Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.10.2017, Az. 8 B 1/17

8. Senat | REWIS RS 2017, 4326

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Gegenstand

Enteignungsentschädigung; Ausschluss; Vorschubleisten für das nationalsozialistische System


Gründe

I

1

Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin des 1959 verstorbenen [X.] eine Entschädigung für die Enteignung des Rittergutes ... in ... im Zuge der Bodenreform 1945/1946. [X.] war geschäftsführender Vorstand des "[X.]" und ab 1928 auch Herausgeber und verantwortlicher Redakteur von dessen wöchentlicher [X.]ung "[X.]. Konservative Wochenschrift".

2

Das Verwaltungsgericht hat einen [X.]usgleichsleistungsanspruch verneint, weil der [X.]usschlussgrund des § 1 [X.]bs. 4 des Gesetzes über staatliche [X.]usgleichsleistungen für Enteignungen auf [X.] oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können - [X.]usgleichsleistungsgesetz - vom 27. September 1994 i.d.F. vom 13. Juli 2004 ([X.] I 1665) eingreife. [X.] habe dem [X.] System erheblich Vorschub geleistet, weil er in seinen Funktionen für den [X.] und den "Ring" den vormaligen Reichskanzler [X.] dabei unterstützt und bestärkt habe, der [X.]ufnahme der NSD[X.]P und [X.] in die [X.] und der gemeinsamen Beseitigung der parlamentarisch-demokratischen [X.] den Boden zu bereiten. Dies habe zur Errichtung der Herrschaft [X.] und der NSD[X.]P beigetragen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht auf die Rede von [X.] am 16. Dezember 1932 im Rahmen des Jahrestreffens des [X.]s, die [X.] dieser Rede im Dezember 1932 und zweier weiterer Reden von [X.] im Februar und März 1933 im "Ring" sowie auf die Tatsache verwiesen, dass [X.] die Zusammenarbeit von [X.] mit [X.] in eigenen [X.]ungsbeiträgen im "Ring" 1933 ausweislich dreier exemplarischer Beiträge nachdrücklich begrüßt habe.

II

3

Die gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] gerichtete, auf sämtliche Revisionszulassungsgründe gestützte Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

4

1. Das angegriffene Urteil weist die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensmängel nicht auf.

5

a) Die Klägerin meint, das Urteil verletze den Überzeugungsgrundsatz, weil es grob aktenwidrig dem im "Ring" (5. Jahrgang 1932, S. 894 ff.) erschienenen [X.]bdruck der Rede von [X.] vor dem [X.] am 16. Dezember 1932 anhand der Erinnerungen [X.] (U[X.] S. 7 f. - [X.], "[X.]lso hören Sie mal zu", 2. [X.]ufl. 2000, [X.] ff.) einen anderen Inhalt beigebe, als es die von der tatsächlich gehaltenen Rede abweichende veröffentlichte Fassung der Rede erlaube.

6

Damit wird eine [X.]ktenwidrigkeit der entscheidungstragenden Feststellungen des Urteils nicht dargetan. Die Verfahrensrüge aktenwidriger Sachverhaltsfeststellung setzt die schlüssig vorgetragene Behauptung voraus, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen [X.]nnahmen und dem insoweit unumstrittenen [X.]kteninhalt bestehe ein offensichtlicher Widerspruch ([X.], Beschluss vom 8. Mai 2017 - 5 B 39.16 - juris Rn. 14). Das Verwaltungsgericht hat den im [X.] auf Seite 7 abgedruckten Passagen des im "Ring" veröffentlichten Redetextes von [X.] vom 16. Dezember 1932 entnommen, von [X.] habe für eine Zusammenarbeit [X.] Kräfte mit der NSD[X.]P zur Erreichung einer vom Parlament unabhängigen, autoritären Regierung und zum Sturz der bisherigen [X.] aufgerufen. Diese Vorschläge hätten in entscheidender Weise die Weichen auf die [X.] Machtergreifung hin gestellt (U[X.] S. 16 f.). Dieses Verständnis der Rede von [X.] vom 16. Dezember 1932 findet Rückhalt in dem veröffentlichten [X.] und steht nicht in offensichtlichem Widerspruch zu ihm. Es ist mithin nicht auf eine andere, in den Verfahrensakten nicht enthaltene Quelle gegründet. Dass der Redetext vom Herausgeber [X.] korrigiert und "entschärft" worden sei, wie die Klägerin behauptet, hat das Verwaltungsgericht im Übrigen nicht festgestellt und ergibt sich auch nicht schlüssig aus der Beschwerdebegründung. Woraus der von ihr zitierte [X.]utor [X.] ableitet, die Schriftleitung habe den Text der Rede so korrigiert, dass von [X.] eigentliche [X.]bsicht nicht mehr deutlich gewesen sei, erschließt sich aus den Darlegungen der Klägerin nicht. In dem von ihr angeführten [X.]ufsatz von [X.] ([X.], in: [X.] 1953, [X.] ff.) führt dieser in Fußnote 31 (S. 163) aus, die im "Ring" abgedruckte Rede sei textlich nach seiner (Eschenburgs)Erinnerung nachträglich korrigiert worden. [X.]us diesem Hinweis ergibt sich jedoch weder der Verantwortliche noch der Umfang solcher Korrekturen.

