Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2009, Az. I ZR 77/06

I. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 319

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] DES VOLKES URTEIL I ZR 77/06 Verkündet am: 2. Dezember 2009 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 2. Dezember 2009 durch [X.] [X.] und [X.], Dr. Schaffert, [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der [X.]n zu 1 bis 3 wird das [X.]eil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 21. April 2006 aufgehoben. Auf die Berufung der [X.]n zu 1 bis 3 wird das [X.]eil der [X.] für Handelssachen des [X.] vom 14. Juli 2005 im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als zum Nachteil der [X.]n zu 1 bis 3 erkannt worden ist. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Von Rechts wegen Tatbestand:Die Klägerin richtet in [X.] mit behördlicher Erlaubnis unter anderem die Sportwette [X.] aus. Sie nimmt die [X.]n wegen ihrer Ansicht nach rechtswidrig veranstalteter Glücksspiele in Anspruch. 1 Die [X.] zu 1, deren Geschäftsführer der [X.] zu 2 ist, ist eine Gesellschaft zypriotischen Rechts mit Sitz in [X.], die gewerbsmäßig Sport-wetten anbot. Die in [X.] ansässige [X.] zu 3 ist die [X.] - 3 - schaft der [X.]n zu 1; sie betreibt die Website www.interwetten.com, auf der Wetten der [X.]n zu 1 angeboten werden. Keiner der [X.]n verfügt über eine Erlaubnis [X.] Behörden für die Veranstaltung von Sportwetten. 3 Die Klägerin ist der Ansicht, die [X.]n verstießen durch das Angebot von Sportwetten unter "www.interwetten.com" gegen § 284 StGB und verhielten sich damit wettbewerbswidrig. Mit ihrer im September 2004 erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt, die [X.]n unter Androhung von [X.] zu verurteilen, es zu unter-lassen, wie nachfolgend wiedergegeben in der [X.] Sportwetten zu veranstalten oder zu bewerben oder zu vermitteln oder Anträge zur Beteiligung an solchen Sportwetten entgegenzunehmen (es folgt die Wiedergabe von vier Bildschirmseiten, die unter www.interwetten.com aufrufbar waren). Ferner hat die Klägerin Auskunftserteilung und Feststellung der Scha-densersatzpflicht der [X.]n begehrt. 4 Das [X.] hat die Folgeansprüche zeitlich auf den [X.]punkt der Rechtshängigkeit begrenzt und die [X.]n im Übrigen antragsgemäß [X.]. Das Berufungsgericht ([X.] ZUM 2006, 648) hat die Berufung der [X.]n mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es die [X.] nach dem in der Berufungsinstanz gestellten Antrag der Klägerin verurteilt hat, 5 es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des [X.] wie nachfolgend wiedergegeben in der [X.] ohne [X.] Erlaubnis Sportwetten anzubieten und/oder zu bewerben (es folgen die im [X.]eil erster Instanz wiedergegebenen vier Bildschirmseiten, die unter www.interwetten.com aufrufbar waren). Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die [X.]n ihr Klageabweisungsbegehren weiter. 6 - 4 - Entscheidungsgründe: 7 [X.] Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden die gel-tend gemachten Ansprüche aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 284 Abs. 1 und 4 StGB, § 1 [X.] [X.] zu. Zur Begründung hat es ausgeführt: 8 Das Verhalten der [X.]n sei wettbewerbswidrig i.S. von §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 284 StGB, weil sie als Mittäter gemeinschaftlich im [X.] Sportwetten veranstalteten, ohne über eine entsprechende [X.] be-hördliche Genehmigung zu verfügen. Auch die [X.] zu 3 sei Mittäter, weil sie die Internet-Domain www.interwetten.com zur Verfügung stelle und im [X.] zu der [X.]n zu 1 bestimmte mit der Durchführung der Sportwetten zusammenhängende Dienstleistungen erbringe. Darauf, ob einem der [X.]n in [X.] oder [X.] eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten erteilt worden sei, komme es nicht an. I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage. Dem Kläger steht gegen die [X.]n - auf der Grundlage des hier maßgeblichen Sachverhalts - kein Anspruch auf Unterlassung nach § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 284 Abs. 1 und 4 StGB, § 1 [X.] [X.], § 3 Abs. 2 Glücksspiel-Staatsvertrag AG [X.] zu. 9 1. Die Frage, ob die Klägerin die begehrte Unterlassung beanspruchen kann, ist nach dem zum [X.]punkt der Entscheidung geltenden Recht zu beur-teilen ([X.], 329, 336 - Tele-Info-CD; 175, 238 [X.]