Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.05.2020, Az. 4 ABR 29/19

4. Senat | REWIS RS 2020, 394

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Gegenstand

Zustimmungsersetzung - Umgruppierung - Zuordnung zu Gehalts- und Lohngruppen


Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des [X.] vom 12. August 2019 - 8 TaBV 19/19 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Anhörung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung eines Arbeitnehmers.

2

Die Arbeitgeberin, Mitglied im [X.], betreibt ein Einzelhandelsunternehmen mit zahlreichen Standorten, darunter einem Betrieb in B.

3

Mit Schreiben vom 22. November 2017 ersuchte die Arbeitgeberin den dort gebildeten Betriebsrat um Zustimmung zur „Einstellung“ des - bereits seit dem [X.] bei ihr beschäftigten und bis zum 30. November 2017 auf einer anderen Stelle tätigen - Arbeitnehmers L ab dem 1. Dezember 2017 für den Bereich „Food“ sowie zur beabsichtigten „Eingruppierung“ in die [X.]) des Gehalts- und Lohntarifvertrags für den Einzelhandel in [X.] ([X.]).

4

Der Betriebsrat stimmte mit Schreiben vom 27. November 2017, welches der Arbeitgeberin am selben Tag zuging, der beabsichtigten „Einstellung“, nicht aber der „Eingruppierung“ zu. [X.] sei die Gehaltsgruppe II [X.].

5

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, dem Arbeitnehmer seien ganz überwiegend schwere körperliche Arbeiten im Bereich „Food“, welcher das Bistro, den [X.], das Kunden- und das Mitarbeiterrestaurant umfasst, sowie Tätigkeiten im Bereich der Warenverräumung übertragen.

6

Die Antragstellerin hat - soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung - beantragt,

        

die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung des Arbeitnehmers L ab dem 1. Dezember 2017 in die Lohngruppe II Lohnstaffel b) nach Maßgabe des § 5 des Gehalts- und Lohntarifvertrages für den niedersächsischen Einzelhandel zu ersetzen.

7

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die dem Arbeitnehmer übertragene Tätigkeit sei dem kaufmännischen Bereich zuzuordnen. Er werde im Bereich „Food“ überwiegend mit Kassiertätigkeiten einschließlich der dazu gehörenden Vor- und Nacharbeiten sowie im Verkauf beschäftigt. Die Tätigkeit in der Warenannahme erschöpfe sich nicht in schwerer körperlicher Arbeit, sondern umfasse auch das Ausfüllen von [X.], den Umgang mit Lieferanten und die allgemeine Bestellabwicklung.

8

Das Arbeitsgericht hat den ursprünglich als Hauptantrag gestellten Feststellungsantrag der Arbeitgeberin, dem Betriebsrat stehe hinsichtlich der hier streitigen personellen Einzelmaßnahme kein Zustimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 [X.] zu, abgewiesen und deren hilfsweise erhobenem Zustimmungsersetzungsantrag stattgegeben. Das [X.] hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat weiterhin die Abweisung des Zustimmungsersetzungsantrags.

9

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Das [X.] durfte die Beschwerde des Betriebsrats nicht mit der gegebenen Begründung zurückweisen. Ob der Betriebsrat seine Zustimmung zu Unrecht verweigert hat, kann der [X.] nicht abschließend entscheiden, weil es hierfür an den erforderlichen Feststellungen fehlt. Das führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung (§ 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG iVm. § 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Anhörung und Entscheidung an das [X.] (§ 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG iVm. § 563 Abs. 1 ZPO).

I. Der Zustimmungsersetzungsantrag ist nach gebotener Auslegung zulässig.

1. Das Begehren der Arbeitgeberin ist entgegen dem Antragswortlaut auf die Zustimmungsersetzung zur Umgruppierung des Arbeitnehmers gerichtet. Bei der Zuordnung der Tätigkeit des Arbeitnehmers zur [X.]) [X.] handelt es sich - entgegen der Annahme der Betriebsparteien - nicht um eine gem. § 99 Abs. 1 [X.] mitbestimmungspflichtige Eingruppierung, sondern um eine Umgruppierung. Eine Eingruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist die Einreihung eines Arbeitnehmers in eine betriebliche Vergütungsordnung. Eine Umgruppierung ist jede Änderung dieser Einreihung. Über eine solche muss der Arbeitgeber [X.]. - wie hier - beim Wechsel der einem Arbeitnehmer zugewiesenen Arbeitsaufgaben entscheiden ([X.] 13. November 2019 - 4 [X.] - Rn. 17 mwN).

