Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 06.08.2020, Az. 1 WDS-VR 9/20

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2020, 4073

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Gegenstand

Vorläufiger Rechtsschutz gegen die vorzeitige Beendigung einer Auslandsverwendung


Tenor

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom 6. Juli 2020 gegen die Versetzungsverfügung des [X.] vom 29. Juni 2020 (Nr. ...) anzuordnen, wird abgelehnt.

Tatbestand

1

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die vorzeitige Beendigung seiner Verwendung in ...

2

Er ist Berufssoldat im Dienstgrad eines Stabsfeldwebels. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem September 2029 enden. Seit August 2018 wird er als ... beim ... in ... verwendet. Die Verwendung sollte bis zum 31. Juli 2021 dauern. Er hat zwei 2017 und 2019 geborene Kinder und ist mit einer noch bis zum ... in Elternzeit befindlichen Soldatin verheiratet. Die Familie hat ihren Wohnsitz derzeit in ...

3

Unter dem 9. April 2020 unterrichtete das [X.] das [X.] darüber, dass es den Antragsteller als Rechtsextremisten einstufe, und teilte mit, welche diesbezüglichen Erkenntnisse über ihn vorlägen.

4

Daraufhin wurde dem Antragsteller mit Verfügung vom 21. April 2020 die Ermächtigung zum Zugang zu Verschlusssachen mit dem [X.] "streng geheim" entzogen. Nachdem die hiergegen gerichtete Beschwerde erfolglos geblieben ist, hat der Antragsteller weitere Beschwerde erhoben.

5

Mit Verfügung vom 19. Mai 2020 leitete der ... das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen ihn ein, enthob ihn vorläufig des Dienstes und verbot ihm, Uniform zu tragen. Zugleich wurde die Einbehaltung von 30 % seiner Dienstbezüge angeordnet. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt:

Nach Erkenntnissen des [X.] sei er dem neurechten Spektrum der [X.] zuzuordnen, die vom [X.] als gesichert rechtsextreme Bewegung eingestuft werde. Durch die aktive Unterstützung der [X.] habe der Antragsteller seine Treuepflicht verletzt. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen einer Disziplinarmaßnahme deswegen sei die Entfernung aus dem Dienst. Eine Verurteilung sei hinreichend wahrscheinlich. Um das Vertrauen der Bevölkerung in die [X.] nicht zu gefährden, könne der Antragsteller auch vorübergehend nicht im Dienst verbleiben. Eine mildere Maßnahme als die vorläufige Dienstenthebung sei nicht möglich. Eine weitere Verwendung auf einem [X.], auf dem er als Repräsentant der [X.] im internationalen Raum wahrgenommen werde, beeinträchtige die vertrauensvollen Beziehungen zu ...

6

Unter dem 13. Juli 2020 beantragte der Antragsteller die Aufhebung dieser Maßnahmen. Die in der Einleitungsverfügung erhobenen Vorwürfe seien zum Teil unzutreffend und zum Teil nicht hinreichend bestimmt bezeichnet. Die Vorwürfe enthielten kein Dienstvergehen, da sie Verhalten beanstandeten, mit dem er von seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht habe. Der Antrag ist am 3. August 2020 zurückgewiesen worden.

7

Eine vorzeitige Beendigung der Auslandsverwendung des Antragstellers wegen seiner Einstufung durch das [X.] wurde mit diesem in einem Personalentwicklungsgespräch am 29. April 2020 erörtert. Die Absicht, ihn zum 17. August 2020 vorzeitig ins Inland zurückzuversetzen, wurde ihm am 26. Mai 2020 schriftlich angekündigt. Hiernach war eine Verwendung als ... beim ... bis Ende September 2020 und im ... geplant. Am 8. Juni 2020 wurde die Vertrauensperson zu dieser Versetzungsabsicht angehört.

8

Mit Schreiben vom 25. Juni 2020 teilte das [X.] dem Antragsteller mit, im Hinblick auf die Einstufung als erkannter Rechtsextremist durch das [X.] sei er als ... und ... nicht mehr verwendbar. Mangels einer anderen Verwendungsmöglichkeit in ... werde er - auch unter Berücksichtigung der Anhörung der Vertrauensperson - ins Inland versetzt.

9

Zu der geplanten Versetzung nahm der Antragsteller unter dem 25. Juni 2020 Stellung und bat unter Hinweis auf die Fürsorgepflicht und die Belastung seiner Familie um die Einhaltung der Schutzfrist.