. 14 - [X.], m.w.N.), also nach den Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in der 2008 geänderten Fassung ([X.] I, [X.]) i.V. mit § 284 StGB und den Vorschriften für das Angebot und die Durchführung von [X.] - 5 - wetten in der gegenwärtig geltenden Fassung. Soweit der [X.] auf Wiederholungsgefahr gestützt ist, besteht er allerdings nur, wenn das beanstandete Verhalten auch schon zur [X.] seiner Begehung wettbe-werbswidrig war (st. Rspr.; vgl. [X.], [X.]. v. [X.] - I ZR 96/02, [X.], 442 = [X.], 474 - Direkt ab Werk; [X.]. v. 28.6.2007 - I ZR 153/04, [X.], 186 [X.]. 17 = [X.], 220 - Telefonaktion). Nichts anderes gilt für den Fall der Erstbegehungsgefahr, wenn sie auf einem Verhalten unter der Geltung früheren Rechts beruht (vgl. [X.]Z 173, 188 [X.]. 18 - Jugendgefähr-dende Medien bei [X.]). Im Streitfall ist insofern auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der bis 2008 geltenden Fassung sowie auf die für Sportwetten geltende Rechtslage im [X.]punkt der Vornahme der [X.] (Internetangebot für von der [X.]n zu 1 veranstaltete Sportwetten im September 2004) abzustellen. Die für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG hat durch die Umsetzung der Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken keine Änderung erfahren. Der Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG steht im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass diese Richtlinie, die die vollständige Harmonisierung der verbraucher-schützenden Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftsprakti-ken bezweckt, keinen vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt. Denn sie lässt - vorbehaltlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht - nationale Vorschriften unberührt, die sich auf Glücksspiele beziehen (Erwägungsgrund 9 der Richtlinie 2005/29/[X.]; vgl. [X.] in [X.]/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 4 Rdn. 11.6c). Hinsichtlich der die Durchführung von Sportwetten regelnden [X.] ist eine etwaige Änderung der Rechtslage durch das [X.] des [X.] (1 BvR 1054/01, [X.] 115, 276 = [X.], 688 = [X.], 562) zu beachten. 11 - 6 - 2. Die Klägerin hat als konkrete Verletzungshandlung allein den in den Klageantrag aufgenommenen Internetauftritt der [X.]n im September 2004 vorgetragen. Sie hat nicht deutlich gemacht, sich gegen eine Dauerhandlung der [X.]n zu wenden. Die Klägerin hat sich auch weder auf [X.]en der [X.]n während der sogenannten Übergangszeit zwischen dem [X.] des [X.] vom 28. März 2006 und dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrag am 1. Januar 2008 berufen, noch hätte sie dies im vorliegenden Verfahren tun können. Der für die Beurtei-lung der Begehungsgefahr maßgebliche [X.]punkt war der Schluss der mündli-chen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 17. Februar 2006 (§ 296a ZPO). Das Verhalten der [X.]n nach diesem [X.]punkt konnte deshalb von vornherein nicht berücksichtigt werden. Aus den Grundsätzen zur Berücksichti-gung unstreitigen Vorbringens in der Revisionsinstanz (vgl. [X.]Z 139, 214, 221; [X.], [X.]. v. 21.11.2001 - [X.], NJW 2002, 1130, 1131) ergibt sich schon deshalb nichts anderes, weil sie keinen Einfluss auf den maßgebli-chen Beurteilungszeitpunkt haben. Zudem haben die [X.]n den [X.] Vortrag der Klägerin in der Verhandlung vor dem Senat bestritten. 12 3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die [X.] zu 1 durch die beanstandete Verletzungshandlung (Internetauftritt im September 2004) keine unlautere [X.]handlung i.S. von §§ 3, 4 Nr. 11 UWG be-gangen, weil die im [X.]punkt der Vornahme der Verletzungshandlung in [X.] geltenden Regelungen über die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung von öffentlichen Glückspielen gegen nationales Verfassungs-recht und gegen Gemeinschaftsrecht verstießen. Das in [X.] und den anderen [X.]n Bundesländern errichtete staatliche [X.] griff in seiner gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltung in dem im Streitfall maßgeblichen [X.]raum unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit privater Wettan-bieter ein und war deshalb mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. Zugleich lag [X.] - 7 - in eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art. 43 und 49 [X.]