Bundespatentgericht, Beschluss vom 03.07.2014, Az. 30 W (pat) 56/12

30. Senat | REWIS RS 2014, 4304

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "IR LAB (IR-Marke)" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die IR-Marke 944 621

hat der 30. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie der Richterinnen Winter und Uhlmann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die unter der Nummer 944621 international registrierte Marke

Abbildung

2

sucht für die Waren der [X.]

3

"monitors (computer hardware); [X.]; [X.]; cameras (photography); [X.]; [X.]; electric theft prevention installations; solar batteries”

4

um Schutz für die [X.] [X.] nach.

5

Durch Beschlüsse vom 14. Juni 2011 und 6. August 2012, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für [X.] [X.] des [X.] der [X.] den Schutz für folgende Waren wegen fehlender Unterscheidungskraft verweigert:

6

"monitors (computer hardware); [X.]; [X.]; cameras (photography); [X.]; electric theft prevention installations”.

7

Zur Begründung hat sie ausgeführt, die schutzsuchende Marke bestehe aus einer sprach- und werbeüblich gebildeten Kombination der beschreibenden Bestandteile "[X.]" und "[X.]". "[X.]" sei die übliche Abkürzung von Infrarot(technik), "[X.]" sei eine beliebte Abkürzung für "Labor" oder "Laboratorium" und werde nicht nur zur Bezeichnung von Arbeits- und Forschungsstätten für wissenschaftliche Versuche, sondern auch zur Benennung forschungs- und entwicklungsfreudiger Hersteller benutzt. Die Wortkombination werde daher unmittelbar als verkürzter Gesamtbegriff im Sinne von "[X.](atorium)" verstanden. In dieser Bedeutung sei die Wortzusammenstellung auch bereits in Verwendung. Alle von der Zurückweisung erfassten Waren könnten mittels [X.] funktionieren. Der angesprochene Verkehr werde die Wortzusammensetzung deshalb dahingehend verstehen, dass es sich um Waren handele, die aus einem Labor oder einer Entwicklungsstätte kämen, die sich mit der Nutzung von Infrarotstrahlen befasse. Die Grafik des Zeichens vermittle keine Schutzfähigkeit, weil sie sich auf die Verwendung einer in der Werbung gebräuchlichen Schriftart im Fettdruck beschränke.

8

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie führt aus, das schutzsuchende Zeichen sei eine fantasievolle Wortneuschöpfung. Seine Grafik lege es nahe, es als ein Wort und nicht als Zusammenfügung von Abkürzungen wahrzunehmen. Aber auch bei Wahrnehmung der Bestandteile "[X.]" und "[X.]" fehle dem Zeichen nicht die erforderliche Unterscheidungskraft, weil diese Bestandteile keinen deutlich beschreibenden Aussagegehalt aufwiesen. Es handele sich dabei nicht um gebräuchliche Fachabkürzungen, zumal die [X.] nur an englischsprachiges Fachpublikum gerichtet seien. Die Buchstabenfolge "[X.]" könne unterschiedliche Bedeutungen wie "Industrieroboter" oder "Information Retrieval" haben. Auch die [X.] "[X.] [X.]" werde unterschiedlich, etwa für ein Labor für integrierte Rezeptionsforschung oder für eine Software für "Impulse Response Libraries" verwendet. Daher sei zweifelhaft, ob der angesprochene Verkehr mit "[X.]" überhaupt die Abkürzung für "Infrarotstrahlung" verbinde. Auch "[X.]" könne neben "Labor" unzählige andere Bedeutungen haben. Das Verständnis im Sinne eines Hinweises auf ein [X.] als Herstellungsort liege nicht nahe, weil es sich bei den beanspruchten Waren um Massenwaren handele, die nicht in Laboren hergestellt, sondern maschinell gefertigt würden.

9

Die Beschwerdeführerin stellt den Antrag,

1. den Beschluss der Markenstelle für [X.] [X.] vom 14.6.2011 und den Beschluss der Markenstelle für [X.] [X.] vom [X.] aufzuheben und

2. der Marke den Schutz in [X.] für alle beanspruchten Waren zu gewähren.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion einer Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. [X.] [X.], 228 Rn. 33 - [X.] (Vorsprung durch Technik); [X.], 220 Rn. 27 - BioID; [X.], 935 Rn. 8 - [X.]; [X.], 138 Rn. 23 - [X.]; [X.], 850, 854 Rn. 18 - [X.]; [X.] 2004, 39 - City Service). Die Unterscheidungskraft einer Marke ist dabei zum einen in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren oder Durchschnittsempfängern dieser Dienstleistungen zusammensetzen (vgl. [X.] GRUR 2008, 608 - [X.]; [X.] 2004, 99 - Postkantoor; [X.], 411 - [X.]).