Im Hinblick auf die vorläufige Dienstenthebung wurde dem Antragsteller am 26. Juni 2020 unter teilweiser Abänderung der vorherigen Ankündigung nunmehr die Versetzung zum 17. August 2020 auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt beim ... angekündigt.

Mit Verfügung des [X.] vom 29. Juni 2020, wurde der Antragsteller zum 17. August 2020 zum ... nach ... versetzt.

Unter dem 6. Juli 2020 erhob der Antragsteller hiergegen beschränkt auf den Zeitpunkt der Versetzung Beschwerde. Er sei zwar grundsätzlich umzugswillig, fordere unter Verweis auf seine familiäre Situation aber die Einhaltung der sechsmonatigen Schutzfrist. Mit Schreiben vom 14. Juli 2020 schlug er dem [X.] eine Versetzung zum 1. Oktober 2020 als Kompromisslösung vor und kündigte an, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, wenn er bis zum 17. Juli 2020 nichts höre.

Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2020 beantragte er unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerde. Der Versetzungsbescheid missachte die Schutzfrist und verletze dadurch ihn und seine Familie in ihren Rechten. Er sei zwar mit der Versetzung an sich einverstanden, habe aber in den Vorgesprächen und seiner Einlassung vom 25. Juni 2020 um die Einhaltung der Schutzfrist gebeten. Er müsse seine beiden in ... geborenen Kleinkinder auf den Ortswechsel vorbereiten. Angesichts der Covid-19-Lage bestehe für seine Kinder auf dem Flug nach [X.] und bei erforderlichen Hotelaufenthalten ein erhöhtes Infektionsrisiko, da sie weder eine Maske tragen noch Hygieneregeln einhalten könnten. Eine mangels festen Wohnsitzes im Inland erforderliche Hotelunterbringung sei insbesondere wegen der Nahrungszubereitung für die Kinder und die Wäscheversorgung eine enorme Belastung. Der Transport des Frachtgutes werde etwa sechs Wochen dauern. Die [X.] wegen einer eventuellen Verkürzung der Elternzeit seiner Ehefrau sei in kurzer Zeit mehr als schwierig. Die Schutzfrist diene der Fürsorge auch gegenüber seiner Familie. Im Rahmen der Ermessensentscheidung müsse der Dienstherr Art. 6 Abs. 1 GG Rechnung tragen. Hierbei seien wegen der Covid-19-Lage und der [X.] seiner Kleinkinder erhöhte Anforderungen zu stellen, denen die Versetzung nicht genüge. Das Unterbleiben der beantragten Anordnung hätte für ihn und seine Familie im Hinblick auf das Infektionsrisiko unzumutbare, irreparable Nachteile. Mit ergänzendem Schriftsatz vom 6. August 2020 hat der Antragsteller vertiefend bestritten, ein Rechtsextremist zu sein und eine kritische Distanz zum Nationalsozialismus vermissen zu lassen. Er verweise hierzu auf seine Beschwerde vom 25. Mai 2020. Die ihm in der Einstufung vom 9. April 2020 zur Last gelegten Äußerungen seien zum Teil nicht gefallen, zum Teil verkürzt und aus dem Kontext gerissen. Er habe in der Befragung mehrfach versichert, hinter dem Grundgesetz und der Bundesrepublik [X.] zu stehen und sich von verfassungsfeindlichem Gedankengut zu distanzieren. Er habe nur zu einer Spende für ein Verbrechensopfer aufgerufen und zu diesem Zeitpunkt weder gewusst, dass die Person zur [X.] gehöre, noch, dass diese als verfassungsfeindlich eingestuft werde. Die Vorwürfe gegen ihn hätten nichts mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn seiner Familie gegenüber zu tun. Durch den Bericht der Beratenden Ärztin sei ein erhöhtes Risiko für seine Kinder auf der Reise nicht ausgeschlossen. Eine erhöhte und erhebliche Belastung ergebe sich auch aus der Notwendigkeit, für mindestens sechs Wochen aus beschränktem Gepäck leben zu müssen. Die [X.] im Großraum ... bedürfe mehr Zeit als an einem ländlich strukturierten Wohnort. Der Dienstherr habe im Hinblick auf das Verbot der Teilnahme am Dienst kein Interesse an einem Dienstantritt am 17. August 2020.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom 6. Juli 2020 gegen die Versetzungsverfügung des [X.] der [X.] vom 29. Juni 2020 (Nr. ...) anzuordnen.

