Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10.09.2010, Az. 2 BvR 2561/08

2. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2010, 3486

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung von Art 13 Abs 1 GG durch Wohnungsdurchsuchung bei unzureichendem Tatverdacht - hier: Onlineversteigerung neuwertiger, teilweise originalverpackter Mobiltelefone in größerer Anzahl durch Privatperson begründet noch keinen Verdacht der Hehlerei <§ 259 StGB>


Tenor

Die Beschlüsse des [X.] vom 11. November 2008 und 19. Dezember 2008 - 13 [X.]/2008 - und des [X.] - Ermittlungsrichter - vom 24. September 2008 - 57 [X.] 14807/08 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine strafprozessuale Durchsuchungsanordnung.

I.

2

1. Bei einer polizeilichen [X.] der [X.]-Plattform [X.] nach Hinweisen auf Straftaten wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer in dem Zeitraum vom 12. Juni 2008 bis 25. Juli 2008 insgesamt 182 Mobiltelefone, davon 46 Stück Neuware in Originalverpackung, veräußert hatte. Im Zeitraum vom 8. März 2008 bis zum 1. Juli 2008 hatte der Beschwerdeführer seinerseits 22 Mobiltelefone im [X.] angekauft; über die Herkunft der anderen 160 Mobiltelefone bestanden keine Erkenntnisse. Preisvergleiche mit anderen [X.]-Versandhäusern hatten ergeben, dass die Mobiltelefone in der Regel unter dem Preis der billigsten Anbieter abgegeben wurden. Insbesondere die als neu und originalverpackt angebotenen Mobiltelefone waren teilweise unter dem Preis der Groß-Discounter veräußert worden. Eine Nachfrage beim Gewerbeaufsichtsamt ergab außerdem, dass der Beschwerdeführer kein Gewerbe angemeldet hatte.

3

2. Die Polizei beantragte daraufhin den Erlass eines [X.] nach Art. 23, 24 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der [X.] (Polizeiaufgabengesetz - [X.]), weil sie noch keinen konkreten Hinweis auf eine Straftat sah. Wegen des Verdachts der widerrechtlichen Erlangung sollte zunächst auf eine unterbindende Sicherstellung nach Art. 25 Nr. 1 und 2 [X.] hingewirkt werden. Hingegen erachtete das [X.] einen hinreichenden Tatverdacht für eine Durchsuchung nach § 102 StPO gegeben und übersandte die Akte der Staatsanwaltschaft, die einen entsprechenden Durchsuchungsbeschluss beantragte.

4

3. Das [X.] erließ daraufhin am 24. September 2008 einen Durchsuchungsbeschluss. Es bestehe der Tatverdacht der Hehlerei, weil zu vermuten sei, dass die von dem Beschwerdeführer verkauften Mobiltelefone aus vorangegangenen Diebstählen oder Betrugsstraftaten stammten und nun vom Beschwerdeführer in Gewinnerzielungsabsicht weiterverkauft würden. Die Durchsuchung diene der Auffindung von Mobiltelefonen, Rechnungen, Computern und sonstigen Schriftstücken oder Datenträgern, die Aufschluss über Herkunft und Verbleib der verkauften Mobiltelefone geben.

5

4. Bei der Durchsuchung am 16. Oktober 2008 wurden diverse Gegenstände sichergestellt, von denen ein Teil dem Beschwerdeführer zeitnah zurückgegeben wurde. Die Beschlagnahmeanordnung ist nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerde.