7

b) [X.]uch die Bewertung, [X.] habe sich als Unterstützer und Sprachrohr des - für die Machtergreifung entscheidend agierenden - [X.] betätigt, verletzt nicht den Überzeugungsgrundsatz. Sie ist weder aktenwidrig noch willkürlich. Das Verwaltungsgericht hat seine Bewertung aus der [X.] dreier Reden von [X.] von Dezember 1932 bis März 1933 im "Ring" und der damit erreichten deutlich größeren Verbreitung an einen erheblichen [X.]dressatenkreis beruflich und gesellschaftlich exponierter Personen abgeleitet. Darüber hinaus hat es auf eigene Beiträge [X.]s im "Ring" im Jahr 1933 verwiesen, in denen die Zusammenarbeit von [X.] mit [X.] begrüßt worden sei ("Wird [X.] richtig beurteilt?", Ring 1933, [X.]; "Propaganda", Ring 1933, S. 171; "[X.]", Ring 1933, [X.]). [X.]uch diese Bewertung findet insgesamt ausreichenden Rückhalt in den genannten [X.]en und steht nicht in offensichtlichem Widerspruch zu ihnen. Mit ihr hat das Verwaltungsgericht auch nicht, wie die Klägerin moniert, die Rede dem Veranstalter und damit [X.] als dessen geschäftsführendem Vorstand und Herausgeber der Wochenschrift des Klubs zugerechnet. Vielmehr hat es auf dessen Funktionen bei der Verbreitung der Rede abgestellt. Selbst wenn eine von der Klägerin behauptete Korrektur des Redetextes durch [X.] unterstellt würde (vgl. dazu oben), wären die Feststellungen des [X.] zur Rolle [X.]s als Unterstützer und Sprachrohr von [X.] nicht aktenwidrig oder willkürlich, weil die von ihm herangezogenen, veröffentlichten Fassungen der Redetexte von [X.] 1932 bis 1933 und die vom Verwaltungsgericht insoweit angeführten (U[X.] S. 18) Beiträge [X.]s im Jahr der Machtergreifung 1933 sie - in unterschiedlichem [X.]usmaß, jedenfalls aber insgesamt - hinreichend stützen.

8

c) Eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes ist auch nicht im Hinblick auf die Rüge der Klägerin gegeben, das Verwaltungsgericht habe die ihm vorliegenden Erkenntnisse unter [X.]usblendung der gegenüber dem Nationalsozialismus kritischen [X.]en im "Ring" selektiv und einseitig dahingehend gewertet, dass [X.] seine Stellung als Herausgeber und verantwortlicher Redakteur des "Rings" dazu genutzt habe, nach dem 30. Januar 1933 die Regierung [X.]-von [X.]-[X.] darin zu bestärken, die [X.] zu eliminieren. Weder die von der Klägerin angeführten Publikationen [X.]s im "Ring" vor 1933 noch ihre eigene Bewertung, die vom Verwaltungsgericht angeführten [X.]rtikel [X.]s aus dem Jahr 1933 enthielten Kritik gegenüber dem Nationalsozialismus und [X.], belegen eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes.

