Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23.04.2015, Az. 5 C 10/14

5. Senat | REWIS RS 2015, 12202

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Gegenstand

Ausschluss von Ausgleichsleistungen bei Unternehmensunwürdigkeit


Leitsatz

Für die Unternehmensunwürdigkeit gemäß § 1 Abs. 4 AusglLeistG ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die den jeweiligen Ausschlusstatbestand erfüllenden Handlungen dem Unternehmen als solchem zugeordnet werden können. Das Verhalten des einzelnen Anteilseigners ist für die Tatbestandserfüllung ohne Belang.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren als Erben ehemaliger Gesellschafter der [X.] in L. Ausgleichsleistungen nach dem [X.] für die entschädigungslose Enteignung des Gesellschaftsvermögens.

2

Die [X.] betrieb ein Druck- und Verlagshaus, das bis [X.] die Tageszeitung "[X.]" ([X.]) herausgab. Nach den Wahlen 1933 wurde im Zuge der Gleichschaltung des [X.] auf die Herausgeber und die Schriftleitung der [X.] wegen ihrer politischen Haltung erheblicher Druck ausgeübt, der 1936 in die Einleitung eines Verfahrens zum Ausschluss der Verlagsinhaber aus der Reichspressekammer wegen politischer Unzuverlässigkeit mündete. Um dem damit verbundenen Verbot jeglicher verlegerischer Tätigkeit zu entgehen, räumten die Rechtsvorgänger der Kläger im August 1936 der Tochter eines [X.] eine Mehrheitsbeteiligung an der Kommanditgesellschaft von 51 % der Anteile ein. Jedenfalls von diesem Zeitpunkt an unterstützte und förderte die [X.] in ihren Leitartikeln die [X.] Politik.

3

Ende 1945 wurde das Vermögen der [X.] auf der Grundlage des Befehls Nr. 124 der [X.] vom 30. Oktober 1945 beschlagnahmt, der [X.] zur Nutzung zugewiesen und später über die [X.], [X.], lfd. Nr. ... in Volkseigentum überführt. Im März 1947 wurde die Firma im Handelsregister gelöscht.

4

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 5. Juni 1992 wurde festgestellt, dass der [X.] wegen des Verlustes der Mehrheitsbeteiligung Ansprüche gemäß § 1 Abs. 6 [X.] zustehen. Die Entschädigung wurde 1996 aufgrund einer gütlichen Einigung mit der früheren Treuhand geleistet.

5

Mit Bescheid vom 10. Dezember 2004 lehnte das zuständige [X.] zur Regelung offener Vermögensfragen den Antrag der Kläger auf Gewährung von Ausgleichsleistungen nach dem [X.] für die spätere entschädigungslose Enteignung des Vermögens der Gesellschafter ab. Die Gewährung von Ausgleichsleistungen sei nach § 1 Abs. 4 [X.] ausgeschlossen, weil die [X.] nach dem Eintritt der Tochter eines [X.] dem [X.]n System erheblichen Vorschub geleistet habe.

6

Das Verwaltungsgericht wies die dagegen gerichtete Klage ab. Die [X.] habe als Herausgeberin der [X.] jedenfalls seit August 1936 durch die Art und Weise ihrer Berichterstattung dem [X.]n System erheblich Vorschub geleistet. Dieses Auftreten und Vorgehen des Unternehmens sei den Rechtsvorgängern der Kläger zuzurechnen, da es maßgeblich auf das Handeln des Unternehmens an sich ankomme und eine ausschließliche Außensteuerung, die die Zurechnung ausschließen könnte, nicht vorliege.

7

Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren auf Gewährung von Ausgleichsleistungen weiter. Sie [X.] eine Verletzung von § 1 Abs. 4 [X.]. Ihre Rechtsvorgänger erfüllten selbst weder den objektiven noch den subjektiven Tatbestand eines erheblichen Vorschubleistens im Sinne dieser Bestimmung. Das erhebliche Vorschubleisten des Unternehmens könne ihnen nicht entgegengehalten werden, da sie die Mehrheitsbeteiligung durch eine [X.] Verfolgungsmaßnahme verloren hätten.

