Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.03.2020, Az. StB 6/20

3. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1174

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Entpflichtung bei Differenzen zwischen Pflichtverteidiger und Angeklagtem über Verteidigungsstrategie


Leitsatz

1. Der Pflichtverteidiger, der sich gegen die Ablehnung der von ihm beantragten Rücknahme seiner Beiordnung wendet, ist beschwerdeberechtigt im Sinne von § 304 Abs. 2 StPO.

2. Das Vertrauensverhältnis zwischen einem Beschuldigten und seinem Pflichtverteidiger wird nicht allein dadurch nachhaltig und endgültig erschüttert, dass sich der Beschuldigte in Abkehr von der bisherigen Verteidigungsstrategie dazu entschließt, ein Geständnis abzulegen.

Tenor

1. Die sofortigen Beschwerden der Pflichtverteidiger des Angeklagten gegen den Beschluss des [X.] vom 11. Februar 2020 werden verworfen.

2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

1

Das [X.] führt gegen den Angeklagten und drei Mitangeklagte eine Hauptverhandlung wegen des Vorwurfs einer bzw. mehrerer Taten der Unterstützung einer terroristis[X.]hen [X.], teilweise in Tateinheit mit weiteren Delikten, und gegen einen weiteren Mitangeklagten wegen des Vorwurfs der Beteiligung als Mitglied an einer terroristis[X.]hen [X.] ("[X.]") in zwei Fällen, in einem der Fälle tateinheitli[X.]h mit anderen Delikten. Die Pfli[X.]htverteidiger des Angeklagten haben beantragt, ihre Bestellung zu [X.] zurü[X.]kzunehmen, weil das Vertrauensverhältnis zu dem Angeklagten vollständig zerrüttet sei. Diesen Antrag hat der Vorsitzende des mit der Sa[X.]he befassten Strafsenats des [X.]s na[X.]h vorheriger Anhörung des Angeklagten, der erklärt hat, er gehe ni[X.]ht von einem zerrütteten Vertrauensverhältnis aus, abgelehnt. Hiergegen wenden si[X.]h die Pfli[X.]htverteidiger des Angeklagten mit ihren (sofortigen) Bes[X.]hwerden, die sie im Wesentli[X.]hen damit begründen, dass der Angeklagte ohne Abspra[X.]he mit ihnen seine Verteidigungsstrategie geändert und na[X.]h einer bestreitenden Einlassung im April 2018 am 180. [X.], am 11. Februar 2020, nunmehr ein Geständnis abgelegt habe. Anfragen der Verteidiger, dies vorher zu bespre[X.]hen, habe er abs[X.]hlägig bes[X.]hieden und dadur[X.]h zum Ausdru[X.]k gebra[X.]ht, dass er ni[X.]ht bereit sei, mit den bestellten [X.] zusammenzuarbeiten, deren Re[X.]htsrat ni[X.]ht annehmen werde und eine "wirkli[X.]he" Verteidigertätigkeit ni[X.]ht gewüns[X.]ht sei. Damit sei der Verteidigung "jede Basis entzogen".

II.

2

1. Die sofortigen Bes[X.]hwerden sind na[X.]h § 143a Abs. 4, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 [X.] statthaft und au[X.]h im Übrigen zulässig.

