Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.01.2013, Az. XII ZR 35/11

12. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8763

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BUNDESGERICHTSHOF (BGH) MIET- UND WEG-RECHT MIETVERTRAG GESELLSCHAFTSFORMEN

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Gegenstand

Schriftformerfordernis für Mietvertrag: Unterschrift nur eines Gesellschafters einer GbR neben hinzugesetztem Firmenstempel


Leitsatz

Das Hinzusetzen eines (Firmen-)Stempels zu einer Unterschrift des Gesellschafters weist denjenigen, der die Unterschrift geleistet hat, als unterschriftsberechtigt für die Gesellschaft aus. Eine so in den Verkehr gegebene Erklärung erfüllt das Schriftformerfordernis des § 550 BGB (Abgrenzung zu BGH, 4. November 2009, XII ZR 86/07, BGHZ 183, 67 = NJW 2010, 1453).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 30. Zivilsenats des [X.] vom 16. Februar 2011 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 18. Zivilkammer des [X.] vom 25. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) geführte überörtliche Sozietät von Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und Rechtsanwälten, mietete von der Rechtsvorgängerin der Beklagten Kanzleiräume mit Wirkung vom 1. August 2002. In dem schriftlich abgefassten Mietvertrag vom 9. August 2002, der eine feste Laufzeit von zehn Jahren vorsah, ist als Mieter die "[X.] Wirtschaftsprüfer Steuerberater Rechtsanwälte GbR, [X.] 16,      E.    " bezeichnet; einzelne Gesellschafter sind nicht aufgeführt. Unterschrieben ist der Mietvertrag auf [X.] nur von dem Gesellschafter B. Der Unterschrift beigefügt ist ein Stempelabdruck der "[X.] Wirtschaftsprüfer Steuerberater Rechtsanwälte GbR, [X.] 16,      E.    ". Auf dieselbe Weise unterschrieben und stempelten die Vertragsparteien am selben Tag einen "Nachtrag 1 zum [X.]", mit dem sie nähere Einzelheiten über den Austausch von Fußböden sowie die Mietfreiheit einer Vorabnutzung der Räumlichkeiten im Juli 2002 regelten. Vor Ablauf der Zehnjahresfrist kündigte die Klägerin den Mietvertrag mit Schreiben vom 15. September 2009, welches von sämtlichen 15 Gesellschaftern der Klägerin unterzeichnet war, zum 31. März 2010.

2

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass das Mietverhältnis zum 31. März 2010 beendet sei. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] die Beendigung des Mietverhältnisses zum 31. März 2010 festgestellt. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe

3

Die zulässige Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I.

4

Das [X.] hat zur Begründung seiner in [X.], 584 veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Die Kündigungserklärung sei der Beklagten wirksam zugegangen. Dass die Kündigung entgegen den mietvertraglichen Bestimmungen nicht per Einschreiben, sondern per Kurier übermittelt worden sei, stelle ihre Wirksamkeit nicht in Frage. Die mietvertraglich vorgesehene Versendung per Einschreibebrief solle nur den Zugang der Kündigungserklärung sichern, welcher jedoch auch in anderer Weise als durch einen Einschreibebrief wirksam erfolgen könne.

5

Die Kündigung sei auch materiell-rechtlich wirksam, da der auf [X.] beabsichtigte Mietvertrag wegen Nichteinhaltung der Schriftform gemäß §§ 578 Abs. 1, 550 BGB als für unbestimmte Zeit geschlossen gelte und daher vorzeitig durch ordentliche Kündigung vom 15. September 2009 habe beendet werden können. Der Unterschrift des [X.]ers [X.] der Klägerin könne nicht entnommen werden, dass er den [X.] auch für die weiteren [X.]er der Klägerin mit unterzeichnet habe. Zwar sei aufgrund des Stempelabdrucks in Verbindung mit dem Rubrum des [X.] unzweifelhaft erkennbar, dass [X.] jedenfalls nicht für sich, sondern für die GbR gehandelt habe. Der [X.] ergebe jedoch nicht hinreichend zuverlässig eine Vertretung der übrigen, an unterschiedlichen Standorten tätigen [X.]er. Für einen potenziellen Erwerber könne deshalb der Eindruck entstehen, dass die Urkunde unvollständig sei und es zur Wirksamkeit des [X.]es noch weiterer Unterschriften bedürfe.

6

[X.] verstoße auch nicht gegen [X.] und Glauben. Auf die fehlende Schriftform dürfe sich jede [X.]spartei auch noch Jahre nach Abschluss des [X.]es berufen, auch wenn sie selbst ohne schuldhaftes Handeln objektiv den Schriftformmangel herbeigeführt habe. Die Beklagte könne auch nicht die Nachholung der Schriftform verlangen. Ein solcher Anspruch ergebe sich insbesondere nicht aus der vereinbarten salvatorischen Klausel, wonach unwirksame [X.]sbestimmungen sinngemäß durch solche zu ersetzen seien, die dem Sinn und der wirtschaftlichen Bedeutung nach Möglichkeit nahe kommen. Auch führe die vorzeitige Beendigung des [X.]es nicht zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis.