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] sind Wortmarken nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen entweder ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann ([X.] GRUR 2005, 417, 418 - [X.]; [X.], 1151, 1152 - marktfrisch) oder wenn es sich um Angaben handelt, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.], 1100 Rn. 23 - [X.]!; [X.], 411 Rn. 9 - [X.]; [X.], 850 Rn. 19 - [X.]; [X.], 465, 468 - Bonus).

Bei der Prüfung ist nach der Rechtsprechung des [X.] von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.] [X.], 1151 - marktfrisch). Allerdings darf die Prüfung dabei nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden, sondern sie muss gründlich und vollständig ausfallen (vgl. [X.] WRP 2003, 735 - Libertel-Orange; a. a. [X.] - Postkantoor).

2. Die schutzsuchende Wort-/Bildmarke erfüllt nach den obengenannten Grundsätzen selbst diese geringen Anforderungen nicht, da sie eine Sachaussage beinhaltet, die sich ausschließlich in der Beschreibung der beanspruchten Waren (vgl. [X.] a. a. [X.] - marktfrisch) erschöpft, und auch ihre Grafik nicht geeignet ist, dem Zeichen Unterscheidungskraft zu vermitteln.

Buchstabenfolgen sind grundsätzlich als betriebliche Herkunftsangabe geeignet. Wenn sie allerdings von den beteiligen Verkehrskreisen als gebräuchliche Abkürzung einer für die beanspruchte Ware oder Dienstleistung beschreibenden Angabe oder mit diesen in engem Bezug stehenden Sachangabe wahrgenommen werden, kann es ihnen an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehlen ([X.], [X.]. 2004, 328, 330 Rdnr. 31 - 34 - [X.]; [X.], 245 - [X.]; Beschluss vom 17. Januar 2013, 30 W (pat) 549/11 - ACB; Beschluss vom 18.10.2012, 30 W (pat) 54/11 - NC).

Die Buchstabenfolge [X.] bildet kein vollständiges Wort und wird als Abkürzung wahrgenommen. Die Abkürzung [X.] steht für "Infrarot" und hat daneben weitere Bedeutungen wie "Internationale Registrierung, Infanterieregiment, Internationaler Rat" ([X.], [X.], 6. Aufl. [X.], [X.] 2011). Im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren der [X.] und der nachfolgenden Buchstabenfolge "[X.]" steht für die durch die beanspruchten Waren angesprochenen Verkehrskreise die Bedeutung "Infrarot" im Vordergrund. Mit dieser Bedeutung wird die Abkürzung im Bereich der Ingenieurwissenschaften verwendet ([X.] Das Abkürzungsbuch für den Ingenieur, 2. Aufl. 1980 S. 172). "Infrarot" bezeichnet in der Physik unsichtbare Wärmestrahlen, die im Lichtspektrum unterhalb des Bereichs der noch sichtbaren Wärmestrahlen liegen ([X.] Deutsches Universalwörterbuch, 4. Aufl. [X.] 2001). [X.] kommt in vielen Bereichen zur Anwendung, wie sich aus den [X.]n des Amtes, aus den im Vorfeld der mündlichen Verhandlung übersandten weiteren [X.]n des Senats und auch aus den von der Beschwerdeführerin selbst überreichten [X.]n ergibt. [X.] sind mit Infrarot-Schnittstellen zur Informationsübertragung ausgestattet, Wärmebildkameras funktionieren mit [X.], entsprechende Aufnahmen können mit Camcordern hergestellt und aufgezeichnet werden. Dabei werden Linsen eingesetzt, die speziell für Infrarotaufnahmen entwickelt wurden. Auch für Diebstahlsicherungen bei Waren, Kraftfahrzeugen, im Bereich der Haustechnik und für zur Warensicherung verwendeten elektronischen Warenetiketten wird [X.] eingesetzt. Bei den entsprechenden [X.] wird die Abkürzung "[X.]" für "Infrarot" häufig verwendet, sodass die Bedeutung der Abkürzung den angesprochenen Verkehrskreisen vertraut ist.

