Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.03.2015, Az. B 1 KR 1/15 R

1. Senat | REWIS RS 2015, 14347

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Anfrage an 4. und 9. Senat des BSG wegen Festhaltung an ursprünglicher Rechtsprechung - prozessuales Anerkenntnis - Zulässigkeit der Anfechtung wegen Irrtums


Tenor

Bei dem 4. und dem 9. Senat des [X.] wird angefragt, ob sie an ihrer in den Urteilen vom 27. Juni 1978 - 4/5 RJ 10/77 - und vom 1. April 1981 - 9 RV 43/80 - vertretenen Rechtsauffassung festhalten, dass ein prozessuales Anerkenntnis der Irrtumsanfechtung unterliegt.

Gründe

1

I. Der erkennende 1. [X.] des [X.][X.] hat über eine Revision zu entscheiden, die die klagende Trägerin eines zugelassenen Krankenhauses erhoben hat. Das am gleichen Ort wie die Klägerin ansässige [X.] nahm den 1929 geborenen, bei der beklagten Krankenkasse versicherten K (Versicherter) am [X.] auf. Eine Computertomografie zeigte bei ihm beidseits im Schädel Hygrome (mit Flüssigkeit gefüllte Zysten). Das [X.] sah sich nicht in der Lage, die erforderliche weitere [X.]ehandlung selbst zu erbringen. Nach einem Telefonat mit dem Krankenhaus der Klägerin verlegte es den Versicherten dorthin. Der Versorgungsauftrag der Klägerin umfasst nicht Neurochirurgie. Die Klägerin behandelte den Versicherten in ihrer Sektion Neurotraumatologie und Wirbelsäulenchirurgie vom 30.4. bis [X.] stationär mit [X.]ohrlochtrepanation beidseits und subduralen Drainagen. Sie berechnete hierfür 6680,52 Euro (Fallpauschale - Diagnosis Related Group [X.]02E; 25.5.2007). Die [X.]eklagte lehnte es - gestützt auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ([X.]) (7.11.2007: korrekt erbrachte klassische neurochirurgische Leistung) - ab, zu zahlen: Neurochirurgische Leistungen seien nicht [X.]estandteil des Versorgungsauftrages der Klägerin (19.11.2007).

2

Nach Klageerhebung (12.6.2008) hat die [X.]eklagte erklärt, den Anspruch einschließlich Verfahrenskosten und Zinsen anzuerkennen (Schreiben vom [X.] an das [X.] - [X.] [X.] 258/08, von diesem - wegen des [X.] der Sache zum neuen [X.] [X.] 622/08 an das [X.] übersandt, Eingang dort 2.10.2008, "betr.: [X.](…)" : "… hat es sich nach gutachterlicher Auskunft um eine Notfallbehandlung nach dem Verkehrsunfall des Kindes gehandelt. Vor diesem Hintergrund erkennen wir den [X.] an. …"). Die [X.]eklagte hat dem [X.] sodann erklärt, das Anerkenntnis beziehe sich vom Sachverhalt her auf den Vorgang [X.](…) ([X.] - [X.] [X.]) und nicht - wie irrtümlich angegeben - auf das oa Klageverfahren. Sie bitte für die Verwechselung um Nachsicht (Fax vom 13.10.2008, Eingang am selben Tage, "betr.: [X.](…)" [X.] [X.] 622/08). Die Klägerin hat das Anerkenntnis angenommen und den Rechtsstreit für erledigt erklärt (10.10., Eingang [X.] 16.10.2008). [X.] und L[X.] haben gemeint, die [X.]eklagte habe ihr Anerkenntnis wirksam widerrufen. Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 14.12.2009), das L[X.] die [X.]erufung der Klägerin zurückgewiesen: Die Klägerin habe keinen Versorgungsauftrag für die erbrachte klassische neurochirurgische Leistung. Sie habe auch keinen Notfall behandelt (§ 8 Abs 1 [X.] Halbs 2 KHEntgG). Der Versicherte hätte in der zugelassenen Neurochirurgie der [X.] am gleichen Ort behandelt werden können. Das Telefonat zwischen [X.] und Krankenhaus der [X.] einen Notfall. Es komme nicht darauf an, warum das [X.] bei der Klägerin angerufen und den Versicherten mit einem Notfalltransport zur Klägerin habe bringen lassen. Die behandelnden Ärzte der Klägerin hätten zudem vor der [X.] gesprochen, um das weitere Vorgehen abzuklären (Urteil vom 18.7.2012). Die Klägerin hat die vom [X.][X.] wegen grundsätzlicher [X.]edeutung zugelassene Revision eingelegt ([X.][X.] [X.]eschluss vom 16.5.2013 - [X.] 3 [X.] 28/12 [X.] -; [X.] 3 [X.] 9/13 R). Der 1. [X.] des [X.][X.] ist hierfür nach dem seit 2015 geltenden Geschäftsverteilungsplan des [X.][X.] zuständig.

