Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 31.01.2012, Az. 2 BvC 11/11

2. Senat | REWIS RS 2012, 9629

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Verwerfung einer Wahlprüfungsbeschwerde: Teilweise Unzulässigkeit wegen unzureichender Substantiierung bzw nicht ausreichender Geltendmachung im Einspruchsverfahren - keine anderweitige Beurteilung bereits entschiedener Fragen (Neuregelungsfrist für Überhangmandate; Verhältniswahl nach "starren" Listen; 5 %-Sperrklausel; Regelung wesentlicher Teile des Wahlrechts außerhalb der Verfassung) geboten


Gründe

1

Der Beschwerdeführer hat die Gültigkeit der Wahl zum 17. [X.] mit der Begründung angefochten, das gesamte Wahlrecht sei verfassungswidrig, weil seine wesentlichen Teile nicht in der Verfassung selbst geregelt seien. Zudem verletzten die Altersgrenze für das aktive Wahlrecht (Art. 38 Abs. 2 Halbsatz 1 GG), die Aufstellung "starrer" Landeslisten (§ 27 Abs. 1 [X.]) und die [X.] (§ 6 Abs. 6 Satz 1 [X.]) die [X.]. Die "[X.], Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative ([X.])" sei vom [X.] rechtsfehlerhaft nicht als [X.] zur [X.] zugelassen, die Landesliste der [X.] rechtswidrig vom Landeswahlausschuss des [X.] zurückgewiesen worden. Der Bundesgesetzgeber habe es weiterhin verfassungswidrig unterlassen, eine Neuregelung zu den so genannten Überhangmandaten bereits vor der [X.] 2009 vorzunehmen. Die [X.] seien verfassungs- und europarechtswidrig zusammengesetzt gewesen. Ferner sei es im Vorfeld der Wahlen zum 17. [X.] durch ein Täuschungsverhalten von Regierungsmitgliedern zu erheblichen Einflussnahmen auf die Wähler gekommen und habe die Kandidatenaufstellung von [X.]/[X.] gegen das Grundgesetz und die [X.] verstoßen. Schließlich seien die Wahl des Bundestagsabgeordneten [X.] wegen Wählertäuschung und die Wahl des Bundespräsidenten mangels [X.] Legitimation unwirksam.

2

Die Wahlprüfungsbeschwerde ist überwiegend unzulässig ([X.]). Im Übrigen ist sie jedenfalls offensichtlich unbegründet (I[X.]).

3

Zum überwiegenden Teil sind die vom Beschwerdeführer erhobenen [X.] unzulässig, weil sie den Begründungsanforderungen (vgl. [X.] 122, 304 <308 f.>) nicht genügen.

4

1. Soweit der Beschwerdeführer die Altersgrenze für das aktive Wahlrecht als verfassungswidrig rügt, hat das [X.] bereits auf seine Wahlprüfungsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.]es vom 6. November 2003 ([X.] 122, 304) ausgeführt, dass die Altersgrenze an den [X.]n des Art. 38 Abs. 1 GG nicht zu messen ist, weil sie in Art. 38 Abs. 2 Halbsatz 1 GG auf gleicher Rangebene wie diese geregelt ist ([X.] 122, 304 <309>). Soweit der Beschwerdeführer dem entgegentritt, handelt es sich - ungeachtet der Bezugnahme auf Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 2 Satz 1 und Art. 79 Abs. 3 GG - ausschließlich um verfassungspolitische Erwägungen.

5

2. Die gegen die Entscheidungen des [X.]es, die "[X.], Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative ([X.])" nicht als [X.] zur Wahl des 17. [X.]es zuzulassen, und des [X.] des [X.], die Landesliste der [X.] zurückzuweisen, gerichteten [X.] sind bereits deshalb unzulässig, weil sie im Einspruchsverfahren vor dem [X.] in unzureichender Weise vorgebracht worden sind. Aus dem Charakter der Wahlprüfungsbeschwerde als Rechtsmittel gegen einen Beschluss des [X.]es folgt, dass nur solche [X.] berücksichtigt werden können, die schon Gegen-stand des [X.] vor dem [X.] gewesen (vgl. [X.] 89, 243 <265>) und dort in unmissverständlicher und substantiierter Weise zur Begründung des [X.] vorgetragen worden sind (vgl. [X.] 79, 50). Eine diesen Anforderungen genügende Begründung hat der Beschwerdeführer seinem Wahleinspruch nicht zugrunde gelegt (vgl. BTDrucks 17/6300, S. 125 - Anlage 38 zu I[X.]2). Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer binnen der Beschwerdebegründungsfrist des § 48 Abs. 1 Halbsatz 2 [X.]G auch gegenüber dem [X.] nicht ausreichend vorgetragen; insbesondere hat er keine Unterlagen vorgelegt, die eine verfassungsgerichtliche Überprüfung des behaupteten Wahlfehlers zuließen.

