Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.01.2006, Az. VI ZB 46/05

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 5600

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[X.] vom 17. Januar 2006 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO §§ 104, 788 Zur Zuständigkeit des [X.] für die Festsetzung von Kosten einer Abwehr der Zwangsvollstreckung. [X.], Beschluss vom 17. Januar 2006 - [X.]/05 - [X.]

LG Heilbronn - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 17. Januar 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.], [X.] [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zoll beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 8. Zivilsenats des [X.] vom 16. Juni 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zu-rückverwiesen. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 264,39 •
Gründe: [X.] Das [X.] verurteilte die Beklagten als Gesamtschuldner mit Versäumnisurteil vom 21. Januar 2004 zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 30.000 • nebst Zinsen und stellte die weitere Schadensersatzpflicht der Beklagten als Gesamtschuldner fest. Nach rechtzeitigem Einspruch der [X.] gegen das Versäumnisurteil stellte das [X.] mit Beschluss vom 29. Januar 2004 die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil gegen [X.] in Höhe von 35.000 •, die auch durch eine selbstschuldneri-sche Bankbürgschaft erbracht werden konnte, einstweilen ein. Die Beklagten 1 - 3 - erbrachten eine Bankbürgschaft der [X.] in entsprechender Hö-he. Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits stellte das [X.] mit Beschluss vom 3. November 2004 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen eines Vergleichs zwischen den [X.]en fest. Die Beklagten verpflichteten sich in [X.] Vergleich als Gesamtschuldner, an den Kläger 10.000 • zu bezahlen. Zu den Kosten des Rechtsstreits vereinbarten die [X.]en, dass die Beklagten die Kosten ihrer Säumnis tragen; von den übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 7/10, die Beklagten als Gesamtschuldner 3/10. Die Beklagten meldeten die für ihre Bankbürgschaft zur Abwehr der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil entstandenen [X.] in Höhe von 377,70 • zum Kostenfestsetzungsverfahren an. Sie begehren die Festsetzung der [X.] gemäß der im Vergleich vereinbarten Kostenquote in Höhe von 264,39 • nebst Zinsen. Nach [X.] setzte die Rechts-pflegerin des [X.]s H. die vom Kläger an die Beklagten zu erstattenden Kosten fest, berücksichtigte jedoch die [X.] nicht. Gegen diesen am 14. April 2005 zugestellten Beschluss haben die Beklagten am 19. April 2005 Erinnerung eingelegt. 2 Das Beschwerdegericht hat die Eingabe der Beklagten als zulässige [X.] Beschwerde gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO verstanden, sie jedoch zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist den Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten am 21. Juni 2005 zugestellt worden. Mit ihrer durch das Beschwer-degericht zugelassenen Rechtsbeschwerde vom 20. Juli 2005, die sie innerhalb verlängerter Frist am 19. September 2005 begründet haben, verfolgen die [X.] ihren Antrag weiter, die [X.] anteilig als Kosten ihrer Rechtsver-teidigung festzusetzen. 3 - 4 - I[X.] 4 1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die [X.] seien Kosten der Zwangsvollstreckung gemäß § 788 ZPO, für deren Festsetzung das Prozessgericht nicht zuständig sei. Die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erforderlichen Kosten seien ebenso wie die zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung erforderlichen Ko-sten einer Bürgschaft zu den Kosten der Zwangsvollstreckung zu rechnen. Eine Teilung solcher Kosten gemäß der Kostenquote in einem Urteil oder in einem Vergleich sei nicht angemessen. Der Vergleich enthalte keine Vereinbarung über die Kosten der Zwangsvollstreckung. Gemäß § 788 Abs. 3 ZPO seien dem Schuldner die Kosten der Zwangsvollstreckung zu erstatten, wenn und soweit das Urteil, aus dem die Zwangsvollstreckung erfolgt sei, aufgehoben werde. Nach § 788 Abs. 2 ZPO setze das Vollstreckungsgericht die Kosten der Zwangsvollstreckung in ausschließlicher Zuständigkeit fest. Das gelte auch für die Erstattung von Kosten des Schuldners zur Abwehr der [X.]