3

Insbesondere steht den [X.] gegen die Ablehnung ihrer Entpfli[X.]htung ein eigenes Bes[X.]hwerdere[X.]ht zu. Na[X.]h der Regelung des § 304 Abs. 2 [X.] können au[X.]h andere Personen Bes[X.]hwerde einlegen, wenn sie in ihren Re[X.]hten betroffen sind. Insoweit ist anerkannt, dass au[X.]h Verteidiger sol[X.]he Personen sein können (vgl. [X.]/Ho[X.]h, 4. Aufl., § 304 Rn. 12; LR/[X.], [X.], 26. Aufl., § 304 Rn. 47). Die Betroffenheit des Pfli[X.]htverteidigers ergibt si[X.]h in Fällen wie dem vorliegenden aus § 49 Abs. 2 i.V.m. § 48 Abs. 2 [X.]. Na[X.]h dieser Vors[X.]hrift kann der Re[X.]htsanwalt beantragen, die Beiordnung aufzuheben, wenn hierfür wi[X.]htige Gründe vorliegen; sol[X.]he können au[X.]h in einer na[X.]hhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses zu sehen sein ([X.]/Nöker, [X.], 10. Aufl., § 49 Rn. 9 mwN). Wird der Antrag abgelehnt, ist für den Pfli[X.]htverteidiger gegen diese Ents[X.]heidung die (sofortige, vgl. § 143a Abs. 4 [X.]) Bes[X.]hwerde gegeben, soweit sie - wie nunmehr hier - na[X.]h § 304 [X.] im Übrigen statthaft ist (vgl. BT-Dru[X.]ks. 3/120, [X.]; [X.]/Nöker, [X.], 10. Aufl., § 49 Rn. 8b; vgl. au[X.]h [X.], Bes[X.]hluss vom 25. August 2015 - 3 Ws 307/15, [X.], 718; LR/[X.], [X.], 26. Aufl., § 304 Rn. 47; für eine generelle Bes[X.]hwerdebefugnis des Pfli[X.]htverteidigers [X.]/[X.], 4. Aufl., § 143 Rn. 29 mwN; jedenfalls bei eigener Entpfli[X.]htung HK-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 143 Rn. 10; [X.], [X.], 1, 6). Dies steht im Einklang mit der Re[X.]htspre[X.]hung des [X.], na[X.]h der die Bestellung zum Pfli[X.]htverteidiger einen den Re[X.]htsanwalt grundsätzli[X.]h bes[X.]hwerenden Eingriff in seine Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG darstellt ([X.], Bes[X.]hlüsse vom 8. April 1975 - 2 BvR 207/75, [X.]E 39, 238, 241 f.; vom 6. Oktober 2008 - 2 BvR 1173/08, juris Rn. 9).

4

Der Bes[X.]hwerdebefugnis des Pfli[X.]htverteidigers in diesen Fällen steht ni[X.]ht entgegen, dass in der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Re[X.]hts der notwendigen Verteidigung ausdrü[X.]kli[X.]h nur ausgeführt wird, gegen die ri[X.]hterli[X.]he Ablehnung wie au[X.]h die Bestellung eines Pfli[X.]htverteidigers seien sowohl der Bes[X.]huldigte als au[X.]h die Staatsanwalts[X.]haft bes[X.]hwerdebere[X.]htigt (BT-Dru[X.]ks. 19/13829, [X.]). Denn in der Begründung wird zuvor dargelegt, dass die sofortige Bes[X.]hwerde statthaft sei, "soweit eine Bes[X.]hwer vorliegt" (BT-Dru[X.]ks. aaO). Es ist ni[X.]ht ersi[X.]htli[X.]h, dass dur[X.]h die si[X.]h ans[X.]hließende Aufzählung die Bes[X.]hwerdebefugnis abs[X.]hließend geregelt werden sollte oder mit diesem Satz der Gesetzesbegründung die - wie dargelegt - zuvor bestehende Bes[X.]hwerdebere[X.]htigung des Pfli[X.]htverteidigers abges[X.]hafft werden sollte.