2. Dem im Antrag angegebenen Datum „ab dem 1. Dezember 2017“ kommt keine eigenständige Bedeutung zu. Es drückt kein - in dem zukunftsbezogenen Zustimmungsersetzungsverfahren unzulässiges - Begehren aus, die Zustimmung des Betriebsrats mit Rückwirkung zu ersetzen (vgl. [X.] 9. März 2011 - 7 [X.] - Rn. 15). Das im Antrag genannte Datum bezeichnet lediglich den Zeitpunkt, ab dem der Arbeitnehmer aus Sicht der Arbeitgeberin nach der [X.]) [X.] zu vergüten ist.

3. Der so verstandene Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er bezieht sich mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht nur auf den zum Zeitpunkt des [X.] und des [X.] einschlägigen [X.] (Fassung vom 2. August 2017), sondern auf die jeweilige Fassung und damit auch auf diejenige vom 18. Juli 2019. Ein solches Verständnis ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn sich - wie vorliegend - durch den Ne[X.]bschluss eines Tarifvertrags das maßgebliche tarifliche Vergütungsschema nicht geändert hat ([X.] 21. März 2018 - 7 [X.] - Rn. 14).

II. Die tarifliche Bewertung der dem Arbeitnehmer übertragenen Tätigkeit durch das [X.], die zugleich das Zustimmungsersetzungsbegehren bestimmt, ist nicht frei von Rechtsfehlern.

1. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das [X.] angenommen, bei der beabsichtigten Maßnahme handele es sich um eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit. Das steht aufgrund des insoweit rechtskräftigen erstinstanzlichen Beschlusses des [X.] vom 23. Jan[X.]r 2019 - 1 BV 22/17 - fest (zur [X.] einer negativen Feststellungsklage [X.]. [X.] 29. August 2013 - 2 [X.] - Rn. 22 mwN). Die Entscheidung über die für den noch streitgegenständlichen Antrag entscheidungserhebliche Vorfrage der Mitbestimmungspflichtigkeit der personellen Einzelmaßnahme nach § 99 Abs. 1 [X.] entfaltet für das weitere Beschlussverfahren der beiden Beteiligten präjudizielle Bindungswirkung (vgl. [X.] 13. März 2013 - 7 [X.] - Rn. 15 mwN, [X.]E 144, 340).

2. Ferner ist das Beschwerdegericht nach seinen Feststellungen zutreffend davon ausgegangen, dass die Arbeitgeberin den Betriebsrat mit Schreiben vom 22. November 2017 ordnungsgemäß unterrichtet (§ 99 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 [X.]) und der Betriebsrat die Zustimmung zur beabsichtigten Eingruppierung mit Schreiben vom 27. November 2017 form- und fristgerecht verweigert hat (§ 99 Abs. 2 und Abs. 3 [X.]).

3. Das [X.] hat jedoch das [X.] des [X.] nicht rechtsfehlerfrei angewandt. Entgegen seiner Auffassung gebietet dieses vor der Eingruppierung eines Arbeitnehmers in eine bestimmte Gehalts- oder Lohngruppe nicht die Prüfung, ob jener der Gruppe der Angestellten oder der gewerblichen Arbeitnehmer zuzuordnen ist. Das ergibt die Auslegung des Tarifvertrags (zu den Maßstäben der Tarifauslegung [X.]. zB [X.] 20. Juni 2018 - 4 [X.] - Rn. 19).

a) Die für die Eingruppierung maßgebenden tariflichen Regelungen sind im Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in [X.] vom 24. Febr[X.]r 2014 ([X.]) und im [X.] vom 18. Juli 2019 enthalten.

aa) Der [X.] lautet auszugsweise:

        

§ 6   

        

Gehalts- und Lohnregelung

        

1. Die Festsetzung der Gehälter und Löhne erfolgt in besonderen tarifvertraglichen Regelungen.

        

2. Für die Eingruppierung der Beschäftigten kommt es auf die tatsächlich verrichtete Tätigkeit an. …“

bb) Der [X.] regelt [X.].:

        

§ 1   

        

Geltungsbereich

        

…       

        

persönlich:

Für alle Beschäftigten1 einschließlich der Auszubildenden. Ausgenommen sind alle Personen, die nach § 5 Abs. 2 und 3 [X.] nicht als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes gelten.

        

…       

        

§ 3     

        

[X.]