8

Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Kläger ist nicht begründet. Das Urteil des [X.] steht im Ergebnis mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

Die Beteiligten gehen, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert, zu Recht davon aus, dass die Kläger nach § 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 des [X.] - [X.] - in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Juli 2004 ([X.]), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 21. März 2011 ([X.] [X.]), dem Grunde nach anspruchsberechtigt sind, weil die verbliebene Beteiligung ihrer Rechtsvorgänger an der Kommanditgesellschaft in Höhe von 49 % der Anteile durch die entschädigungslose Enteignung des Vermögens der Gesellschaft auf besatzungshoheitlicher Grundlage in ihrem Wert gemindert wurde. Zu entscheiden ist allein darüber, ob der Anspruch auf Ausgleichsleistungen nach § 1 Abs. 4 Alt. 3 [X.] ausgeschlossen ist. Danach werden unter anderem dann keine Ausgleichsleistungen gewährt, wenn der nach den Absätzen 1 und 2 Berechtigte oder derjenige, von dem er seine Rechte ableitet, oder das enteignete Unternehmen dem [X.] System erheblichen Vorschub geleistet hat. Die Rechtsvorgänger der Kläger haben das [X.] System durch ihr Verhalten unstreitig nicht gefördert oder unterstützt. Jedoch erfüllt das Verhalten der [X.] als Herausgeberin der [X.] den [X.] (1.). Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht dahin erkannt, dass sich die Kläger die Verwirklichung des [X.]es durch das enteignete Unternehmen anspruchsausschließend entgegenhalten lassen müssen (2.).

1. Die [X.] hat als Herausgeberin der Zeitung jedenfalls ab August 1936 durch die Art und Weise der Berichterstattung in der [X.] dem [X.] System erheblichen Vorschub geleistet.

a) Nach der Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 3. Mai 2007 - 5 [X.] 5.06 - [X.] 428.4 § 1 [X.] Nr. 12 Rn. 14 und Beschluss vom 12. Dezember 2008 - 5 B 104.08 - juris Rn. 2) ist im Falle der Unternehmensunwürdigkeit gemäß § 1 Abs. 4 [X.] allein das Verhalten des enteigneten Unternehmens Anknüpfungspunkt für den Leistungsausschluss. Dieses gibt den Prüfungsrahmen vor und begrenzt ihn gleichzeitig. Eine Ausgleichsleistung scheidet also aus, wenn das Unternehmen als solches einen der Ausschlusstatbestände des § 1 Abs. 4 [X.] erfüllt hat. Hierfür ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass die den jeweiligen [X.] erfüllenden Handlungen dem Unternehmen zugeordnet werden können. Es ist nicht notwendig, diese Handlungen auf eine einzelne Person (etwa den Betriebsinhaber oder einen Gesellschafter) zurückzuführen. Das Verhalten des einzelnen Anteilseigners ist für die Tatbestandserfüllung ohne Belang.

b) Objektiv setzt der Ausschlussgrund des erheblichen Vorschubleistens zugunsten des [X.] Systems nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] zur individuellen Unwürdigkeit (vgl. z.B. [X.], Urteile vom 29. September 2010 - 5 [X.] 16.09 - [X.] 428.4 § 1 [X.] Nr. 21 Rn. 11 und vom 16. Mai 2012 - 5 [X.] 2.11 - [X.]E 143, 119 Rn. 42 m.w.N.) voraus, dass nicht nur gelegentlich oder beiläufig, sondern mit einer gewissen Stetigkeit Handlungen vorgenommen wurden, die dazu geeignet waren, die Bedingungen für die Errichtung, die Entwicklung oder die Ausbreitung des [X.] Systems zu verbessern oder Widerstand gegen dieses System zu unterdrücken, und dies auch zum Ergebnis hatten. Die unterstützende Tätigkeit muss sich auf spezifische Ziele und Bestrebungen des [X.] Systems bezogen haben. Der Nutzen, den das Regime aus dem Handeln gezogen hat, darf nicht nur ganz unbedeutend gewesen sein. Für die Unternehmensunwürdigkeit gilt insoweit kein anderer Maßstab. Die Frage, wann ein erhebliches Vorschubleisten zu bejahen ist, kann nicht anders beantwortet werden, wenn statt des Verhaltens einer natürlichen Person - wie hier - das Verhalten eines Unternehmens auf seine Unwürdigkeit hin zu prüfen ist. § 1 Abs. 4 [X.] nennt den nach den Absätzen 1 und 2 Berechtigten, denjenigen, von dem dieser seine Rechte ableitet und das enteignete Unternehmen gleichberechtigt nebeneinander als mögliche Subjekte eines unwürdigen Verhaltens im Sinne der Regelung.