6

3. Soweit der Beschwerdeführer meint, der Bundesgesetzgeber hätte den [X.] um die Bestimmungen der § 6 Abs. 4 und 5 und § 7 Abs. 3 Satz 2 [X.] vor der [X.] 2009 neu gestalten müssen, fehlt es an der Darlegung von Gesichtspunkten, die Anlass geben könnten, von der im Urteil des [X.]s vom 3. Juli 2008 ([X.] 121, 266) ausgesprochenen Neuregelungsfrist abzurücken.

7

4. Das Vorbringen des Beschwerdeführers zur vermeintlich verfassungs- und europarechtswidrigen Zusammensetzung der [X.] enthält schon keine hinreichend substantiierte und aus sich heraus verständliche Darlegung eines Wahlfehlers, der Einfluss auf die Mandatsverteilung haben kann (vgl. [X.] 58, 175 <175 f.>).

8

5. Soweit der Beschwerdeführer sich gegen die Kandidatenaufstellung von [X.]/[X.] wendet, fehlt es ebenfalls bereits an einem hinreichend konkreten und überprüfbaren Sachvortrag sowie einer Subsumtion unter die Regelungen im [X.] über die Kandidatenaufstellung (vgl. dazu [X.] 89, 243 <252 f.>).

9

6. Die [X.], die Wahl des Bundestagsabgeordneten [X.] und diejenige des Bundespräsidenten seien unwirksam, waren, weil sie erst nach Ablauf der Einspruchsfrist vorgetragen worden waren, nicht Gegenstand des [X.] vor dem [X.] und sind schon deshalb unzulässig.

7. Schließlich hat der Beschwerdeführer auch einen Wahlfehler durch ein Täuschungsverhalten der Bundesregierung nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Aus seinem Vortrag ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine unzulässige Beeinflussung der Wahl (zu den insoweit anzulegenden Maßstäben vgl. [X.] 103, 111 <130 ff.>).

Die verbleibenden [X.] des Beschwerdeführers betreffen Wahlrechtsnormen, deren Verfassungsmäßigkeit das [X.] bereits festgestellt, und wahlrechtliche Zweifelsfragen, die das [X.] schon entschieden hat. Der Beschwerdeführer hat diesbezüglich keine Gesichtspunkte vorgetragen, die Anlass zu einer anderweitigen Beurteilung geben könnten.

1. Das [X.] hat wiederholt festgestellt, dass die im [X.] vorgesehene Verhältniswahl nach "starren" Listen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und insbesondere mit den Grundsätzen der Unmittelbarkeit und der Freiheit der Wahl vereinbar ist (vgl. [X.] 3, 45 <50 f.>; 7, 63 <67 ff.>; 21, 355 <355 f.>; 47, 253 <283>; 122, 304 <314>).

2. Auch das als verfassungswidrig gerügte, in § 6 Abs. 6 Satz 1 Alternative 1 [X.] vorgesehene Quorum von 5 vom Hundert der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen, das eine [X.] erreichen muss, um bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten berücksichtigt zu werden, hat das [X.] wiederholt als verfassungskonform beurteilt (vgl. [X.] 1, 208 <247 ff.>; 4, 31 <39 ff.>; 6, 84 <92 ff.>; 51, 222 <235 ff.>; 82, 322 <337 ff.>; 95, 335 <366>; 95, 408 <417 ff.>; 120, 82 <109 ff.>; [X.], Urteil vom 9. November 2011 - 2 BvC 4/10 u.a. -, juris Rn. 94).

3. Schließlich greift auch der Einwand des Beschwerdeführers, das gesamte Wahlrecht sei verfassungswidrig, weil seine wesentlichen Teile nicht in der Verfassung selbst geregelt seien, nach gefestigter Rechtsprechung des [X.]s nicht durch (vgl. zuletzt [X.] 122, 304 <314>).

Meta

2 BvC 11/11

31.01.2012

Bundesverfassungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BvC

Art 38 Abs 1 GG, Art 38 Abs 2 Halbs 1 GG, § 48 Abs 1 Halbs 2 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 31.01.2012, Az. 2 BvC 11/11 (REWIS RS 2012, 9629)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9629

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Referenzen
Wird zitiert von

1 BvQ 45/18

Zitiert

2 BvC 4/10

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