Bundessozialgericht, Urteil vom 19.12.2013, Az. B 2 U 14/12 R

2. Senat | REWIS RS 2013, 103

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Gesetzliche Unfallversicherung - Unfallversicherungsschutz - Auslandstätigkeit - Ausstrahlung - Auslandsunfallversicherung - etwaiger Beratungsfehler gegenüber dem Arbeitgeber - sozialrechtlicher Herstellungsanspruch - Legalzession - Prozessstandschaft - Verletzung bei Sturz - Montageleitung auf einer Baustelle in Kasachstan


Leitsatz

Die Geltendmachung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs wegen fehlerhafter Beratung über eine Auslandsunfallversicherung durch einen im Ausland verunglückten Arbeitnehmer, der selbst nicht beraten wurde, ist grundsätzlich möglich, setzt aber voraus, dass er durch gesetzliche oder gewillkürte Übertragung Inhaber des Herstellungsanspruchs geworden ist oder diesen kraft gesetzlich angeordneter Prozessstandschaft geltend machen darf.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 30. April 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Anerkennung eines in [X.] erlittenen Unfalls als Arbeitsunfall.

2

Der 1955 geborene Kläger schloss im November 2007 mit der [X.] in M. einen Arbeitsvertrag als Montageleiter für eine Baustelle in [X.], der mit dem Abschluss dieser Baustelle beendet sein sollte. Für das Ausscheiden des [X.] wurde die Rückgabe verschiedener Unterlagen sowie die Anfertigung eines Übergabeprotokolls vereinbart.

3

Auf eine Anfrage der Personalreferentin der Arbeitgeberin hin übersandte die Beklagte eine Kopie des Aufsatzes "Versicherungsschutz bei Tätigkeiten im Ausland". Form und Inhalt der Anfrage sowie der Aussagen von Mitarbeitern der Beklagten zum Versicherungsschutz des [X.] sind nicht geklärt. Einen Antrag auf die Aufnahme in die bei der Beklagten mögliche freiwillige Auslandsunfallversicherung stellte die Arbeitgeberin des [X.] nicht. Der Kläger selbst hatte keinen Kontakt zur Beklagten. Nach einer ab dem 3.12.2007 in [X.] durchgeführten Einarbeitungsphase begab sich der Kläger am 16.12.2007 nach [X.]. In der Folgezeit reiste er [X.] für jeweils ein bis zwei Tage nach [X.], um den weiteren Projektablauf zu besprechen. Das Arbeitsverhältnis endete vereinbarungsgemäß am 21.12.2009.

4

Am 2.12.2009 knickte der Kläger auf einem Weg vom Büro zu der Baustelle mit dem Fuß auf einer schneebedeckten Fläche um und zog sich eine Sprunggelenksfraktur zu. Mit Bescheid vom [X.] lehnte die Beklagte die Gewährung von "Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung" aufgrund des Unfalls vom 2.12.2009 ab. Der Kläger gehöre nicht zum Kreis der versicherten Personen. Die Voraussetzung für eine Ausstrahlung nach § 4 SGB IV, dass das Arbeitsverhältnis nach dem Auslandsaufenthalt im Inland fortgesetzt werde, sei nicht erfüllt. Eine Auslandsunfallversicherung sei nicht abgeschlossen worden. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 15.4.2010 zurück.

5

Das [X.] hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 14.10.2010). Zur Begründung hat es [X.] ausgeführt, eine Ausstrahlung sei auch unter Berücksichtigung der Vereinbarungen des [X.] mit seiner Arbeitgeberin über die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses nicht anzunehmen.

