Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.10.2013, Az. 27 W (pat) 38/13

27. Senat | REWIS RS 2013, 2023

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Bolschoi Staatsballett (Wort-Bild-Marke)" – die Berühmung einer staatlichen Trägerschaft ist bereits im Eintragungsverfahren zu prüfen


Leitsatz

Bolschoi Staatsballett

Anders als Firmenwahrheit und Berechtigung zur Namensführung ist die Berühmung einer staatlichen Trägerschaft bereits im Eintragungsverfahren im Rahmen des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG zu prüfen (Fortführung BPatG Beschl. v. 22.05.2012, 27 W (pat) 51/11 – St. Petersburger Staatsballett).

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 000 548.9

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] durch [X.] [X.], [X.] und [X.] k.[X.] am 14. Oktober 2013

beschlossen:

[X.] Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

I[X.] Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Markenstelle für Klasse 41 des [X.] hat die Anmeldung der Wort-Bild-Marke

Abbildung

2

vom 7. Januar 2012 mit [X.]üssen vom 19. November 2012 und vom 5. April 2013  zurückgewiesen, nämlich für

3

09 Bespielte Bildträger aller Art

4

35 Dienstleistungen einer Werbeagentur, Werbung, insbesondere Fernsehwerbung, Kundengewinnung und Pflege durch Versandwerbung (Mailing), Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen, Plakatanschlagwerbung, Planung von Werbemaßnahmen, Rundfunkwerbung, Sponsoring in Form von Werbung: Versandwerbung, Marketing (Absatzforschung); Verkaufsförderung (Salespromotion); Vermittlung von Verträgen für Dritte über den An- und Verkauf von Waren; Geschäftsführung für Künstler oder Ballettvereinigungen

5

41 Unterhaltung, kulturelle Aktivitäten, insbesondere Produktion von Ballett-, Theater- und Konzertaufführungen; Eintrittskartenvorverkauf (Unterhaltung); Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Ballett-, Theater- und Konzertaufführungen

6

45 Handel  mit Aufführungsrechten (Lizenzvergabe) für Ballett-, Theater- und Konzertaufführungen.

7

Dies ist damit begründet, dass "[X.]" eine täuschende Angabe sei, wie das [X.] zu "[X.]" entschieden habe.

8

Der [X.]uss ist der Anmelderin am 12. April 2013 zugestellt worden.

9

Mit ihrer Beschwerde vom 8. Mai 2013 wendet sie sich gegen die Wertungen der Markenstelle und verfolgt ihren Eintragungsantrag weiter.

Unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Amtsverfahren vertritt die Anmelderin die Auffassung, vergleichbare Voreintragungen, wie "[X.], "[X.]" und "Das [X.]" sowie weiterer entsprechender Marken rechtfertigten die Eintragung des angemeldeten Zeichens. Darauf sei die Markenstelle nicht eingegangen.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

die [X.]üsse der Markenstelle für Klasse 41 des [X.] vom 19. November 2012 und vom 5. April 2013 aufzuheben.

II.

Über die Beschwerde kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Die Anmelderin hat keine mündliche Verhandlung beantragt; der Senat hält sie auch nicht für geboten.

Die nach §§ 66, 64 Abs. 6 [X.] zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das angemeldete Zeichen mag mit dem Bildbestandteil und dem Wort "[X.]", das zwar auf russisch "groß" bedeutet, [X.] Verbrauchern aber als Name eines Ensembles bekannt ist, Unterscheidungskraft aufweisen und insbesonders für Dienstleistungen einer Werbeagentur, die Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen sowie Vermittlung von Verträgen nicht freihaltsbedürftig sein.

Da das angemeldete Zeichen den Bestandteil "[X.]" enthält, steht aber das Schutzhindernis aus § 8 Abs. 2 Nr. 4 [X.] einer Eintragung entgegen (vgl. [X.]uss des Senats zu "[X.]" und [X.] von 4. April 2001, [X.]/1999-1 – International Star Registry).

Die Prüfung ist insoweit auf ersichtliche Tatbestände beschränkt (§ 37 Abs. 3 [X.]), weshalb keine Benutzungsform denkbar sein darf, in der das Zeichen nicht täuschend wirken kann ([X.], 540, 541 - [X.]; [X.], 131, 134 - [X.] Volksbank), wobei es auf die Verhältnisse des Anmelders mangels Bindung der Marke an einen Geschäftsbetrieb nicht ankommt. Unternehmensbezogene Angaben können daher im Anmeldeverfahren keine Täuschungsgefahr bewirken. Ob die Benutzung einer Marke am Markt wettbewerbs- oder standesrechtlich ([X.]. v. 8.7.2003 - 33 W (pat) 186/01, BeckRS 2009, 00954 - Rechtsberatung) erlaubt ist, ist nach dort geltenden Vorschriften zu prüfen. Das gilt auch für die [X.] und für die Berechtigung zur Namensführung ([X.] 42, 275 (281) Nr. 4 - Fr. Marc; zu Bildern: [X.] 1999, 153 - [X.]; anders noch [X.] 31, 115 - [X.] & Jaymes).

Wo aber eine Marke beim Anbieter eine staatliche Trägerschaft erwarten lässt, muss schon im Eintragungsverfahren die Berechtigung dazu geprüft werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Anmelder keine Beziehungen zu staatlichen Stellen hat und es nicht ein (einziges) "[X.]" gibt.