. Hiernach sei das [X.] für die Festsetzung dieser Kosten nicht zuständig gewesen. 2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der statthaften (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässigen (§§ 575, 567, 569 ZPO) Rechtsbeschwerde nicht stand. 5 a) Entstehen einem [X.] Kosten zur Abwendung der Zwangs-vollstreckung aus dem Titel und wird der Titel zu einem späteren Zeitpunkt ganz oder teilweise aufgehoben, stellt sich die Frage, wie sich der Schuldner hin-sichtlich der ihm entstandenen Kosten erholen kann. 6 [X.]) Nach einer Ansicht (vgl. [X.], Rechtspfleger 1983, 498 f.; [X.], [X.] 1986, 109, 110 und [X.] 2004, 128; [X.], 7 - 5 - NJW 1956, 350, 351 und Die Justiz 1979, 432, 433; [X.]/[X.]/ [X.]/[X.], ZPO, 64. Aufl., § 788 Rn. 38), der auch das [X.] folgt, handelt es sich bei den Kosten zur Abwendung der [X.] um Kosten der Zwangsvollstreckung im (weiteren) Sinn des § 788 Abs. 1 ZPO, die dem Schuldner zu erstatten sind, wenn das Urteil, aus dem die Zwangsvollstreckung erfolgt, ganz oder teilweise aufgehoben wird (§ 788 Abs. 3 ZPO). [X.]) Nach anderer Ansicht sind zur Abwehr der Zwangsvollstreckung auf-gewendete Kosten nicht als Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 Abs. 2 ZPO, sondern nach Aufhebung des Vollstreckungstitels als Schaden nach § 717 Abs. 2 und 3 ZPO geltend zu machen (vgl. [X.], [X.] 1985, 778 und [X.], 188; [X.], [X.] 1987, 1083, 1084; [X.], [X.] 1985, 943 f.; [X.], [X.] 1994, 370 und 1999, 272; Mümmler [X.] 1989, 1751 f.; MünchKomm-ZPO/[X.], 2. Aufl., § 788 Rn. 38; Musielak/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 788 Rn. 24; [X.], ZPO 22. Aufl., § 788 Rn. 21; [X.]/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 788 Rn. 5; [X.]/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Aufl., § 46 II[X.] 1. b), [X.]; [X.]/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 788 Rn. 22; [X.]/Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht, S. 618 f.). 8 cc) Schließlich werden die zur Abwehr der Zwangsvollstreckung aufge-wendeten Kosten als Verfahrenskosten im weiteren Sinn angesehen, die wie Kosten des Erkenntnisverfahrens der [X.]ung durch das Prozess-gericht nach § 104 ZPO zugänglich sind (vgl. [X.], [X.] 1996, 430 und NJW-RR 1998, 1455, 1456; [X.], [X.] 1990, 64, 65 f.; [X.], [X.] 2001, 380 f.; [X.], [X.] 1976, 1697, 1698; [X.], 1466 und NJW-RR 2000, 517, 518; [X.], 9 - 6 - [X.] 1984, 140, 141 und [X.], 59, 60; HK-ZPO/[X.], § 788 Rn. 10; [X.]/[X.], ZPO, 27. Aufl., § 788 Rn. 35). 10 b) Die Rechtsbeschwerde, die zur Abwehr der Zwangsvollstreckung ent-standene Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren des [X.] für [X.] hält, hat Erfolg. Zur Festsetzung der Kosten einer Abwehr der Zwangs-vollstreckung ist das Prozessgericht zuständig; der erkennende Senat schließt sich der zuletzt genannten Ansicht an. [X.]) Die Kosten einer Bürgschaft zur Abwendung der [X.] (Avalkosten) sind den Beklagten nicht nach § 344 ZPO als Folge ihrer Säumnis im Termin zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits entstanden, sondern deshalb, weil der Kläger die Zwangsvollstreckung aus dem Titel betrie-ben hat. 11 [X.]) Die Leistungen des Schuldners zur Abwehr der Zwangsvollstreckung werden im Erkenntnisverfahren erbracht. Sie fallen zeitlich während der Dauer des Erkenntnisverfahrens an und sind bei natürlicher Betrachtungsweise Ko-sten des Verfahrens in weiterem Sinn. 12 Die zur Abwehr der Zwangsvollstreckung entstehenden Kosten stellen den wirtschaftlichen [X.] sicher, indem sie möglicherweise irreversible wirtschaftliche Verluste vor Abschluss des Rechtsstreits verhindern. Sie dienen der Rechtsverteidigung während des laufenden Rechtsstreits und sind keine Kosten der Zwangsvollstreckung, sondern Kosten der Rechtsverteidigung. 