Das [X.] beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Eilantrag sei unzulässig, da die eigentlich belastende Versetzung nicht angefochten sei, sondern nur ihr Zeitpunkt. Jedenfalls sei er unbegründet. Für die Rückversetzung des Antragstellers in das Inland bestehe im Hinblick auf die Ergebnisse der Ermittlungen des [X.] und die Einleitungsverfügung des ... ein dienstliches Bedürfnis, da sich hieraus die mangelnde Eignung des Antragstellers für den Dienstposten in ... bzw. ein den Dienstbetrieb unannehmbar belastender Vertrauensverlust ergebe. Der Antragsteller habe gegen seine Dienstpflichten aus § 17 Abs. 2, § 10 Abs. 1 und 6 [X.] verstoßen. Insbesondere in integrierten Dienststellen im Ausland, in denen ein Soldat auch Repräsentant der Bundesrepublik [X.] sei, erwarte der Dienstherr [X.]. Ein Soldat müsse alles unterlassen, was Zweifel an seiner persönlichen Integrität entstehen lassen könne. Ob ausländische Behörden oder die Bevölkerung von Pflichtverletzungen Kenntnis erlangt hätten, sei nicht entscheidend. Den Anforderungen an einen [X.] werde nicht gerecht, wer durch schuldhafte Pflichtverletzungen den Anlass für eine disziplinare Ahndung und die Gefahr der Kenntnisnahme Dritter begründe. Die Schutzfrist greife im Falle einer Versetzung mangels Eignung nicht ein. Dem Antragsteller würden auch unter [X.] keine schwerwiegenden, irreparablen Nachteile drohen. Er habe seit dem 2. Juli 2020 die Möglichkeit zur Vorbereitung des Umzuges. Mehr als sechs Wochen seien für eine [X.] ausreichend. Der Verweis des Antragstellers auf das Infektionsrisiko seiner Kinder auf dem Rückflug überzeuge nicht. Es sei schon fraglich, ob eine Einhaltung der Schutzfrist überhaupt Auswirkungen auf dieses Risiko haben würde. Jedenfalls stufe das [X.] nicht die Bundesrepublik [X.], wohl aber ... als Risikogebiet für eine Covid-19-Infektion ein. Nach Auskunft der Beratenden Ärztin des [X.] sowie des Amtsarztes der [X.] West würden Kinder nicht grundsätzlich zur Risikogruppe gehören. Es gebe keine erhöhte Gefährdung für die Familie bei der Einreise in das [X.] aus .... Zudem sei auch nicht erforderlich, dass der Antragsteller mit der gesamten Familie zum vorgesehenen Versetzungstermin umziehe. Die [X.] im Einzugsbereich des ... in ... sei nicht unzumutbar schwierig. Sie würde sich bis zu einem späteren Versetzungstermin im Januar 2021 auch nicht verbessern und belaste den Antragsteller nicht mehr als andere Auslandsrückkehrer. Dass die Verkürzung des Auslandsaufenthaltes durch die vorzeitige Rückversetzung unzumutbare entwicklungspsychologische Auswirkungen auf dessen Kinder haben könne, sei nicht ersichtlich.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom 6. Juli 2020 gegen die Versetzungsverfügung des [X.] vom 29. Juni 2020 anzuordnen, ist, nachdem das [X.] und damit der Sache nach auch einen Antrag nach § 3 Abs. 2 [X.] abgelehnt hat, gemäß § 17 Abs. 6 Satz 2 und 3 [X.] zulässig.

Entgegen der Auffassung des [X.] steht der Zulässigkeit des Antrages nicht entgegen, dass der Antragsteller nicht die Rückversetzung als solche, sondern nur deren Zeitpunkt angreift. Soweit beides einen einheitlichen und untrennbaren Streitgegenstand bildet, ist zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes die Beschränkung der Beschwerde auf einen Teil des Streitgegenstandes als unwirksam zu behandeln, nicht aber die Beschwerde als unzulässig (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Juni 2020 - 1 [X.] 3.19 - Rn. 22 zur Unwirksamkeit einer Beschränkung eines Rechtsmittels).