Der [X.] und ihm nachfolgend das [X.] sahen einen Wettbewerbsverstoß durch Irreführung nach §§ 3, 5 Abs. 1 UWG darin, dass die Geschäftsbezeichnung "[X.]" geeignet ist, bei den Marktteilnehmern unzutreffende Vorstellungen über die geschäftlichen Verhältnisse hervorzurufen ([X.], [X.]. v. 29. März 2007 - [X.], [X.], 1079; nachfolgend [X.], [X.]. v. 19. Juni 2008 - 29 U 5133/03; [X.], [X.]. v. 11. Februar 2010 - I ZR 154/08, [X.], 759). Das [X.] hat  dementsprechend im Juli 2009 der [X.] per einstweiliger Verfügung verboten, die Bezeichnung Stadtwerke zu benutzen ([X.]. v. 9. Dezember 2008 - 3 O 10286/08, IR 2009, 40).

Derartige Berühmungen sind nur dann nicht irreführend, wenn die Verbraucher sie nicht ernst nehmen ("Lack-Doktor" für Kfz-Reparaturbetriebe; [X.] GRUR 1983, 135 - [X.]; [X.], 344 - [X.] bestes Einrichtungshaus; zum Verlust der Reputation des Professorentitels: [X.] GRUR 1992, 525; GRUR 1991, 144; GRUR 1989, 445; GRUR 1987, 839). Das [X.] spricht insoweit vom erlaubten Bereich der Suggestion ([X.], 332 - Vitalite). Nicht irreführend sind auch falsche, aber sinnlose Informationen. All dies trifft für "[X.]" jedoch nicht zu, da dieser Begriff üblich ist und die Verbraucher zu besonderen Qualitätserwartungen verleitet.

Damit ist diese Angabe dazu geeignet, das Publikum in seinen wirtschaftlichen Entschlüssen, wie dem Kauf einer Eintrittskarte und dem Besuch der Vorführung, zu beeinflussen.

Selbst in der Marke enthaltene aufklärende Zusätze würden eine registerrechtlich relevante Täuschungsgefahr nicht verhindern ([X.], 197 - Original Klosterpforte). Erst recht gilt dies für die stets denkbare Möglichkeit, die Marke mit einem die Täuschungsgefahr ausschließenden Zusatz zu benutzen ([X.] 1962, 50 - Ei-Nuss m. Anm. Heydt, [X.], 242). Selbst eine problemlose Benutzung in der Vergangenheit wäre nicht erheblich.

Die Feststellung der hier maßgeblichen "Ersichtlichkeit" stützt sich auf Erfahrungswissen. Sie ist - anders als die "Offenkundigkeit" im Sinne des § 291 ZPO - nicht durch Zeugenbeweis zu ermitteln ([X.] GRUR 2004, 244 – Marktführerschaft) und keinem Gegenbeweis zugänglich ([X.], [X.], 830, (833, 835); kritisch [X.], [X.] 1993, 1166 ff.). § 291 ZPO gilt nur für Tatsachen, nicht aber für Rechts- oder Erfahrungssätze ([X.] [X.], 830, 835). Für die Beurteilung des Zusatzes "Staats-" können [X.] das Verkehrsverständnis - auch im Kontext mit künstlerischen Darbietungen - aus eigener Anschauung beurteilen (vgl. [X.] GRUR 1992, 406 - Beschädigte Verpackung I; GRUR 1990, 607 - Meister-Kaffee; Teplitzky, GRUR 1992, 821, 826).

Für die Berücksichtigung der Irreführung durch Berühmung staatlicher Trägerschaft schon im Eintragungsverfahren spricht auch der Gedanke des § 8 Abs. 2 Nr. 6 [X.] sowie des Art. 7 Abs. 1 lit. h [X.], staatliche Hoheitszeichen vom Markenschutz auszuschließen, wenn kein Berechtigungsnachweis (§ 8 Abs. 4 S. 2 [X.], Art. 6ter Abs. 8 [X.]) vorliegt. Die strenge Regelung in § 8 Abs. 2 Nr. 6 [X.] umfasst auch "andere staatliche Hoheitszeichen im In- und Ausland", also [X.], die der Selbstdarstellung des Staates dienen, [X.] haben, die Würde eines Staates erkennbar machen ([X.], [X.]. v. 1.2.2005 - 33 W (pat) 342/01, BeckRS 2009, 15055 - Kampfschwimmer; [X.]H GRUR 2010, 45 Rn. 40  - [X.] Associates).

Darüberhinaus lässt sich auch aus den entsprechenden Voreintragungen kein Anspruch auf Eintragung der vorliegenden Markenanmeldung herleiten.

Es verbietet sich eine pauschale Betrachtungsweise, da jeder Fall gesondert unter Einbeziehung seiner Besonderheiten zu beurteilen ist.

Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist außerdem keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage, und selbst Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken führen daher nicht zu einem Anspruch auf Eintragung ([X.]H GRUR 2009, 667, 668 Rn. 18 - Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und Schwabenpost). Die Markenstelle hat sich damit ausreichend auseinandergesetzt und gezeigt, dass entsprechende Zeichen ebenfalls nicht eingetragen wurden.

Damit besteht auch kein Anlass für eine Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 [X.]).

Die Rechtsbeschwerde ist zu der bisher nicht höchstrichterlich entschiedenen Frage, inwieweit eine Berühmung staatlicher Trägerschaft bereits im [X.] verfahren nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 [X.] geprüft werden kann, zuzulassen (§ 83 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 574 ZPO).

Meta

27 W (pat) 38/13

14.10.2013

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.10.2013, Az. 27 W (pat) 38/13 (REWIS RS 2013, 2023)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2023

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