Bundessozialgericht, Beschluss vom 15.04.2019, Az. B 14 AS 124/18 B

14. Senat | REWIS RS 2019, 8090

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Divergenz - Bezeichnung eines konkreten Rechtssatzes des LSG bzw BSG - Verfahrensmangel - schlüssige Bezeichnung - Beweislastentscheidung - Anforderungen


Tenor

Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 12. April 2018 werden als unzulässig verworfen.

Die Anträge der Kläger, ihnen für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt P, [X.], beizuordnen, werden abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des [X.] sind als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 [X.]).

2

Nach § 160 Abs 2 [X.] ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat ([X.]), die Entscheidung des [X.] von einer Entscheidung des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht ([X.]) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann ([X.] 3). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das [X.] in der Sache richtig entschieden hat, ist nicht zulässig. Keinen der in § 160 Abs 2 [X.] abschließend aufgeführten Zulassungsgründe haben die Kläger in der Begründung der Beschwerde schlüssig dargelegt oder bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]).

3

Für die Bezeichnung einer - von den Klägern eingangs ihrer Beschwerde geltend gemachten - Abweichung (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) ist aufzuzeigen, mit welcher genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angefochtene Entscheidung des [X.] von welcher ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage des [X.] abweicht. Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, dass das [X.] dem [X.] widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des [X.] abweichende, dh mit diesen unvereinbare eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl [X.] vom [X.] [X.] 142/02 B - [X.] 3-1500 § 160a [X.] 34; [X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. [X.], Rd[X.]96 mwN).

4

Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht, weil diese dem [X.] einen Rechtssatz zuschreibt, ohne konkret zu bezeichnen, wo sich dieser im angefochtenen Urteil findet. Zudem wird dem [X.] zwar Rechtsprechung des [X.] entgegen gehalten, jedoch ohne konkrete Rechtssätze des [X.] zu bezeichnen, von denen das [X.] abgewichen sein soll.

5

Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]), die von den Klägern anschließend geltend gemacht worden ist, erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl [X.] vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - [X.]E 40, 158 = [X.] 1500 § 160a [X.]1). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung prüfen zu können ([X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. [X.], Rd[X.]81). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl [X.]/[X.], aaO, IX. [X.], Rd[X.] 65 f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl [X.] vom 16.12.1993 - 7 [X.]/93 - [X.] 3-1500 § 160a [X.]6). Hierfür ist eine substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben (vgl [X.] vom [X.] - [X.] 3-1500 § 160 [X.] 8).

6

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet sie die Frage, "ob ausgezahlte [X.] trotz Rückzahlungsverpflichtung nach heutiger Rechtslage generell als Einkommen zu berücksichtigen sind und dies nur dann nicht gelten soll, wenn eine darlehensweise gewährte Sozialleistung anderen Zwecken als der Lebensunterhaltssicherung dient." Die Beschwerdebegründung geht davon aus, dass eine Bejahung dieser Frage eine Abkehr des [X.] von seiner bisherigen Rechtsprechung bedeuten würde. Sie legt aber nicht schlüssig dar, dass und warum es einer erneuten Klärung durch das [X.] bedarf. Hierfür genügt nicht der Hinweis auf die Einfügung des § 11 Abs 1 Satz 2 [X.]B II (heute Satz 3) mit Wirkung zum 1.4.2011 und eine Stimme in der Literatur. Die Beschwerdebegründung lässt nicht hinreichend erkennen, dass hiermit die bisherige Rechtsprechung des [X.] zu den Voraussetzungen einer Berücksichtigung von Privatdarlehen als Einkommen in Zweifel gezogen und eine Neubewertung angezeigt sein könnte. Zudem ist ihr nicht zu entnehmen, dass es auf diese Rechtsänderung entscheidungserheblich ankommen könnte, obwohl die angefochtene Erstattungsforderung überzahlter Leistungen ausweislich des [X.] den Zeitraum August 2009 bis Januar 2011 betrifft.

7

Auch ein Verfahrensmangel ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, auf dem iS des § 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 1 [X.] die angefochtene Entscheidung des [X.] beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der § 109 [X.] (Anhörung eines bestimmten Arztes) und § 128 Abs 1 Satz 1 [X.] (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.] (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 2 [X.]).