6

Der Kläger hat seine Berufung [X.] ergänzend darauf gestützt, dass die Beklagte seine Arbeitgeberin unzutreffend über den Versicherungsschutz im Ausland beraten habe. Das [X.] hat die Berufung durch Urteil vom 30.4.2012 zurückgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, es liege kein Fall der Entsendung vor. Die vom Kläger zu erledigenden Aufgaben hätten auf der Baustelle in [X.] erfüllt werden müssen. Bei den vom Kläger am Ende des Arbeitsverhältnisses in [X.] vorzunehmenden Tätigkeiten handele es sich lediglich um Maßnahmen, mit denen das Auslandsprojekt abgeschlossen und abgewickelt worden sei. Von Pflichten aus einem in [X.] fortgesetzten Beschäftigungsverhältnis könne keine Rede sein. Es komme auch nicht darauf an, ob die Beklagte die Arbeitgeberin des [X.] in Bezug auf den Abschluss einer Auslandsunfallversicherung zutreffend beraten habe. Zwar lägen Anhaltspunkte für einen Beratungsfehler der Beklagten gegenüber der Arbeitgeberin des [X.] vor. Der Kläger könne hieraus aber keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls herleiten, weil ein eventueller Beratungsfehler im Verhältnis zwischen der Beklagten und der Arbeitgeberin des [X.] keinen Anspruch in der Person des [X.] begründen könne. Der Kläger selbst sei nicht falsch beraten worden.

7

Der Kläger hat die vom [X.] zugelassene Revision eingelegt. Das [X.] habe insbesondere einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu Unrecht verneint. Seine Arbeitgeberin sei bei seiner Entsendung mit der schwierigen Materie des Unfallversicherungsschutzes im Ausland nicht vertraut gewesen und habe sich deshalb an die Beklagte gewandt, um für ihn Versicherungsschutz zu erhalten. Die Beklagte habe seiner Arbeitgeberin mitgeteilt, dass er während seiner Tätigkeit in [X.] versichert sei. Im Vertrauen darauf habe seine Arbeitgeberin davon abgesehen, eine Auslandsunfallversicherung abzuschließen. Soweit das [X.] anführe, die Beklagte habe nicht ihn beraten, werde außer [X.] gelassen, dass die Arbeitgeberin hier seine Interessen wahrzunehmen habe, weil er selbst den Auslandsversicherungsschutz nicht beantragen könne. Auch laufe der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ins Leere, wenn der zu Beratende und der Geschädigte jeweils identisch sein müssten.

8

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.] vom 26. März 2012 und des [X.] vom 14. Oktober 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Febr[X.]r 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. April 2010 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger am 2. Dezember 2009 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

9

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]G).

1. Die Revision genügt den Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 [X.]G. Sie enthält einen bestimmten Antrag und bezeichnet die verletzte Rechtsnorm. Es genügt, insoweit den in ständiger Rechtsprechung (zB B[X.] vom 17.2.2009 - B 2 U 34/07 R - juris Rd[X.]7 = [X.] 2010, 47, 49 mit [X.]) anerkannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu benennen. Bei diesem handelt es sich um ein zu Gewohnheitsrecht erstarktes, richterrechtlich gebildetes Rechtsinstitut und damit um [X.] (vgl B[X.] Urteil vom 15.11.1995 - 6 [X.] 43/94 - [X.], 53, 55 = [X.]-2500 § 106 [X.]). Der Kläger hat die Revision auch noch in ausreichendem Umfang begründet (s bereits Beschluss vom 24.9.1957 - 2 [X.] 70/54 - [X.] zu § 164 [X.]G; B[X.] vom [X.] - 11 RA 54/78 - [X.] 1500 § 164 [X.]; zuletzt B[X.] vom 11.4.2013 - B 2 U 21/11 R - [X.] Aktuell 2013, 620, 623). Der Kläger verfolgt sein Begehren auch in zulässiger Weise mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs 1, 55 Abs 1 [X.] [X.]G; dazu: [X.] U 46/03 R - [X.] 4-2700 § 2 [X.] RdNr 4).