9

Nach § 108 [X.]bs. 1 Satz 1 VwGO hat das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Es darf nicht einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse aus seiner Würdigung ausblenden. Im Übrigen darf es zur Überzeugungsbildung die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise frei würdigen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist deshalb nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn das Gericht nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen [X.]kteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen. Die Beweiswürdigung des Tatsachengerichts darf vom Revisionsgericht nicht daraufhin überprüft werden, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die abschließende Würdigung des Sachverhalts eingegangen sind und ob solche Einzelumstände ausreichen, die Würdigung zu tragen. Solche Fehler sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel deshalb grundsätzlich nicht begründen (stRspr, vgl. [X.], Beschluss vom 7. Februar 2017 - 6 B 31.16 - juris Rn. 10 m.w.N.).

Das Verwaltungsgericht hat den von ihm auf Seite 18 des angegriffenen Urteils angeführten [X.]rtikeln [X.]s im "Ring" 1933 ohne Verstoß gegen das Verbot selektiver Verwertung entscheidungserheblichen [X.]kteninhalts und ohne Verstoß gegen Denkgesetze entnommen, dass dieser die Zusammenarbeit von [X.] mit [X.] und das Ziel der Eliminierung der [X.] begrüßte und durch seine [X.]en bestärkte. Die an dieser Stelle zitierten [X.]rtikel enthalten [X.]ussagen in dem vom Verwaltungsgericht wiedergegebenen Sinne, in denen die Beteiligung [X.] an der neuen [X.] und eine Überwindung der [X.] als positiv bewertet werden. Dass [X.] auch "offene Fragen" an [X.] stellt ("Wird [X.] richtig beurteilt?", Ring 1933, [X.]), steht dem nicht entgegen. Die Klägerin kann nicht im Gewande einer Verfahrensrüge ihre eigene Lesart dieser [X.]en [X.]s an die Stelle der dem materiellen Recht zuzuordnenden Bewertung des [X.] setzen. Sie nennt in ihrer Beschwerdebegründung auch keine vom Verwaltungsgericht nicht gewürdigten [X.]en von [X.]s, in denen die im Januar 1933 durch Vermittlung von [X.] bei [X.] erfolgte Beteiligung [X.] an der Regierungsmacht und das Ziel einer Loslösung der Regierung von der parlamentarischen Kontrolle nicht begrüßt worden wäre. Der bereits 1931 veröffentlichte "Offene Brief an [X.]" (Ring 1931, S. 835 f.), in dem die Klägerin deutliche Kritik an [X.] erblickt, kann nicht als Beleg für eine [X.]ktenwidrigkeit oder Selektivität der Bewertung des [X.] herangezogen werden, weil er sich zu den Vorgängen der späteren Machtergreifung im Jahr 1933, auf die das Verwaltungsgericht für seine materiell-rechtliche Bewertung maßgeblich abgestellt hat, nicht verhalten konnte. Das Verwaltungsgericht hat ihn exemplarisch als Beleg für die bereits in Publikationen [X.]s zwischen 1928 und 1932 befürwortete Beseitigung des [X.] "Systems" und die Einführung eines restaurativen Ständestaates gegebenenfalls unter Einbeziehung der [X.]-Bewegung angeführt (U[X.] S. 19). Dieses Verständnis des "Offenen Briefes" ist ebenfalls weder willkürlich noch aktenwidrig, sondern findet ausreichenden Rückhalt im veröffentlichten Beitrag. Das Verwaltungsgericht hat es auch nicht, wie die Klägerin rügt, unter Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes unterlassen, in eine Gesamtschau [X.]en einzubeziehen, in denen sich [X.] oder andere [X.]utoren - bei entsprechender Lesart - vom Nationalsozialismus abgrenzten. Für seine materiell-rechtliche Bewertung war nicht entscheidungserheblich, ob [X.] oder andere [X.]utoren des "Rings" nationalsozialistisch eingestellt waren, sondern ob die seitens [X.] zu verantwortenden [X.]en ein Zusammenwirken mit [X.] Kräften ungeachtet der von ihnen behaupteten ideologischen Distanz zu diesen befürworteten, um die [X.] zu beseitigen (vgl. U[X.] S. 19).