2. Der Antrag ist aber unbegründet.

Der Gesetzgeber hat dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit truppendienstlicher Maßnahmen grundsätzlich den Vorrang vor den persönlichen Belangen des Soldaten eingeräumt (§ 17 Abs. 6 Satz 1 [X.]). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt deshalb nur in Betracht, wenn sich bereits bei summarischer Prüfung durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme ergeben oder dem Soldaten durch deren sofortige Vollziehung unzumutbare, insbesondere nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden (stRspr, vgl. z.B. [X.], Beschluss vom 2. Februar 2015 - 1 [X.] 3.14 - juris Rn. 22 m.w.N.).

a) Bei summarischer Prüfung bestehen gegen die Versetzungsverfügung des [X.] vom 29. Juni 2020 keine rechtlichen Bedenken.

aa) Ein Soldat hat keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung oder auf eine Verwendung auf einem bestimmten Dienstposten. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte oder die zuständige personalbearbeitende Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen über die Verwendung eines Soldaten (stRspr, vgl. [X.], Beschlüsse vom 25. September 2002 - 1 [X.] 30.02 - [X.] 236.1 § 3 SG Nr. 30 S. 24 und vom 14. Dezember 2017 - 1 [X.] 42.16 - juris Rn. 32). Diese Ermessensentscheidung kann vom Wehrdienstgericht nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte oder die personalbearbeitende Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 [X.]) bzw. die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m. § 114 VwGO). Die gerichtliche Überprüfung richtet sich auch darauf, ob die vom [X.] im Wege der Selbstbindung in Erlassen und Richtlinien festgelegten Maßgaben und Verfahrensvorschriften eingehalten sind, wie sie sich hier insbesondere aus dem [X.] ([X.]) [X.]/46 "Versetzung, Dienstpostenwechsel, Kommandierung" bzw. der seit 15. Juni 2020 geltenden Zentralen Dienstvorschrift ([X.]) [X.]/37 ergeben (vgl. [X.], Beschlüsse vom 27. Februar 2003 - 1 [X.] 57.02 - [X.]E 118, 25 <27> und vom 14. Dezember 2017 - 1 [X.] 42.16 - juris Rn. 32). Erfährt die Fürsorgepflicht auf diese Weise eine allgemeine Regelung in Verwaltungsvorschriften, so sind diese im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) grundsätzlich für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenzen maßgeblich, soweit im Übrigen der gesetzliche Rahmen nicht überschritten wird ([X.], Beschluss vom 30. Juni 2016 - 1 [X.] 28.15 - juris Rn. 29 m.w.N.).

bb) Hiernach ist die Versetzungsverfügung bei summarischer Prüfung materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.

(1) Nach Nr. 204 Buchst. a [X.] [X.]/37 können Soldaten versetzt werden, wenn ein dienstliches Erfordernis besteht. Ein solches liegt nach Nr. 205 Buchst. f [X.] [X.]/37 regelmäßig vor, wenn der Soldat sich für seinen Dienstposten nicht eignet. Ein dienstliches Erfordernis für eine Versetzung liegt nach Nr. 205 Buchst. g [X.] [X.]/37 auch dann vor, wenn Vertrauensverluste, die den Dienstbetrieb unannehmbar belasten, nur durch Versetzung des Soldaten behoben werden können.

Vertrauensverluste, die den Dienstbetrieb unannehmbar belasten, können sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht nur aus einem feststehenden Dienstvergehen, sondern grundsätzlich auch schon aus dem Verdacht einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung durch einen Soldaten ergeben. Hierfür genügen nicht beliebige anhaltslose Beschuldigungen. Erforderlich ist - je nach den Umständen des Einzelfalls - ein hinreichendes Maß an Konkretheit des Verdachts sowie ein hinreichendes Gewicht des Dienstvergehens, auf das sich der Verdacht bezieht ([X.], Beschluss vom 4. November 2014 - 1 [X.] 18.14 - juris Rn. 38 m.w.N.).

Zur Eignung eines Soldaten gehört neben der fachlichen Kompetenz auch die persönliche Integrität. Namentlich im Falle einer Verwendung bei einer integrierten Dienststelle im Ausland muss ein Soldat Gewähr dafür bieten, dass er den Erwartungen an einen Repräsentanten der [X.] gegenüber dem gastgebenden Land und den Soldaten anderer [X.] genügt. Zur Eignung eines Soldaten für einen Auslandsdienstposten gehören Fähigkeit und Willen, durch sein Verhalten auch Gefahren für das Ansehen der [X.] im Ausland und der Angehörigen ihrer [X.] auszuschließen. Dieser Anforderung wird nicht gerecht, wer durch schuldhafte Pflichtverletzungen den Anlass für disziplinarische Ermittlungen setzt und damit zugleich die Gefahr der Kenntnisnahme Dritter begründet ([X.], Beschluss vom 4. April 2019 - 1 [X.] 2.19 - juris Rn. 24).