3

Die Klägerin trägt zur [X.]egründung ihrer Revision vor, lediglich sie, nicht aber die [X.] sei zu einer qualitätsgerechten [X.]ehandlung des Versicherten in der Lage gewesen.

4

II. Der erkennende 1. [X.] des [X.][X.] beabsichtigt, die vorinstanzlichen Entscheidungen aufzuheben, da das wirksam angenommene Anerkenntnis den Rechtsstreit erledigt hat. Daran sieht sich der [X.] allerdings gehindert, weil er dabei in entscheidungstragender Weise von der Rechtsprechung des 4. und des 9. [X.]s des [X.][X.] abweichen würde. Er legt dem 4. und dem 9. [X.] daher die im [X.]eschlusstenor enthaltene Frage zur [X.]eantwortung vor (vgl § 41 Abs 2 und 3 [X.]G).

5

1. Nicht nur der 9., sondern auch der 4. [X.] des [X.][X.] ist weiterhin für die [X.]eantwortung der Anfrage zuständig, obwohl sich seit seinem Urteil aus dem [X.] ([X.][X.] Urteil vom 27.6.1978 - 4/5 RJ 10/77 - Juris) seine Zuständigkeit nach dem Geschäftsverteilungsplan geändert hat. Nach § 41 Abs 3 S 1 [X.]G ist eine Vorlage an den Großen [X.] nur zulässig, wenn der [X.], von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden [X.]s erklärt hat, dass er an seiner Rechtsauffassung festhält. "Der [X.], von dessen Entscheidung" der 1. [X.][X.]-[X.] abweichen will, ist sowohl der 9. als auch der 4. [X.][X.]-[X.].

6

Eine Ausnahme von der Regel des § 41 Abs 3 S 1 [X.]G liegt nicht vor. § 41 Abs 3 [X.] [X.]G bestimmt: "Kann der [X.], von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befasst werden, tritt der [X.] an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, nunmehr zuständig wäre." Die Voraussetzungen dieser Regelung sind nicht erfüllt, weil der 4. [X.] weiterhin mit der vom erkennenden [X.] aufgeworfenen Rechtsfrage befasst werden kann. Er kann auch künftig darüber entscheiden, dass ein prozessuales Anerkenntnis der Irrtumsanfechtung unterliegt. In solchen Fällen verbleibt es bei der regelmäßigen Zuständigkeit gemäß § 41 Abs 3 S 1 [X.]G. Das entspricht bereits dem klaren Wortlaut, aber auch Entstehungsgeschichte, Systematik und Zweck der Regelung (vgl näher z[X.] [X.][X.] [X.]eschluss vom 16.12.2008 - [X.] 1 [X.] 69/08 [X.] - Rd[X.] 4 ff).

7

2. Der erkennende 1. [X.] geht davon aus, dass die Frage des Eintritts einer Erledigung des Rechtsstreits durch angenommenes Anerkenntnis beim [X.] auch ohne diesbezüglichen [X.]eteiligtenvortrag im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen und hier zu bejahen ist. Nach Zugang bei Gericht konnte die [X.]eklagte ihr Anerkenntnis nicht widerrufen (so der Rechtsgedanke des § 130 Abs 1 [X.] [X.]G[X.]). Auf den Zugang bei dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin kommt es insoweit nicht an.

8

Die [X.]eklagte hat das erklärte Anerkenntnis auch nicht wirksam wegen Irrtums angefochten. Eine sinngemäße Anfechtungserklärung liegt in ihrem Schreiben an das [X.] vom 13.10.2008. Das Anerkenntnis kann indes als ausschließlich prozessuale Erklärung nicht wegen Irrtums angefochten oder widerrufen werden. Das Anerkenntnis kann lediglich widerrufen werden, wenn es von einem Restitutionsgrund betroffen ist, aufgrund dessen das Anerkenntnisurteil mit der [X.] beseitigt werden könnte. Daran fehlt es.

