Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.05.2020, Az. IV ZB 18/19

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 11652

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:060520B[X.]18.19.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV [X.] 18/19

vom
6. Mai 2020
in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende [X.]in [X.], die [X.] Prof. Dr.
Karczewski, [X.], die Richte-rinnen Dr.
Brockmöller und Dr.
[X.]

am 6. Mai 2020

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluss
des 20. Zivilsenats des [X.] vom 29.
Juli 2019
wird auf ihre Kosten
als unzulässig
verworfen.

[X.]: 14.500

Gründe:

I. Die Kläger erstreben die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der
Berufungsfrist.

Das Urteil des [X.], mit
dem ihre Klage
abgewiesen [X.] war, ist ihrem Prozessbevollmächtigten am 6. März 2019
zugestellt
worden. Dagegen haben sie mit Schriftsatz vom 1. April 2019, adressiert an das [X.] und dort eingegangen per Telefax am 2.
April 2019, Berufung eingelegt. Am 4. April 2019 hat die Geschäftsstellenbeamtin die Vorlage der Akte an den zuständigen [X.] verfügt.
Die Berufungs-schrift ist mit Schreiben des [X.] vom 3. Mai 2019 an das [X.] weitergeleitet worden und dort am 9. Mai 2019 eingegan-gen.
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Nachdem das Berufungsgericht
mit Verfügung vom 17. Mai 2019
auf
das Eingangsdatum
der Berufungsschrift hingewiesen hatte, haben die
Kläger
mit einem am 21.
Mai
2019
eingegangenen Schriftsatz
Wie-dereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der
Fristen zur Berufungseinlegung und -begründung
beantragt
und dazu
unter anderem
in einem Schriftsatz vom 22. Juni 2019 weiter vorgetragen.

Zur Begründung des [X.] haben die Kläger geltend gemacht, dass sich das Verschulden
ihres Prozessbevollmäch-tigten
an der fehlerhaften Einreichung
nicht ausgewirkt habe, weil der Schriftsatz bei einer ordnungsgemäßen Weiterleitung durch das [X.] im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs noch vor Fristablauf beim [X.] eingegangen wäre.

Das [X.] hat den Antrag
auf Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist
zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Klägervertreter die falsche Einlegung
der Berufung
schuldhaft und den Klägern gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbar verursacht habe. [X.] sei kausal für den verspäteten Eingang beim [X.] ge-wesen. Dass die Berufung bereits am 2. April 2019 beim [X.] eingegangen sei, stehe dem nicht entgegen. Es sei nicht als außerhalb des ordentlichen Geschäftsgangs liegend zu beanstanden, dass der nicht als "Eilt"/"unverzüglich zu bearbeiten"
gekennzeichnete Berufungs-schriftsatz
von der
Geschäftsstellenmitarbeiterin erst
am 4. April 2019 bearbeitet worden sei.
Von ihr sei nur zu erwarten gewesen, dass sie den Eingang mit Akte dem zuständigen [X.] über den Aktenbock -
nicht von Hand zu Hand -
vorgelegt habe. Dies zugunsten der Kläger un-terstellt, wäre die Sache am Freitag, den 5. April 2019, frühestens vom [X.] zu bearbeiten gewesen. Dieser hätte im ordnungsgemäßen Ge-3
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schäftsgang frühestens an diesem Tage verfügen müssen, dass die Be-rufungsschrift an das [X.] weitergeleitet werde. Hätte er dies tatsächlich am Freitag verfügt, wäre die Akte der Geschäftsstellen-mitarbeiterin mit dieser Verfügung erst am Montag, den 8. April 2019,
vorgelegt worden. Diese hätte die Weiterleitung frühestens an diesem Tag veranlassen müssen. Ein Zugang der Berufung beim Oberlandesge-richt wäre damit frühestens am Dienstag, den 9. April 2019, also nach Fristablauf möglich gewesen.

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger.

II. Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1, §
522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Die Ablehnung der
Wiedereinsetzung verletzt nicht den Anspruch der Kläger auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art.
2 Abs.
1 GG i.V.m. Art.
20 Abs.
3 GG).

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass
die Einreichung der Berufungsschrift beim hierfür unzuständigen [X.] (§ 519 Abs. 1 ZPO) und die dadurch bedingte Versäumung der Be-rufungsfrist auf einem Verschulden
des
Prozessbevollmächtigten der Kläger
beruhen, welches diesen gemäß §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnen ist.
Dies zieht auch die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel.

2. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht darüber hinaus die Kausalität dieses Verschuldens für die eingetretene Fristversäumung bejaht.

