Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.02.2014, Az. VII ZB 31/13

7. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7662

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Gegenstand

Zwangsvollstreckungsverfahren: Voraussetzungen einer Befreiung vom Formularzwang für Anträge auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses


Tenor

Auf die Rechtsmittel der Gläubigerin werden der Beschluss der 10. Zivilkammer des [X.] vom 22. Mai 2013 sowie der Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht -Mannheim vom 28. März 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - zurückverwiesen.

Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - darf den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht aus den Gründen der aufgehobenen Beschlüsse ablehnen.

Gründe

I.

1

[X.]ie Gläubigerin begehrt den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.

2

Sie ist Inhaberin einer gegen den Schuldner titulierten Hauptforderung in Höhe von 3.931,40 € nebst Zinsen und Kosten in Höhe von 6.546,34 €.

3

Wegen dieser Ansprüche und entstandener Vollstreckungskosten in Höhe von 217,96 € hat die Gläubigerin bei dem Amtsgericht die Pfändung und Überweisung angeblicher Forderungen des Schuldners gegen dessen Arbeitgeber beantragt. Hierzu hat sich die Gläubigerin eines Antragsformulars bedient, welches nicht vollständig mit dem Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 der Verordnung über Formulare für die Zwangsvollstreckung ([X.] - [X.], [X.]. 2012 I S. 1822, 1827) übereinstimmt.

4

[X.]ie in diesem Formular vorgegebenen Textlinien fehlen in dem von der Gläubigerin ausgefüllten Antragsformular teilweise und sind zum Teil durch ergänzenden Text ersetzt worden. [X.]ie Gläubigerin hat auf Seite 4 unter "[X.] (an Arbeitgeber)" unter 3. bis 5. in einer von dem vorgegebenen Text abweichenden Schriftart die Pfändung zusätzlicher Forderungen beantragt.

5

Sie hat ferner auf Seite 4 im obersten Rahmen unter "B (an [X.]) Art der Sozialleistung:" eine zusätzliche Eintragung eingefügt. Auf Seite 5 unter "Anspruch [X.] (an Kreditinstitute)" hat die Gläubigerin das Antragsformular unter Nr. 6. bis 8. in einer sich vom sonstigen Schriftbild nicht unterscheidenden Schriftart um weitere zu pfändende Ansprüche ergänzt. Schließlich hat die Gläubigerin den auf Seite 6 unter "Anspruch F (an Bausparkassen)" in dem amtlichen Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 [X.] vorgesehenen Text, den sie für fehlerhaft gehalten hat, inhaltlich abgeändert.

6

[X.]as Antragsformular ist zudem in schwarz-weiß gehalten und weist nicht die in dem Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 [X.] vorgesehenen grünfarbigen Elemente auf.

7

[X.]as Amtsgericht hat den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach vorherigem Hinweis zurückgewiesen. [X.]ie hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Gläubigerin die Aufhebung der zurückweisenden Beschlüsse und den Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung.

II.

8

[X.]ie zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

9

1. [X.]as Beschwerdegericht ist der Auffassung, der Antrag der Gläubigerin auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sei nicht formgerecht eingereicht worden, da es sich nicht um das verbindliche Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 [X.] handele. [X.]ie Gläubigerin habe im Feld "Anspruch [X.] (an Kreditinstitute)" zusätzlich zu den fünf vorgedruckten Alternativen weitere drei Alternativen als formularmäßigen Text hinzugefügt und im Feld "Anspruch F (an Bausparkassen)" darüber hinaus den amtlichen Text inhaltlich abgeändert. Im Hinblick auf diese schwerwiegenden inhaltlichen Änderungen handele es sich nicht mehr um das amtlich vorgeschriebene Formular.

[X.]ie Einführung des Formularzwangs solle die Arbeit der Amtsgerichte vereinfachen. [X.]ies würde jedoch in das Gegenteil verkehrt, wenn eine umständliche Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit selbst erstellter Formulare erforderlich wäre.

[X.]ass das amtlich vorgeschriebene Formular unvollständig sei, hindere nicht dessen Nutzung, da ausdrücklich Felder zur Ergänzung vorgesehen seien und, wenn diese nicht ausreichten, die Möglichkeit bestehe, durch Beifügung von [X.] beliebige weitere Ausführungen zu machen. Soweit die amtlichen Formulare in einigen Punkten Unrichtigkeiten aufwiesen, sei es nicht Sache der Gläubigerin, etwaige Fehler des Gesetzgebers durch die Erstellung eigener Formulare zu korrigieren. Vielmehr müsse sie sich auf eine erkennbare Abänderung unter Benutzung des amtlichen Formulars verweisen lassen.

