Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2009, Az. I ZR 91/06

I. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 330

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[X.] DES VOLKES URTEIL I ZR 91/06 Verkündet am: 2. Dezember 2009 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 2. Dezember 2009 durch [X.] [X.] und [X.], Dr. Schaffert, [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der [X.]n wird das [X.]eil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 28. April 2006 aufgehoben. Auf die Berufung der [X.]n wird das [X.]eil der 31. Zivil-kammer des [X.] vom 6. Oktober 2005 im Kosten-punkt und insoweit abgeändert, als zum Nachteil der [X.]n er-kannt worden ist. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Klägerin richtet in [X.] mit behördlicher Erlaubnis unter anderem die Sportwette [X.] aus. Sie nimmt die [X.]n wegen ihrer Ansicht nach rechtswidrig veranstalteter Glücksspiele in Anspruch. 1 Die [X.] zu 1, deren Geschäftsführer der [X.] zu 2 ist, betreibt als "[X.]" in [X.] eine Annahmestelle für Sportwetten der [X.] GmbH mit Sitz in [X.]. Die [X.]n machen geltend, die [X.] GmbH sei Inhaberin einer entsprechenden [X.] Erlaubnis. Weder 2 - 3 - die [X.] GmbH noch die [X.] zu 1 verfügen über eine Erlaubnis deut-scher Behörden für die Veranstaltung von Glücksspielen. 3 Die Klägerin ist der Ansicht, die [X.]n verstießen durch die Wett-vermittlung an die [X.] GmbH gegen § 284 StGB und verhielten sich damit wettbewerbswidrig. Mit ihrer im März 2005 erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt, die [X.]n unter Androhung von [X.] zu verurteilen, es zu unter-lassen, wie nachstehend wiedergegeben in der [X.] Sportwetten zu bewerben und/oder anzubieten (es folgt die Wiedergabe einer 15seitigen [X.] 17/2005 - gültig bis 3. März 2005 - mit Spielmöglichkeiten, die im Geschäftslokal der [X.]n zu 1 ausgelegt war, sowie einer Spielquittung vom 28. Februar 2005 über eine für die [X.] GmbH vermittelte Wette). Ferner hat die Klägerin Auskunftserteilung und Feststellung der Scha-densersatzpflicht der [X.]n begehrt. 4 Das [X.] hat den Feststellungsanspruch auf die [X.] ab der [X.] festgestellten Verletzungshandlung begrenzt und die [X.]n im Übrigen antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Berufung der [X.]n mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es die Verurteilung nach den Neben-ansprüchen auf Wetteinsätze beschränkt hat, die von Teilnehmern mit Wohnsitz in [X.] erzielt worden sind. 5 Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die [X.]n ihr Klageabweisungsbegehren weiter. 6 - 4 - Entscheidungsgründe: 7 [X.] Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden die gel-tend gemachten Ansprüche aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 284 Abs. 1 und 4 StGB, § 1 [X.] [X.] zu. Zur Begründung hat es ausgeführt: 8 Das Verhalten der [X.]n sei wettbewerbswidrig i.S. von § 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 284 StGB. Die [X.] zu 1 als Betreiberin der [X.] veranstalte mittäterschaftlich mit der [X.] GmbH Sportwetten, ohne über eine entsprechende [X.] behördliche Genehmigung zu verfügen. Der [X.] zu 2 hafte dafür als Geschäftsführer der [X.]n zu 1. Es komme nicht darauf an, ob der [X.] GmbH in [X.] eine Erlaubnis zur [X.] von Sportwetten erteilt worden sei. I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage. Dem Kläger steht gegen die [X.]n - auf der Grundlage des hier maßgeblichen Sachverhalts - kein Anspruch auf Unterlassung nach § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 284 Abs. 1 und 4 StGB, § 1 [X.] [X.], § 3 Abs. 2 Glücksspiel-Staatsvertrag AG [X.] zu. 9 1. Die Frage, ob die Klägerin die begehrte Unterlassung beanspruchen kann, ist nach dem zum [X.]punkt der Entscheidung geltenden Recht zu beur-teilen ([X.], 329, 336 - Tele-Info-CD; 175, 238 [X.]. 