Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.02.2014, Az. VII ZB 46/13

7. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7653

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Gegenstand

Zwangsvollstreckungsverfahren: Voraussetzungen einer Befreiung vom Formularzwang für Anträge auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses


Tenor

Auf die Rechtsmittel der Gläubigerin werden der Beschluss der 7. Zivilkammer des [X.] vom 8. August 2013 sowie der Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht -Regensburg vom 1. Juli 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - zurückverwiesen.

Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - darf den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht aus den Gründen der aufgehobenen Beschlüsse ablehnen.

Gründe

I.

1

[X.]ie Gläubigerin begehrt den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.

2

Sie ist Inhaberin einer durch notarielle Urkunde titulierten Forderung gegen den Schuldner.

3

Wegen eines Teilbetrags in Höhe von 50.000 € hat die Gläubigerin bei dem Amtsgericht die Pfändung und Überweisung angeblicher Forderungen des Schuldners gegen dessen Arbeitgeber und die [X.] beantragt. Hierzu hat sich die Gläubigerin eines Antragsformulars bedient, welches nicht vollständig mit dem Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 der Verordnung über Formulare für die Zwangsvollstreckung ([X.] - [X.], [X.]. 2012 I S. 1822, 1827) übereinstimmt.

4

[X.]ie [X.]arstellung der einzelnen Rahmen, die Schriftgröße, die [X.]icke der Linien, die Zeilenumbrüche sowie die Zeilenabstände weichen zum Teil von diesem Formular ab. Ferner sind in einigen Bereichen die für die Eintragungen vorgesehenen Textlinien kürzer als in dem genannten Formular. [X.]as Formular ist zudem in schwarz-weiß gehalten und weist nicht die in dem Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 [X.] vorgesehenen grünfarbigen Elemente auf.

5

[X.]ie Gläubigerin hat das Formular darüber hinaus auf Seite 5 in dem Feld "Anspruch [X.] (an Kreditinstitute)" um zusätzliche, über die vorhandenen Freizeilen hinausgehende Eintragungen erweitert, wodurch sich [X.] verschoben haben.

6

[X.]as Amtsgericht hat den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach vorherigem Hinweis als unzulässig zurückgewiesen. [X.]ie hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Gläubigerin die Aufhebung der zurückweisenden Beschlüsse und den Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung.

II.

7

[X.]ie zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

8

1. [X.]as Beschwerdegericht ist der Auffassung, der Antrag der Gläubigerin auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sei nicht formgerecht eingereicht worden, da er nicht mit dem verbindlichen Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 [X.] gestellt worden sei. [X.]ie Anerkennungsfähigkeit von [X.], gleich welcher Qualität, sei weder den Bestimmungen der [X.] noch deren Umsetzung durch das [X.] zu entnehmen. Nur ganz geringfügige, lediglich durch unterschiedliche [X.]rucksoft- und -hardware bedingte Abweichungen des Erscheinungsbilds individuell gefertigter Formularausdrucke vom Erscheinungsbild des amtlichen Formulars (wie einseitiger [X.]ruck statt [X.]uplexdruck, Schwarz-Weiß-[X.]ruck statt Farbdruck, programm- und/oder gerätespezifische [X.]ruckbildeigenschaften) hielten sich noch im Rahmen der obligatorischen Nutzung des Originalformulars. [X.]urch solche rein drucktechnisch begründeten Unterschiede werde die Authentizität des Formulars nicht berührt. [X.]ie Nutzung einer Formularnachahmung komme hingegen nicht in Betracht.

9

2. [X.]ies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

[X.]er Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses kann nicht mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung, er sei nicht formgerecht eingereicht worden, als unzulässig zurückgewiesen werden.

a) [X.]er Antrag ist nicht deshalb formunwirksam, weil die Gläubigerin auf Seite 5 des Formulars unter "Anspruch [X.] (an Kreditinstitute)" zusätzliche Eintragungen vorgenommen hat, wodurch sich die Zeilen- und [X.] sowie die Gesamtseitenzahl gegenüber dem Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 [X.] verändert haben.