d) Deshalb dringt auch die Rüge der Klägerin nicht durch, das Verwaltungsgericht habe seine Verpflichtung zur Sachaufklärung gemäß § 86 [X.]bs. 1 VwGO verletzt, weil es sich ihm auch ohne Beweisanträge der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hätte aufdrängen müssen, dass nicht nur einzelne Beiträge, sondern das Gesamtspektrum der [X.] im "Ring" zu würdigen gewesen sei, und weil sich dabei ergeben hätte, dass im "Ring" vornehmlich gegenüber dem Nationalsozialismus kritische [X.]ufsätze veröffentlicht worden seien. Ebenso wenig hat das Verwaltungsgericht bei seiner rechtlichen Bewertung das Vorbringen der Klägerin hinsichtlich von gegenüber dem Nationalsozialismus kritischen Äußerungen [X.]s oder anderer [X.]utoren im "Ring" in entscheidungserheblicher Weise übergangen. [X.]uch eine Verletzung des [X.]nspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach [X.]rt. 103 [X.]bs. 1 GG hat die Klägerin deshalb in ihrer Beschwerdebegründung nicht dargelegt.

2. Die Revision ist nicht wegen der von der Klägerin gerügten Divergenz zu dem in der Rechtsprechung des [X.] aufgestellten Rechtssatz zuzulassen, dass nach dem Sinn und Zweck des [X.]usschlusstatbestandes Personen aufgrund ihres individuellen Verhaltens nicht als "unwürdig" im Sinne des § 1 [X.]bs. 4 [X.]lt. 3 [X.]usglLeistG anzusehen sind, die zwar einerseits das [X.] System gefördert haben, andererseits aber nachweislich in einer Weise auf dessen Schädigung hingearbeitet haben, dass dadurch ihre Förderungshandlungen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung in hohem Maße und damit nachhaltig relativiert werden (vgl. [X.], Urteile vom 18. September 2009 - 5 C 1.09 - [X.]E 135, 1 Rn. 14 ff., vom 30. Juni 2010 - 5 C 9.09 - [X.] 428.4 § 1 [X.]usglLeistG Nr. 20 Rn. 11 und vom 23. [X.]pril 2015 - 5 C 10.14 - [X.]E 152, 60 Rn. 22).

Die Revision ist wegen Divergenz im Sinne von § 132 [X.]bs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.]verfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.]verfassungsgerichts tragenden Rechtssatz in [X.]nwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Juni 1995 - 8 [X.] - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 18). Das Verwaltungsgericht hat in der angegriffenen Entscheidung keinen von dem in der Beschwerde bezeichneten Rechtssatz des [X.] abweichenden und insbesondere nicht den von der Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung bezeichneten, im Übrigen nicht abstrakten, sondern einzelfallbezogenen gefassten Rechtssatz des Inhalts aufgestellt, dass bei einem Vorschubleisten durch verlegerische Tätigkeit bzw. durch Publikationen unerheblich sei, ob über dasselbe Medium das [X.] erheblich kritisiert und damit in seinem Vor(an)kommen behindert wurde. Vielmehr hat es den Rechtssatz des [X.] seiner eigenen Entscheidung zugrunde gelegt, ein nachhaltig untergrabendes oder sonst gewichtig schädigendes Verhalten bei [X.] jedoch nicht erkennen können. Soweit die Klägerin beanstandet, das Verwaltungsgericht habe den höchstrichterlichen Rechtssatz nicht zur [X.]nwendung gebracht, kritisiert sie lediglich die Rechtsanwendung im Einzelfall. Dies genügt nicht den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge (stRspr, vgl. [X.], Beschluss vom 21. Juni 2017 - 2 B 50.16 - juris Rn. 15).

3. Der Rechtssache kommt auch nicht die von der Klägerin behauptete grundsätzliche Bedeutung (§ 132 [X.]bs. 2 Nr. 1 VwGO) zu.

Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt ([X.], Beschluss vom 19. [X.]ugust 1997 - 7 B 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26). Die Beschwerde muss darlegen, dass gerade die angeblich verletzte Regelung rechtsgrundsätzliche Fragen aufwirft ([X.], Beschlüsse vom 9. März 1984 - 7 B 238.81 - [X.] 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 49 und vom 15. Juni 2009 - 6 [X.] - Rn. 6). Diesen [X.]nforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

a) Die Beschwerde hält zunächst die Fragen für grundsätzlich bedeutsam,

ob für den Fall des Vorschubleistens durch Produktion oder Verantwortung für Presseerzeugnisse nicht im Wege einer Gesamtschau die [X.] und die NS-kritischen Presseerzeugnisse bei der Prüfung des Vorschubleistens gewürdigt werden müssen,