5

Soweit in Re[X.]htspre[X.]hung und Literatur die Auffassung vertreten wird, dem Pfli[X.]htverteidiger stehe gegen die Ablehnung der von ihm beantragten Entpfli[X.]htung ein Bes[X.]hwerdere[X.]ht ni[X.]ht zu ([X.], Bes[X.]hluss vom 23. März 1989 - [X.], [X.] 1990, 460; [X.], Bes[X.]hluss vom 21. Juli 2009 - 1 Ws 122/09, juris; KG, Bes[X.]hluss vom 22. Mai 2018 - 4 Ws 62/18 - 161 AR 257/17, juris; Be[X.]kOK-[X.]/[X.], § 143 Rn. 11; [X.]/[X.], 62. Aufl., § 143 Rn. 7), berü[X.]ksi[X.]htigt dies die dargelegte gesetzli[X.]he Regelung der Bundesre[X.]htsanwaltsordnung und die si[X.]h aus den zugehörigen Materialien (BT-Dru[X.]ks. 3/120, [X.]) ersi[X.]htli[X.]he gesetzgeberis[X.]he Intention ni[X.]ht. In diesem Zusammenhang zitierte Ents[X.]heidungen anderer Geri[X.]hte und in der Kommentarliteratur vertretene Auffassungen betreffen zudem häufig andere - ni[X.]ht eins[X.]hlägige - Fallkonstellationen, etwa diejenige, dass si[X.]h ein Pfli[X.]htverteidiger gegen seine - ihn na[X.]h herrs[X.]hender Auffassung ni[X.]ht bes[X.]hwerende - eigene Entpfli[X.]htung wendet (vgl. etwa [X.], Bes[X.]hluss vom 6. März 1996 - 3 [X.], [X.], 272; [X.]. [X.], Bes[X.]hluss vom 17. November 1997 - 2 Ws 255/97, NJW 1998, 621; MüKo-[X.]/[X.]/Kämpfer, § 141 Rn. 32, § 143 Rn. 18), oder diejenige, in der ein weiterer (Wahl- und/oder Pfli[X.]ht-)Verteidiger gegen die unterlassene Entpfli[X.]htung eines anderen Pfli[X.]htverteidigers vorgeht (vgl. [X.], Bes[X.]hluss vom 23. Februar 2006 - 2 Ws 53, 54/06, [X.], 2712; KK-[X.]/Willnow, 8. Aufl., § 141 Rn. 13, § 143 Rn. 6). Ob in sol[X.]hen Fällen eine eigene Bes[X.]hwerdebefugnis des Pfli[X.]htverteidigers besteht, bedarf hier keiner Ents[X.]heidung. Selbst wenn man annehmen wollte, insoweit sei eine Bes[X.]hwer des Verteidigers ni[X.]ht gegeben, könnte hieraus ni[X.]ht verallgemeinernd und die vorliegende Konstellation betreffend der S[X.]hluss gezogen werden, au[X.]h in den Fällen, in denen der Pfli[X.]htverteidiger unter Berufung auf § 49 Abs. 2 [X.] seine Entpfli[X.]htung beantragt, sei für ihn na[X.]h Ablehnung seines Antrags eine Bes[X.]hwerdebefugnis ni[X.]ht gegeben.

6

2. Die Bes[X.]hwerden sind jedo[X.]h unbegründet. Das [X.] hat den Antrag auf Rü[X.]knahme der Verteidigerbestellungen zu Re[X.]ht abgelehnt.

7

a) Der Vorsitzende des [X.]ssenats war gemäß § 142 Abs. 3 Nr. 3 [X.] für die Ents[X.]heidung zuständig (vgl. zuletzt [X.], Bes[X.]hluss vom 26. Februar 2020 - StB 4/20).

8

b) Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der [X.] der Re[X.]htsanwälte [X.]und J.     liegen aus den zutreffenden und au[X.]h unter Berü[X.]ksi[X.]htigung des [X.] Gründen der angefo[X.]htenen Ents[X.]heidung offensi[X.]htli[X.]h ni[X.]ht vor. Ergänzend ist nur Folgendes auszuführen:

9

Es ist weder dargelegt, dass das Vertrauensverhältnis zwis[X.]hen den [X.] und dem Angeklagten endgültig zerstört sei, no[X.]h ist aus einem sonstigen Grund eine angemessene Verteidigung des Angeklagten ni[X.]ht gewährleistet (s. § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.]). Au[X.]h im Übrigen bestehen keine Gründe zur Aufhebung der Verteidigerbestellungen.

aa) Na[X.]h § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] ist die Bestellung des Pfli[X.]htverteidigers aufzuheben und ein neuer Pfli[X.]htverteidiger zu bestellen, wenn das Vertrauensverhältnis zwis[X.]hen Verteidiger und Bes[X.]huldigtem endgültig zerstört oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Bes[X.]huldigten gewährleistet ist. Mit dieser am 13. Dezember 2019 in [X.] getretenen Vors[X.]hrift ([X.] 2128, 2130, 2134) sollten zwei von der ständigen obergeri[X.]htli[X.]hen Re[X.]htspre[X.]hung anerkannte Fälle des Re[X.]hts auf [X.] normiert werden. Deshalb kann für die Frage, wann im Einzelnen eine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zu bejahen ist, auf die in dieser Re[X.]htspre[X.]hung herausgearbeiteten Grundsätze zurü[X.]kgegriffen werden (vgl. BT-Dru[X.]ks. 19/13829 S. 48; näher [X.], Bes[X.]hluss vom 26. Februar 2020 - StB 4/20).

