Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.02.2010, Az. II ZB 10/09

II. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 9606

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS [X.]/09 vom 8. Februar 2010 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 233 (Fc, [X.]) Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erforderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Fristenkontrolle gehört, dass die [X.] in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in den [X.] worden sind. Wird dem Rechtsanwalt die Sache im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung zur Bearbeitung vorgelegt, hat er die Einhaltung seiner Anweisungen zur Berechnung und Notierung laufender [X.] einschließlich deren Eintragung in den [X.] auch dann eigenverantwort-lich zu prüfen, wenn die Handakte zur Bearbeitung nicht zugleich mit vorgelegt [X.] ist. [X.], [X.]uss vom 8. Februar 2010 - [X.]/09 - [X.][X.]
- 2 - Der I[X.] Zivilsenat des [X.] hat am 8. Februar 2010 durch [X.] und [X.], [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den [X.]uss des 8. Zivilsenats des [X.] vom 8. April 2009 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen. [X.]: 89.167,89 • Gründe: [X.] Gegen das ihm am 29. August 2008 zugestellte Urteil des [X.], durch welches der Beklagte zur Zahlung und Freistellung verurteilt worden war, legte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am 26. September 2008 [X.] ein. Nachdem das [X.] mit Verfügung vom 5. November 2008 auf die Nichteinhaltung der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen hatte, bean-tragte der Beklagte am 19. November 2008 die Wiedereinsetzung in die versäum-te Frist zur Begründung der Berufung und legte mit [X.] vom 21. November 2008 eine Berufungsbegründung vor. 1 Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsbegehrens trug der Beklagte vor, sein Prozessbevollmächtigter habe im [X.] an die Zustellung des land-gerichtlichen Urteils die für die Eintragung und Kontrolle von Fristen zuständige Büroangestellte angewiesen, die Berufungsfrist und die [X.] - 3 - frist im [X.] zu markieren. Die Überwachung von Notfristen sei in dem Büro so organisiert, dass die Fristen nach Weiterleitung der Vorgänge an die zu-ständige Bürokraft von dieser in einem besonderen [X.] notiert würden und jeweils zusätzlich eine Woche vor Fristablauf eine Vorfrist eingetragen werde. Bei Ablauf der Vorfrist werde dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt ein roter Merkzettel zugeleitet, auf dem der Fristablauf notiert sei. Im vorliegenden Fall sei von der bisher zuverlässig arbeitenden Bürokraft versehentlich nur die Frist zur Berufungseinlegung, nicht aber die Begründungsfrist notiert worden, was dazu geführt habe, dass die Akten vor Ablauf der Begründungsfrist dem [X.] nicht vorgelegt worden seien. Das [X.] hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewie-sen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten. 3 I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft, aber unzulässig, weil es an den Vor-aussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Entgegen der Auffassung der Rechts-beschwerde ist eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nicht erforderlich, da das [X.] den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen hat. 4 1. Das [X.] hat zur Begründung seiner die Wiedereinsetzung versagenden Entscheidung ausgeführt, dass es einem Rechtsanwalt unbenom-men sei, die Führung eines [X.]s auf sein Büropersonal zu übertragen, 5 - 4 - sofern er dieses sorgfältig ausgewählt und belehrt habe und die Fristenwahrung durch Führung eines geeigneten [X.]s sowie Notierung der Fristen gesichert sei. Werde ihm im Zusammenhang mit der Fertigung der [X.] vorgelegt, erstrecke sich die Kontrollpflicht des Rechtsan-walts auch auf die Erledigung der Notierung der Berufungsbegründungsfrist. Zur Erfüllung dieser Pflicht habe er die Anbringung von [X.] über die Notierung der Berufungsbegründungsfrist nicht nur anzuordnen, sondern nach diesen [X.] auch zu forschen. Weder dem Antrag auf Gewäh-rung von Wiedereinsetzung noch der zur Glaubhaftmachung beigefügten eides-stattlichen Versicherung könne entnommen werden, ob Kontrollmaßnahmen er-griffen worden seien, um die Einhaltung der Begründungsfrist sicherzustellen. Aus der Aktenlage könne lediglich geschlossen werden, dass die Handakte dem Pro-zessbevollmächtigten vorgelegen habe, da die Berufungsschrift rechtzeitig gefer-tigt und an das Berufungsgericht übermittelt worden sei. Dabei sei der [X.] selbst zur Kontrolle der Berufungsbegründungsfrist gehalten gewe-sen, was bei Vorlage der Akte möglich und auch zumutbar gewesen sei. 2. Das [X.] hat die beantragte Wiedereinsetzung im [X.] zu Recht versagt, weil nach dem [X.] ein dem [X.] nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seines [X.] an der Fristversäumnis nicht auszuschließen ist. Der Beklagte hat weder das Vorhandensein einer den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Organisation des [X.] genügenden Fristenkontrolle im Büro des Pro-zessbevollmächtigten, noch die Erteilung einer konkreten [X.] zur Eintragung der Berufungsbegründungsfrist dargetan, auf deren Erledigung der Prozessbevollmächtigte ohne weiteres hätte vertrauen dürfen. 6 a) Die Sorgfaltspflicht in [X.] verlangt von einem Rechtsanwalt, al-les ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von [X.] zu [X.] - 5 - ten. Überlässt er die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebilde-ten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft, hat er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuver-lässig festgehalten und kontrolliert werden ([X.], [X.]