6

5. Die gegen den Durchsuchungsbeschluss eingelegte Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer das Fehlen eines Tatverdachts und die fehlende Bestimmtheit des [X.] sowie die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme rügte, verwarf das [X.] mit Beschluss vom 11. November 2008 als unbegründet. Der Tatverdacht ergebe sich hier daraus, dass der Beschwerdeführer ausweislich der Auskunft der Firma [X.] kein Gewerbe angemeldet habe, als Privatverkäufer innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums von sechs Wochen eine große Anzahl von teils hochwertigen, teils auch originalverpackten Handys versteigert habe und die [X.]im Regelfall unter dem Preis der billigsten Anbieter gelegen hätten. Angesichts der hohen Anzahl der versteigerten Geräte insgesamt und des hohen Anteils von neuwertigen, originalverpackten Geräten bestehe durchaus der Verdacht, dass die Geräte nicht auf legalem Weg in den Besitz des Beschwerdeführers gelangt seien. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig, weil mit der Auffindung von Beweismitteln zu rechnen gewesen sei. Es erscheine zudem von vornherein aussichtslos, die Ersteher der Geräte, die zu dem Beschwerdeführer aufgrund der Anonymität der Plattform regelmäßig keinen weiteren Kontakt hätten und sich allein auf dessen Angaben zu der Ware verlassen müssen, zu deren Herkunft zu befragen.

7

6. Der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers, der bereits zuvor wiederholt Akteneinsicht beantragt hatte, konnte erst am 13. November 2008 auf der Geschäftsstelle Akteneinsicht nehmen. Aus diesem Grund erhob er am 1. Dezember 2008 Anhörungsrüge nach § 33a StPO. Die Beschwerdeentscheidung sei bereits deshalb rechtswidrig, weil zuvor keine Akteneinsicht gewährt worden sei. Das [X.] hätte die Entscheidung nicht auf die [X.]-Auskunft und die fehlende Gewerbeanmeldung stützen dürfen, weil es sich dabei um nachgeschobene Argumente handele.

8

7. Das [X.] verwarf die Gegenvorstellung mit Beschluss vom 19. Dezember 2008 als unbegründet. Der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers habe zwei Tage nach der Beschwerdeentscheidung Akteneinsicht erhalten; Einwendungen, die ihm aufgrund der Akteneinsicht nunmehr erstmals möglich geworden wären und die das [X.] bei seiner Entscheidung fehlerhaft nicht berücksichtigt hätte, teile er jedoch nicht mit. Ein Nachschieben von Gründen liege nicht vor. Bereits der polizeiliche Ermittlungsbericht stelle maßgeblich auf die [X.]-Auskunft ab und damit auch der Beschluss des Amtsgerichts.

9

8. Das Ermittlungsverfahren ist mit Verfügung vom 5. August 2009 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden.

Der Beschwerdeführer sieht sich in seinen Rechten aus Art. 13 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.

1. Art. 13 Abs. 1 GG sei verletzt, weil kein hinreichender Tatverdacht bestanden habe. Auf der [X.]-Plattform [X.] würden auch von Privatpersonen täglich tausende Artikel umgesetzt. Auch die Behauptung in dem Durchsuchungsbeschluss, die Mobiltelefone seien in der Regel unter dem Preis der billigsten Anbieter abgegeben worden, sei unzutreffend und an keiner Stelle belegt. Tatsächlich habe es sich bei einem Großteil der Geräte um defekte Ware gehandelt, die im Handel aussortiert und von dem Beschwerdeführer repariert worden sei und keinen handelsüblichen Marktpreis habe. Einen handelsüblichen Marktpreis hätten allein die originalverpackten, neuen Geräte. Allerdings habe der Beschwerdeführer bei der Auktion keinen Einfluss auf den tatsächlich erzielten Endpreis gehabt.

2. Der Ermittlungsrichter sei seiner Verpflichtung zur eigenständigen Überprüfung des Tatverdachts nicht nachgekommen. Vielmehr habe die Polizei in ihrem Antrag ausgeführt, dass ein konkreter Hinweis auf eine Straftat bisher noch nicht vorliege. Weitere Ermittlungsmaßnahmen seien von dem Ermittlungsrichter aber nicht vorgenommen worden.

3. Die Durchsuchung sei unverhältnismäßig gewesen, weil die Herkunft der Mobiltelefone durch weniger einschneidende Maßnahmen hätte aufgeklärt werden können. So hätten Testkäufe durchgeführt oder die ermittelten Käufer der Mobiltelefone befragt werden können. Die Vorlage einer Rechnung sei nicht nachgefragt worden und es sei nicht ermittelt worden, ob der Beschwerdeführer die Mobiltelefone möglicherweise auf legale Weise erworben hat.