Das erhebliche Vorschubleisten zugunsten des [X.] Systems muss dem Unternehmen objektiv zuzuordnen sein, das heißt, die entsprechenden Handlungen müssen sich - wie bereits dargelegt - nach außen als Tätigwerden des Unternehmens darstellen. Eine solche objektive Zuordnung ist nicht nur bei einem unmittelbaren Handeln der Unternehmensleitung zu bejahen, sondern unter anderem auch bei einem Handeln der Personen im Unternehmen, die befugt und damit verantwortlich gewesen sind, für das Unternehmen tätig zu werden (vgl. [X.], Urteil vom 3. Mai 2007 - 5 [X.] 5.06 - [X.] 428.4 § 1 [X.] Nr. 12 Rn. 15). Es mag allerdings Fallgestaltungen geben, bei denen eine den [X.] erfüllende Handlung dem Unternahmen deshalb nicht objektiv zugeordnet werden kann, weil diese auf ausschließlicher Außensteuerung beruhte (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Dezember 2008 - 5 B 104.08 - juris Rn. 2 und 4).

c) Hinzukommen muss die Erfüllung der subjektiven Voraussetzungen des [X.]es des erheblichen Vorschubleistens. Im Falle einer individuellen Unwürdigkeit setzt das voraus, dass die [X.] in dem Bewusstsein gehandelt haben, ihr Verhalten könne nicht ganz unbedeutend dafür sein, die Bedingungen für die Errichtung, die Entwicklung oder die Ausbreitung des [X.] Systems zu verbessern oder Widerstand gegen dieses System zu unterdrücken (stRspr, vgl. [X.], Urteil vom 16. Mai 2012 - 5 [X.] 2.11 - [X.]E 143, 119 Rn. 42 m.w.N.). Dies gilt entsprechend für die Unternehmensunwürdigkeit, obwohl ein Unternehmen als solches nicht wissentlich und willentlich handeln kann. Das erforderliche Bewusstsein können nur die für das Unternehmen handelnden natürlichen Personen bilden. Entscheidend ist deshalb das Wissen und Wollen der dem Unternehmen zugehörigen natürlichen Personen, die dessen Handeln nach außen tatsächliche maßgeblich bestimmt haben. Auf deren gesellschaftsrechtliche Stellung kommt es insoweit nicht an. Können die den Vorwurf des erheblichen Vorschubleistens begründenden Handlungen dem Unternehmen objektiv zugeordnet werden, ist in der Regel zu vermuten, dass das Unternehmen für diese auch subjektiv verantwortlich ist. Etwas anderes kann lediglich angenommen werden, wenn das Vorschubleisten dem Unternehmen zwar objektiv zuzuordnen ist, aber auf einer ausschließlichen Außensteuerung durch außerhalb des Unternehmens stehende Personen beruht, die ein willentliches Handeln derjenigen, die das Handeln des Unternehmens nach außen maßgeblich bestimmen, ausschließt.

d) Gemessen an diesen - von ihm der Sache nach angewandten - rechtlichen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen zutreffend angenommen, dass das enteignete Unternehmen dem [X.] System erheblichen Vorschub geleistet hat und insbesondere von einer ausschließlichen Außensteuerung nicht ausgegangen werden kann.

Nach den Feststellungen des [X.] unterstützte und förderte die [X.] in ihren Leitartikeln die [X.] Politik jedenfalls ab August 1936, nachdem die Rechtsvorgänger der Kläger der Tochter eines [X.] eine Mehrheitsbeteiligung an der [X.] % der Anteile eingeräumt hatten. Die [X.] war mit einer Auflagenstärke von 140 000 bis 150 000 Exemplaren bis in die 40er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein die marktführende Tageszeitung in [X.] Ihre Berichterstattung war von grundsätzlicher Bedeutung für die Meinungsbildung der Bürger. Des Weiteren hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Berichterstattung der [X.] aus dem Unternehmen heraus erfolgte, d.h. keinen außerhalb des Unternehmens stehenden Personen zuzuschreiben ist. Denn die betreffenden Leitartikel wurden von Mitarbeitern des Unternehmens verfasst, die im Übrigen auch die Ausgaben der [X.] redaktionell gestalteten. Diese Feststellungen des [X.] sind gemäß § 137 Abs. 2 VwGO für den Senat bindend, da gegen sie keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben wurden. Die darauf aufbauende rechtliche Schlussfolgerung des [X.], das enteignete Unternehmen habe den [X.] des § 1 Abs. 4 Alt. 3 [X.] verwirklicht, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

Die Kläger können sich zur Begründung ihrer gegenteiligen Auffassung in Bezug auf eine ausschließliche Außensteuerung insbesondere nicht mit Erfolg darauf berufen, ihre Rechtsvorgänger hätten aufgrund der ihnen verbliebenen Beteiligung von 49 % der Anteile auf die Berichterstattung ab August 1936 keinen inhaltlichen Einfluss mehr nehmen können. Auf das Verhalten der Anteilseigner kommt es - wie dargelegt - bei der Unternehmensunwürdigkeit nicht an. Dass die Rechtsvorgänger der Kläger die Tochter eines [X.] nicht freiwillig, sondern auf Druck des [X.] Regimes an dem Unternehmen beteiligten, ändert nichts daran, dass die das erhebliche Vorschubleisten begründenden Handlungen aus dem Unternehmen heraus und nicht von außen gesteuert wurden. Insbesondere sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die erzwungenermaßen aufgenommene Mehrheitsgesellschafterin die Ziele des [X.] Systems nicht unterstützt hätte.

