) rügen wollen, wird ebenfalls kein Verfahrensmangel anforderungsgerecht bezeichnet. Ausgehend von ihren Ausführungen hat das [X.] die Umstände der Eheschließung einer Gesamtbetrachtung und Abwägung unterzogen, mithin überhaupt Ausführungen zu diesem für die Klägerin zentralen Punkt gemacht. Entscheidungsgründe fehlen aber nicht bereits dann, wenn die Gründe (vermeintlich) sachlich unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst rechtsfehlerhaft sind (stRspr; vgl etwa [X.] Beschluss vom 25.10.2017 - [X.] KR 18/17 B - juris Rd[X.] 6 mwN).

9

Indem die Klägerin vorbringt, das [X.] stütze sich im Wesentlichen auf die beigezogenen medizinischen Unterlagen, von dessen Inhalt sie erstmals im gerichtlichen Verfahren Kenntnis erlangt habe, legt sie auch keine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG; § 62 [X.]G) anforderungsgerecht dar. Die Klägerin macht gerade nicht geltend, keine Kenntnis von der Beiziehung der Unterlagen gehabt zu haben. Indem sie hervorhebt, erst im Rahmen des Gerichtsverfahrens vom Inhalt dieser Unterlagen und damit vom Ausmaß der Erkrankung des Versicherten erfahren zu haben, wendet sie sich im [X.] wiederum gegen die Beweiswürdigung des [X.]. Hierauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde wie ausgeführt nicht gestützt werden.

Falls die Klägerin mit ihrem Vorbringen, das [X.] habe anders als das [X.] davon abgesehen, sie und eine ihrer Töchter zu befragen bzw als Zeugin zu hören, zudem sinngemäß einen Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 117 [X.]G iVm § 153 Abs 1 [X.]G) rügen will, ist auch ein solcher Verfahrensmangel nicht anforderungsgerecht bezeichnet. Die Wiederholung einer bereits in der ersten Instanz durchgeführten Zeugenvernehmung ist nur ausnahmsweise notwendig, wenn die erste Vernehmung verfahrensrechtlich fehlerhaft war oder wenn das Berufungsgericht von der Würdigung der persönlichen Glaubwürdigkeit durch das Erstgericht abweichen, insbesondere die bejahte Glaubwürdigkeit in Zweifel ziehen, oder eine protokollierte Aussage anders als das Erstgericht verstehen, oder die Aussage des Zeugen hinsichtlich seiner Erinnerungsfähigkeit sowie des Inhalts und der Tragweite seiner Bekundungen anders würdigen will ([X.] Beschluss vom 6.6.1989 - 12 BK 1/89 - [X.] 1750 § 398 [X.] 1, juris Rd[X.] mwN; [X.] Beschluss vom 29.11.2016 - [X.] V 45/16 B - juris Rd[X.] 7; [X.]/[X.]/[X.]/Hartmann, Zivilprozessordnung, 72. Aufl 2014, § 398 Rd[X.] 4 ff; vgl auch [X.] Urteil vom 18.2.1988 - 6 [X.] 24/87 - [X.]E 63, 43 = [X.] 2200 § 368a [X.] 21, juris Rd[X.] 16). Diese Grundsätze gelten entsprechend für die gerichtliche Befragung der Beteiligten ([X.] Urteil vom 28.11.2007 - [X.]1a/7a [X.] 14/07 R - [X.] 4-1500 § 128 [X.] 7 Rd[X.] 11 mwN). Die Klägerin bringt nicht schlüssig vor, dass nach ihrem Dafürhalten einer der genannten Fälle vorgelegen habe. Allein mit dem Vorwurf, das [X.] habe ihre vor dem [X.] getätigte Äußerung sowie diejenige ihrer Tochter aus dem Zusammenhang gerissen, ist noch nicht dargetan, dass das [X.] die Glaubwürdigkeit der Klägerin oder der Zeugin anders beurteilt oder ihren Aussagen einen anderen Inhalt beigemessen habe als das [X.]. Ebenso wenig reicht insoweit das pauschale Vorbringen aus, das [X.] sei vom Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme abgewichen, zumal die Klägerin auch in diesem Zusammenhang nicht ausreichend aufzeigt, welche Tatsachen das [X.] festgestellt habe und inwieweit es dabei von den im erstinstanzlichen Urteil festgestellten Tatsachen abgewichen sei. Schon aus diesem Grund hat die Klägerin auch keine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG; § 62 Halbsatz 1 [X.]G) in Form einer Überraschungsentscheidung dargetan.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 [X.]G.

Meta

B 13 R 205/20 B

08.06.2021

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Darmstadt, 6. Dezember 2016, Az: S 14 R 595/13, Urteil

§ 62 SGG, § 103 Abs 1 SGG, § 117 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 124 SGG, § 128 Abs 1 S 1 SGG, § 128 Abs 1 S 2 SGG, § 136 Abs 1 Nr 6 SGG, § 153 Abs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 08.06.2021, Az. B 13 R 205/20 B (REWIS RS 2021, 5215)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 5215

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