2. Die Revision ist aber unbegründet, denn der Kläger hat bei dem Sturz am 2.12.2009 keinen Arbeitsunfall erlitten.

Gemäß § 8 Abs 1 Satz 1 [X.] sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 [X.] begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Der Kläger gehörte nicht zu dem Kreis der versicherten Personen, als er an dem fraglichen Tag stürzte und sich verletzte. Es liegt kein Fall der Einbeziehung in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung im Wege der Ausstrahlung vor (a>). Seine Arbeitgeberin hat für ihn auch keinen Antrag auf Auslandsversicherung gestellt (b>).

a) Der Kläger war am Unfalltag nicht im Wege der Ausstrahlung nach §§ 2, 3 oder 6 [X.] versichert.

Gemäß § 3 [X.] [X.]B IV gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht, soweit sie eine Beschäftigung voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt sind. § 4 Abs 1 [X.]B IV ("Ausstrahlung")bestimmt in Erweiterung der zuvor genannten Regelung, dass - soweit die Vorschriften über die Versicherungspflicht eine Beschäftigung voraussetzen - diese auch für Personen gelten, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist.

Nach seinem Wortlaut setzt § 4 Abs 1 [X.]B IV - neben einem Auslandsaufenthalt - ein im Inland bestehendes Arbeitsverhältnis und einen im Voraus zeitlich begrenzten Einsatz im Ausland voraus. Dazu muss das Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Entsendung im Inland weitergeführt werden (B[X.] vom [X.] - 10 [X.] 20/85 - [X.], 123, 125 = [X.] 5870 § 1 [X.]1 S 24; B[X.] vom [X.] - 4 REg 4/88 - [X.] 7833 § 1 [X.]; B[X.] vom 17.11.1992 - 4 RA 15/91 - [X.], 227, 234 = [X.]-2600 § 56 [X.]; B[X.] vom 8.12.1994 - 2 [X.] 37/93 - [X.], 232, 234 = [X.]-6050 Art 14 [X.]; B[X.] vom 10.8.1999 - B 2 U 30/98 R - [X.]-2400 § 4 [X.]. Die Weiterführung eines Arbeitsverhältnisses nach einem Auslandseinsatz im Inland liegt vor, wenn nach der Entsendung weiterhin Hauptpflichten eines Arbeitsverhältnisses im Inland zu erfüllen sind (B[X.] vom 8.12.1994, aaO).

Der Annahme einer Ausstrahlung iS des § 4 Abs 1 [X.]B IV steht hier entgegen, dass nach den Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) der Kläger und seine Arbeitgeberin weder bei Eingehung des Beschäftigungsverhältnisses noch zum Zeitpunkt der Entsendung Vereinbarungen getroffen haben, nach denen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Auslandstätigkeit in [X.] erbracht werden sollten. Vielmehr sollte das Arbeitsverhältnis mit dem Abschluss des Bauprojekts in [X.] enden. Die vertragliche Vereinbarung über die Herausgabe von Unterlagen und die Anfertigung eines Protokolls umfasst keine in [X.] zu erbringenden Hauptpflichten eines Arbeitsverhältnisses. Der Kläger erfüllte - wie auch das [X.] und das [X.] zutreffend entschieden haben - mit diesen Tätigkeiten lediglich Nebenpflichten, die nur zur Abwicklung des beendeten Arbeitsverhältnisses erforderlich waren.

b) Der Kläger war auch nicht über eine Auslandsversicherung unfallversichert.

Gemäß § 140 Abs 2, Abs 3 Satz 1 und 3 [X.] können die Unfallversicherungsträger durch Beschluss der Vertreterversammlung, der der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf, eine Versicherung gegen Unfälle einrichten, die Personen im Zusammenhang mit einer Beschäftigung bei einem inländischen Unternehmen im Ausland erleiden, wenn diese Personen nicht bereits Versicherte im Sinne dieses Buches sind. Die Teilnahme an der Versicherung erfolgt auf Antrag der Unternehmer.

Die Beklagte hat eine solche Auslandsversicherung zwar eingerichtet, die Arbeitgeberin des [X.] hat aber einen Antrag auf Versicherung des [X.] während des Einsatzes in [X.] nicht gestellt. Der Kläger war deshalb bei der Tätigkeit in [X.] auch nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung (auslands-)versichert.