. v. 27. September 2007 - [X.], [X.]. 2008, 71; v. 5. Februar 2003 - [X.], [X.], 1050, 1051). Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erforderlichen [X.] im Rahmen der Fristenkontrolle gehört insbesondere, dass die [X.] in der Handakte notiert werden und die Handakte durch ent-sprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in den [X.] eingetragen worden sind (vgl. [X.].[X.]. v. 26. Januar 2009 - [X.], [X.], 1083 [X.]. 11; [X.], [X.]. v. 5. Februar 2003 aaO; v. 21. April 2004 - [X.], [X.], 1183; v. 9. Dezember 2009 - [X.] 154/09 [X.]. 15). Wird dem Rechtsanwalt die Sache im [X.] mit einer fristgebundenen Prozesshandlung zur Bearbeitung vorgelegt, hat er die Einhaltung seiner Anweisungen zur Berechnung und Notierung laufender [X.] einschließlich deren Eintragung in den [X.] eigen-verantwortlich zu prüfen, wobei er sich grundsätzlich auf die Prüfung der Vermer-ke in der Handakte beschränken darf ([X.], [X.]. v. 22. Januar 2008 - [X.], [X.], 1670 [X.]. 6; v. 14. Juni 2006 - [X.], [X.], 2778 [X.]. 6; [X.].[X.]. v. 18. Juli 2005 - [X.]). Diese anwaltliche Prü-fungspflicht besteht auch dann, wenn die Handakte zur Bearbeitung nicht zugleich mit vorgelegt worden ist ([X.], [X.]. v. 22. November 2000 - [X.] 28/00, [X.], 1143, 1145; v. 19. Dezember 2000 - [X.]/00, NJW-RR 2001, 782; v. 19. Februar 1991 - [X.], NJW-RR 1991, 827, 828), so dass in die-sen Fällen die Vorlage der Handakte zur Fristenkontrolle zu veranlassen ist. Dem [X.] des Beklagten lässt sich, wie das [X.] in dem angefochtenen [X.]uss zutreffend ausgeführt hat, nicht entnehmen, ob - und [X.] welche - Kontrollmaßnahmen in der 8 - 6 - Kanzlei des Prozessbevollmächtigten ergriffen worden waren, um die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist, insbesondere deren Eintragung in den Fristenka-lender, sicherzustellen. Der Beklagte hat daher schon nicht dargetan, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass in dem Büro des Prozessbevollmächtigten eine den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Organisation des [X.] genü-gende Fristenkontrolle vorgesehen war. Damit spricht nach dem Vorbringen [X.] für ein mögliches für die Fristversäumung [X.] Organisationsver-schulden des Prozessbevollmächtigten. Denn bei sachgerechter Organisation der Fristenkontrolle wäre die unterbliebene Eintragung der Berufungsbegründungsfrist in dem [X.] wegen des fehlenden Erledigungsvermerks aus der Hand-akte ersichtlich gewesen und bei der im Zusammenhang mit der Fertigung der Berufungsschrift gebotenen Prüfung offenbar geworden. b) Auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen und Anweisungen für die Fristenwahrung in einer Anwaltskanzlei kommt es nach der ständigen Rechtspre-chung des [X.] allerdings dann nicht an, wenn der Rechtsanwalt einer Kanzleikraft, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete [X.] erteilt, welche bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte ([X.].[X.]. v. 2. Juli 2001 - [X.], NJW-RR 2002, 60; [X.], [X.]. v. 25. Juni 2009 [X.], [X.], 3036 [X.]. 6; v. 15. April 2008 - [X.], [X.], 54; v. 11. Februar 2003 - [X.], NJW-RR 2003, 935). Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine ausgebildete und bisher zuverlässig tätige Bürokraft eine konkrete [X.], auch wenn sie mündlich erteilt wird, befolgt und ordnungsgemäß ausführt. Er ist deshalb im [X.] nicht verpflichtet, sich über die Ausführung seiner Weisung zu verge-wissern. Betrifft die Anweisung aber einen so wichtigen Vorgang wie die Eintra-gung einer Rechtsmittelfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen in der Rechtsanwaltskanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen ge-troffen sein, dass die mündliche Anweisung in Vergessenheit gerät und die [X.] - 7 - tragung der Frist unterbleibt ([X.].[X.]. v. 26. Januar 2009 aaO 1085 [X.]. 16; [X.], [X.]. v. 15. April 2008 aaO; v. 2. April 2008 - [X.] 189/07, [X.], 2589 [X.]. 13; v. 4. März 2008 - [X.], NJW-RR 2008, 928 [X.]. 12; v. 4. November 2003 - [X.], NJW 2004, 688, 689). Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist die Erteilung einer konkre-ten [X.], auf deren Befolgung der Prozessbevollmächtigte des [X.] ohne weiteres vertrauen durfte, mit dem [X.] ebenfalls nicht dargetan. Der Beklagte hat ohne nähere Angaben zu dem Inhalt und den näheren Umständen der Weisung lediglich vorgetragen, sein [X.]r habe im [X.] an die Zustellung des landgerichtlichen Urteils eine Büroangestellte angewiesen, die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist im [X.] zu vermerken. Es erscheint schon fraglich, ob diese "[X.] zur Eintragung der [X.] als konkrete [X.] oder aber durch die zur organisatorischen Ausgestaltung des [X.] in der Kanzlei getroffenen allgemeinen Anordnungen erfolgte. Selbst wenn von einer konkreten 10 - 8 - [X.] auszugehen wäre, fehlte jeder Vortrag dazu, ob die Anwei-sungschriftlich oder mündlich erteilt wurde und die im Falle nur mündlicher Wei-sungserteilung erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen in der Rechtsan-waltskanzlei getroffen waren. [X.] Caliebe Drescher Löffler [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 26.08.2008 - 1 O 193/07 - [X.], Entscheidung vom 08.04.2009 - I-8 U 174/08 -

Meta

II ZB 10/09

08.02.2010

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.02.2010, Az. II ZB 10/09 (REWIS RS 2010, 9606)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9606

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II ZB 10/09

8 U 174/08

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