8

Soweit mit der Beschwerdebegründung gerügt wird, das [X.] habe unzutreffend das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Beweislastentscheidung angenommen, ist hiermit zunächst nur eine unrichtige Rechtsanwendung geltend gemacht, nicht bereits ein Verfahrensmangel schlüssig bezeichnet. Auch soweit die Beschwerde diese Rüge im Folgenden auf übergangene Beweisanträge stützt, lässt sich ihr nicht entnehmen, dass die geltend gemachte Verletzung des § 103 [X.] vorliegen könnte. Denn mit dem "Beweisantrag auf Einvernahme der Klägerin zu 2" ist zum einen ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag nicht bezeichnet, weil die Parteivernehmung im [X.] kein zulässiges förmliches Beweismittel darstellt, und zum anderen ist nicht dargelegt, dass die Klägerin zu 2 mit den üblichen Mitteln - insbesondere schriftlich durch ihren Prozessbevollmächtigten - alles unternommen hat, um ihre Darstellung des Sachverhalts dem Gericht nahezubringen, und warum diese Möglichkeiten des Vortrags im konkreten Fall zur Sachaufklärung nicht ausreichten (vgl zu diesen Anforderungen [X.] vom 12.3.2018 - B 11 [X.] 83/17 B - Rd[X.] 3 ff). Mit dem "Beweisantrag auf Beiziehung der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft B." ist ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag in der Beschwerdebegründung deshalb nicht bezeichnet, weil sich dieser kein konkretes Beweisthema entnehmen lässt und auch nicht, dass mit dem Beweisantrag vor dem [X.] zumindest umrissen worden ist, was die Beweisaufnahme ergeben soll (vgl zu den Anforderungen insoweit [X.] vom 24.1.2018 - B 14 [X.]/17 B - Rd[X.] 3). Soweit die Rüge schließlich darauf gestützt wird, das [X.] habe trotz entsprechender Bitte keine Hinweise erteilt, wozu Aufklärung seitens der Kläger erwartet werde, zeigt die Beschwerdebegründung weder hinreichend auf, inwieweit und warum die Kläger gehindert waren, auch ohne Hinweise von sich aus vollständig zur Sachverhaltsaufklärung vorzutragen, noch, was sie auf Hinweise des [X.] vorgetragen hätten. Schon keinen Verfahrensmangel bezeichnet die Beschwerde, soweit sie auf einen "Summierungseffekt" hinweist. Die im Zusammenhang hiermit geltend gemachten Argumentationsfehler und Fehlvorstellungen des [X.] beziehen sich auf dessen materiell-rechtliche Rechtsanwendung, nicht auf einen Verstoß gegen Verfahrensrecht.

9

Soweit als Verfahrensmangel gerügt wird, das [X.] und sich diesem anschließend das [X.] hätten übertriebene Anforderungen an die Darlegungslast der Kläger gestellt, ist der Beschwerdebegründung schon nicht zu entnehmen, inwieweit dies die Kläger hinderte, von sich aus das ihnen Mögliche zur Sachverhaltsaufklärung beizutragen. Es ist deshalb nicht zu erkennen, dass und warum die angefochtene Entscheidung des [X.] iS des § 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 1 [X.] auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann.

Soweit zuletzt auf den "Beweisantrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens hinsichtlich des Verkehrswerts der veräußerten Gegenstände" Bezug genommen wird, geht schon die Beschwerdebegründung selbst davon aus, dass die [X.] ausgehend vom Rechtsstandpunkt des [X.] nicht zu beanstanden sei. Dass die Kläger diesen Rechtsstandpunkt nicht teilen, vermag einen Verfahrensmangel des [X.] nicht zu begründen. Dieser kann auf eine Verletzung des § 103 [X.] nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist; dies ist nach dem Beschwerdevorbringen nicht der Fall. Eine etwaige unrichtige Anwendung materiellen Rechts durch das [X.], die weder im Rahmen einer Grundsatzrüge noch einer [X.] aufgegriffen worden ist, kann auch nicht im Rahmen der Rüge eines [X.] zur Zulassung der Revision führen.

PKH ist den Klägern nicht zu bewilligen, da ihre Rechtsverfolgung aus den vorstehend genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 114 ZPO). Da die Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH haben, ist auch ihr Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 121 ZPO).

Die Verwerfung der Beschwerden erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 [X.] ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 [X.].

Meta

B 14 AS 124/18 B

15.04.2019

Bundessozialgericht 14. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 12. April 2018, Az: L 7 AS 2073/15, Urteil

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 15.04.2019, Az. B 14 AS 124/18 B (REWIS RS 2019, 8090)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 8090

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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