3. Der Kläger ist auch nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in die Auslandsunfallversicherung einzubeziehen.

Ein Herstellungsanspruch setzt voraus, dass ein Sozialleistungsträger eine ihm gegenüber einem Berechtigten obliegende Nebenpflicht aus dem Sozialversicherungsverhältnis verletzt, dem Berechtigten ein unmittelbarer (sozialrechtlicher) Nachteil entsteht und zwischen der Pflichtverletzung und dem Nachteil ein Ursachenzusammenhang vorliegt. Der Herstellungsanspruch ist grundsätzlich auf die Vornahme der Amtshandlung gerichtet, die den möglichen und rechtlich zulässigen Zustand erreicht, der ohne die Pflichtverletzung eingetreten wäre (stRspr; B[X.] vom 18.12.1975 - 12 RJ 88/75 - B[X.]E 41, 126, 127 = [X.] 7610 § 242 [X.]; B[X.] vom 2.2.2006 - [X.] EG 9/05 R - B[X.]E 96, 44 = [X.] 4-1300 § 27 [X.], Rd[X.]9; B[X.] vom 17.2.2009 - B 2 U 34/07 R - [X.] 2010, 47, 49).

Die erste Voraussetzung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, die Verletzung von Nebenpflichten, kann sich insbesondere aus der Verletzung des § 14 Satz 1 [X.]B I ergeben, nach dem jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch hat. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch kann auch aus der Verletzung des § 15 Abs 2 Halbs 2 [X.]B I folgen, nach dem sich die Auskunftspflicht der Auskunftsstelle auf alle Sach- und Rechtsfragen erstreckt, die für die [X.] von Bedeutung sein können und zu deren Beantwortung die Auskunftsstelle imstande ist.

Gegenüber dem Kläger bestand unter den für den Senat bindend festgestellten Gegebenheiten (§ 163 [X.]G) schon keine entsprechende Obliegenheit der Beklagten, ihm selbst eine Auskunft zu erteilen oder ihn zu beraten (hierzu unter a>). Gegenüber der Arbeitgeberin des [X.] könnte sich zwar aus einer fehlerhaften Auskunft oder Beratung über den Auslandsunfallversicherungsschutz ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ergeben. Ob sich die Auskunft oder Beratung auch über den Auslandsversicherungsschutz eines Beschäftigten erstrecken muss, begegnet jedoch Zweifeln. Ebenso bestehen Zweifel, ob der Arbeitgeberin des [X.] überhaupt ein Nachteil entstehen kann, der über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ausgeglichen werden könnte. Diese sogleich (unter b>) beiläufig erörterten Fragen bedürfen jedoch keiner Entscheidung. Jedenfalls konnte der Kläger hier einen ggf bestehenden Herstellungsanspruch seiner Arbeitgeberin nicht prozessual geltend machen, denn weder hat ihm die Arbeitgeberin einen solchen Anspruch abgetreten noch ist ein Fall der Prozessstandschaft gegeben (hierzu unter c>).

a) Für einen (eigenen) Herstellungsanspruch des [X.] fehlt es bereits an einer [X.] aufgrund einer fehlerhaften Auskunft oder Beratung (über den Versicherungsschutz im Ausland) ihm selbst gegenüber.

Die Beklagte war gegenüber dem Kläger ohne dessen vorheriges Ersuchen nicht zur Auskunft aufgerufen. Bereits aus dem Wortlaut des § 15 Abs 2 Halbs 2 [X.]B I ergibt sich, dass nur eine konkrete Frage den Sozialleistungsträger zur Auskunft verpflichtet. Es bedarf daher zumindest einer Kontaktaufnahme mit der Behörde ([X.] Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 21.9.2007 - [X.] 3/07 - juris Rd[X.]9; [X.] in: jurisPK-[X.]B I, 2. Aufl 2011, § 15 Rd[X.]4). Hieran fehlt es, weil der Kläger vor seinem Auslandsaufenthalt keinen Kontakt zu der Beklagten hatte.

Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, den Kläger ohne konkretes Ersuchen spontan zu beraten. Für die Beratung gemäß § 14 Satz 1 [X.]B I ist zwar anerkannt, dass diese im Einzelfall auch ohne konkretes Ersuchen zu leisten ist (sog Spontanberatung, vgl nur B[X.] vom 18.1.2011 - B 4 AS 29/10 R - [X.] 4-1200 § 14 [X.]5 Rd[X.]4 mwN). Allerdings ist eine Spontanberatung erst geboten, wenn der Mitarbeiter eines Leistungsträgers anhand des konkreten Vorgangs Gestaltungsmöglichkeiten erkennen kann, die so offensichtlich zweckmäßig sind, dass ein verständiger Bürger sie mutmaßlich nutzen würde (B[X.] vom 18.1.2011, aaO). Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Sinne sind Handlungen des Beratenen, die Sozialleistungen oder Anwartschaften unmittelbar vorausgehen oder diese begleiten, insbesondere diesbezügliche Anträge (vgl [X.] in: [X.]/[X.], [X.] zu §§ 13 - 15 [X.]B I RdNr 5; [X.] in: jurisPK-[X.]B I, 2. Aufl 2011, § 14 Rd[X.]9). Dem Kläger standen aber keine Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Sinne offen. Die Einbeziehung in die Auslandsversicherung konnte er nicht selbst beantragen, sondern hätte lediglich die Möglichkeit gehabt, bei seiner Arbeitgeberin auf den Abschluss einer Auslandsunfallversicherung hinzuwirken.

b) Für einen Herstellungsanspruch der Arbeitgeberin des [X.] ist bereits im Grundsatz zweifelhaft, ob sich aus einer fehlerhaften Auskunft oder Beratung gegenüber einem Arbeitgeber (die hier noch im Einzelnen festzustellen wäre) über den Auslandsunfallversicherungsschutz eines Beschäftigten eine Verletzung von Nebenpflichten ergeben kann. Eine Behörde ist nach Äußerung einer konkreten Frage bzw eines Beratungswunsches ohne weitergehende förmliche Anforderungen zur Auskunft oder Beratung verpflichtet (B[X.] Urteil vom 12.11.1980 - 1 RA 45/79 - [X.] 1200 § 14 [X.]; [X.] in: jurisPK-[X.]B I, 2. Aufl 2011, § 14 Rd[X.]0 und § 15 Rd[X.]1; [X.], [X.]B I, 4. Aufl 2010, § 14 RdNr 6 und § 15 RdNr 7). Zwar hat der Senat im Rahmen seiner Rechtsprechung zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch bereits eine Beratungsobliegenheit des [X.] gegenüber einem Arbeitgeber hinsichtlich der Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung gemäß § 6 Abs 1 [X.] anerkannt. Bei einem Beratungsversäumnis kann der Unternehmer diesen Versicherungsschutz im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erreichen (B[X.] Urteil vom [X.] - 2/9b [X.] 36/87 - B[X.]E 64, 89, 94 = [X.] 2200 § 545 [X.] mit [X.] [X.] 1990, 29, 32).