Hiernach ist die Annahme eines dienstlichen Erfordernisses nach Nr. 205 Buchst. f und g [X.] [X.]/37 nicht zu beanstanden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe tatsächlich zutreffen und ob sie eine Entfernung aus dem Dienst rechtfertigen. Maßgeblich ist, dass gegen ihn wegen eines nicht haltlosen Verdachts eines gewichtigen Dienstvergehens ermittelt wird und er gerade deswegen in der Position eines Repräsentanten der [X.] gegenüber ausländischen [X.]n nicht tragbar ist. Ihm wird nämlich im eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren vorgeworfen, die Identitäre Bewegung durch [X.] in der Form finanzieller Zuwendungen, des Aufrufes zu Spenden durch Dritte sowie die Verbreitung ihrer Ideen und Inhalte in [X.] Medien unterstützt zu haben.

Die Vorwürfe sind auch nicht ohne tatsächliche Anhaltspunkte. Denn zum einen räumt der Antragsteller einige der ihm vorgeworfenen Verhaltensweisen - den Aufruf zu einer Spende für ein Mitglied der [X.] und die Weiterleitung von verschiedenen Artikeln, die nach Verfasser oder Inhalt der [X.] zurechenbar sein sollen - ein. Soweit er insoweit den Vorsatz bestreitet und auf eine Rechtfertigung seines Verhaltens durch die Meinungsfreiheit verweist, ist dies zwar im Ermittlungsverfahren nach § 97 Abs. 1 [X.] zu prüfen, um in Auswertung auch entlastender Umstände über die Einreichung und den Inhalt einer Anschuldigungsschrift nach § 99 Abs. 1 [X.] oder eine Einstellung nach § 98 [X.] entscheiden zu können. Jedoch hat der Antragsteller bereits durch die von ihm eingeräumten objektiven Verhaltensweisen den Anlass für entsprechende Ermittlungen zurechenbar gesetzt. Zum anderen hat die Einleitungsbehörde für die Annahme eines die formelle Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens rechtfertigenden Anfangsverdachts auch die Einschätzung des [X.] vom 9. April 2020 und die dort angeführten Angaben des Antragstellers in seiner Befragung vom 20. Februar 2020 ausgewertet. Hiernach hat er auch eine Geldspende zugunsten eines Angehörigen der [X.] eingeräumt. Die Gesamtschau der in der Befragung durch den [X.] getätigten Aussagen rechtfertigt zumindest den Verdacht, er selbst vertrete im Lichte seiner Treuepflicht problematische Grundeinstellungen der [X.] und unterstütze diese und ihre Funktionäre bewusst. [X.] wird der Verdacht auch nicht unter Berücksichtigung seiner Stellungnahmen in der Beschwerde vom 25. Mai 2020. Bei der Würdigung dieser Einlassungen kann nicht außer Betracht bleiben, dass diese nach Einleitung des gerichtlichen Verfahrens erfolgt sind und dass es sich insbesondere bei den wiederholten Beteuerungen der Verfassungstreue auch um Schutzbehauptungen handeln kann. Eine abschließende Beweiswürdigung ist auch insofern dem gerichtlichen Disziplinarverfahren vorbehalten. Bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Einschätzung sind die vorgetragenen Gegenvorstellungen jedenfalls nicht geeignet, den Anfangsverdacht rechtsextremer Einstellungen auszuräumen. Unstreitig wird die Identitäre Bewegung im [X.] als "gesichert rechtsextrem" eingestuft. Ein Eilantrag der Gruppierung hiergegen ist beim [X.] erfolglos geblieben (Pressemitteilung des [X.]/2020 vom 23. Juni 2020 - zitiert nach juris).