Gemäß § 829 Abs. 4 Satz 1 ZPO wird das [X.] ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einzuführen. Soweit nach Satz 1 Formulare eingeführt sind, muss sich der Antragsteller ihrer bedienen, § 829 Abs. 4 Satz 2 ZPO. Am 1. September 2012 ist die [X.] in [X.] getreten ([X.]. I 2012 S. 1822). Nach deren § 2 Nr. 2, § 3 ist für Anträge auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses seit dem 1. März 2013 verbindlich das in Anlage 2 zur [X.] vorgegebene Antragsformular zu nutzen. Für den bis zum 1. März 2013 keinem Formzwang unterliegenden Pfändungsantrag gelten seitdem strenge Formanforderungen.

Wie der Senat mit Beschluss vom 13. Februar 2014 - [X.] (zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) entschieden hat, sind die den Formularzwang regelnden Normen verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Gläubiger vom Formularzwang entbunden ist, soweit das Formular unvollständig, unzutreffend, fehlerhaft oder missverständlich ist. In den Bereichen, in denen das Formular aus diesen Gründen den Fall des Gläubigers nicht zutreffend erfasst, ist es nicht zu beanstanden, wenn er in dem Formular zusätzliche Eintragungen vornimmt, selbst wenn das Formular an dieser Stelle keine oder eine für die Eintragung zu geringe Anzahl an Freizeilen aufweist. [X.]ie Gläubigerin war daher berechtigt, das Formular auf Seite 5 unter "Anspruch [X.] (an Kreditinstitute)" über die bereits vorgegebene Aufzählung hinaus um weitere Ansprüche, die das Formular nicht vorsieht, zu ergänzen, auch wenn sich hierdurch die [X.] verändert haben.

b) [X.]er Antrag ist auch nicht deshalb formunwirksam, weil das von der Gläubigerin verwendete Antragsformular bezüglich des Layouts von dem Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 [X.] abweicht.

[X.]ie den Formularzwang regelnden Normen sind nach Sinn und Zweck dahingehend auszulegen, dass auch die Nutzung solcher Formulare möglich ist, die im Layout geringe, für die zügige Bearbeitung des Antrags nicht ins Gewicht fallende Änderungen enthalten ([X.], Beschluss vom 13. Februar 2014 - [X.], zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen).

Weicht - wie hier - ein Antragsformular von dem Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 [X.] lediglich in den Maßen der Rahmen, in der Schriftgröße, in der [X.] und -länge, in den Zeilenumbrüchen und -abständen oder in sonstigen Layoutelementen ab, die den Aufbau des Formulars nicht verändern, so wird die Antragsbearbeitung durch das Vollstreckungsgericht hierdurch nicht beeinträchtigt. [X.]er Rechtspfleger findet bei der Bearbeitung des Formulars die erforderlichen Angaben in der üblichen Reihenfolge vor.

Unerheblich ist schließlich, dass das von der Gläubigerin verwendete Antragsformular nicht die in dem Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 [X.] enthaltenen grünfarbigen Elemente aufweist. [X.]ie farbige Gestaltung der Formulare dient nicht in erster Linie dem Ziel, die Vollstreckungsgerichte zu entlasten, sondern hat den Zweck, dem Antragsteller das Ausfüllen des Formulars zu erleichtern (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Februar 2014 - [X.], zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen).

III.

[X.]er Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden. Es ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich, dass die weiteren Voraussetzungen für den Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vorliegen. [X.]ie Sache war daher an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - zurückzuverweisen, § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO.

Kniffka                       Safari Chabestari                             Eick

                Kartzke                                    [X.]

Meta

VII ZB 46/13

20.02.2014

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Regensburg, 8. August 2013, Az: 7 T 272/13, Beschluss

§ 829 Abs 4 S 2 ZPO, § 2 Nr 2 Anl 2 ZVFV, § 3 ZVFV, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.02.2014, Az. VII ZB 46/13 (REWIS RS 2014, 7653)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7653

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Referenzen
Wird zitiert von

VII ZB 22/15

VII ZB 46/13

Zitiert

VII ZB 39/13

Zitieren mit Quelle:
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