Der Senat hat bislang nicht entschieden, ob die Einbeziehung in die freiwillige Auslandsunfallversicherung iS des § 140 Abs 2 [X.] (bzw der Vorgängervorschriften der §§ 762 Abs 2, 830, 891 RVO) rückwirkend im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erreicht werden kann. Unter Berücksichtigung der soeben genannten Entscheidung (B[X.] Urteil vom [X.], aaO) spricht einiges dafür, dass Unternehmer jedenfalls auf Anfrage auch über eventuelle Zugangsmöglichkeiten zur freiwilligen Auslandsversicherung zu informieren und beraten sind. Ob dies auch für den Unfallversicherungsschutz ins Ausland [X.] Beschäftigter gilt, begegnet dagegen Zweifeln. Bei der Auslandsunfallversicherung eines Beschäftigten besteht ein Dreiecksverhältnis. Aufgrund der alleinigen Beitragspflicht der Unternehmer (§ 150 Abs 1 Satz 1 [X.]) fällt - außer bei den nach § 2 [X.] versicherten Unternehmern sowie den nach § 3 Abs 1 [X.] und § 6 Abs 1 [X.] Versicherten - das [X.] (Unternehmer - Unfallversicherungsträger) und das Leistungs-/Versicherungsschutzverhältnis (Beschäftigter - Unfallversicherungsträger) auseinander. Hängt der Versicherungsschutz bei der freiwilligen Auslandsunfallversicherung eines Beschäftigten - anders als bei inländischen Versicherungsverhältnissen, bei denen kraft Gesetzes Versicherungsschutz besteht - von einem Antrag des Unternehmers ab, so führt das Dreiecksverhältnis dazu, dass der über den Auslandsversicherungsschutz Auskunfts- oder Beratungsberechtigte und der im Falle einer fehlerhaften Auskunft/Beratung unmittelbar sozialrechtlich Benachteiligte stets personenverschieden sind. Allein der Beschäftigte ist vom ggf fehlenden Auslandsversicherungsschutz betroffen. Dagegen ist der über den Auslandsversicherungsschutz zu beratende Unternehmer lediglich insoweit betroffen, als er einen Antrag auf Auslandsversicherung mit nachfolgender (ihn zunächst belastender) Beitragszahlung unterlassen hat.

Weiterhin ist zweifelhaft, ob der Arbeitgeberin selbst überhaupt ein Nachteil daraus entstehen konnte, dass sie den Abschluss einer Auslandsunfallversicherung für ihre Arbeitnehmer in [X.] unterlassen hat. Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Schadensersatz wegen unterlassener Auslandsunfallversicherung gemäß § 618 Abs 3 BGB oder wegen der Verletzung der allgemeinen arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht erscheinen nach der bisherigen arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung fraglich (zum Hinweis auf fehlenden Krankenversicherungsschutz in [X.]: [X.] Urteil vom 4.9.1995 - 16 Sa 215/95 - [X.] 1996, 482; zum Hinweis auf Steuerpflichten: [X.] Urteil vom [X.] - [X.] 2009, 608, 609). Allerdings ist bislang nicht entschieden, ob der Beschäftigte von seinem Arbeitgeber den - über die schlichte Information über fehlenden Versicherungsschutz deutlich hinausgehenden - Abschluss einer Auslandsunfallversicherung zur Abdeckung der aus der Arbeitstätigkeit erwachsenden Risiken aus § 618 Abs 1 BGB oder der Fürsorgepflicht verlangen kann (ablehnend für den Abschluss einer [X.] [X.] Urteil vom 22.3.1968 - 1 [X.] - [X.]E 20, 352, 357; ebenso ablehnend für eine über den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz hinausgehende private Gruppenversicherung für ein Auslandsgastspiel [X.] Urteil vom [X.] - 5 [X.] - juris Rd[X.]4; vgl auch [X.] Urteil vom 31.8.2009 - 5 Sa 702/08 - juris RdNr 62 zur Unzulässigkeit der Arbeitsverweigerung des Arbeitnehmers bei Unklarheiten über eine vorhandene [X.] Sicherung im Ausland). Allerdings sehen Teile des Schrifttums den Arbeitgeber insbesondere bei einer Gefahrerhöhung im Vergleich zum Wohn- und Beschäftigungsort im Heimatland verpflichtet, eine Auslandsunfallversicherung für den Beschäftigten abzuschließen (so Krieger/Herzberg, [X.] 2012, 1089, 1091; [X.], [X.] 2010, 171, 175; Edenfeld, [X.] 2009, 938, 942; zurückhaltender [X.]/[X.], [X.] 2005, 1849, 1853; [X.]/[X.]/[X.], Auslandsentsendung und Beschäftigung ausländischer Mitarbeiter, 4. Aufl 2011, RdNr 543).

c) Diese soeben unter b) erörterten Fragen können hier aber dahingestellt bleiben, denn der Kläger konnte einen ggf vorliegenden Herstellungsanspruch seiner Arbeitgeberin im vorliegenden Falle jedenfalls nicht selbst prozessual geltend machen. Insofern hat das [X.] auch zu Recht keine weiteren Ermittlungen angestellt, inwieweit die Arbeitgeberin des [X.] tatsächlich von der Beklagten fehlerhaft oder unzureichend beraten worden ist.