14 - [X.], m.w.N.), also nach den Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in der 2008 geänderten Fassung ([X.] I, [X.]) i.V. mit § 284 StGB und den Vorschriften für das Angebot und die Durchführung von Sport-wetten in der gegenwärtig geltenden Fassung. Soweit der [X.] auf Wiederholungsgefahr gestützt ist, besteht er allerdings nur, wenn 10 - 5 - das beanstandete Verhalten auch schon zur [X.] seiner Begehung wettbe-werbswidrig war (st. Rspr.; vgl. [X.], [X.]. v. [X.] - I ZR 96/02, [X.], 442 = [X.], 474 - Direkt ab Werk; [X.]. v. 28.6.2007 - I ZR 153/04, [X.], 186 [X.]. 17 = [X.], 220 - Telefonaktion). Nichts anderes gilt für den Fall der Erstbegehungsgefahr, wenn sie auf einem Verhalten unter der Geltung früheren Rechts beruht (vgl. [X.]Z 173, 188 [X.]. 18 - Jugendgefähr-dende Medien bei [X.]). Im Streitfall ist insofern auf das Gesetz gegen den un-lauteren Wettbewerb in der bis 2008 geltenden Fassung sowie auf die für Sportwetten geltende Rechtslage im [X.]punkt der Vornahme der [X.] (Angebot von Sportwetten im März 2005) abzustellen. Die für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG hat durch die Umsetzung der Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken keine Änderung erfahren. Der Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG steht im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass diese Richtlinie, die die vollständige Harmonisierung der verbraucher-schützenden Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftsprakti-ken bezweckt, keinen vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt. Denn sie lässt - vorbehaltlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht - nationale Vorschriften unberührt, die sich auf Glücksspiele beziehen (Erwägungsgrund 9 der Richtlinie 2005/29/[X.]; vgl. [X.] in [X.]/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 4 Rdn. 11.6c). Hinsichtlich der die Durchführung von Sportwetten regelnden [X.] ist eine etwaige Änderung der Rechtslage durch das Sportwetten-[X.]eil des [X.] (1 BvR 1054/01, [X.] 115, 276 = [X.], 688 = [X.], 562) zu beachten. 11 2. Die Klägerin hat als konkrete Verletzungshandlung allein die in den Klageantrag aufgenommene, bei der [X.]n zu 1 ausgelegte und bis 3. März 2005 gültige [X.] 17/2005 nebst Spielquittung vom 28. Februar 2005 12 - 6 - vorgetragen. Das Verhalten der [X.]n nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 31. März 2006, dem für die Beurtei-lung der Begehungsgefahr maßgeblichen [X.]punkt, konnte von vornherein nicht berücksichtigt werden (§ 296a ZPO). Auf Verletzungshandlungen der [X.] zwischen dem Sportwetten-[X.]eil des [X.] vom 28. März 2006 und dem 31. März 2006 hat sich die Klägerin nicht berufen. Ausweislich des [X.] haben die [X.]n in der Verhandlung am 31. März 2006 vor dem Berufungsgericht geltend gemacht, dass die [X.] ihr [X.] veräußert und die [X.] zurückgegeben habe. Die Klägerin hat das nicht bestritten. Die Grundsätze zur Berücksichtigung unstreitigen Vorbringens in der Re-visionsinstanz (vgl. [X.]Z 139, 214, 221; [X.], [X.]. v. 21.11.2001 - [X.], NJW 2002, 1130, 1131) haben keinen Einfluss auf den maß-geblichen Beurteilungszeitpunkt. Zudem haben die [X.]n die von der Klä-gerin erstmals in der Verhandlung vor dem Senat behauptete Fortführung des [X.] bestritten. 13 3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die [X.] zu 1 durch die beanstandete Verletzungshandlung ([X.] im Februar/März 2005) keine unlautere Wettbewerbshandlung i.S. von §§ 3, 4 Nr. 11 UWG be-gangen, weil die im [X.]punkt der Vornahme der Verletzungshandlung in [X.] geltenden Regelungen über die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung von öffentlichen Glücksspielen gegen nationales Verfassungs-recht und gegen Gemeinschaftsrecht verstießen. Das in [X.] und den anderen [X.]n Bundesländern errichtete staatliche [X.] griff in seiner gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltung in dem im Streitfall maßgeblichen [X.]raum unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit privater Wettan-bieter ein und war deshalb mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. Zugleich lag [X.] - 7 - in eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art. 43 und 49 [X.]