        

Gehaltsgruppe I

        

Angestellte ohne abgeschlossene kaufmännische Ausbildung, Angestellte ohne Berufsausbildung.

        

…       

        

Ab 4. Tätigkeitsjahr … erfolgt die Eingruppierung in die der Tätigkeit entsprechende Gruppe.

        

Gehaltsgruppe II

        

Angestellte mit abgeschlossener einschlägiger Berufsausbildung bzw. nach dreijähriger Tätigkeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres in Gehaltsgruppe I.

        

Beispiele: Verkäufer, Kassierer (auch in [X.]) mit einfacher Tätigkeit, Steno- und [X.] für einfache Tätigkeiten, Telefonisten, [X.], Angestellte mit einfacher kaufmännischer Tätigkeit in Verwaltung, Datenverarbeitung, Warenannahme, Lager-, Versand- und Werbeabteilungen, Kontrolleure an Packtischen usw., Krankenschwestern/-pfleger mit einfacher Tätigkeit.

        

…       

        

§ 5     

        

Lohngruppen

        

Lohngruppe I

        

Arbeitnehmer für Tätigkeiten, die ohne besondere berufliche Vorbildung oder Ausbildung ausgeführt werden können.

        

Beispiele: Auffüller, Raumpfleger und Spülhilfen.

        

Lohngruppe II

        

Arbeitskräfte für Tätigkeiten, die ohne handwerkliche Vor- oder Ausbildung ausgeführt werden, die aber

        

Lohnstaffel a)

        

gewisse Fertigkeiten oder besondere Geschicklichkeit erfordern.

        

…       

        

Lohnstaffel b)

        

in der Regel körperlich schweres Arbeiten erfordern.

        

Beispiele: Büfettkräfte mit Kontrollaufgaben, Heizer, soweit sie nicht Handwerker sind, Lagerarbeiter, Lastenfahrstuhlfahrer, die be- und entladen, Packer.

        

…“    

b) Der [X.] unterscheidet seinem Wortlaut nach zwischen [X.] (§ 3 [X.]) und Lohngruppen (§ 5 [X.]). Er sieht aber nicht ausdrücklich vor, dass der betreffende Arbeitnehmer vor der Einreihung in eine Gehalts- oder Lohngruppe zunächst - in einem eigenen Prüfungsschritt - der Gruppe der Angestellten oder der gewerblichen Arbeitnehmer zuzuordnen wäre. Insoweit unterscheidet sich der [X.] von dem [X.], der Gegenstand der vom [X.] herangezogenen Entscheidung des [X.] war ([X.] 25. August 2010 - 4 [X.] - Rn. 14 mwN). Dieser regelte ausdrücklich ein „[X.]nverzeichnis … für angestellte Arbeitnehmer“ und ein weiteres „[X.]nverzeichnis für gewerbliche Arbeitnehmer ...“.

c) Aus dem Umstand, dass die Arbeitnehmer in den [X.] (§ 3 [X.]) durchgehend als „Angestellte“ bezeichnet werden, ergibt sich entgegen der Annahme des [X.]s nicht, dass de[X.]alb „zwischen Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmern (= Arbeiter) zu unterscheiden ist“. Der [X.] sieht keine begriffliche Unterscheidung zwischen Angestellten auf der einen und gewerblichen Arbeitnehmern auf der anderen Seite vor. Während die Tarifvertragsparteien im Rahmen der [X.] (§ 3 [X.]) den Begriff der Angestellten verwendet haben, haben sie im Rahmen der Lohngruppen (§ 5 [X.]) nicht den der Arbeiter oder gewerblichen Arbeitnehmer gewählt, sondern die Beschäftigten dort - unspezifisch - als Arbeitnehmer (Lohngruppen I und III) oder Arbeitskräfte ([X.]) bezeichnet oder die konkrete Tätigkeit benannt (zB [X.]fahrer, Bedienungspersonal).

d) Dieses Verständnis wird durch die Tarifsystematik bestätigt. Eine Zuordnung der Arbeitnehmer zu den [X.] auf der einen oder den Lohngruppen auf der anderen Seite im Wege einer Vorabprüfung widerspräche der durch die Nennung von [X.]en getroffenen Wertung der Tarifvertragsparteien.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] sind die Erfordernisse eines [X.] regelmäßig dann als erfüllt anzusehen, wenn der Arbeitnehmer eine dem in der [X.] genannten Tätigkeits-, Regel- oder Richtbeispiel entsprechende Tätigkeit ausübt (zuletzt zB [X.] 13. November 2019 - 4 [X.] - Rn. 5, 25 zum Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel in [X.] vom 29. August 2017). Das beruht darauf, dass die Tarifvertragsparteien selbst im Rahmen ihrer rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gewisse häufig vorkommende und typische Aufgaben einer bestimmten [X.] fest zuordnen können. Haben die Tarifvertragsparteien Tätigkeits-, Regel- oder Richtbeispiele festgelegt, ist ein Rückgriff auf die [X.] nicht nur überflüssig, sondern unzulässig ([X.] 12. Juni 2019 - 4 [X.] - Rn. 17).