Das dem Antragsteller vorgeworfene Dienstvergehen wäre auch gewichtig, weil eine Verletzung zentraler Dienstpflichten aus §§ 8, 10 Abs. 6 und § 17 SG im Raume steht, bei denen Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen keine einfache Disziplinarmaßnahme wäre. Es bedarf in diesem Verfahren keiner Entscheidung, ob die im Raum stehenden Vorwürfe eine Entfernung aus dem Dienst rechtfertigen. Bei Verletzung der politischen Treuepflicht, die nicht Ausdruck einer verfassungsfeindlichen Gesinnung ist, kommen zwar mildere Maßnahmen als die Entfernung aus dem Dienst in Betracht; jedoch ist bei vorsätzlichen Verhaltensweisen, die den irrigen Eindruck einer Identifikation mit dem Nationalsozialismus vermitteln, selbst dann ein Beförderungsverbot in den Blick zu nehmen, wenn es sich um niedrigschwelligere, bagatellisierende Verhaltensweisen handelt ([X.], Urteil vom 18. Juni 2020 - 2 WD 17.19 - Rn. 45 bis 47). Danach sind Vorwürfe, eine rechtsextremistische Gruppierung aktiv zu unterstützen, jedenfalls von solchem Gewicht, dass sie das Vertrauen in die uneingeschränkte persönliche Integrität eines Soldaten und seiner Eignung für eine Auslandsverwendung in Frage stellen.

(2) Die sechsmonatige Schutzfrist bei Änderungen des [X.] (Nr. 226 Satz 2 [X.] [X.]/37) - deren Verletzung allerdings ohnehin nur den Zeitpunkt des Dienstantritts, nicht aber die Rechtmäßigkeit der Versetzung als solche berühren würde (stRspr, vgl. [X.], Beschluss vom 26. November 2015 - 1 [X.] 34.15 - juris Rn. 30 m.w.N.) - gilt nicht im hier vorliegenden Fall einer Versetzung nach Nr. 205 Buchst. f und g [X.] [X.]/37.

(3) Die Versetzungsverfügung weist auch keine Ermessensfehler auf, sie ist insbesondere verhältnismäßig.

Bei einer Versetzungsentscheidung sind aus [X.] (§ 10 Abs. 3 SG) sowie wegen der Schutzpflichten für Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) auch die persönlichen und familiären Interessen des Soldaten angemessen zu berücksichtigen (vgl. [X.], Beschluss vom 30. Juni 2016 - 1 [X.] 28.15 - juris Rn. 36 m.w.N.).

Soweit der Antragsteller auf ein Infektionsrisiko seiner Kinder auf dem Rückflug aus ... in die [X.] verweist, trägt das [X.] der Fürsorgepflicht des Dienstherrn bereits dadurch Rechnung, dass es ihm in seiner Stellungnahme vom 4. August 2020 Möglichkeiten aufzeigt, zum Versetzungstermin allein in das [X.] zurückzufliegen und seine Familie später nachzuholen. Da der Antragsteller Gefahren nur im Hinblick auf den Zeitpunkt der Rückreise rügt, wäre seinem Anliegen damit bereits Rechnung getragen. Nichts Anderes gilt für Befürchtungen, die Familie wegen der [X.] vorübergehend im Hotel unterbringen zu müssen, solange keine Wohnung im Inland gefunden sei. Außerdem ist nicht ersichtlich, dass die vom Antragsteller angestrebte Verschiebung der Rückreise seiner Familie in das [X.] das Infektionsrisiko auf dem Rückflug oder die Belastungen durch eine Hotelunterbringung wegen der [X.] verringern könnte. Denn es gibt keinen Hinweis darauf, dass die durch die [X.] begründeten Gefahren zwischen Mitte August und Beginn Oktober 2020 in erheblichem Umfang sinken würden. Zudem weist das [X.] zutreffend auf den allgemein bekannten Umstand hin, dass ... anders als die [X.] in der gegenwärtigen [X.] als Risikogebiet eingestuft werden.

Schließlich hat das [X.] zur Frage einer Gefährdung von Kleinkindern auf dem Rückflug aus ... auch eine Stellungnahme der Beratenden Ärztin des [X.] eingeholt. Hiernach gehören Kinder nicht automatisch zu einer in der [X.] besonders gefährdeten Personengruppe. Auch aus der Sicht des [X.] der [X.] West bestehe für die Familie bei der Einreise in das [X.] keine grundsätzliche Gefährdung. Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Auskunft bestehen auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes vom 6. August 2020 nicht. Die Auskunft wertet Erkenntnisse des [X.], des [X.], des [X.] der [X.] West sowie der Agentur der [X.] und des [X.] aus und legt damit die Grundlage seiner Einschätzung nachvollziehbar dar.