9

Die Erklärung eines Anerkenntnisses ist nach Auffassung des 1. [X.]s rein prozessual zu beurteilen. Er stimmt darin mit der Rechtsprechung des [X.]GH überein (vgl z[X.] [X.]GHZ 80, 389, 391 ff; [X.]GHZ 107, 142, 147, Juris Rd[X.] 26). Die Rechtsprechung der meisten [X.]e des [X.][X.] teilt den Ausgangspunkt des 1. [X.]s des [X.][X.], die Anwendbarkeit des § 307 S 1 ZPO: Nach Auffassung des 1. [X.]s regelt § 307 S 1 ZPO iVm § 202 [X.]G die Erklärung eines Anerkenntnisses (stRspr, vgl <4. [X.]> [X.][X.]E 24, 4, 5 = [X.] zu § 101 [X.]G, dort nicht abgedruckt; <5. [X.]> [X.][X.] SozR 1750 § 307 [X.] 1; <1. [X.]> [X.][X.] SozR 1750 § 307 [X.] 2; <12. [X.]> [X.][X.] Urteil vom 17.10.1986 - 12 RK 38/85 - Juris; <4. [X.]> [X.][X.] SozR 6580 Art 5 [X.] 4; <7. [X.]> [X.][X.] SozR 3-1500 § 193 [X.] 4; <6. [X.]> [X.][X.] [X.]eschluss vom 12.9.2001 - [X.] 6 [X.] 13/01 [X.] - Juris; <10. [X.]> [X.][X.] Urteil vom 10.5.2007 - [X.] 10 EG 2/06 R - Juris; <6. [X.]> [X.][X.] Urteil vom 29.8.2007 - [X.] 6 [X.] 31/06 R - Juris; <13. [X.]> [X.][X.] SozR 4-1300 § 48 [X.] 19; <5. [X.]> [X.][X.] [X.]eschluss vom 11.5.2011 - [X.] 5 R 34/11 [X.] - Juris; <3. [X.]> [X.][X.] Urteil vom 12.9.2012 - [X.] 3 [X.] 17/11 R - Juris; aA <10. [X.]> [X.][X.] [X.]eschluss vom 6.10.1961 - 10 RV 539/61 - Juris, in der Sache sinngemäß aufgegeben durch [X.][X.] Urteil vom [X.] - Juris). Die Regelung des § 307 S 1 ZPO lautet: "Erkennt eine Partei den gegen sie geltend gemachten Anspruch ganz oder zum Teil an, so ist sie dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen." Diese Regelung ergänzt jene des § 101 Abs 2 [X.]G: "Das angenommene Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruchs erledigt insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache."

Der Ausgangspunkt des § 307 ZPO, der zur Qualifizierung des Anerkenntnisses als Prozesserklärung führt, spiegelt sich in der zitierten Rechtsprechung der [X.][X.]-[X.]e wider (vgl z[X.] zusammenfassend [X.][X.] SozR 4-1300 § 48 [X.] 19 Rd[X.] 21): "Ein Anerkenntnis ist gegenüber dem Gericht abzugeben; dies kann in einem Schriftsatz - wie vorliegend -, zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll des Gerichts (§ 122 [X.]G iVm § 160 Abs 3 [X.] 1 ZPO) erfolgen. Nach § 101 Abs 2 [X.]G erledigt zwar nur das angenommene Anerkenntnis des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs den Rechtsstreit in der Hauptsache. Ein nicht angenommenes Anerkenntnis bleibt aber gleichfalls eine Prozesserklärung, wenngleich ohne unmittelbare prozessuale Wirkung, dh es erledigt als solches den Rechtsstreit in der Hauptsache nicht." Dennoch bleibt auch ohne eine Annahme der [X.]eteiligte, der die Erklärung abgegeben hat, an - so der 13. [X.] - ihren "materiell-rechtlichen" Inhalt gebunden, weil es sich bei dem Anerkenntnis um eine einseitige, nicht zustimmungsbedürftige Erklärung handelt (vgl [X.][X.] SozR [X.] 3 zu § 101 [X.]G; [X.][X.] Urteil vom [X.] - Juris Rd[X.] 21). Diese [X.]indung führt - so der 13. [X.] - dazu, dass auch im sozialgerichtlichen Verfahren auf ein nicht angenommenes Anerkenntnis ein Anerkenntnisurteil (§ 202 [X.]G iVm § 307 ZPO) zu ergehen hat (stRspr, z[X.] [X.][X.] SozR 1750 § 307 [X.] 1 [X.]; [X.][X.] SozR 1750 § 307 [X.] 2 S 5; [X.][X.] SozR 1500 § 101 [X.] 6 S 6; [X.][X.] Urteil vom 24.7.2003 - [X.] 4 RA 62/02 R - Juris Rd[X.] 18).