Zwar ist die Geltendmachung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs durch einen anderen als den in seinen Auskunfts- oder Beratungsrechten Verletzten grundsätzlich möglich. Allerdings ist der Kläger hier weder durch Legalzession noch durch [X.] noch durch gewillkürte Übertragung Inhaber eines eventuellen Herstellungsanspruchs seiner Arbeitgeberin geworden. Solche gewillkürten ([X.] des [X.] liegen erkennbar nicht vor und werden von den Beteiligten auch nicht vorgetragen. Anders als in anderen Fällen (siehe § 91a [X.] idF vom 23.3.1994, § 1922 BGB, § 320 Abs 1 [X.]B III) sieht das Gesetz auch keinen unmittelbaren oder durch einseitige Erklärung vollziehbaren Anspruchsübergang auf den Benachteiligten vor.

Das B[X.] hat entschieden, dass der Träger der Sozialhilfe den in der Person einer Leistungsempfängerin entstandenen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gegen eine dritte Behörde nach der gesetzlichen Anspruchsüberleitung (§ 91a [X.] aF) selbst geltend machen kann (B[X.] vom [X.] - B 13 [X.] R - [X.]-5910 § 91a [X.]). Auch wird angenommen, dass der sozialrechtliche Herstellungsanspruch durch Erbschaft auf eine andere Person übergehen kann (B[X.] vom 25.10.1984 - 11 RA 18/84 - B[X.]E 57, 215, 216 = [X.] 1200 § 59 [X.]; [X.] Rheinland-Pfalz vom 10.3.1993 - L 3 U 147/91 - Breithaupt 1993, 919, 926; B[X.] vom 8.10.1998 - B 8 KN 1/97 U R - [X.] 2000, 29, 31 mit kritischer [X.] aaO, 33, 35; aA [X.] Baden-Württemberg Urteil vom [X.] - juris Rd[X.]9). Schließlich sind andere Personen als der oder die Berechtigte in besonders geregelten Ausnahmefällen befugt, Ansprüche des anderen geltend zu machen. Dies gilt zB für den Herstellungsanspruch im Zusammenhang mit der Beantragung von Kurzarbeitergeld (vgl [X.] Rheinland-Pfalz vom 30.11.1984 - L 6 Ar 53/84 - [X.] 1985, 263, 264; Striebinger in: [X.], [X.]B II/[X.]B III, Stand: 50. [X.], § 320 [X.]B III Rd[X.]6; [X.] in: [X.]/[X.], [X.]B III, 5. Aufl 2013, § 320 Rd[X.]0). Ein anderer kann aber nur in solchen Fällen einen Herstellungsanspruch geltend machen, in denen er - wie der Arbeitgeber nach §§ 95, 99 [X.]B III - durch Gesetz zum Prozessstandschafter (dort der Arbeitnehmer) berufen ist (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.]B III, 5. Aufl 2013, § 95 RdNr 45 mwN und § 99 Rd[X.]9). An entsprechenden gesetzlichen Regelungen fehlt es vorliegend.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 Abs 1 Satz 1 [X.]G.

Meta

B 2 U 14/12 R

19.12.2013

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Speyer, 14. Oktober 2010, Az: S 12 U 146/10, Urteil

§ 8 Abs 1 SGB 7, § 140 Abs 2 SGB 7, § 140 Abs 3 S 1 SGB 7, § 3 Nr 1 SGB 4, § 4 Abs 1 SGB 4, § 14 S 1 SGB 1, § 15 Abs 2 Halbs 2 SGB 1, § 618 Abs 3 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 19.12.2013, Az. B 2 U 14/12 R (REWIS RS 2013, 103)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 103

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