4. Art. 103 Abs. 1 GG sei verletzt, weil das [X.] in seiner Beschwerdeentscheidung in unzulässiger Weise auf Inhalte der Ermittlungsakte (Bericht von [X.]; Ermittlungen der Polizei) Bezug nehme, die in dem angegriffenen Durchsuchungsbeschluss selbst keinen Niederschlag gefunden hätten. Die Bezugnahme auf die "bisherigen polizeilichen Ermittlungen" sei nicht ausreichend, weil andernfalls faktisch keinerlei formale Anforderungen an einen Durchsuchungsbeschluss zu stellen wären. Außerdem habe sich das [X.] nicht mit der Möglichkeit eines Testkaufs auseinandergesetzt.

III.

1. Das [X.] hält in seiner Stellungnahme vom 27. April 2009 die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, soweit sie sich gegen den Beschluss des [X.]s vom 19. Dezember 2008 richtet, und im Übrigen für unbegründet.

a) Soweit der Beschwerdeführer meine, mit der Entscheidung vom 19. Dezember 2008 über die Anhörungsrüge habe das [X.] wiederum sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt, habe er den Rechtsweg nicht erschöpft, weil er insoweit eine neuerliche Anhörungsrüge habe erheben können.

b) Art. 13 GG sei durch den angegriffenen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts und die angegriffene Beschwerdeentscheidung des [X.]s nicht verletzt. Es habe ein die Durchsuchung rechtfertigender Tatverdacht vorgelegen, der sich hier aus den polizeilichen Ermittlungen zu den festgestellten Verkaufsvorgängen und -umständen in Zusammenschau mit der fehlenden Gewerbeanmeldung des Beschwerdeführers ergebe. Die hohe Anzahl der Verkäufe von teilweise originalverpackter Neuware innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums auf einer [X.]auktionsplattform, die weitgehende Anonymität gewährleiste, sowie die Verkaufspreise, welche die billigsten am Markt gewesen seien, und der Umstand, dass der Beschwerdeführer kein gewerblicher Händler gewesen sei, hätten nahegelegt, dass der Beschwerdeführer Waren aus illegaler Herkunft veräußert habe.

Der Tatvorwurf und die Verdachtsgrundlagen seien in dem Durchsuchungsbeschluss hinreichend konkret bezeichnet und auch die aufzufindenden Beweismittel seien ausreichend umschrieben. Die Bezugnahme in dem Durchsuchungsbeschluss auf die polizeilichen Ermittlungsergebnisse sei unschädlich, weil hiermit ersichtlich die von der Polizei im Vorfeld gewonnenen Erkenntnisse gemeint gewesen seien.

Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liege nicht vor, weil die Durchsuchung ein taugliches Mittel zur Erforschung des Sachverhalts gewesen sei. Ein milderes, aber ebenso effektives Mittel sei nicht ersichtlich gewesen; insbesondere hätte ein Testkauf bei dem Beschwerdeführer oder die Befragung sämtlicher bisheriger Käufer des Beschwerdeführers aller Voraussicht nach keine zuverlässigen Erkenntnisse über die Herkunft der Mobiltelefone erbracht. Bei einem Testkauf hätte zwar nach der Bezugsquelle eines angebotenen Mobiltelefons gefragt und eventuell hierauf irgendeine Antwort erlangt werden können, jedoch sei nicht zu erwarten gewesen, dass hierdurch Auskünfte über die Herkunft aller anderen bereits verkauften Mobiltelefone erlangt werden können. Auch die bisherigen Käufer hätten nur Angaben zu dem Ablauf ihres eigenen Kaufes machen können, wobei nicht anzunehmen sei, dass sie sich jeweils zuvor über die Herkunft des Mobiltelefons bei dem Beschwerdeführer informiert hätten.

Etwaige Defizite in der Begründung der Durchsuchungsanordnung seien zudem durch die Beschwerdeentscheidung des [X.]s geheilt worden, das Darlegungen zu den Verdachtsgrundlagen in zulässiger Weise nachgeschoben hätte. Es seien nicht etwa neue Verdachtsgrundlagen hinzugefügt worden, sondern nur die bei Erlass des angegriffenen Beschlusses bereits vorliegenden Erkenntnisse dargelegt worden.

Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sei nicht ersichtlich. Auf die Anhörung des Beschwerdeführers vor Erlass und Vollzug der Durchsuchungsanordnung habe nach § 33 Abs. 4 StPO verzichtet werden dürfen, weil die Gefahr der Vereitelung des Durchsuchungserfolgs bestanden habe. Auch durch die Beschwerdeentscheidung des [X.]s vom 11. November 2008 sei der Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör letztlich nicht verletzt worden, obwohl seinem Verteidiger vor Erlass des Beschlusses zunächst keine Akteneinsicht gewährt worden sei. Der Verteidiger des Beschwerdeführers habe nämlich am 13. November 2008 umfassend Akteneinsicht nehmen und sich hierzu umfassend äußern können, so dass eine etwaige Gehörsverletzung geheilt worden sei. Dass der Verteidiger des Beschwerdeführers am 13. November 2008 aus allein in seinem Verantwortungsbereich liegenden, zeitlichen Gründen die Akte nicht habe vollständig ablichten können, führe zu keinem anderen Ergebnis.

2. Der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers hat hierauf mit [X.] vom 11. Mai 2009 erwidert. Die Darlegungen des [X.]zur Anonymität der [X.]plattform [X.] seien falsch. Die Behauptung, die erzielten Verkaufspreise seien die "billigsten am Markt" gewesen, sei nicht etwa durch die Einholung von [X.] überprüft worden. Außerdem habe der Verkäufer bei echten so genannten [X.] nicht die Möglichkeit, auf den Kaufpreis Einfluss zu nehmen. Zudem habe der Beschwerdeführer, soweit er Neuware angeboten habe, teilweise Festpreise bestimmt, die durchaus dem Marktpreis entsprochen hätten. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer nicht als gewerblicher Händler gemeldet gewesen sei, könne lediglich einen Verdacht einer Ordnungswidrigkeit nach § 146 Abs. 2 Nr. 1 [X.] begründen.

3. Dem [X.] haben die Akten der Staatsanwaltschaft [X.] - 416 Js 49156/08 - vorgelegen.

B.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 13 Abs. 1 GG durch das [X.] bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde insoweit offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 [X.]). Der Beschluss des Amtsgerichts und die diesen bestätigenden Beschlüsse des [X.]s verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG.

I.

1. Art. 13 Abs. 1 GG gewährt einen räumlich geschützten Bereich der Privatsphäre, in dem jedermann das Recht hat, in Ruhe gelassen zu werden (vgl. [X.] 51, 97 <107>; 103, 142 <150 f.>). Erforderlich zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung ist jedenfalls der Verdacht, dass eine Straftat begangen worden sei. Das Gewicht des Eingriffs verlangt Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen (vgl. [X.] 59, 95 <97>; 115, 166 <197 f.>; 117, 244 <262 f.>). Eine Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind; denn sie setzt einen Verdacht bereits voraus (vgl. [X.]K 8, 332 <336>; 11, 88 <92>).

2. Diesen Anforderungen werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht.

a) Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung ist der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts in der Gestalt der Beschwerde- und Gegenvorstellungsentscheidungen des [X.]s.

aa) Um der Funktion einer vorbeugenden Kontrolle der Durchsuchung durch eine unabhängige und neutrale Instanz (vgl. [X.] 57, 346 <355 f.>; 76, 83 <91>; 103, 142 <155>) gerecht zu werden, darf das Beschwerdegericht seine Entscheidung nicht auf Gründe stützen, die dem Ermittlungsrichter nicht bekannt waren. Prüfungsmaßstab bleibt im Beschwerdeverfahren die Sach- und Rechtslage zur [X.] [X.]. Das Beschwerdegericht darf zur Begründung seiner Entscheidung daher keine Erkenntnisse heranziehen, die erst durch die Durchsuchung gewonnen wurden. Die Kontrollfunktion des [X.]verbietet es, mangelhafte Umschreibungen des [X.] oder der zu suchenden Beweismittel nachträglich zu heilen, denn beide Angaben dienen den durchsuchenden Beamten zur Begrenzung des Eingriffs auf das zur Zweckerreichung erforderliche Maß (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 20. April 2004 - 2 BvR 2043/03, 2 BvR 2104/03 -, NJW 2004, [X.]). Die Umgrenzung des [X.] versetzt zugleich den Betroffenen in den Stand, die Durchsuchung zu kontrollieren und Rechtsschutz zu suchen (vgl. [X.] 42, 212 <220 f.>; 103, 142 <151 f.>). Das schließt es nicht aus, die Begründung des Beschlusses des Amtsgerichts in den Grenzen zu ergänzen, die die Funktion der präventiven Kontrolle wahren, oder eine andere rechtliche Beurteilung an die damals vorliegenden tatsächlichen Erkenntnisse zu knüpfen.