Nach dem ausdrücklichen Regelungsgehalt des inzwischen geänderten § 307 S 1 ZPO bedarf es demgegenüber keiner [X.]indung an einen "materiell-rechtlichen" Inhalt; es genügt die [X.]indung an den prozessualen Inhalt des Anerkenntnisses, welche bereits allein den Erlass des [X.] rechtfertigt.

Wesentliche, im beim 1. [X.] anhängigen Rechtsstreit sich zeigende Auswirkungen hat die vom [X.]GH abgelehnte, in der Rechtsprechung der angerufenen [X.][X.]-[X.]e aber ausdrücklich befürwortete Annahme einer Doppelnatur des Anerkenntnisses für die Möglichkeiten der [X.]eseitigung der Erklärung. Die genannten [X.][X.]-[X.]e halten die Regeln der Anfechtung (§§ 119 ff [X.]G[X.]) auf die Erklärung des Anerkenntnisses für anwendbar. Ausgehend hiervon hätte die [X.]eklagte im vorliegenden Rechtsstreit bei sinngemäßer Auslegung ihres Schreibens vom 13.10.2008 ihre Annahmeerklärung unverzüglich und wirksam wegen Irrtums angefochten. Der Rückgriff auf die Regeln der Anfechtung wegen Irrtums (§§ 119 ff [X.]G[X.]) müsste wegen der unterschiedlichen Auslegung des § 307 ZPO eine Anfrage an den 4b-[X.]GH-[X.] zur Vorbereitung einer Vorlage an den Gemeinsamen [X.] der obersten Gerichtshöfe des [X.]undes nach sich ziehen. Nach dessen Rechtsprechung kann ein prozessuales Anerkenntnis nicht wegen Irrtums angefochten oder widerrufen werden. Das Anerkenntnis kann widerrufen werden, wenn es von einem Restitutionsgrund betroffen ist, aufgrund dessen das Anerkenntnisurteil mit der [X.] beseitigt werden könnte. Der Widerruf kann mit der [X.]erufung gegen das Anerkenntnisurteil geltend gemacht werden (vgl [X.]GH [X.]GHZ 80, 389, 391 ff). Der [X.]GH hat sich mit der vorangegangenen abweichenden Rechtsprechung des 4. und 9. [X.][X.]-[X.]s nicht auseinandergesetzt.

Der 4. [X.][X.]-[X.] hat unter Hinweis auf Literatur in einer Entscheidung aus dem [X.] die Grundsätze für den [X.] auf das Anerkenntnis übertragen (vgl [X.][X.] 4. [X.] Urteil vom 27.6.1978 - 4/5 RJ 10/77 - Juris Rd[X.] 13 ff). Dem haben sich der 9. [X.] des [X.][X.] ([X.][X.] Urteil vom 1.4.1981 - 9 RV 43/80 - Juris Rd[X.] 30) und - in einem obiter dictum - der 1. [X.] des [X.][X.] angeschlossen (vgl [X.][X.] SozR 1750 § 307 [X.] 2). Diese Entscheidungen konnten sich noch nicht mit der hiervon abweichenden, erst später ergangenen Rechtsprechung des [X.]GH auseinandersetzen (vgl [X.]GH Urteil vom 27.5.1981 - [X.] - [X.]GHZ 80, 389), dies hätte vielmehr dem [X.]GH oblegen.