. Dies hat der [X.] bereits für die Rechtslage in [X.] entschieden und ausführlich [X.] ([X.]Z 175, 238 [X.]. 15 ff. - [X.]). Für [X.] gilt nichts anderes (vgl. [X.], [X.]. [X.] - 1 BvR 2677/04, [X.], 1646 [X.]. 16; [X.]Z 175, 238 [X.]. 27 - [X.]). Der Streitfall gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung sogenannter "Altfälle", also vor der Entscheidung des [X.] vom 28. März 2006 begangener Verletzungshandlungen. Vor dieser Entscheidung begangene Handlungen der privaten Vermitt-lung und Veranstaltung von Sportwetten sind schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht strafbar, auch wenn sie den Tatbestand des § 284 StGB erfüllen ([X.], [X.]. v. 16.8.2007 - 4 StR 62/07, [X.], 1363 [X.]. 12, 20 f.). Die Un-anwendbarkeit des § 284 StGB führt dazu, dass ein entsprechendes Verhalten kein nach den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG unzulässiges Handeln im Wettbewerb dar-stellt. Auf besondere Umstände, die das Angebot oder die Durchführung von Sportwetten seitens der [X.]n zu 1 unlauter erscheinen ließen, wie Irrefüh-rung oder unangemessene unsachliche Einflussnahme, hat die Klägerin nicht abgestellt. Sie beanstandet das Verhalten der [X.]n zu 1 vielmehr allein wegen des Fehlens einer ([X.]n) behördlichen Genehmigung (vgl. [X.]Z 175, 238 [X.]. 22 - [X.]). 14 Kann die von der Klägerin beanstandete Verletzungshandlung der [X.] zu 1 (Internetauftritt im September 2004) nicht als Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 284 StGB angesehen werden, so scheidet ein auf die-ses Verhalten unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch der Klägerin aus. Dieser Beurteilung steht - wie der Senat gleichfalls bereits entschieden hat ([X.]Z 175, 238 [X.]. 25 - [X.]) - 15 - 8 - nicht entgegen, dass das [X.] die gesetzliche Regelung des staatlichen [X.]s in [X.] für verfassungswidrig, nicht aber für nichtig erklärt hat ([X.] 115, 276 [X.]. 146). 16 4. Die Revision der Klägerin kann sich auch nicht auf Erstbegehungsge-fahr stützen. Die Klägerin hat ihr Unterlassungsbegehren bisher nur mit [X.] begründet. Sie hat in der Tatsacheninstanz keinen Sachver-halt vorgetragen, aus dem sich ergäbe, dass die [X.] zu 1 den [X.] Wettbetrieb in einer [X.] fortgesetzt hätte, in der die Rechtslage in der Weise geklärt gewesen wäre, dass eine Fortsetzung gegen geltendes Recht verstößt. Da eine solche Klärung jedenfalls mit dem Inkrafttreten des [X.] am 1. Januar 2008 eingetreten ist, könnte nur eine Fortset-zung des Wettbetriebs nach diesem [X.]punkt eine auch heute noch bestehen-de Begehungsgefahr begründen. Einen entsprechenden Vortrag konnte die Klägerin naturgemäß vor Schluss der mündlichen Verhandlung in der [X.] am 17. Februar 2006 nicht halten. 5. Aus der Verfassungs- und Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der zum [X.]punkt der Verletzungshandlung geltenden Gesetzeslage folgt, dass der Klä-gerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die [X.]n nicht zusteht und die auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatz-pflicht der [X.]n gerichteten Anträge ebenfalls unbegründet sind. 17 - 9 - II[X.] [X.] beruht auf § 91 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. 18 Bornkamm Büscher Schaffert
Bergmann [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 14.07.2005 - 81 O 30/05 - [X.], Entscheidung vom 21.04.2006 - 6 [X.]/05 -

Meta

I ZR 77/06

02.12.2009

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2009, Az. I ZR 77/06 (REWIS RS 2009, 319)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 319

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZR 91/06 (Bundesgerichtshof)


I ZR 163/07 (Bundesgerichtshof)

Wettbewerbsverstoß im Internet: Privates Angebot von Sportwetten und anderen Wetten vor und nach dem Sportwetten-Urteil …


I ZR 163/07 (Bundesgerichtshof)


I ZR 165/07 (Bundesgerichtshof)

Wettbewerbsverstoß im Internet: Privates Angebot von Sportwetten und anderen Wetten vor und nach dem Sportwetten-Urteil …


I ZR 159/07 (Bundesgerichtshof)

Wettbewerbsverstoß im Internet: Privates Angebot von Sportwetten und anderen Wetten vor und nach dem Sportwetten-Urteil …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 BvR 1054/01

6 U 145/05

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.