2. [X.]ies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

[X.]er Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses kann nicht mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung, er sei nicht formgerecht eingereicht worden, als unzulässig zurückgewiesen werden.

a) [X.]er Antrag ist nicht deshalb formunwirksam, weil die Gläubigerin auf Seite 4 des Formulars unter "[X.] (an Arbeitgeber)" zusätzliche Eintragungen vorgenommen hat.

Gemäß § 829 Abs. 4 Satz 1 ZPO wird das [X.] ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einzuführen. Soweit nach Satz 1 Formulare eingeführt sind, muss sich der Antragsteller ihrer bedienen, § 829 Abs. 4 Satz 2 ZPO. Am 1. September 2012 ist die [X.] in [X.] getreten ([X.]. I 2012 S. 1822). Nach deren § 2 Nr. 2, § 3 ist für Anträge auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses seit dem 1. März 2013 verbindlich das in Anlage 2 zur [X.] vorgegebene Antragsformular zu nutzen. Für den bis zum 1. März 2013 keinem Formzwang unterliegenden Pfändungsantrag gelten seitdem strenge Formanforderungen.

Wie der Senat mit Beschluss vom 13. Februar 2014 - [X.] (zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) entschieden hat, sind die den Formularzwang regelnden Normen verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Gläubiger vom Formularzwang entbunden ist, soweit das Formular unvollständig, unzutreffend, fehlerhaft oder missverständlich ist. In den Bereichen, in denen das Formular aus diesen Gründen den Fall des Gläubigers nicht zutreffend erfasst, ist es nicht zu beanstanden, wenn er in dem Formular zusätzliche Eintragungen vornimmt, selbst wenn das Formular an dieser Stelle keine oder eine für die Eintragung zu geringe Anzahl an Freizeilen aufweist. [X.]ie Gläubigerin war daher berechtigt, das amtliche Formular auf Seite 4 unter "[X.] (an Arbeitgeber)" über die bereits vorgegebene Aufzählung hinaus um weitere Ansprüche zu ergänzen, die das Formular nicht vorsieht.

Ebenfalls unschädlich ist es, dass die Gläubigerin auf Seite 5 unter "Anspruch [X.] (an Kreditinstitute)" für ihre Zwecke ergänzende Eintragungen und auf Seite 6 unter "Anspruch F (an Bausparkassen)" Korrekturen des vorgegebenen Textes vorgenommen hat.

b) [X.]er Antrag ist auch nicht deshalb formunwirksam, weil das von der Gläubigerin verwendete Antragsformular bezüglich des Layouts von dem Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 [X.] abweicht.

[X.]ie den Formularzwang regelnden Normen sind nach ihrem Sinn und Zweck dahingehend auszulegen, dass auch die Nutzung solcher Formulare zulässig ist, die im Layout geringe, für die zügige Bearbeitung des Antrags nicht ins Gewicht fallende Änderungen enthalten ([X.], Beschluss vom 13. Februar 2014 - [X.], zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen).

Weicht - wie hier - ein Antragsformular von dem Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 [X.] lediglich in der [X.]arstellung der Linien oder in sonstigen Layoutelementen ab, die den Aufbau des Formulars nicht verändern, so wird die Antragsbearbeitung durch das Vollstreckungsgericht hierdurch nicht beeinträchtigt. [X.]er Rechtspfleger findet bei der Bearbeitung des Formulars die erforderlichen Angaben in der üblichen Reihenfolge vor.

Unerheblich ist schließlich, dass das von der Gläubigerin verwendete Antragsformular nicht die in dem Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 [X.] enthaltenen grünfarbigen Elemente aufweist. [X.]ie farbige Gestaltung der Formulare dient nicht in erster Linie dem Ziel, die Vollstreckungsgerichte zu entlasten, sondern hat den Zweck, dem Antragsteller das Ausfüllen des Formulars zu erleichtern (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Februar 2014 - [X.], zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen).

III.

[X.]er Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden. Es ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich, dass die weiteren Voraussetzungen für den Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vorliegen. [X.]ie Sache war daher an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - zurückzuverweisen, § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO.

Kniffka                                                    [X.]

                                [X.]

Meta

VII ZB 31/13

20.02.2014

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Mannheim, 22. Mai 2013, Az: 10 T 26/13, Beschluss

§ 829 Abs 4 S 2 ZPO, § 2 Nr 2 Anl 2 ZVFV, § 3 ZVFV, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.02.2014, Az. VII ZB 31/13 (REWIS RS 2014, 7662)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7662

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

VII ZB 22/15

VII ZB 31/13

Zitiert

VII ZB 39/13

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