Ebenso wenig können die Kläger mit ihrem Einwand durchdringen, die Unwürdigkeitsprüfung müsse sich wegen der [X.] zwischen [X.] und [X.] auf das Verhalten der Rechtsvorgänger der Kläger beschränken, für deren mittelbar geschädigte Anteile allein Ausgleichsleistungen begehrt würden. Dies widerspricht der Gesetzeslage. Die Unternehmensunwürdigkeit ist danach ein selbstständiger, von der individuellen Unwürdigkeit zu trennender [X.], für den allein das Verhalten des Unternehmens maßgeblich ist. Dies schließt es aus, bei Beteiligungen an Unternehmen für die Unwürdigkeitsprüfung auf das Verhalten des Anteilseigners abzustellen, auf dessen Beteiligung der [X.] zurückgeht. Auch der Hinweis der Kläger, der Rechtsgedanke der [X.] gelte jedenfalls dann, wenn die Minderheitsbeteiligung - wie hier - die Folge einer [X.] Verfolgungsmaßnahme gewesen sei, da andernfalls dem Prinzip der nachhaltigen und vollständigen Wiedergutmachung [X.] Unrechts nicht genügt werde, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn die Schädigung nach § 1 Abs. 8 Buchst. a und die Schädigung nach § 1 Abs. 6 des [X.] - [X.] - in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Februar 2005 ([X.] I S. 205), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 1. Oktober 2013 ([X.] I S. 3719), sind eigenständige, voneinander zu trennende Vorgänge. Für den in der [X.] erlittenen Vermögensverlust haben die Kläger durch die 1996 von der Treuhand geleistete Entschädigung eine dauerhafte und nachhaltige Wiedergutmachung erlangt.

2. Das erhebliche Vorschubleisten des Unternehmens zugunsten des [X.] Systems führt nach § 1 Abs. 4 Alt. 3 [X.] zum Ausschluss der Leistungen nach dem [X.]. Der Gesetzgeber hat den Leistungsausschluss zu Lasten der Anteilseigner und ihrer Rechtsnachfolger als zwingende Rechtsfolge der Tatbestandserfüllung durch das enteignete Unternehmen angeordnet. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen von dem Leistungsausschluss ausnahmsweise im Wege richterlicher Rechtsfortbildung abzusehen ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn für das Vorliegen einer solchen Ausnahme bestehen jedenfalls in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation keine Anhaltspunkte.

Im Hinblick auf den insoweit eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 4 [X.] käme eine Durchbrechung der Zurechnung der [X.] nur unter sehr engen Voraussetzungen und allenfalls insoweit in Betracht, als der [X.] Sachverhalte erfasst, die er nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll, so dass die zu weit gefasste Regelung im Wege einer teleologischen Reduktion auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten Anwendungsbereich zurückzuführen wäre (vgl. [X.], Urteil vom 25. März 2014 - 5 [X.] 13.13 - [X.] 436.36 § 8 [X.] Nr. 14 Rn. 25 m.w.N.). Sinn und Zweck der Ausschlussregelung des § 1 Abs. 4 [X.] ist es, diejenigen, die die Hauptverantwortung für die Unrechtsmaßnahmen tragen, von Ausgleichsleistungen auszuschließen (vgl. [X.], Urteile vom 16. Mai 2012 - 5 [X.] 2.11 - [X.]E 143, 119 Rn. 13 m.w.N. und vom 14. März 2013 - 5 [X.] 15.12 - [X.] 428.4 § 1 [X.] Nr. 25 Rn. 19 m.w.N.). Eine teleologische Reduktion des § 1 Abs. 4 Alt. 3 [X.] dahingehend, dass sich der nach den Absätzen 1 und 2 Berechtigte oder derjenige, von dem er seine Rechte ableitet, das systemfördernde Verhalten des Unternehmens ausnahmsweise nicht entgegen halten lassen muss, könnte allenfalls in solchen Fällen in Erwägung gezogen werden, in denen Umstände, die in der Person des Anteilseigners begründet sind, auf dessen Beteiligung der geltend gemachte Anspruch zurückgeht, sich unter Wertungsgesichtspunkten als derart gewichtig erweisen, dass eine Zurechnung der Unternehmensunwürdigkeit mit dem genannten Zweck des § 1 Abs. 4 [X.] schlechthin unvereinbar wäre.