"[X.]" ist die geläufige Abkürzung für "Labor, Laborant oder Laboratorium" ([X.] [X.]; [X.] a. a. [X.] S. 191), also einer "Arbeits-, Forschungsstätte für naturwissenschaftliche, technische oder medizinische Zwecke" ([X.] Universalwörterbuch; BPatG 24 W (pat) 508/11 - [X.]olabs).

In der Bedeutung "Infrarot-Labor" stellt das Zeichen eine Sachangabe für die beanspruchten Waren dar (vgl. 25 W (pat) 69/04 - [X.]). Sie können in einem Infrarot-Labor entwickelt oder auf ihre Funktionsfähigkeit getestet worden sein, was als Qualitätshinweis aufgefasst werden kann. Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass es sich bei den Waren regelmäßig um Massenwaren handele, die industriell und nicht in Laboren gefertigt werden, steht dem nicht entgegen. Zum einen sind von den im Warenverzeichnis enthaltenen Warenbegriffen auch Spezialgeräte umfasst, zum anderen können auch Massenprodukte in Laboren entwickelt oder auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft werden, insbesondere wenn sie wie Kameras, Camcorders und Linsen auch im [X.] angeboten werden oder für betriebliche und wissenschaftliche Zwecke, bzw. wie Diebstahlsicherungen zum Schutz wertvoller Vermögenswerte dienen.

Monitore, Kameras, Camcorder und optische Linsen können zudem als Arbeitsgeräte in einem Infrarot-Labor zum Einsatz kommen. Nach den in der mündlichen Verhandlung überreichten Recherchen des Senats gibt es speziell für die Forschung entwickelte Monitore mit [X.]. [X.] und optische Linsen werden bei Laboruntersuchungen eingesetzt, die Untersuchungsverläufe und -ergebnisse können mittels Camcordern aufgezeichnet werden. Deshalb kann das Zeichen auch als Hinweis auf die Bestimmung dieser Waren für ein Infrarot-Labor verstanden werden.

Der Umstand, dass die Buchstabenfolge für die beanspruchten Waren unterschiedliche beschreibende Bedeutungen haben kann, vermittelt ihr keine Unterscheidungskraft. Eine gewisse begriffliche Unbestimmtheit oder Mehrdeutigkeit kann die markenrechtlich erforderliche Unterscheidungskraft nicht begründen (vgl. [X.] GRUR 2000, 882 - Bücher für eine bessere Welt; a. a. [X.] - [X.]; [X.] GRUR 2004, 192 - [X.]; GRUR 2004, 222 - [X.]; a. a. [X.] - Postkantoor).

Auch die Grafik ist nicht geeignet, der schutzsuchenden Marke das erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft zu verleihen. Grundsätzlich kann einer Wortelemente enthaltenden Bildmarke, unbeschadet der Freihaltebedürftigkeit oder fehlenden Unterscheidungskraft dieser Wortelemente, als Gesamtheit Unterscheidungskraft zugesprochen werden, wenn die grafischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht ([X.] GRUR 1991, 136, 137 - [X.]; [X.], 1153 - anti Kalk; [X.] [X.], 229, 233 Rdnr. 73, 74 - BioID). Dabei vermögen allerdings einfache grafische Gestaltungen oder Verzierungen des [X.], an die sich der Verkehr etwa durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt hat, eine fehlende Unterscheidungskraft der Wörter ebenso wenig aufzuwiegen, wie derartige einfache grafische Gestaltungselemente auch für sich wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht als Marke eingetragen werden können. Es bedarf vielmehr eines auffallenden Hervortretens der grafischen Elemente, um sich dem Verkehr als Herkunftshinweis einzuprägen ([X.] a. a. [X.] 1153, 1154 - anti Kalk; GRUR 2008, 710, 711 Rdnr. 20 - [X.]). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Die Grafik beschränkt sich auf eine werbeübliche Schrift im Blocksatz ohne markante Elemente.

Wegen seines engen Sachbezugs zu den beanspruchten Waren fehlt der schutzsuchenden Marke die Unterscheidungskraft. Ob daneben auch ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] besteht, kann dahinstehen.

Die Beschwerde konnte daher keinen Erfolg haben.

Meta

30 W (pat) 56/12

03.07.2014

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 03.07.2014, Az. 30 W (pat) 56/12 (REWIS RS 2014, 4304)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4304

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