3. Die Übertragung der Grundsätze für den [X.] auf das Anerkenntnis überzeugt nicht. [X.] erscheint die Zuordnung des Anerkenntnisses nach § 307 ZPO zum Prozessrecht als konsequent. Wortlaut, Regelungsort, -system sowie -zweck sprechen für ein prozessuales Verständnis. Es entspricht den allgemeinen Grundsätzen über Prozesshandlungen, von ihrer Widerruflichkeit nur beim Vorliegen von [X.] auszugehen. Das prozessuale Anerkenntnis bezieht sich nur auf den mit der Klage geltend gemachten prozessualen Anspruch, dem sich der [X.] unterwirft. Eine materiell-rechtliche Komponente enthält das prozessrechtliche Anerkenntnis als solches nicht. Es hat vielmehr zur Folge, dass der anerkennende [X.]eteiligte dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen ist, ohne dass es noch auf die materiell-rechtliche [X.]egründetheit des [X.]s ankommt (§ 307 S 1 ZPO; vgl schon zum alten Rechtszustand [X.]GHZ 80, 389, 391; [X.]GHZ 10, 333, 335). [X.]illigkeitsgründe stehen diesem aus Systematik und Sinn der verfahrensrechtlichen Vorschriften abgeleiteten Ergebnis nicht entgegen. Der anerkennende [X.]eteiligte übernimmt mit dem Anerkenntnis das [X.]eurteilungsrisiko bezüglich der dem Anerkenntnis zugrunde gelegten tatsächlichen und rechtlichen Vorstellungen (vgl schon zum alten Rechtszustand [X.]GHZ 80, 389).

Das früher von der Rechtsprechung des [X.][X.] verwendete [X.]ild zweier kongruenter, gegenüber dem Gericht abgegebener Prozesserklärungen beider [X.]eteiligter, der erst zum Erfolg iS von § 101 Abs 2 [X.]G führe und nicht einseitig kraft hoheitlicher Gewalt durch Verwaltungsakt rückgängig gemacht werden könne (vgl [X.][X.] Urteil vom 27.6.1978 - 4/5 RJ 10/77 - Juris Rd[X.] 13 mit Hinweis auf [X.][X.]E 7, 279, 280 zum [X.]; siehe auch [X.][X.] Urteil vom 6.5.2004 - [X.] 4 RA 52/03 R - Juris; [X.][X.] SozR 4-8570 § 5 [X.] 5), entfaltet gerade unter Einbeziehung der aktuellen Regelung des § 307 S 1 ZPO keine Überzeugungskraft. Schon die einseitige Erklärung des [X.]eklagten, den [X.] ganz oder teilweise anzuerkennen, führt zum Anerkenntnisurteil (vgl in diesem Sinne zur ZPO bereits [X.]GHZ 10, 333 ff).

Die Rechtsprechung des 4. und 9. [X.]s des [X.][X.], die von einer Doppelnatur des Anerkenntnisses entsprechend dem [X.] ausgeht, begnügt sich nicht mit der entsprechenden Anwendung der Regelungen der §§ 119 ff [X.]G[X.]. Sie schränkt deren Anwendung mit der - für sich genommen zutreffenden - Überlegung ein, dass mittels Zulassung der Anfechtung nicht der Schutz unterlaufen werden darf, den etwa § 45 [X.][X.] X beim Erlass eines Verwaltungsakts bietet: Die Verwaltung kann die Wirkung eines angenommenen Anerkenntnisses danach nicht durch eine nachträgliche Erklärung beseitigen, wenn sie, hätte sie einen Verwaltungsakt mit dem entsprechenden Inhalt des Anerkenntnisses erlassen, diesen nach § 45 Abs 3 [X.][X.] X nicht hätte zurücknehmen können. In diesem Fall darf der Kläger aufgrund des angenommenen Anerkenntnisses, das eine stärkere verfahrensrechtliche Stellung verschafft (§ 101 Abs 2, § 199 Abs 1 [X.] 3 [X.]G), nicht ungünstiger gestellt werden (vgl [X.][X.] Urteil vom [X.] RV 12/83 - Juris Rd[X.] 6).