II.

7

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

8

1. Nicht zu beanstanden ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, dass die im Mietvertrag enthaltene Klausel, wonach die Kündigung "schriftlich - per Einschreiben - erfolgen" muss, kein Wirksamkeitserfordernis für eine Kündigung darstellt. Die Klausel beinhaltet die Abrede der Schriftform für die Kündigungserklärung und zusätzlich die Vereinbarung der besonderen Übersendungsart durch einen eingeschriebenen Brief. Bei einer solchen Klausel hat die Schriftform konstitutive Bedeutung im Sinne von § 125 Satz 2 BGB, während die Versendung als Einschreibebrief nur den Zugang der Kündigungserklärung sichern soll. Deswegen ist bei einer solchen Klausel regelmäßig nur die Schriftform als Wirksamkeitserfordernis für die Kündigungserklärung vereinbart, dagegen kann ihr Zugang auch in anderer Weise als durch einen Einschreibebrief wirksam erfolgen (Senatsurteil vom 21. Januar 2004 - [X.]/00 - NJW 2004, 1320 mwN).

9

Diesen Anforderungen hat die von der Klägerin ausgesprochene schriftliche Kündigung genügt, welche der Beklagten per Kurier zugegangen ist. Das Berufungsgericht hat in der Vereinbarung der Parteien keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass diese darüber hinaus - abweichend von der genannten Rechtsprechung - eine besondere Zugangsart als Wirksamkeitserfordernis der Kündigung vereinbart hätten. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

2. Ebenfalls im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass das Schriftformerfordernis des § 550 BGB nicht erfüllt ist, wenn der für die [X.] nur von einem einzelnen [X.]er unterzeichnet ist. Für die Einhaltung der Schriftform ist es nämlich erforderlich, dass alle [X.]sparteien die [X.]surkunde unterzeichnen. Nur dann ergibt sich aus der Urkunde, dass ein [X.] mit diesem Inhalt zustande gekommen ist. Unterzeichnet für eine [X.]spartei ein Vertreter den Mietvertrag, muss dies in der Urkunde durch einen das Vertretungsverhältnis anzeigenden Zusatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen. Ohne einen solchen Zusatz wäre nämlich nicht auszuschließen, dass die Unterschriften der übrigen [X.]er noch fehlen (Senatsurteil [X.], 175, 179 = NJW 1994, 1649, 1650; vom 11. September 2002 - [X.]/00 - NJW 2002, 3389, 3390 ff. und [X.], 301 = NJW 2008, 2178 Rn. 25 f. mwN).

3. Ein Vertretungsverhältnis für die [X.] wird jedoch bereits durch den der Unterschrift beigefügten Stempelabdruck angezeigt, ohne dass es dazu weiterer Unterschriften der übrigen geschäftsführenden [X.]er bedurft hätte.

a) Der Abschluss eines schriftlichen [X.] mit Wirkung für die GbR setzt nicht dessen Unterzeichnung durch sämtliche geschäftsführenden [X.]er voraus. Vielmehr kann sich die [X.] gemäß § 164 BGB durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Erklärung des Bevollmächtigten ist wirksam im Namen der [X.] abgegeben, wenn sie mit einem das Vertretungsverhältnis anzeigenden Zusatz versehen ist. Eine so abgegebene Erklärung genügt auch der Schriftform. Denn sie erweckt - anders als die nur von einem einzelnen [X.]er ohne Vertretungszusatz abgegebene Erklärung - nicht den äußeren Anschein, es könnten noch weitere Unterschriften fehlen.

b) Zwar hat der Senat entschieden, dass wenn eines der zur gemeinschaftlichen Vertretung berufenen [X.]er der [X.] den [X.] unterzeichnet, die Schriftform des § 550 BGB nur gewahrt ist, wenn auch die übrigen [X.]er unterzeichnen oder die Unterschrift den Hinweis enthält, dass das unterzeichnende [X.] auch diejenigen [X.]er vertreten will, die nicht unterzeichnet haben (Senatsurteile [X.], 67 = NJW 2010, 1453; vom 16. Juli 2003 - [X.]/02 - NJW 2003, 3053, 3054 und vom 11. September 2002 - [X.]/00 - NJW 2002, 3389, 3390 ff.). Dies gilt aber nur, wenn dem Erscheinungsbild der Urkunde nach die Unterschrift des Unterzeichners in seiner Eigenschaft als Mitglied des mehrgliedrigen Organs abgegeben ist. Nur dann erweckt die Urkunde den Anschein, es könnten noch weitere Unterschriften, nämlich diejenigen der übrigen [X.]er, fehlen.