Diese Voraussetzungen könnten allenfalls Fallgestaltungen erfüllen, die bei wertender Betrachtung mit denjenigen vergleichbar sind, in denen die individuelle Unwürdigkeit wegen eines nachgewiesenen regimeschädigenden Verhaltens der betreffenden Person zu verneinen ist. Nach dem Sinn und Zweck des [X.]es sind Personen aufgrund ihres individuellen Verhaltens nicht als "unwürdig" im Sinne des § 1 Abs. 4 Alt. 3 [X.] mit der Folge des [X.] anzusehen, die zwar einerseits das [X.] System gefördert haben, andererseits aber nachweislich in einer Weise auf dessen Schädigung hingearbeitet haben, dass dadurch ihre Förderungshandlungen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung in hohem Maße und damit nachhaltig relativiert werden. Eine bloße innere Reserviertheit oder Abneigung gegenüber dem System, die sich nicht in nennenswerten Handlungen nach außen manifestiert hat, genügt insoweit ebenso wenig wie eine im Zeitablauf lediglich nachlassende Unterstützung oder eine Abwendungen von den Systemzielen in späteren Phasen des [X.] Regimes (vgl. [X.], Urteile vom 18. September 2009 - 5 [X.] 1.09 - [X.]E 135, 1 Rn. 14 ff. und vom 30. Juni 2010 - 5 [X.] 9.09 - [X.] 428.4 § 1 [X.] Nr. 20 Rn. 11, die insoweit u.a. Bezug nehmen auf [X.], Beschluss vom 12. Februar 1991 - 9 [X.] - [X.] 412.6 § 2 HHG Nr. 3 und [X.], Urteil vom 26. April 1961 - [X.] - [X.], 377). Damit könnten solche Fallkonstellationen der Unternehmensunwürdigkeit vergleichbar sein, in denen der Anteilseigner, auf dessen Beteiligung der geltend gemachte Anspruch zurückgeht, seine Stellung im Unternehmen nachweislich genutzt hat, um dem [X.] System zu schaden oder Handlungen vorzunehmen, die auf die Schädigung dieses Unrechtssystems ausgerichtet waren (vgl. [X.], Urteil vom 30. Juni 2010 - 5 [X.] 9.09 - [X.] 428.4 § 1 [X.] Nr. 20 Rn. 11; s.a. [X.], Urteil vom 12. Februar 1991 - 9 [X.] - [X.] 412.6 § 2 HHG Nr. 3 und [X.], Urteil vom 26. April 1961 - [X.] - [X.], 377). Daran fehlt es hier.

Anknüpfend an den Gedanken der ausschließlichen Außensteuerung könnte eine Ausnahme von der Zurechnung des unwürdigen Verhaltens des Unternehmen außerdem in solchen Fällen denkbar sein, in denen der [X.] nur aufgrund einer unausweichlichen Zwangslage im Unternehmen verblieben ist, die ihrerseits auf eine Zwangsmaßnahme des [X.] Regimes zurückzuführen ist und ein der ausschließlichen Außensteuerung vergleichbares Gewicht besitzt. Das dürfte allenfalls dann der Fall sein, wenn die Fortsetzung der Beteiligung an dem unwürdigen Unternehmen gegen den Willen des Beteiligten erfolgte und dieser die Beteiligung nur unter Gefahren für Leib, Leben oder seine wirtschaftliche Existenz hätte aufgeben können. In Fällen einer individuellen Unwürdigkeit käme unter diesen Voraussetzungen eine Zurechnung des unwürdigen Verhaltens nicht in Betracht. Auch für eine solche außerordentliche Zwangslage gibt es nach den Feststellungen des [X.] hier jedoch keinerlei Anhaltspunkte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Meta

5 C 10/14

23.04.2015

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend VG Dresden, 14. August 2013, Az: 6 K 1099/10, Urteil

§ 1 Abs 1 S 1 AusglLeistG, § 1 Abs 2 S 1 AusglLeistG, § 1 Abs 4 Alt 3 AusglLeistG, § 1 Abs 6 VermG, § 1 Abs 8 Buchst a VermG, SMADBef 124/45

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23.04.2015, Az. 5 C 10/14 (REWIS RS 2015, 12202)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12202

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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