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a)
Zwar
wirkt sich
nach ständiger Rechtsprechung des Bundesge-richtshofs
ein etwaiges Verschulden der [X.] oder ihres [X.] dann nicht auf die Fristversäumung aus, wenn die fristge-rechte Weiterleitung eines bei einem unzuständigen Gericht eingereich-ten fristgebundenen Schriftsatzes an das Rechtsmittelgericht im [X.] Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann. Geht der Schriftsatz gleichwohl nicht fristgerecht beim Rechtsmittelgericht ein, muss Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unabhängig davon gewährt werden, auf welchen Gründen die fehlerhafte Einreichung beruht ([X.] vom 21. Februar 2018 -
IV [X.] 18/17, juris Rn.
11; vom 23.
Mai 2012

IV
[X.] 2/12, NJW-RR 2012, 1461 Rn.
13; [X.], Beschluss vom 27.
Juli 2016 -
XII [X.], NJW-RR 2016, 1340 Rn.
12; jeweils m.w.N.).
Die eine Wiedereinsetzung begehrende [X.] hat aber
darzule-gen und glaubhaft zu machen, dass es möglich und damit zu erwarten gewesen wäre, dass ihr Schriftsatz im normalen ordnungsgemäßen Ge-schäftsgang fristgerecht an das zuständige Rechtsmittelgericht weiterge-leitet worden wäre (vgl. [X.], Beschlüsse
vom 19.
September 2017 -
VI [X.], [X.], 316 Rn.
5; vom 13. September 2012 -
IX [X.] 251/11, [X.], 236 Rn. 9; jeweils m.w.N.).

b)
So liegt es hier nicht. Die Erwartung, dass die am 2. April 2019 beim [X.] eingegangene Berufungsschrift bei einer Weiterleitung im ordentlichen
Geschäftsgang noch bis zum Fristablauf am Montag, den 8. April 2019, das Berufungsgericht erreichen werde, war im Streitfall nicht gerechtfertigt.

Das [X.] war nicht verpflichtet, bei der Weiterleitung des Schriftsatzes Maßnahmen zur besonderen Beschleunigung zu ergreifen. Andernfalls würde den [X.]en und ihren Prozessbevollmächtigten die Verantwortung für die Einhaltung der Formalien abgenommen und den 10
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unzuständigen Gerichten übertragen. Damit würden die Anforderungen an die aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren abgeleitete richterliche Fürsorgepflicht überspannt werden ([X.], Beschluss vom 6.
November 2008

IX
[X.] 208/06, NJW-RR 2009, 408 Rn.
8 m.w.N.). Ein unzuständi-ges Gericht ist nur verpflichtet, bei ihm eingereichte fristgebundene Schriftsätze für ein Rechtsmittelverfahren im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Rechtsmittelgericht weiterzuleiten (Senatsbeschlüsse vom 21.
Februar
2018 -
IV [X.] 18/17, juris Rn.13; vom 23.
Mai 2012
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IV [X.] 2/12, NJW-RR 2012, 1461 Rn.
13
m.w.N.).

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ergibt sich eine weitergehende Pflicht zur beschleunigten Bearbeitung und Weiterleitung des eingegangenen Schriftsatzes im Streitfall auch nicht daraus, dass die Berufungsschrift per Telefax und unter Beifügung des angefochtenen Urteils eingereicht worden ist. Der Schriftsatz war nicht als besonders eilbedürftig gekennzeichnet. Es kann deshalb weiter offenbleiben, ob insbesondere die [X.] sowie die Geschäftsstelle der Kammer beim [X.] bei einer solchen besonderen Kennzeichnung zu einer beschleunigten Weiterleitung bzw. Vorlage an den [X.] ge-halten wären (vgl. [X.], Beschluss vom 6.
November 2008 -
IX [X.] 208/06, NJW-RR 2009, 408 Rn.
8).

c) Maßgeblich ist
somit allein, ob mit einem rechtzeitigen Eingang der
Berufungsschrift beim Berufungsgericht im Rahmen eines ordnungs-gemäßen Geschäftsgangs gerechnet werden konnte.
Das ist nach den aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellungen des [X.] nicht der Fall.

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aa) Das Berufungsgericht geht in nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass eine Bearbeitung durch die Geschäftsstelle noch nicht
am Tag der Übermittlung
der Berufungsschrift
an das [X.]
am 2.
April 2019 zu erwarten
war.
Im Rahmen eines ordentlichen Geschäfts-gangs
ist mit dem Eingang eines
Schriftsatzes auf der Geschäftsstelle der zuständigen Kammer unter Umständen erst am Tage nach dem [X.] bei der zentralen [X.] des Gerichts zu rechnen
(vgl. [X.], Beschlüsse vom 29.
August 2017