bb) Für den streitgegenständlichen Tarifvertrag bedeutet das, dass ein vom [X.] erfasster Arbeitnehmer, der beispielsweise überwiegend als „Auszeichner“ tätig ist, regelmäßig ohne weitere Prüfung des allgemeinen [X.] nach [X.] Lohnstaffel a) [X.] zu vergüten ist (vgl. [X.] 4. September 1996 - 4 [X.] - zu II b der Gründe, [X.]E 84, 97). Eine gesonderte Prüfung, ob es sich bei dem Arbeitnehmer um einen Angestellten oder einen gewerblichen Arbeitnehmer handelt, ist nicht vorgesehen. Ebenso könnte ein Arbeitnehmer, der [X.]. eine Teiltätigkeit als „Kassierer … mit einfacher Tätigkeit“ ausübt, nicht mehr diesem [X.] zugeordnet werden, wenn er im Rahmen einer vorgeschalteten Prüfung als gewerblicher Arbeitnehmer anzusehen wäre. Die sich aus der Festlegung von [X.]en ergebende Wertung der Tarifvertragsparteien würde umgangen, wenn nach außerhalb des Tarifvertrags liegenden Maßstäben vorab geprüft würde, ob ein Arbeitnehmer der Gruppe der Angestellten oder derjenigen der gewerblichen Arbeitnehmer zuzuordnen ist.

cc) Auch bei der Prüfung der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale bedarf es keines Rückgriffs auf den Status des Arbeitnehmers als Angestellter oder gewerblicher Arbeitnehmer. Soweit diese unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, sind die [X.]e im Rahmen der Auslegung als Richtlinien für die Bewertung mit zu berücksichtigen (zuletzt [X.] 13. November 2019 - 4 [X.] - Rn. 25; 23. Jan[X.]r 2019 - 4 [X.] - Rn. 27 mwN). Etwas anderes folgt auch nicht aus dem hinsichtlich der Tätigkeit nicht näher bestimmten allgemeinen Tätigkeitsmerkmal der Gehaltsgruppe I [X.]. Dieses enthält zwar keine [X.]e. Die dieser Gehaltsgruppe zuzuordnenden Tätigkeiten können aber gleichwohl ohne Heranziehung des Angestelltenbegriffs und unter Berücksichtigung der in § 3 Gehaltsgruppe I Abs. 2 [X.] vorgesehenen Höhergruppierung im Wege der Auslegung ermittelt werden, indem auf eine mögliche kaufmännische Prägung abgestellt oder eine Abgrenzung zu den in Gehaltsgruppe II und Lohngruppe I [X.] genannten Tätigkeitsmerkmalen vorgenommen wird.

e) Dass der [X.] keine „statusbezogene“ Unterscheidung von Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmern vorsieht, sondern der Differenzierung zwischen Gehalts- und Lohngruppen lediglich eine - historisch bedingte - gliedernde oder typisierende Funktion zukommt, wird schließlich durch die Tarifgeschichte deutlich.

aa) Bis zum Jahr 1979 wurden die Gehalts- und Lohntarifverträge für den Einzelhandel in [X.] getrennt voneinander abgeschlossen. So wurde zuletzt mit Wirkung zum 1. Mai 1978 zwischen dem Einzelhandelsverband [X.] e.V. auf der einen und der [X.], Banken und Versicherungen ([X.]) bzw. der [X.] ([X.]) auf der anderen Seite ein Gehaltstarifvertrag abgeschlossen, der persönlich „für alle Angestellten …“ galt. Entsprechend sahen die Tätigkeitsmerkmale Tätigkeiten von „Angestellten“ vor. Zeitgleich wurde ein Lohntarifvertrag abgeschlossen. Er galt persönlich „für die in diesen Betrieben beschäftigten arbeiterrentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer einschließlich der Auszubildenden“. Hier wurden die Arbeitnehmer in den Tätigkeitsmerkmalen ganz überwiegend als „Arbeitskräfte“ bezeichnet. Mit Wirkung zum 1. Mai 1979 trat erstmals ein zwischen dem Einzelhandelsverband [X.] e.V. auf der einen und den [X.] [X.] und [X.] auf der anderen Seite abgeschlossener gemeinsamer Gehalts- und Lohntarifvertrag in [X.]. Dieser galt nach seinem persönlichen Geltungsbereich „für alle Beschäftigten …“. Trotz der Vereinheitlichung des persönlichen Geltungsbereichs blieb die Aufteilung in Gehalts- und Lohngruppen aufrechterhalten. Im Rahmen der [X.] wurden die Beschäftigten weiterhin als „Angestellte“ bezeichnet, im Rahmen der Lohngruppen nunmehr überwiegend als „Arbeitnehmer“. Lediglich in der [X.] wurde der Begriff „Arbeitskräfte“ beibehalten.