Anders liegt der Fall, wenn dem Erscheinungsbild der Urkunde nach der Unterzeichner für sich allein die Berechtigung zum Abschluss des fraglichen Rechtsgeschäfts in Anspruch nimmt und dies durch einen die alleinige Vertretung der [X.] anzeigenden Zusatz kenntlich macht. Ein solcher Zusatz liegt in der Verwendung des vom Geschäftsinhaber autorisierten Firmen- oder [X.]. Das Hinzusetzen eines Stempels zu einer Unterschrift weist denjenigen, der die Unterschrift geleistet hat, als unterschriftsberechtigt für den Stempelaussteller aus. Denn der Geschäftsverkehr misst dem Firmen- oder [X.] eine Legitimationswirkung bei. Die Abgabe einer unterschriebenen und mit Stempelzusatz abgeschlossenen Erklärung dokumentiert im Hinblick auf die insoweit relevante äußere Form, mit der geleisteten Unterschrift hinsichtlich dieses Geschäfts zur alleinigen Vertretung der [X.] berechtigt zu sein und in diesem Sinne handeln zu wollen. Eine so in den Verkehr gegebene Erklärung wirft keinen Zweifel an ihrer Vollständigkeit auf. Daher erfüllt sie die Schriftform (vgl. bereits OLG [X.] 2005, 5). Lautet der Stempelabdruck nur auf eine von mehreren Betriebsstätten (hier: [X.]) des [X.], bezieht sich die Legitimationswirkung jedenfalls auf die für diese Betriebsstätte vorgenommenen Geschäfte.

Ob die mit Stempelzusatz geleistete Unterschrift von einer sie tragenden Vertretungsmacht gedeckt war, ist keine Frage der Einhaltung der Schriftform, sondern der Bindungswirkung gegenüber dem Vertretenen (vgl. Senatsurteil [X.]Z 160, 97, 104 f. = NJW 2004, 2962, 2964). Zweifel diesbezüglich bestehen hier nicht, denn der [X.]er [X.] besaß unstreitig Vollmacht der [X.] zum Abschluss des [X.]. Daher war der Mietvertrag wirksam unter Einhaltung der Schriftform geschlossen.

4. Die Einhaltung der Schriftform wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass etwa der Mietgegenstand nicht ausreichend bestimmbar sei, indem mit den Geschäftsräumen zugleich "24 Parkplätze befestigt am Eingangsbereich" und "2 Parkplätze unbefestigt am [X.]" vermietet wurden, ohne dass deren genaue Lage aus dem Mietvertrag und seinen Anlagen erkennbar wäre. Die gewählte [X.]sformulierung gewährt dem Vermieter ein Leistungsbestimmungsrecht, dem Mieter nach billigem Ermessen 24 der befestigten Parkplätze am Eingangsbereich und zwei der unbefestigten Parkplätze am [X.] zur Nutzung zuzuweisen (§ 315 Abs. 1 BGB; vgl. [X.] Urteil vom 12. März 2008 - [X.] - [X.], 362 Rn. 20 f.).

5. Der "Nachtrag 1 zum [X.] vom 9. August 2002" wahrt die [X.] mit dem Hauptvertrag, weil er auf diesen Bezug nimmt, von beiden Parteien wirksam unterzeichnet wurde und im Übrigen erkennen lässt, bis auf die vereinbarte Ergänzung solle es bei dem verbleiben, was im Hauptvertrag beurkundet worden sei (vgl. Senatsurteile vom 24. April 2009 - [X.] - NJW 2009, 2195 Rn. 22 ff. und vom 5. Juli 2000 - [X.] - [X.], 907, 908).

6. Schließlich steht der Einhaltung der Schriftform nicht entgegen, dass der Klägerin durch späteren gesonderten Schriftwechsel mit der Hausverwaltung der Rechtsvorgängerin der Beklagten erlaubt wurde, eine Teilfläche der angemieteten Geschäftsräume an einen Versicherungsmakler unterzuvermieten.

Zwar wird vertreten, dass die Erlaubnis zur Untervermietung eine Erweiterung des Mietgebrauchs bewirke und sie deshalb in [X.] mit dem Mietvertrag erklärt werden müsse, um das Schriftformerfordernis zu wahren (zum [X.] vgl. [X.] Mietrecht 10. Aufl. § 540 BGB Rn. 42 mwN). Dies braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden. Denn bereits nach den Regelungen des [X.] war der Mieter zur Untervermietung nach vorheriger schriftlicher Erlaubnis der Vermieterin berechtigt; der Vermieter durfte die Zustimmung nur aus wichtigem Grund verweigern. Bei dieser [X.]sgestaltung bedeutet die nachfolgend ausgesprochene Erlaubnis keine Erweiterung des eingeräumten Mietgebrauchs, sondern lediglich die Erfüllung eines darauf gerichteten, vertraglich begründeten Rechtsanspruchs des Mieters. Für die Erfüllung der [X.]spflicht durch Erteilung der geschuldeten Erlaubnis bedarf es keiner [X.] mit dem Mietvertrag.

Dose                           [X.]

              Schilling                                      [X.]

Meta

XII ZR 35/11

23.01.2013

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 16. Februar 2011, Az: I-30 U 53/10, Urteil

§ 540 BGB, § 550 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.01.2013, Az. XII ZR 35/11 (REWIS RS 2013, 8763)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8763

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