ob zu prüfen ist, ob die verlegerische und autorenschaftliche Verantwortung für Presseerzeugnisse oder sonstige [X.]en im Wege der Förderung und der Propaganda für das [X.] bzw. dessen Entstehung zu einem erheblichen Vorschubleisten gegenüber dem [X.] führte, ob dann einzelne Äußerungen im Rahmen einer größeren autorenschaftlichen oder verlegerischen Tätigkeit, die als regimefördernd verstanden werden können, genügen oder ob es insbesondere in dem Fall, in dem auch offen regimekritische Äußerungen dem Betreffenden zuzurechnen sind, einer Gesamtschau aller autorenschaftlichen bzw. verlegerisch verantworteten [X.]en bedarf,

sowie

ob im Falle der Prüfung eines erheblichen Vorschubleistens gegenüber dem [X.] durch eventuelle Propaganda für das [X.] System oder dessen Entstehung im Wege verlegerischer oder autorenschaftlicher Tätigkeit selbst dann, wenn man aufgrund einiger solcher [X.]en zu dem Zwischenergebnis gelangen sollte, dass der Tatbestand des erheblichen Vorschubleistens zunächst erfüllt ist, nach den Grundsätzen des Entlastungsbeweises weiter zu prüfen ist, ob in anderen [X.]en so offene Kritik am [X.] System geübt wurde, dass damit der ursprüngliche [X.] in einer Gesamtbewertung als aufgehoben gilt.

Soweit diese Fragen einzelfallbezogen auf die Fallkonstellation der publizistischen Tätigkeit als Herausgeber oder als [X.]utor von [X.]en zugeschnitten sind, kommt ihnen nicht die für die Grundsatzrüge des § 132 [X.]bs. 2 Nr. 1 VwGO erforderliche allgemeine Bedeutung zu. Soweit sie darauf zielen zu erfahren, ob ein Leistungsausschluss nach § 1 [X.]bs. 4 [X.]usglLeistG bei Feststellung eines erheblichen Vorschubleistens für das [X.] System einer Würdigung von für dieses System schädlichen Handlungen des Betreffenden im Wege einer Gesamtschau bedarf, ist diese Frage in der Rechtsprechung des [X.] bereits hinreichend geklärt (vgl. oben 2.). Die von der Klägerin formulierten Fragen werfen keine zusätzlichen [X.]spekte auf, die einer allgemeinen und nicht lediglich einzelfallbezogenen Klärung zugänglich wären.

Sie wären im Übrigen mangels entsprechender tatrichterlicher Feststellungen des [X.] nicht klärungsfähig, soweit sie einen Sachverhalt unterstellen, wonach die durch [X.]en dem [X.] System Vorschub leistende Person dieses System durch andere, gegenläufige [X.]en hätte schädigen können oder wollen. Solche [X.]en oder auch andere regimeschädigende Verhaltensweisen [X.]s in dem insoweit allein maßgeblichen [X.]raum ab der Errichtung des [X.] Systems bis zu dessen Ende hat das Verwaltungsgericht gerade nicht festgestellt (U[X.] S. 21). Hiergegen hat die Klägerin keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben.

b) Mit den von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam formulierten Fragen:

"Erfüllt jedermann die objektiven und insbesondere auch subjektiven Voraussetzungen des erheblichen Vorschubleistens gegenüber dem [X.] alleine weil er sich aktiv für eine [X.]bschaffung des bisherigen Staatswesens der [X.] Republik bemühte?"

und

"Ist eine Förderung [X.] Bestrebungen in der [X.] der Machtergreifung der Nationalsozialisten als erhebliches Vorschubleisten gegenüber dem [X.] zu verstehen?"

werden keine abstrakten, der allgemeinen Klärung zugänglichen Rechtsfragen bezeichnet. Sie setzen - ungeachtet der von der Klägerin verwendeten Bezugnahme auf "jedermann" - vielmehr eine konkrete Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts im Einzelfall voraus, der anhand der bereits unter 2. dargestellten Maßstäbe aus der Rechtsprechung des [X.] zum Vorliegen eines dem [X.] System Vorschub leistenden Verhaltens im Sinne von § 1 [X.]bs. 4 [X.]usglLeistG zu bewerten wäre.