Hinter der Zulassung der entsprechenden Anwendung der Regelungen der §§ 119 ff [X.]G[X.] steht das [X.]edürfnis, Verwaltungsträger durch das Anerkenntnis nicht stärker zu binden als durch einen Verwaltungsakt. Dieses [X.]edürfnis steht der Übernahme der prozessualen Lösung entsprechend der Ansicht des [X.]GH bei sachgerechter Auslegung nicht entgegen. Vielmehr ermöglicht es die Annahme eines getrennt zu beurteilenden prozessualen und materiell-rechtlichen Doppeltatbestands in geeigneten Fällen, systemgerechte, willkürliche Ungleichbehandlung vermeidende Ergebnisse zu erzielen. Nach Auffassung des [X.]GH ist es möglich, dass mit dem prozessualen Anerkenntnis auch eine materiell-rechtlich bedeutsame Erklärung verbunden wird. Das Wesen des prozessualen Anerkenntnisses wird nach [X.]GH-Auffassung davon jedoch nicht berührt. Dessen verfahrensrechtliche Wirkung und die materiell-rechtliche Wirkung der etwa mit dem Anerkenntnis verbundenen sachlich-rechtlichen Willenserklärung sind gegebenenfalls getrennt zu beurteilen (vgl [X.]GHZ 80, 389, 391 ff; [X.]aumbach/[X.]/ [X.]/[X.], ZPO, 73. Aufl 2015, Einf 1 [X.] vor §§ 306, 307 mwN). Das prozessuale Anerkenntnis hat nach dieser Rechtsprechung weder allgemein noch in einem solchen Fall eine materiell- und verfahrensrechtliche Doppelnatur, wie dies etwa beim [X.] angenommen wird (vgl zu letzterem [X.]GH Urteil vom [X.] - NJW 1980, 1753, 1754 mwN).

Geht man - mit dem [X.]GH - bei materiell-rechtlichem Gehalt der Erklärung eines Anerkenntnisses von einem Doppeltatbestand aus, kann man bei [X.] zwanglos einen Verwaltungsakt zugrunde legen, den der [X.] neben dem prozessualen Anerkenntnis erlässt. Der [X.] kann diesen Verwaltungsakt auch nach Eintritt seiner [X.]estandskraft nach den Regelungen des [X.][X.] X ändern oder aufheben. Es harmoniert mit diesem Ansatz, dass nach der Rechtsprechung des 13. [X.]s des [X.][X.] eine in Ausführung eines angenommenen Anerkenntnisses bewilligte Rente bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse nach § 48 [X.][X.] X aufgehoben werden kann ([X.][X.] SozR 4-1300 § 48 [X.] 19).

Soweit - wie vorliegend im Falle der [X.] - kein Subordinationsverhältnis besteht, sondern ein gesetzliches [X.]ehandlungsverhältnis mit Gleichordnung zugrunde liegt, besteht kein Anlass, zu einer vom [X.]GH abweichenden Wertung zu gelangen. Auch hier übernimmt der anerkennende [X.]eteiligte mit dem Anerkenntnis das [X.]eurteilungsrisiko bezüglich der dem Anerkenntnis zugrunde gelegten tatsächlichen und rechtlichen Vorstellungen (vgl oben). [X.]esonders gelagerten Ausnahmefällen kann nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (so schon bei Auslegung der Erklärungen, siehe oben; ggf auch bei Erschleichen eines Titels/§ 826 [X.]G[X.]) und nach den Vorschriften über die Wiederaufnahme des Verfahrens Rechnung getragen werden (vgl schon zum alten Rechtszustand [X.]GHZ 80, 389, 391). Es fehlte aber auch ein sachlicher Grund, solche Fälle der Gleichordnung in Verfahren nach dem [X.]G abweichend von jenen zu behandeln, über die der [X.]GH entschieden hat.

Das [X.][X.] geht zudem für die Annahme eines Anerkenntnisses (§ 101 Abs 2 [X.]G) von einer Prozesshandlung aus, die das Gericht und die [X.]eteiligten bindet, auch wenn der Rechtsstreit materiell nicht erledigt wurde. Sie kann grundsätzlich nicht widerrufen oder wegen Irrtums angefochten werden (vgl [X.][X.] Urteil vom 20.12.1995 - 6 [X.] 18/95 - Juris Rd[X.] 11). Es ist schwerlich zu erklären, warum dann die Erklärung eines Anerkenntnisses nach § 202 [X.]G iVm § 307 S 1 ZPO als potentiell erster Schritt zu einer Erledigung nach § 101 Abs 2 [X.]G eine andere Rechtsqualität haben sollte.

Meta

B 1 KR 1/15 R

10.03.2015

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Hannover, 14. Dezember 2009, Az: S 19 KR 622/08, Gerichtsbescheid

§ 41 Abs 3 S 1 SGG, § 101 Abs 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 202 SGG, § 307 S 1 ZPO, § 119 BGB, §§ 119ff BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.03.2015, Az. B 1 KR 1/15 R (REWIS RS 2015, 14347)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14347

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