[X.], NJW-RR 2018, 56 Rn.
15; vom 12. Juni 2013 -
XII [X.] 394/12, [X.], 1384 Rn. 23).
Die Kläger haben nicht dargelegt, dass die Berufungsschrift
hier direkt an einen Faxanschluss
der zuständigen Geschäftsstelle gesendet [X.] sei.

bb)
Für die weitere Bearbeitung des Eingangs ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht zu unterstellen, dass die Ge-schäftsstellenbeamtin
die Berufungsschrift unmittelbar an das [X.] weitergeleitet hätte. Nach den im angefochtenen Beschluss getroffenen Feststellungen hat sie vielmehr die Vorlage an den zuständi-gen [X.] verfügt.

cc) Dabei kann offenbleiben, ob
nur eine Verfügung der Vorlage bereits am
Tag nach der
Übersendung des [X.] einem or-dentlichen Geschäftsgang entsprochen hätte oder ob dies auch bei einer einen Tag später erfolgten Bearbeitung
durch die Geschäftsstelle
noch der Fall gewesen wäre, wie sie hier am 4. April 2019 erfolgt ist.
Denn unabhängig davon hätte
hier nicht auf einen fristgerechten Eingang der Berufungsschrift beim Berufungsgericht vertraut werden können.

(1) Eine Bearbeitung durch die Geschäftsstelle bereits am 3. April 2019 unterstellt, wäre im Rahmen eines ordentlichen Geschäftsganges 15
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anzunehmen
gewesen, dass die Akte dem zuständigen [X.] an dem auf die Verfügung der Geschäftsstelle folgenden Werktag vorgelegt wird (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Mai 2016 -
IX [X.] 75/15, juris Rn. 14). Die Bearbeitung der
richterlichen
Verfügung durch die Geschäftsstelle wäre
wiederum erst am darauf folgenden Tag, d.h. Freitag, den 5. April 2019,
zu erwarten gewesen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 29.
August 2017

[X.], NJW-RR 2018, 56 Rn.
15; vom 12.
Mai 2016 aaO).

(2) Es ist nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich, dass
un-ter diesen Umständen von einem Eingang beim Berufungsgericht am Montag, den 8. April 2019, hätte ausgegangen werden können. Entgegen der Annahme
der Rechtsbeschwerde
besteht
unabhängig davon, ob bei den beteiligten Gerichten neben der Papierakte auch eine
elektronische Akte geführt wird,
kein Anhaltspunkt dafür, dass sie sich
des elektroni-schen Rechtsverkehrs
bedienten, um die Berufungsschrift vom [X.] zum Berufungsgericht weiterzuleiten.

Ein fristgerechter Eingang beim Berufungsgericht hätte
daher [X.] vorausgesetzt, dass nicht nur die Geschäftsstelle am 5. April 2019 das Schreiben zur Weiterleitung der Akte an das Berufungsgericht abgesetzt
hätte, sondern die Akte auch noch an diesem Tag von der Ge-schäftsstelle zur [X.] des [X.] weitergereicht sowie dort bearbeitet und in den Aktentransport gebracht worden wäre. Schon diese Bearbeitungszeit
kann
hier als Teil des ordentlichen Ge-schäftsgangs nicht festgestellt werden. Zudem hätte dann auch der Ak-tentransport vom [X.]
in Bochum
zum [X.]
in Hamm
bis zum Montag erfolgen müssen.
Auch dafür ist nichts ersicht-lich. Nach den getroffenen Feststellungen ging die später
mit Schreiben der Geschäftsstelle vom Freitag, den 3. Mai 2019,
versandte Akte
erst sechs Tage später am darauffolgenden Donnerstag, den 9. Mai 2019,
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beim Berufungsgericht ein. Die Kläger haben nicht dargelegt, dass nur eine kürzere
Aktentransportzeit dem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entsprochen hätte.
In ihrem Schriftsatz vom 22. Juni 2019 sind
sie davon ausgegangen, dass die normale Postlaufzeit maximal drei Tage betrage -
was hier ebenfalls nicht mehr zu einem rechtzeitigen Eingang geführt hätte -, ohne auf die Besonderheit des [X.] einzugehen.
Eine Trennung der Rechtsmittelschrift von der Akte und deren Versendung per Briefpost konnten die Kläger
aber
nicht erwarten (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Dezember 2012
-
XII [X.] 61/12, [X.], 436 Rn. 12). Auch das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass ein schnellerer Trans-port dem ordentlichen Geschäftsgang entsprochen hätte.

[X.]
Prof. Dr.
Karczewski
[X.]

Dr. Brockmöller
Dr. [X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.02.2019
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4 O 217/18 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 29.07.2019 -
I-20 [X.] -

Meta

IV ZB 18/19

06.05.2020

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.05.2020, Az. IV ZB 18/19 (REWIS RS 2020, 11652)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11652

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