bb) Durch die Zusammenführung des Gehalts- und Lohntarifvertrags und die damit verbundene Vereinheitlichung des persönlichen Geltungsbereichs ohne Einführung weiterer Differenzierungskriterien für die Zuordnung zu den Gehalts- und Lohngruppen haben die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck gebracht, dass künftig die bi[X.]erige über den jeweiligen Geltungsbereich vermittelte grundsätzlich notwendige Unterscheidung zwischen Angestellten und Arbeitern für die Eingruppierung nicht mehr erforderlich ist. Sie erfolgt lediglich anhand der von den Beschäftigten verrichteten Tätigkeit (§ 6 Abs. 2 [X.]). Dem entspricht es auch, dass die Tarifvertragsparteien die Bezeichnung der „Arbeitskräfte“ im Rahmen der Lohngruppen überwiegend in den umfassenden Begriff der „Arbeitnehmer“, und nicht etwa in „gewerbliche Arbeitnehmer“, geändert haben. Nach dem ersatzlosen Entfall der spezifischen Geltungsbereichsregelung der vormaligen Tarifverträge handelt es sich bei dem im Rahmen der [X.] weiterhin verwendeten Begriff „Angestellte“ nur noch um einen historisch bedingten Rechtsbegriff, dem aber nicht mehr die Bedeutung als allgemeines Unterscheidungsmerkmal zukommt.

III. Ob der Antrag der Arbeitgeberin begründet ist, vermag der [X.] nicht zu beurteilen. Es fehlt an den für die Bestimmung der tariflich zu bewertenden Tätigkeit erforderlichen Tatsachenfeststellungen durch das [X.]. Die Sache ist de[X.]alb zur neuen Anhörung und Entscheidung an dieses zurückzuverweisen.

1. Im Rahmen der neuen Anhörung und Entscheidung wird das [X.] zunächst festzustellen haben, welche Tätigkeiten dem Arbeitnehmer mit jeweils welchen Zeitanteilen übertragen und wie diese von Seiten der Arbeitgeberin organisiert sind. Auf dieser Grundlage hat es dann zu bestimmen, ob es sich bei der verrichteten Tätigkeit um eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit oder um getrennt zu bewertende [X.] handelt.

a) Entgegen der Auffassung des [X.]s ist die dem Arbeitnehmer übertragene Tätigkeit nicht stets als einheitliche Gesamttätigkeit zu bewerten.

aa) Gegenstand der tariflichen Bewertung ist gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.] die „tatsächlich verrichtete Tätigkeit“. Zwar fehlt es an einer ausdrücklichen Bestimmung, nach der eine überwiegende Tätigkeit für die Eingruppierung maßgebend sein soll. Jedoch handelt es sich um einen allgemein anerkannten Grundsatz des Eingruppierungsrechts, dass sich die auszuübende Tätigkeit eines Arbeitnehmers aus verschiedenen [X.] unterschiedlicher [X.]n zusammensetzen kann ([X.] 8. Juli 2015 - 4 [X.] - Rn. 33 mwN).

bb) Anhaltspunkte dafür, die Tarifvertragsparteien des [X.] hätten von dieser Regel abweichen wollen, bestehen nicht. Insbesondere setzt eine „Tätigkeit“ iSd. tarifvertraglichen Regelung des § 6 Abs. 2 [X.] schon begrifflich nicht voraus, dass der Arbeitnehmer nur eine in einer Gehalts- oder Lohngruppe aufgeführte Tätigkeit ausschließlich ausübt oder diese einheitlich einem tariflichen Tätigkeitsmerkmal entsprechen muss. Auch ein Arbeitnehmer, der nur teilweise etwa als Verkäufer und teilweise in anderer Funktion eingesetzt wird, wird als solcher „tätig“ (vgl. [X.] 26. August 2015 - 4 [X.] - Rn. 43). Der tarifvertraglichen Regelung ist ebenso wenig zu entnehmen, dass die Tarifvertragsparteien von einem anderen Maß als der überwiegend auszuübenden Tätigkeit ausgegangen wären (so etwa in [X.] 26. August 2015 - 4 [X.] - Rn. 44).