Auf Flügen gelten zudem die in der Auskunft der Beratenden Ärztin angeführten Hygieneregeln, die grundsätzlich zu einer Verringerung des Risikos für alle Reisenden beitragen. Auch wenn die Kinder des Antragstellers keine Masken tragen können und müssen, so gilt die Maskenpflicht doch für die Mehrzahl der Mitreisenden. Da die Maske in erster Linie die Umgebung und nicht den Träger selbst schützen soll, bewirken die für die Mitreisenden geltenden Pflichten eine Senkung des Infektionsrisikos der Kinder des Antragstellers, die damit das zumutbare Maß nicht überschreitet. Andere Gefahren für die physische oder psychische Gesundheit der Kinder des Antragstellers durch die Rückkehr in das [X.] sind auch unter Berücksichtigung seines Vortrages nicht ersichtlich.

Etwas anders folgt auch nicht aus der Notwendigkeit, im Inland eine Wohnung für die Familie zu finden und die Kinderbetreuung zu regeln. Der Antragsteller hat spätestens seit dem 2. Juli 2020 die Möglichkeit, sich um eine Wohnung im [X.] zu bemühen. Dass dieser konkrete Versetzungstermin in Aussicht genommen war, war ihm spätestens Ende Juni 2020 bekannt, wie aus seiner Stellungnahme dieses Datums hervorgeht, die auch belegt, dass er bereits zuvor mit der [X.] begonnen hatte. Er hat auch die Möglichkeit, zunächst allein ins Inland zurückzukehren, sich um die Unterbringung seiner Familie zu bemühen und diese später nachzuholen. Nach der Auskunft der [X.] ... gibt es zudem im Einzugsbereich der neuen Dienststelle des Antragstellers mehrere Wohnungsangebote. Die mit der Rückversetzung ins Inland verbundenen Schwierigkeiten gehen damit nicht erheblich über dasjenige hinaus, was von jedem versetzten Soldaten erwartet wird. [X.] Schwierigkeiten im konkreten Fall sind auch nicht dadurch aufgezeigt, dass eine [X.] im Großraum ... mehr Zeit als eine [X.] im ländlichen Raum beansprucht. Da seine Ehefrau in Elternzeit ist, sind die mit der Betreuung der Kinder in der Umzugs- und Quarantänephase verbundenen Probleme zumutbar zu bewältigen.

Der Versetzungstermin 17. August 2020 ist nach summarischer Prüfung auch nicht wegen der Suspendierung des Antragstellers ermessensfehlerhaft. Der Dienstherr überschreitet seinen Organisationsspielraum nicht, wenn er den bisherigen Dienstposten des Antragstellers zu diesem Zeitpunkt neu besetzen will. Die Suspendierung ist nicht bestandskräftig. Der Antragsteller hat Rechtsmittel gegen die Entscheidung vom 3. August 2020 angekündigt.

cc) Die Versetzungsverfügung leidet nach summarischer Prüfung auch nicht an Verfahrensfehlern. Dem Antragsteller wurde vor dem Ausspruch der Versetzung mehrfach mündlich und auch schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Damit ist dem Anhörungserfordernis Genüge getan. Die Anhörung der Vertrauensperson ist am 8. Juni 2020 erfolgt (§§ 21, 24 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 [X.]). Soweit ihre Beteiligung im Hinblick auf die Änderungen hinsichtlich des Dienstpostens, auf den der Antragsteller im Inland versetzt werden soll, wiederholt werden müsste, kann dies jedenfalls im noch offenen Beschwerdeverfahren nachgeholt werden ([X.], Beschlüsse vom 20. Juni 2005 - 1 [X.] 60.04 - [X.] 252 § 20 [X.] Nr. 1 S. 3 f. und vom 11. Januar 2007 - 1 [X.] 7.06 - [X.] 449.7 § 23 [X.] Nr. 4 Rn. 27).

b) Dem Antragsteller entstehen durch die sofortige Vollziehung der Versetzungsverfügung auch keine unzumutbaren Nachteile. Aus den dargelegten Gründen folgen diese insbesondere nicht aus Gefährdungen der Gesundheit seiner Kinder und der Notwendigkeit, im Inland eine Wohnung für die Familie zu finden.

Meta

1 WDS-VR 9/20

06.08.2020

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

§ 17 Abs 6 WBO, § 8 SG, § 10 Abs 6 SG, § 17 SG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 06.08.2020, Az. 1 WDS-VR 9/20 (REWIS RS 2020, 4073)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4073

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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