bb) Die Beschwerdeentscheidung des [X.]s hält sich innerhalb dieser Grenzen. Das [X.] hat sich zur Begründung des Tatverdachts gegen den Beschwerdeführer zusätzlich auf die Auskunft des Unternehmens [X.] vom 26. August 2008 und den Umstand gestützt, dass der Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitraum kein Gewerbe angemeldet hatte. Diese Erkenntnisse waren bereits Gegenstand des Antrags nach Art. 23, 24 [X.] und dem Ermittlungsrichter mithin bekannt. Ein unzulässiges Nachschieben von Gründen, wie vom Beschwerdeführer behauptet, ist daher nicht erkennbar; die Verfahrensweise des [X.]s unterliegt insoweit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

b) Jedoch ist die Annahme eines ausreichenden Tatverdachts von Verfassungs wegen nicht haltbar. Der Verdacht der Hehlerei (§ 259 StGB) setzt unter anderem den Verdacht voraus, dass die Sache durch einen Diebstahl oder ein anderes [X.]erlangt worden ist. Im vorliegenden Fall wird der Tatverdacht allein darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer in kurzer Zeit eine große Anzahl von Mobiltelefonen, von denen einige originalverpackt gewesen sind, über die [X.]plattform [X.] versteigert und dabei Verkaufserlöse erzielt hat, die in der Regel unter dem Preis der billigsten Anbieter gelegen haben. Hierbei handelt es sich indes noch nicht um zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Mobiltelefone aus einer gegen fremdes Vermögen gerichtete Tat stammten. Allein aus der Anzahl der verkauften Mobiltelefone kann ohne weitere Anhaltspunkte nicht auf eine Straftat geschlossen werden. Solche weiteren tatsächlichen Anhaltspunkte werden in den angegriffenen Beschlüssen indes nicht aufgezeigt. Der Hinweis auf die Verkaufserlöse ist eine bloße Behauptung; es hätte zumindest der beispielhaften Gegenüberstellung von erzielten und handelsüblichen Preisen bedurft. Auch aus dem Auftreten des Beschwerdeführers als Privatperson kann nicht ohne weiteres auf die Verwirklichung des Straftatbestandes der Hehlerei geschlossen werden. Die Annahme des Verdachts der Hehlerei beruhte daher auf bloßen Vermutungen, die den schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte persönliche Lebenssphäre nicht zu rechtfertigen vermögen.

3. Da es schon an dem für die Durchsuchung erforderlichen Tatverdacht fehlt, kommt es auf die übrigen, gegen die Durchsuchungsanordnung geltend gemachten Beanstandungen nicht mehr an. Gleiches gilt für die erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG.

II.

Die Entscheidung über die Aufhebung und Zurückverweisung beruht auf § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 [X.].

III.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 Alt. 2 [X.].

Meta

2 BvR 2561/08

10.09.2010

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 1. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 19. Dezember 2008, Az: 13 Qs 66/2008, Beschluss

Art 13 Abs 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, Art 23 PolAufgG BY, Art 24 PolAufgG BY, Art 25 Nr 1 PolAufgG BY, Art 25 Nr 2 PolAufgG BY, § 259 StGB, § 102 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10.09.2010, Az. 2 BvR 2561/08 (REWIS RS 2010, 3486)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3486

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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