b) Für die Bestimmung, ob es sich im konkreten Fall um eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit oder mehrere getrennt zu bewertende [X.] handelt, gelten vergleichbare Regeln und Kriterien wie bei der Bestimmung des Arbeitsvorgangs nach den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes (dazu im Einzelnen [X.] 16. Oktober 2019 - 4 [X.] - Rn. 17; 28. Febr[X.]r 2018 - 4 [X.] - Rn. 24 f. mwN, [X.]E 162, 81). Die anzuwendenden Maßstäbe sind lediglich weniger streng (st. Rspr., zB [X.] 24. Febr[X.]r 2016 - 4 [X.] - Rn. 15 mwN; 25. August 2010 - 4 [X.] - Rn. 15).

c) Das [X.] wird danach festzustellen haben, welche Einzeltätigkeiten der Arbeitnehmer in welchem zeitlichen Umfang auszuüben hat. Die bi[X.]erigen Feststellungen sind nicht ausreichend. Sie beschränken sich insoweit auf die ungefähre Beschreibung der Tätigkeit. Im Übrigen gibt das [X.] lediglich umfangreich den streitigen Vortrag der Beteiligten wieder. Den Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, wie die Tätigkeit des Arbeitnehmers organisiert ist, insbesondere ob dessen Teilaufgaben im Schweden[X.]op, im Bistro, im Mitarbeiter- und im [X.] sowie ggf. auch in der Warenverräumung von vornherein tatsächlich auseinander gehalten und auch organisatorisch voneinander getrennt sind oder etwa nach der eigenen bedarfsorientierten Einschätzung des Arbeitnehmers ineinander übergehen.

2. In einem nächsten Schritt wird das [X.] zu prüfen haben, ob die tariflich gesondert zu bewertenden [X.] oder die einheitliche Gesamttätigkeit einem oder mehreren [X.]en entsprechen. Das setzt regelmäßig voraus, dass die Tätigkeit innerhalb der zu bewertenden Gesamt- oder Teiltätigkeit zeitlich überwiegend, [X.] der Arbeitszeit ausgeübt wird. Zwingend erforderlich ist das aber nicht. Die anfallenden Aufgaben können auch durch ihre q[X.]litativen Anforderungen den Schwerpunkt der Tätigkeiten bilden und für die Gesamt- oder Teiltätigkeit so bedeutsam sein, dass diese insgesamt dem „Bild“ der durch das [X.] beschriebenen Tätigkeit entspricht. Es muss sich um dem [X.] typischerweise zuzuordnende Tätigkeiten handeln. Im [X.] kommen insoweit aus den [X.] (§ 3 [X.]) - je nach genauem Zuschnitt der Tätigkeit - etwa die Beispiele Verkäufer oder Kassierer mit einfacher Tätigkeit (Gehaltsgruppe II [X.]) oder Büfettkräfte mit Kontrollaufgaben ([X.]) [X.]) in Betracht.

3. Sollte die dem Arbeitnehmer übertragene Tätigkeit nicht überwiegend einem [X.] entsprechen, ist die Erfüllung der in Betracht kommenden allgemeinen Tätigkeitsmerkmale zu prüfen. Bei deren Auslegung können die [X.]e als Richtlinien für die Bewertung mit herangezogen werden ([X.]. zuletzt [X.] 13. November 2019 - 4 [X.] - Rn. 25; 23. Jan[X.]r 2019 - 4 [X.] - Rn. 27 mwN).

        

    Treber    

        

    Klug    

        

    Rinck    

        

        

        

    S. Gey-Rommel    

        

    [X.]    

                 

Meta

4 ABR 29/19

13.05.2020

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Braunschweig, 23. Januar 2019, Az: 1 BV 22/17, Beschluss

§ 99 Abs 1 BetrVG, § 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.05.2020, Az. 4 ABR 29/19 (REWIS RS 2020, 394)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 394

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Referenzen
Wird zitiert von

1 TaBV 12/21

4 TaBV 13/21

6 TaBV 52/20

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