Soweit die Klägerin mit diesen von ihr als rechtsgrundsätzlich aufgeworfenen Fragen geklärt wissen möchte, ob auch ein Verhalten als Vorschubleisten für das [X.] System anzusehen sein kann, mit dem vom [X.] abweichende Ziele verfolgt werden, verweist sie selbst in ihrer Beschwerdebegründung auf die Rechtsprechung des [X.], mit der dies bereits im bejahenden Sinne geklärt ist. Danach ist es unschädlich, wenn der Betreffende mit seinem das [X.] System erheblich begünstigenden Handeln zugleich eigene andere Ziele verfolgte, da auch derjenige, der eigene politische Ziele verfolgt, damit zugleich auch wissentlich und willentlich die politischen Ziele eines anderen fördern kann (stRspr, vgl. [X.], Urteile vom 29. September 2010 - 5 C 16.09 - [X.] 428.4 § 1 [X.]usglLeistG Nr. 21 und vom 30. Juni 2010 - 5 C 9.09 - [X.] 428.4 § 1 [X.]usglLeistG Nr. 20 Rn. 10). [X.]us dieser vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt sich zugleich ohne Notwendigkeit einer weiteren Klärung in einem Revisionsverfahren, dass auch ein alleiniges, von dem Ziel des durch Vorschubleisten geförderten Systems abweichendes politisches Ziel des [X.] unschädlich ist, so lange nur dieses System durch dessen Handeln wissentlich und willentlich erheblich begünstigt worden ist (vgl. auch [X.], Urteil vom 28. Februar 1963 - 8 C 81.61 - [X.]E 15, 326 <330> zu § 8 BWGöD).

Die Frage, ob eine Förderung [X.] Bestrebungen in der [X.] der Machtergreifung der Nationalsozialisten als erhebliches Vorschubleisten gegenüber dem [X.] zu verstehen ist, wäre darüber hinaus in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich, da das Verwaltungsgericht den Beitrag des Vorschubleistens [X.]s nicht hierin, sondern in der Unterstützung und Bestärkung von [X.], die Nationalsozialisten und [X.] in die [X.] aufzunehmen, sowie in der Bestärkung der Regierung [X.]-von [X.]-[X.] nach dem 30. Januar 1933 durch seine eigene publizistische und autorenschaftliche Tätigkeit gesehen hat.

c) [X.]uch die von der Klägerin in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Frage:

"Nach welchen Kriterien ist zu bemessen, ob der Nutzen, den das Regime an vorgeblichen Förderhandlungen hat, nicht ganz unerheblich ist? Lässt sich der Nachweis eines nicht ganz unerheblichen Nutzens des Regimes im Falle des [X.] durch Publikationen bereits dadurch führen, dass einige wenige aus einer Vielzahl von Publikationen sich als regimefördernd verstehen lassen, auch wenn eine größere Zahl von Publikationen sich als deutlich regimekritisch verstehen lassen? Ist insoweit nicht auch im Rahmen der Prüfung des erheblichen Regimenutzens das in der übrigen Rechtsprechung zu § 1 [X.]bs. 4 [X.]usglLeistG des [X.] anerkannte Prinzip der Gesamtschau anzuwenden, konkret also im Falle von Publikationen ein erheblicher Regimenutzen nur dann als gegeben anzusehen, wenn bei einer Vielzahl unterschiedlicher Publikationen zu politischen Fragen ein überwiegender Teil dieser Publikationen als regimefördernd verstanden werden kann und nur ein geringerer Teil als regimekritisch, da andernfalls ein erheblicher Nutzen nicht feststellbar ist?"

veranlasst nicht die Zulassung der Revision. Indem sie daran anknüpft, dass eine gegenüber den systemfördernden Publikationen größere [X.]nzahl von Publikationen regimekritisch aufzufassen sei, unterstellt sie einen Sachverhalt, den das Verwaltungsgericht gerade nicht festgestellt hat. Sie wäre daher in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich und damit nicht klärungsfähig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 [X.]bs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 [X.]bs. 1 und 3, § 52 [X.]bs. 1 VwGO.

Meta

8 B 1/17

09.10.2017

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Gera, 11. Oktober 2016, Az: 6 K 1372/14 Ge, Urteil

§ 1 Abs 4 AusglLeistG, § 108 Abs 1 S 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.10.2017, Az. 8 B 1/17 (REWIS RS 2017, 4326)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4326

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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15 NE 19.551

15 ZB 18.1525

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