. Dies hat der [X.] bereits für die Rechtslage in [X.] entschieden und ausführlich [X.] ([X.]Z 175, 238 [X.]. 15 ff. - [X.]). Für [X.] gilt nichts anderes (vgl. [X.], [X.]. [X.] - 1 BvR 2677/04, [X.], 1646 [X.]. 16; [X.]Z 175, 238 [X.]. 27 - [X.]). Der Streitfall gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung sogenannter "Altfälle", also vor der Entscheidung des [X.] vom 28. März 2006 begangener Verletzungshandlungen. Vor dieser Entscheidung begangene Handlungen der privaten Vermitt-lung und Veranstaltung von Sportwetten sind schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht strafbar, auch wenn sie den Tatbestand des § 284 StGB erfüllen ([X.], [X.]. v. 16.8.2007 - 4 StR 62/07, [X.], 1363 [X.]. 12, 20 ff.). Die Un-anwendbarkeit des § 284 StGB führt dazu, dass ein entsprechendes Verhalten kein nach den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG unzulässiges Handeln im Wettbewerb dar-stellt. Auf besondere Umstände, die das Angebot oder die Durchführung von Sportwetten seitens der [X.]n zu 1 unlauter erscheinen ließen, wie Irrefüh-rung oder unangemessene unsachliche Einflussnahme, hat die Klägerin nicht abgestellt. Sie beanstandet das Verhalten der [X.]n zu 1 vielmehr allein wegen des Fehlens einer ([X.]n) behördlichen Genehmigung (vgl. [X.]Z 175, 238 [X.]. 22 - [X.]). 15 Kann die von der Klägerin beanstandete Verletzungshandlung der [X.] zu 1 ([X.] im Februar/März 2005) nicht als Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 284 StGB angesehen werden, so scheidet ein auf dieses Verhalten unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch der Klägerin aus. Dieser Beurteilung steht - wie der Senat gleichfalls bereits entschieden hat ([X.]Z 175, 238 [X.]. 25 - [X.]) - 16 - 8 - nicht entgegen, dass das [X.] die gesetzliche Regelung des staatlichen [X.]s in [X.] für verfassungswidrig, nicht aber für nichtig erklärt hat ([X.] 115, 276 [X.]. 146). 17 4. Die Revision der Klägerin kann sich auch nicht auf Erstbegehungsge-fahr stützen. Die Klägerin hat ihr Unterlassungsbegehren bisher nur mit [X.] begründet. Sie hat in der Tatsacheninstanz keinen Sachver-halt vorgetragen, aus dem sich ergäbe, dass die [X.] zu 1 den [X.] Wettbetrieb in einer [X.] fortgesetzt hätte, in der die Rechtslage in der Weise geklärt gewesen wäre, dass eine Fortsetzung gegen geltendes Recht verstößt. Da eine solche Klärung jedenfalls mit dem Inkrafttreten des [X.] am 1. Januar 2008 eingetreten ist, könnte nur eine Fortset-zung des Wettbetriebs nach diesem [X.]punkt eine auch heute noch bestehen-de Begehungsgefahr begründen. Einen entsprechenden Vortrag konnte die Klägerin naturgemäß vor Schluss der mündlichen Verhandlung in der [X.] am 31. März 2006 nicht halten. 5. Aus der Verfassungs- und Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der zum [X.]punkt der Verletzungshandlung geltenden Gesetzeslage folgt, dass der Klä-gerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die [X.]n nicht zusteht und die auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatz-pflicht der [X.]n gerichteten Anträge ebenfalls unbegründet sind. 18 - 9 - II[X.] [X.] beruht auf § 91 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. 19 Bornkamm Büscher Schaffert
Bergmann [X.] Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom 06.10.2005 - 31 O 206/05 - OLG [X.], Entscheidung vom 28.04.2006 - 6 U 187/05 -

Meta

I ZR 91/06

02.12.2009

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2009, Az. I ZR 91/06 (REWIS RS 2009, 330)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 330

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1 BvR 1054/01

6 U 187/05

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