Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.01.2023, Az. 1 StR 284/22

1. Strafsenat | REWIS RS 2023, 31

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Gegenstand

Strafverfahren: Auswechslung des Pflichtverteidigers bei Differenzen über die Verteidigungsstrategie


Tenor

Der Antrag des Angeklagten, die Bestellung von Rechtsanwalt [X.]aus M.      zum Pflichtverteidiger aufzuheben, wird abgelehnt.

Gründe

1

1. Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vierzehn Jahren verurteilt. [X.] waren Rechtsanwältin [X.]und Rechtsanwalt [X.]     , kanzleiansässig jeweils in M.      , zu [X.] des in dieser Sache in Untersuchungshaft genommenen Angeklagten bestellt worden. Mit am 22. Dezember 2022 bei dem [X.] eingegangenem Schreiben vom 16. Dezember 2022 hat der Angeklagte beantragt, Rechtsanwalt [X.]aus seinem Verfahren „auszuschließen“, da kein Vertrauensverhältnis mehr bestehe. Denn wie er zwischenzeitlich erfahren habe, habe Rechtsanwalt [X.] im Verhandlungstermin vor dem [X.] vom 25. Januar 2022 ohne sein Wissen einen Beweisantrag gestellt, welcher manipuliert worden sei und einer bösartigen Fantasie des Rechtsanwalts entspreche zum Zwecke seiner (des Angeklagten) Verurteilung.

2

2. Der Antrag bleibt ohne Erfolg. Weder ist das Vertrauensverhältnis zwischen dem Pflichtverteidiger und dem Angeklagten endgültig zerstört, noch ist aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Angeklagten gewährleistet (s. § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO). Eine Störung des Vertrauensverhältnisses ist aus Sicht eines verständigen Angeklagten zu beurteilen und von diesem substantiiert darzulegen (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Februar 2022 – StB 2/22 Rn. 12). Es müssen konkrete Umstände vorgetragen werden, aus denen sich der endgültige Fortfall der für ein Zusammenwirken zu Verteidigungszwecken notwendigen Grundlage ergibt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 21. Dezember 2021 – 4 StR 295/21 Rn. 3 und vom 12. Februar 2008 – 1 [X.] Rn. 16 f.). Daran fehlt es. Etwaige Differenzen zwischen dem Pflichtverteidiger und dem Angeklagten über die Verteidigungsstrategie – wie hier das Verlesen eines Beweisantrages im Termin zur Hauptverhandlung – rechtfertigen für sich genommen die Entpflichtung nicht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 5. März 2020 – StB 6/20 Rn. 11 und vom 15. Juni 2021 – StB 24/21 Rn. 8; jeweils mwN). [X.], die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit erschütternde Meinungsverschiedenheiten oder gar ein von verteidigungsfremden Motiven getragenes pflichtwidriges Handeln von Rechtsanwalt [X.], in deren bzw. dessen Folge der Zweck der Pflichtverteidigung – dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und einen geordneten Verfahrensablauf zu gewährleisten ([X.], Urteil vom 23. September 2015 – 2 [X.] Rn. 23) – ernsthaft gefährdet worden wäre, lassen bzw. lässt sich dem Vorbringen des Angeklagten nicht entnehmen. Auch sonst ist kein Grund ersichtlich, der einer angemessenen Verteidigung des Angeklagten durch Rechtsanwalt [X.]     entgegensteht und eine Beendigung von dessen Bestellung zum Pflichtverteidiger gebietet.

[X.]

Meta

1 StR 284/22

09.01.2023

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 29. Dezember 2022, Az: 1 StR 284/22, Beschluss

§ 143a Abs 2 S 1 Nr 3 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.01.2023, Az. 1 StR 284/22 (REWIS RS 2023, 31)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 31

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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