13 [X.] ist prozessualer Natur und hat seinen Sachgrund unmittelbar in dem zugrunde liegenden Prozessrechtsverhältnis (vgl. Senatsurteil vom 18. [X.] 1973 - [X.] ZR 158/72 - NJW 1974, 693, 694). Der Vorschrift des § 91 14 - 7 - ZPO liegt die allgemeine gesetzgeberische Entscheidung zugrunde, dass die obsiegende [X.] auch die notwendigen Kosten der ihr gegen ein vorläufig vollstreckbares Urteil eröffneten Maßnahmen zur Rechtsverteidigung und damit zur Verteidigung gegen den geltend gemachten Anspruch von dem Unterlege-nen zurückfordern kann. Die Kosten für die Beschaffung einer Sicherheit, mit deren Einsatz eine [X.] die teilweise Vorwegnahme der Rechtskraft einer Ent-scheidung abwehrt, fallen, soweit sie - wie hier - notwendig sind, unter diesen auf das Prozessrechtsverhältnis gestützten Sachgrundsatz. Damit sind sie als ausgleichsfähige Leistung für das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 91, 104 ff. ZPO) geeignet. Eine Festsetzung dieser Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren des [X.] ist zudem prozessökonomisch. 15 cc) Der Senat sieht in § 717 Abs. 2 ZPO kein grundsätzliches Hindernis für die Festsetzung der Kosten nach §§ 103 ff. ZPO. Der Klage nach § 717 Abs. 2 ZPO kommt kein genereller Vorrang zu. Der Gesetzgeber hat bewusst mehrere Wege zur Verfügung gestellt. An dieser Vielfalt hat er mit der Neufas-sung des § 788 Abs. 2 ZPO festgehalten, ohne die - hier nicht einschlägige - Kostenfestsetzung durch das Vollstreckungsgericht von § 717 Abs. 2 ZPO ab-zugrenzen. Für das Kostenfestsetzungsverfahren vor dem Prozessgericht gilt gleiches. 16 [X.]) Schließlich sind die zur Abwehr der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil erforderlichen Kosten keine Kosten, die nach § 788 ZPO vom Vollstreckungsgericht festzusetzen sind. Das Festsetzungsver-fahren gemäß § 788 Abs. 2 ZPO hat seinem Wortlaut entsprechend grundsätz-lich nur solche Kosten zum Gegenstand, die dem Gläubiger durch die Zwangs-vollstreckung erwachsen sind. Hier dagegen geht es um die Erstattung von 17 - 8 - Kosten des Schuldners für die Verteidigung gegen eine Zwangsvollstreckung. Der Gesetzgeber hat die bereits damals bestehenden Meinungsverschiedenhei-ten in Rechtsprechung und Literatur nicht zum Anlass genommen, eine klarstel-lende Zuordnung der Abwehrkosten zu den Kosten der Zwangsvollstreckung in der Neufassung des § 788 ZPO im zweiten Gesetz zur Änderung zwangsvoll-streckungsrechtlicher Vorschriften vom 17. Dezember 1997 ([X.] I, 3039; vgl. [X.]. 13/341 S. 19 f.) vorzusehen. Daher ist im vorliegenden Fall eine [X.] des Vollstreckungsgerichts, die der des [X.] vorginge (§ 802 ZPO), entgegen der Meinung des [X.] nicht eröffnet. 3. Nach allem ist die angefochtene Entscheidung auf die Rechtsbe-schwerde der Beklagten aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung 18 - 9 - an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO), wel-ches nunmehr den [X.] durchzuführen haben wird. [X.] [X.]

Pauge Zoll Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 06.04.2005 - 1 O 253/03 - [X.], Entscheidung vom 16.06.2005 - 8 W 214/05 -

Meta

VI ZB 46/05

17.01.2006

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.01.2006, Az. VI ZB 46/05 (REWIS RS 2006, 5600)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 5600

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