Na[X.]h diesen Maßstäben re[X.]htfertigen Differenzen zwis[X.]hen dem Pfli[X.]htverteidiger und dem Angeklagten über die Verteidigungsstrategie für si[X.]h genommen die Entpfli[X.]htung ni[X.]ht ([X.], Urteile vom 18. Mai 1988 - 2 StR 22/88, [X.]R [X.] § 142 Abs. 1 Auswahl 2; vom 8. Februar 1995 - 3 StR 586/94, [X.]R [X.] § 142 Abs. 1 Auswahl 4; [X.], Bes[X.]hluss vom 26. Oktober 2006 - 2 BvR 426/06, 1620/06, juris Rn. 8). Etwas Anderes kann mit der Folge einer endgültigen und na[X.]hhaltigen Ers[X.]hütterung des Vertrauensverhältnisses allenfalls gelten, wenn sol[X.]he Meinungsvers[X.]hiedenheiten über das grundlegende Verteidigungskonzept ni[X.]ht behoben werden können und der Verteidiger si[X.]h etwa wegen der Ablehnung seines Rats außerstande erklärt, die Verteidigung des Angeklagten sa[X.]hgemäß zu führen (vgl. [X.], Urteil vom 18. Mai 1988 - 2 StR 22/88, [X.]R [X.] § 142 Abs. 1 Auswahl 2).

bb) Daran gemessen ergibt si[X.]h aus dem Vorbringen der Bes[X.]hwerdeführer kein Grund für eine Rü[X.]knahme der [X.].

(1) Der Angeklagte hat na[X.]h wie vor Vertrauen in seine Pfli[X.]htverteidiger. Er hat erklärt, er gehe ni[X.]ht von einer Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses aus, und weiter ausgeführt, dass er insbesondere Re[X.]htsanwalt J.     für dessen erbra[X.]hte Dienste s[X.]hätze. Das Vorgehen der Bes[X.]hwerdeführer hat er so beurteilt, dass die Pfli[X.]htverteidiger ihn ledigli[X.]h davor hätten bewahren wollen, "ins offene Messer zu laufen". Im Übrigen hat er erklärt, dass er im Fortgang des Verfahrens auf anwaltli[X.]he Hilfe angewiesen sei. Dabei hat er Vorbehalte gegenüber seinen [X.] ni[X.]ht geäußert, so dass ni[X.]ht ersi[X.]htli[X.]h ist, dass er von ihnen etwa in Zukunft anwaltli[X.]hen Rat ni[X.]ht annehmen werde. Aus dem Vorbringen der Bes[X.]hwerdeführer, der Angeklagte habe erklärt, wenn seine Pfli[X.]htverteidiger ihn ni[X.]ht mehr vertreten wollten, solle ihm einer der anderen Verteidiger beigeordnet werden, ergibt si[X.]h ni[X.]hts Anderes.

(2) Soweit die Bes[X.]hwerdeführer geltend ma[X.]hen, der Angeklagte habe die Ents[X.]heidung, si[X.]h in Abkehr der bisherigen Verteidigungsstrategie geständig einzulassen, allein getroffen und hierzu ihre Beratung abgelehnt, ist - wie das [X.] in dem angefo[X.]htenen Bes[X.]hluss zu Re[X.]ht ausgeführt hat - zunä[X.]hst zu berü[X.]ksi[X.]htigen, dass ein Angeklagter na[X.]h der Re[X.]htspre[X.]hung des [X.] in Ausübung seines Re[X.]hts auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1, Abs. 3 Bu[X.]hst. [X.] EMRK maßgebli[X.]h auf seine Verteidigungsstrategie einwirken können muss und ihm - grundsätzli[X.]h beraten dur[X.]h seine Verteidiger - insoweit die letzte Ents[X.]heidungskompetenz zusteht (vgl. [X.], Urteil vom 26. Januar 2010 - 36822/06, [X.] v. UK, Rn. 82; zustimmend [X.]/Meyer-Mews, NJW 2012, 177, 179). Diese hat der Angeklagte vorliegend ausgeübt und si[X.]h - na[X.]hdem er drei Jahre über die Abgabe einer geständigen Einlassung na[X.]hgeda[X.]ht habe - ents[X.]hieden, ni[X.]ht mehr der von einem Mitangeklagten vorgegebenen Verteidigungsstrategie zu folgen. Au[X.]h wenn der Angeklagte es hier entspre[X.]hend dem Bes[X.]hwerdevorbringen abgelehnt hat, vor Abgabe der von ihm angekündigten "umfangrei[X.]hen geständigen Einlassung" diese mit den [X.] dur[X.]hzuspre[X.]hen und ihnen seine vorbereiteten s[X.]hriftli[X.]hen Unterlagen zu zeigen, belegt dies eine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses ni[X.]ht. Im Einzelnen:

Der Angeklagte war dur[X.]h die Bes[X.]hwerdeführer beraten; es ist ni[X.]ht ersi[X.]htli[X.]h, dass ihm deren Vors[X.]hläge für eine Verteidigungsstrategie und die dafür spre[X.]henden Argumente unbekannt waren oder er sie vergessen hatte. Wenn er si[X.]h glei[X.]hwohl entspre[X.]hend seinem subjektiven Anspru[X.]h auf aktive Beteiligung am Verfahren in Ausübung seiner Verfahrensre[X.]hte für einen We[X.]hsel der Verteidigungsstrategie und eine geständige Einlassung ents[X.]hied, ist dies - wie die Bes[X.]hwerdebegründungen ni[X.]ht grundsätzli[X.]h in Abrede stellen - von den Verteidigern hinzunehmen. Dementspre[X.]hend hat au[X.]h Re[X.]htsanwalt J.     in der Hauptverhandlung vor dem [X.] erklärt, dass er "keine Probleme habe", die Ents[X.]heidung des Angeklagten zu respektieren, ein Geständnis abzulegen.

Etwas Anderes könnte nur gelten, wenn der Verteidiger dur[X.]h einen sol[X.]hen Strategiewe[X.]hsel dazu gebra[X.]ht würde, etwa an einem fals[X.]hen Geständnis mitzuwirken; dafür ist indes ni[X.]hts vorgetragen oder sonst ersi[X.]htli[X.]h.

Die Verteidiger dringen zudem ni[X.]ht damit dur[X.]h, dass ihnen vor Abgabe der Einlassung deren Inhalt ni[X.]ht bekannt war und au[X.]h ni[X.]ht bekannt sein konnte. In der mehr als 100-seitigen Anklages[X.]hrift werden das Netzwerk eines Mitangeklagten, in das der Angeklagte eingebunden gewesen sein soll, sowie die ihm zur Last gelegten Tathandlungen im Einzelnen dargelegt. Wenn der Angeklagte also ein "umfangrei[X.]hes Geständnis" ankündigte, lag nahe, dass dieses inhaltli[X.]h - jedenfalls im Wesentli[X.]hen - dem Anklagevorwurf entspra[X.]h. Warum angesi[X.]hts dessen in der Ablehnung, vor Abgabe der Einlassung diese mit den Bes[X.]hwerdeführern im Einzelnen dur[X.]hzuspre[X.]hen, ein die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses belegendes, die Basis für eine sa[X.]hgere[X.]hte Verteidigung entziehendes Verhalten des Angeklagten zu sehen sein soll, ers[X.]hließt si[X.]h ni[X.]ht. Vielmehr wird dadur[X.]h ledigli[X.]h der dur[X.]h die Bes[X.]hwerdeführer offenbar bislang empfohlenen Verteidigungsstrategie der Boden entzogen. Dies ist indes - wie dargelegt und von ihnen ni[X.]ht grundsätzli[X.]h in Abrede gestellt - zu akzeptieren.

[X.]                     Anstötz

Meta

StB 6/20

05.03.2020

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Celle, 11. Februar 2020, Az: 4 StE 1/17

§ 143a Abs 2 S 1 Nr 3 StPO, § 304 Abs 2 StPO, § 48 Abs 2 BRAO, § 49 Abs 2 BRAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.03.2020, Az. StB 6/20 (REWIS RS 2020, 1174)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1174

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

StB 6/20 (Bundesgerichtshof)


StB 24/21 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Entpflichtung des Pflichtverteidigers wegen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses


StB 50/23 (Bundesgerichtshof)


1 StR 284/22 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Auswechslung des Pflichtverteidigers bei Differenzen über die Verteidigungsstrategie


StB 49/23 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

3 Ws 307/15

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.